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36 - Zwei Menschen, eine Seele

So wie ich mich gern an diesen einzigartigen Tag meines Lebens zurückerinnere, freue ich mich über die Tatsache, dass Mikołaj trotz der ziemlich großen Distanz zwischen uns alle zwei Wochen zu mir fährt. Er übernachtet bei mir in der kleinen, aber bescheidenen Wohnung. Es ist eine zwei-Zimmer-Wohnung, sogar mit Balkon. Wo ich genau lebe? Ich habe mich im Viertel Schreventeich niedergelassen. Von hier bis zum großen Park sind es nur zwei Minuten. Ich kann vom Wohnzimmer aus direkt dorthin blicken. Mir ist es wichtig gewesen, dass ich eine eigene Garage bekomme. Da sind mir die fünfzig zusätzlichen Euro egal. Wenigstens weiß ich, dass mein Auto vor allem Übel geschützt ist.

Es hat sich eine Menge verändert. Ich schalte den Schaubsauger aus und lehne ihn an die Wand. Ich richte mich auf und begutachte den sauberen Flur. Gerade genug Platz für eine Kommode, einen hohen und einen niedrigen Schrank. Gehalten in einem robusten dunklen Holz. Von der Decke baumelt eine Lampe im grafischen Stil. Die halb verdeckte blanke Glühbirne passt dazu, wie ich erneut feststellen darf. Mein Vater, Jakub, Mikołaj und meine Mutter haben mir beim Einrichten geholfen. Ich habe selbstverständlich auch mit angepackt. Ganze fünf Wochen hat der Umzug gedauert. Na ja, da haben Renovierungsarbeiten angestanden. Der Boden ist hässlich und stellenweise kaputt gewesen. Jacek, ein sehr zuvorkommender und freundlicher Mann, hat sich um die ganze Elektronik, Malerarbeiten und um die Sanierungen gekümmert. Ich habe nicht schlecht gestaunt, wie vielseitig er begabt ist.

Meine Mutter und ich haben uns auf die Dekoration und die Möbel fokussiert. Modern, nicht zu minimalistisch und doch dynamisch. Alle meine Möbel sind aus diesem dunkelbrauen Eichenholz angefertigt worden. Der Boden im Flur aus schwarzem Laminat, ebenso im Wohnzimmer. Die kleine Couch dunkelgrau. Der Flachbildfernseher in der Anrichte logischerweise schwarz. Die Wände? Weiß. Außer im Wohnzimmer; hinter der Couch habe ich die Skyline von Berlin in Form eines Wandtattoos angebracht.

Ich mache kein Geheimnis aus der Sache. Die Wohnung ist nicht gerade billig. Knappe siebenhundertachtzig Euro. Ja, ich bin auf den Zuschuss meines Vaters angewiesen, weil die Lebenserhaltungskosten mein monatliches Budget strapazieren. Vom Auto muss ich erst gar nicht anfangen zu reden. Einen zusätzlichen Job will ich nicht annehmen – das Studium raubt mir ohnehin schon zu viel Zeit. Da bin ich froh, dass ich die Wochenenden mit Mikołaj verbringen kann. Oder mit meiner Familie, sollte mein Vater oder meine Mutter sich in der Nähe von Kiel aufhalten. Das kommt nicht selten vor. Gerade wegen Hamburg. Meine Mutter arbeitet dort bevorzugt.

So. Der Boden wäre sauber, die Schränke und Regale vom Staub befreit. Der letzte Part meiner Putzaktion. Pünktlich, denn mein bezaubernder Freund wird in wenigen Augenblicken vorbeikommen. Ich trage den Staubsauger in die mickrige Abstellkammer. Dort stapeln sich die Umzugskartons, die Reinigungsmittel, zudem steht dort der kleine Koffer. Ich drücke die weiße Tür zu und husche in die kleine Küche. Ich habe sogar einen eigenen Geschirrspüler. Auf den bin ich besonders stolz. Noch fünfzehn Minuten, dann wäre er fertig. Ich lehne mich an den Tisch, während ich mir ein Glas Wasser einschenke. Eine knappe Stunde für die gesamte Wohnung. Jedes Wochenende steht die Aktion an. Ich nippe am Glas, während ich aus dem Fenster schaue. Für Anfang Mai ist es ziemlich warm. Das Thermometer hat die einundzwanzig Grad angekratzt. Die Sonne hat sich vor die Wolken geschoben, und die Strahlen tanzen über das Glas hinweg. Ich blicke zum Altersheim, zu den Passanten unten auf der Straße, zu den Kinder hinten auf der kleinen Wiese und zu den Familien vor den gegenüberliegenden Wohnungen. Ein kleines Lächeln stiehlt sich auf die Lippen. Ich muss mit Mikołaj unbedingt eine Runde durch den Park drehen.

Und dann klingelt es. Ein hohes Läuten. Das Glas bleibt auf dem Tisch zurück, und ich verlasse die Küche. Muss nicht durch die Anlage sprechen. Ein kurzes Drücken, ich öffne die Tür und lehne mich an den Türrahmen. Ein stechender Geruch belastet den Hausflur. Hier wohnen insgesamt acht weitere Bewohner. Vorwiegend jüngere. Ich habe mit niemanden ein Gespräch gesucht – die meisten sind mir nicht sonderlich geheuer. Vor allem nicht diese Öko-Frau im Erdgeschoss. Ich schiebe meine Hände um die Rippen, als ich die entspannten Schritte von Mikołaj höre. Mein Herz schlägt automatisch höher, ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen.

„Jess, mein Engel", begrüßt er mich und holt mich unweigerlich zu sich. Ich schmiege mich an ihn. „Endlich." Er drückt mir einen liebevollen Kuss auf den Kopf. „Ist nicht leicht gewesen, einen Parkplatz zu finden." Mikołaj ist mit dem Corsa hier. Oder wie er das Fahrzeug auch gerne nennt: Blitz. Schwarz mit zwei breiten leuchtenden gelben Streifen auf der Motorhaube. „Aber wenigstens war die Fahrt echt entspannt." Ich suche seinen Blick, fange mir stattdessen einen Kuss ein.

„Eigentlich müsste es jetzt einfach sein, weil die meisten Anwohner in dieser Straße nicht zu Hause sind." Studenten, die die CAU besuchen, wohnen hauptsächlich in dieser Straße. „Na, Hauptsache, du hast einen gefunden." Ich löse mich von ihm und mache ihm bereitwillig Platz. „Du kommst gerade richtig; ich bin eben mit dem Putzen fertiggeworden." Mikołaj stiehlt sich an mir vorbei, ehe er sich aus der dünnen Sweatshirtjacke schält und aus den schwarzen Vans schlüpft.

„Kann das sein, dass du jeden Samstag putzt?", will der Zwanzigjährige von mir erfahren. „Immer dann, wenn ich hierherkomme, sagst du jedes Mal fast das Gleiche." Ich schließe die Wohnungstür und deute in das Wohnzimmer. „Wie man es nimmt. Vorhin ging mir ein Mann dezent auf die Eier, weil er meinen musste, sich blöd hinzustellen und mich dabei zu ignorieren." Mikołaj schüttelt sachte den Kopf. „Wenn die Kieler eins nicht können, dann ist es ordentlich fahren. Genauso schlimm wie die Hamburger oder Berliner." Er folgt mir in das Wohnzimmer. „Ich fühle mich jedes Mal wie zu Hause."

„Sagen wir: Fast jeder Großstädter kann nicht richtig Auto fahren." Ich setze mich dicht neben ihn hin, und der Pole legt beide Arme um mich. „Sollst du auch." Ein Lächeln entsteht, als mein Kopf auf seiner Brust ruht. „Wie geht es dir?"

„Ich kann mich nicht beklagen. Mir geht es ziemlich gut", antwortet er ausgeglichen und wandert mit den Fingerkuppen der rechten Hand über meinen Arm. „Hab' bloß etwas Hunger. Du hast nicht zufällig vor, heute Abend essen zu gehen? Ich lade dich gern ein." Ein leises Kichern meinerseits. „Auf Pizza hätte ich es Lust. Nein, warte. Lass' uns Griechisch essen gehen." Er schaut zum Fernseher. Ich habe ihn bisher nicht ausgeschaltet. In diesem Moment wird der Werbeblock eingeschoben. „Ich darf am nächsten Schuljahr teilnehmen, damit ich meinen Abschluss nachholen kann. Meine Mutter hat meine ehemalige Direktorin überzeugen können, mir eine zweite Chance zu geben. Ich soll bloß einen negativen Drogentest zum Schulbeginn nachweisen und ein Gutachten vorlegen, das beweist, dass ich seit einem knappen Jahr clean bin."

„Das ist doch super." Ich linse zu ihm. Eine glückliche Note fundamentiert die Stimme. „Also brauchst du deinen Traum nicht an den Nagel hängen."

„Ja, Gott sei Dank. Jevhen hätte mir sonst die Hölle heißgemacht." Mikołaj hat sich einen russischen Schriftzug auf den linken Unterarm tätowieren lassen. Dort, wie die fünf Linien die Haut zerstört haben. „Wie geht's dir? Was sagt das Studium?"

„Nicht nur er", murmele ich glücklich, „läuft bis jetzt ohne Probleme. Nächste Woche wird es mit der Themenvergabe der Hausarbeit losgehen. Ich kann bis jetzt den Überblick bewahren." Sie tut so gut, seine Nähe. „Du hast dich wohl an deinen Vater orientiert, was das Tattoo angeht, nicht wahr?"

„Jepp. Bei mir heißt es Treue, bei ihm Loyalität. Vom Kern her bedeuten beide Worte das Gleiche, und trotzdem unterscheiden sie sich." Man kann die Narben kaum erkennen. „Mein Glück ist, dass sie nicht empfindlich sind. Ich habe mir zum Glück nicht zu tief in den Arm geschnitten." Er vergräbt ein wenig seine Nase in meinen Haaren. „Ich mache sehr gute Fortschritte, was den Sport angeht. Mein Vater stopft mich quasi mit so viel Eiweiß voll, dass ich jetzt schon auf dem Stand von vor einem Jahr bin. Ich kann jetzt sogar hundertfünfundvierzig Kilo Kreuzheben betreiben und das ohne, mir den halben Rücken zu verrenken. Ich hätte echt nicht gedacht, dass der Aufbau so schnell sein würde."

„Also wenn ich ganz ehrlich bin, gefällst du mir jetzt viel besser."

„Ich weiß", gibt er gespielt arrogant zurück, „sonst würde man nicht auf mich abfahren." Ich verdrehe amüsiert die Augen. „Aber du bist meine Nummer eins. Die anderen können sich hinten anstellen und warten, bis sie graue Haare kriegen." Mikołaj kramt den Autoschlüssel und das Handy hervor. Legt die Gegenstände zu seinem Portemonnaie.

„Will ich hoffen. Ich brauche keine Konkurrenz." Ich schließe meine Augen. „Wie steht's eigentlich um deinen Bruder? Hab' ewig nichts mehr von ihm gehört."

„Łukasz ist ausgezogen", antwortet Mikołaj ruhig, und ich richte mich auf, blicke ihn überrascht an. „Na ja, das Verhältnis zwischen ihm und Papa hat sich wieder extrem verschlechtert, weil Papa ihn mit seinem Freund gesehen hat. Er hat sich eine Menge Vorwürfe und Beleidigungen anhören dürfen. Im Beisein seines Freundes." Eine dünne silberne Kette baumelt um seinen Hals. „Er hat wohl genug. Ich kann es ihm nicht verübeln. Wahrscheinlich hätte ich genauso reagiert, hätte ich einen Freund gehabt." Er erwidert meinen Blick. „Er besucht zwar noch die Schule in Łagów, aber wohnt in Żelechów. Ganz kleines Dörfchen. Handvoll Einfamilienhäuser und ein ziemlich heruntergekommener dreistöckiger Block." Mikołaj nimmt meine linke Hand in seine. „Da gab's für ein paar Tage ordentlich Stress zwischen Mama und Paps. Ich habe in meinen zwanzig Jahren noch nie erlebt, wie sie sich gegenseitig anschreien." Ein betroffener Funke glimmt in meinen Augen auf. „Es pegelt sich so langsam wieder ein. Ich meine, nach fast drei Wochen wird's auch so langsam Zeit. Habe schon überlegt, den Vermittler zu spielen."

„Nicht, dass Łukasz den Kontakt zu deinem Vater abbrechen will", murmele ich und verfolge das Geschehen im Fernseher. Irgendeine Trash-Serie von RTL II.

„Doch, das will er." Er seufzt kurz. „Das wünsche ich mir natürlich nicht. Gerade vor Łukasz' Outing bestand eine sehr innige Bindung zwischen ihnen. Es wäre sehr schade, wenn er sie einfach in den Sand stecken würde." Er berührt den Ring an meinem Zeigefinger. „Aber solange mein Vater immer noch die Ansicht hat, alle Schwulen wären Unmenschen ... Tja, dann wird's so darauf hinauslaufen."

„Aber du hast noch Kontakt zu ihm?"

„Zu meinem Bruder?" Ich nicke. „Ja, klar. Zwischen uns ist alles in bester Ordnung. Ich habe sogar seinen Freund kennenlernen dürfen. Ein netter Mensch. Ich sage dir, der sieht exakt wie ein typischer Russe aus. Sehr kurze Haare, diese breite Nase, der von Natur aus ausdruckslose Blick ... Und wie breit der ist, und der treibt keinen Sport. Voll irre. Man kommt niemals drauf, dass er vierundzwanzig Jahre alt ist. Der sieht wie Anfang dreißig aus." Ich räuspere mich amüsiert. „Harte Schale, weicher Kern. Das passt eins zu eins zu ihm."

„Oder wie Vater und der entfernte Sohn", spreche ich die Vorstellung aus, sodass Mikołaj kurzzeitig am Lachen ist.

„Das hast du jetzt gesagt", meint er belustigt. „Könnte trotzdem hinkommen. Wenn man eben viel Fantasie hat." Er gähnt. „Meine Fresse, das ist echt nicht gut, wenn man seit halb fünf wach ist. Ich glaube, ich penne dir nachher weg."

„Kannst du gerne tun." Ich klemme mir eine Haarsträhne hinter das Ohr. „Ach, übrigens, um noch einmal auf deine vorherige Überlegung mit dem Essen zurückzukommen: Ich kann gerne versuchen, einen Tisch zu reservieren. Ich habe auch Lust auf Griechisch. Wäre eine gute Abwechslung vom ganzen Gemüsezeug." Ich beuge mich zum Glastisch und greife nach meinem Handy.

„Gemüsezeug", wiederholt Mikołaj langsam, „mir würde es auf Dauer aus den Ohren kommen." Er beobachtet mich, wie ich nach einem passenden Restaurant suche. „Stimmt es, dass Elise in Lübeck studiert? Mein Vater hat mir erzählt, dass deiner gern dabei gewesen wäre, es aber irgendwie nicht ging. Hab' gerade vergessen, warum."

Restaurant Poseidon, das hört sich ansprechend an. Bevor ich auf den Hörer tippe, hebe ich meinen Blick vom Smartphone.

„Jepp. Ist seit September Kriminalkommissaranwärterin beim BKA." Ich grinse für einige Sekunden. „Das ist auch gut so, dass mein Vater bei der Vereidigung nicht dabei gewesen ist. Da waren immerhin Polizisten anwesend. Hätte sich nicht so gut gemacht, wenn ein gesuchter Drogenhändler, der sogar aus dem Knast ausgebrochen ist, dort aufkreuzt. Wobei ... Witzig wäre es schon gewesen." Sie hat mich eingeladen. Wir haben eine Menge Fotos geschossen. Zu schade, dass sie keine Uniform getragen hat. Dafür aber hat sie sich sehr ligiere eingekleidet und adrett hergerichtet.

„Ja, gut." Mikołaj schnaubt. „Wäre wie ein gefundenes Fressen für die gewesen." Er winkelt das rechte Bein an. „Oh ha, eine zukünftige Kripo-Beamtin. Schutzpolizei ist trotzdem besser." Gerade stelle ich mir vor, wie Mikołaj in einer Uniform aussähe – ich glaube, ich würde nicht mehr aufhören können, ihn ständig anzustarren. „Zu blöd, dass ich nicht die deutsche Staatsangehörigkeit habe. Bei der polnischen Polizei will ich nicht anfangen, obwohl die, was die rechtlichen Befugnisse angehen, um Welten besser aufgestellt sind." Ich würde nur am Sabbern sein. „Mh, was sagst du eigentlich zu siebzehn Uhr?"

„Wenn man eine halbe Krawallbürste wie du ist, finde ich diese Sparte auch besser. Nee, lass' mal. Elise ist bei der Kripo deutlich besser aufgehoben. Sie ist nicht so der Knüppelfreund." Mikołaj hebt beide Augenbrauen hoch. „Ich schaue, ob ein Tisch zu der Uhrzeit frei ist." Ich tippe auf den blauen Hörer. Halte mir das Handy an das Ohr. Es würde erst um halb drei schließen. Mittagspause. „Ja, schönen guten Tag, Evert mein Name. Ich würde gern einen Tisch bei Ihnen reservieren. Zu siebzehn Uhr." Im Hintergrund das rege Klappern und Klimpern von Geschirr. „Nicht? Welche Zeiten stünden denn noch zur Verfügung? Natürlich, das klappt auch. Ja, gern. Evert mein Name." Ich lächele. „Zwei Personen. Vielen Dank. Den wünsche ich Ihnen auch."

„Schade Marmelade. Hat wohl nicht geklappt?" Mikołaj steht auf. „Ey, ich brauche etwas zwischen die Kiemen. Ist es in Ordnung, wenn ich deinen Kühlschrank plündere?" Ich winke ab, und Mikołaj ist sofort verschwunden. „Danke!"

„Aber friss mir nicht die Schokolade weg. Die gehört mir!", rufe ich ihm lachend nach. „Achtzehn dreißig statt siebzehn Uhr. Du kannst dir gerne den Bauch vollhauen." Elise ist auf Instagram fleißig. Sie gehört zu den sehr wenigen Kandidaten, die ich kenne, die inzwischen über zehntausend Abonnenten haben.

„Logo. Die Massephase ist noch nicht abgeschlossen." Er kehrt ins Wohnzimmer. In einer Hand einen proteinrechen Schokoladenpudding, in der anderen einen Löffel. „Vor drei Monaten habe ich davon fünf an einem Tag gegessen." Er lässt sich auf die Couch plumpsen. „Łukasz hat mich damit gerne abgefuckt. Meinte immer, der sähe wie flüssige ..." Ich schneide ihm sofort das Wort ab, weil ich weiß, was nun kommen wird.

„Wehe, du sagst es. Nein, es sieht NICHT danach aus." Er dreht den Becher zu mir hin. Ich verdrehe die Augen. „Normaler Schokopudding." Dieses Grinsen von ihm. „Sag' es ..."

„Es sieht einfach genau wie Scheiße aus." Er lacht bei meiner Reaktion los. „Aber, es schmeckt."

„Mann, Miko. Wie alt sind wir? Sechs?"

„Zwölf", erwidert er ungerührt und beginnt zu essen. „Körperlich zwanzig, geistig zwölf. Da bin ich irgendwo hängengeblieben." Er schielt zu mir. „Vanille ist mir zu süß."

„Du bist trotzdem blöd." Ich seufze. „Iss deinen blöden Pudding."

„Werd' ich auch." Mikołaj lehnt sich zufrieden zurück. „Warum hast du eigentlich so viel Schokolade im Kühlschrank? Die würde ja locker bis Weihnachten reichen."

„Eigentlich müsstest du es am besten wissen."

„Nö. Klar, ich esse die gleiche. Aber das kann's nicht sein." Die Serie scheint ihn in ihren Bann geholt zu haben. „Gott, ist das schlecht gespielt. Ich kriege gleich einen Anfall."

„Für die schlechten Zeiten." Ich erhebe mich. „Will der werte Piccolo etwas trinken?" Mikołaj brummt bei dem ungeliebten Spitznamen los. Damit kann ich ihn erfolgreich aufziehen.

„Ah, jetzt habe ich es kapiert." Er leckt den Löffel ab. „Wasser, und nenn' mich nicht so. Ich hasse den."

„Ach, dann bleibt's bei Pico." Ich überhöre seinen Protest. Husche in die Küche und nehme ein zweites Glas aus dem Schrank. Sammele meines und die Flasche ein und suche wieder das Wohnzimmer auf. „Du hör' bloß auf, dich darüber zu beschweren. Ich finde den verdient. Immerhin warst du derjenige, der mich maulende Myrte genannt hat, nur weil meine letzte Periode so extrem war." Ich stelle die Sachen auf den Tisch. „Hier. Du kannst dir selbst 'was eingießen."

„Hab' ich ..." Er klappt den Mund zu. „Okay, kann sein, dass ich dich so genannt habe."

„Kann nicht sein, es war so", korrigiere ich ihn bestimmt. „Und das ist einer Gründe, weshalb ich mir in deiner Gegenwart nie so 'was erlaube. Du musst es immer ins Lächerliche ziehen."

„Musst du jetzt schmollen?" Mikołaj drückt den Plastikdeckel auf den Becher und balanciert den Löffel auf den Becher. „Brauchst du Schokolade?" Ich schnaube empört und verschränke die Arme vor der Brust. „Nee, ohne Scheiß: Hast du sie?" Er schiebt sich näher zu mir.

„Quatsch." Ein winziges Lächeln. „Wenn du bis nächste Woche bleibst, wirst du es merken, weil ich dich nerven ... oder wegen der Krämpfe halb am Sterben sein werde." Ich kuschele mich an ihn.

„Äh, darauf verzichte ich dankend", lehnt der Zwanzigjährige verschmitzt ab. „Ein andern Mal vielleicht."

„Wäre auch ratsam." Für einige Momente keine Worte. „Wie lange wirst du die Schule besuchen?"

„Bis ich einundzwanzig sein werde", antwortet er und krault meinen Rücken. „Ein Jahr kürzer als Łukasz, weil er einen speziellen Weg für sich ausgesucht hat." Ich konzentriere mich voll und ganz auf die Bewegungen. „Dann werde ich schauen, ob ich in diesem Bundesland einen Studienplatz für Rechtswissenschaften finden werde." Mir kommt es vor, als würde er zögern. „Ich würde gerne nächstes Jahr mit dir zusammenziehen sollen. Vorausgesetzt, ich finde einen passenden Platz."

Ich blinzele langsam.

„Also, ich sage es 'mal so: Wenn es bis dahin mit uns klappt und wir merken, unsere Beziehung ist für eine sehr lange Zeit bestimmt; warum nicht? Meine Wohnung wäre groß genug."

„Du hättest echt nichts dagegen?"

„Wieso auch? Es würde ein Jahr zwischen uns liegen. Da kann eine Menge passieren. Wir können die Beziehung in diesem Zeitraum sehr gut ein- beziehungsweise abschätzen. Genug Zeit zum Nachdenken und Entscheidungen miteinander abwiegen. Wir würden also nichts überstürzen."

„Hm. Eigentlich hast du recht." Sein Blick ruht auf mir. „Da kann wirklich eine Menge passieren ..."

„Ganz recht." Mir ist da gerade etwas eingefallen. „Hat Jevhen sich nur auf Rechtswissenschaften konzentriert?"

„Nee. Strafrecht und Wirtschaftsrecht. Da er gerade Ersteres als Schwerpunkt gewählt hat, wird's für mich ein kleiner Vorteil sein, denn ich will mich später auch aufs Strafrecht konzentrieren." Der Pole haucht einen sanften Kuss auf meinen Kopf. „Er hat mich schon vorgewarnt, dass das kein Zuckerschlecken wird. Is' mir auch selbst klar, hab' mich nämlich belesen. Und es wird eine Menge Zeit in Anspruch nehmen. Eben mit der Voraussetzung, nirgends durchgerasselt zu sein."

„Jetzt hast du mich neugierig gemacht."

„Soll ich dir etwas erzählen?"

„Liebend gern."

„Äh, na dann. Wenn alles klappt, dann würde ich gern in Kiel landen. Haut's nicht hin, dann eben in Heide. Ich rechne damit, dass ich mindestens zehn Jahre brauchen werde, bis ich alles durchhabe. Erstes Staatsexamen – das fußt auf das Rechtswissenschaftsstudium. Ja, so wie ich das richtig verstanden habe, wird danach ein zweijähriges Rechtsreferendariat folgen mit dem zweiten Staatsexamen. Dann folgt die Probezeit, dauert im Schnitt drei bis fünf Jahre. Und erst dann kann ich mich als Staatsanwalt bezeichnen. Sagen wir: Es wird verdammt lange dauern. Viel länger als bei Jevhen. Der is' ja in Anführungszeichen nur Rechtsanwalt."

„Du hast dir echt Großes vorgenommen. Zehn Jahre."

„Nicht das Studium bis zum ersten Staatsexamen. Das soll – ich habe mich für mich darauf eingestellt – sechs Jahre in Anspruch nehmen. Wie du siehst, muss man sich dafür begeistern."

„Du bist irre."

„Wann war ich das nie?"

„Gute Frage, nächste Frage." Ich spähe zum Fenster. „Tobias will auch Staatsanwalt werden. Im Gegensatz zu dir wird er sich in Hessen niederlassen. Dort sollen wohl die Aussichtschancen größer sein."

„Weniger Konkurrenz für mich."

„Bereitet dir das echt eine Freude, Gesetze zu studieren? Ist das nicht trocken wie Sau?"

„Ja, wenn du dich dafür nicht begeistern kannst, ist es klar. Dann würde ich mir das Buch nehmen und es achtkantig aus dem Fenster werfen", sagt Mikołaj gelassen. „Ich kriege davon aber nie genug. Nicht, seit ich bei Jevhen die ganzen Akten und Bücher gelesen habe. Er war nicht sooo begeistert, aber hat's gelassen genommen, zumal ich eh nichts verstanden habe. Es ist verdammt spannend, für was du alles verknackt werden kannst oder wo welche Lücken sind. Da gibt's stellenweise ziemlich witzige Gesetze."

„Witzig. Gesetze", fasse ich einige Worte erneut auf und stimme einen trockenen Ton an.

„Trockener Humor ist genauso speziell wie schwarzer. Nicht alle verstehen ihn", entgegnet Mikołaj lässig.

„Stimmt auch wieder." Er mustert mich glücklich. „Mal gucken, wie's nächstes Jahr aussehen wird." Ich sage nichts mehr. Eine Hand ruht auf seiner Brust. „Jetzt will ich erst 'mal das Wochenende mit dir genießen." Mikołaj drückt mich sanft an sich. „Mit meinem süßen Engel auf Erden."

Ich frage mich in dieser Sekunde, womit ich diesen wunderbaren Lebensabschnitt verdient habe. Nach jeder scheinbar beschwerlichen und nervenzerreißenden Bergfahrt wird die Sonne auf einen warten. Für jeden Menschen wird sie scheinen, denn niemand wird bis zu seinem Lebensende eine graue Wolkenmasse vor seinen Augen haben.

-

„Huch, Vorsicht. Das ist mein Haar. Au! Mikołaj, rutsch' 'rüber, du tust mir gerade weh." Gott, wie spät ist es eigentlich? Ich weiß höchstens noch, dass wir gegen halb elf das Lokal verlassen haben. Wie wir es geschafft haben, halbwegs unbeschadet nach Hause zu kommen, ist mir ein kleines Rätsel. Ich habe vier Ouzos getrunken, meine mehr oder weniger bessere Hälfte ganze sieben Stück. „Hallo? Du bist nicht betrunken, nur angetrunken. Außerdem bist du nicht gerade leicht. Du quetscht mir die halbe Brust ein." Nur die Lampe auf dem Nachtschränkchen ist angeknipst. Ich kann Mikołajs Gesichtskonturen wahrnehmen. Ich schiebe ihn auf die linke Seite, als er nichts getan hat. „Ich hab' gerade gar keine Lust, mich umzuziehen."

„Darf ich dich ausziehen? Dann musst du nichts machen." Die Zunge ist wohl etwas schwerer Worten. Nichtsdestotrotz kann ich die Worte ohne Schwierigkeiten verstehen. „Ich würde es hinkriegen. Wer schon im Vollsuff einem Mädchen den BH geöffnet hat, wird das hier mit links schaffen." Er stützt sich über mich ab, sodass er mir in die Augen sehen kann. Ich lächele automatisch los und lege meine Arme um seinen Nacken. „Weißt du eigentlich, wie hübsch du aussiehst? Wie ein süßer Engel. Ein unschuldiger Engel." Seine Lippen berühren meine Stirn. „Immer, wenn ich dich sehe, kann ich es nicht wirklich begreifen, dass du meine Freundin bist." Die Pupillen haben sich ein wenig geweitet.

„Danke." Ich erwidere den flüchtigen Kuss. „Kann sein, hat mir bisher niemand direkt gesagt." Glitzerndes Eis. „Ich schaff's auch selbst. Da brauchst du mir nicht behilflich zu sein."

„Sicher?", murmelt der Zwanzigjährige und berührt mit den Fingerspitzen die rechte Seite meines Halses. Ein eigenartiger Schauder breitet sich aus, und ich halte ein wenig den Atem an. Als würde ein Schmetterling mit seinem gebrechlichen Flügel über meine Haut streichen.

„Mehr als sicher." Als würde mich jemand steuern, neige ich den Kopf mehr zur linken Seite. Biete ihm mehr dieser empfindlichen Stelle an. Eine Sekunde schleicht sich lautlos an mir vorbei, als seine dunkelblonden Haare meine Wange kitzeln, als der Zwanzigjährige sich zu meinem Hals gebeugt hat und ihn mit federleichten Küssen eindeckt.

„Ich weiß ja nicht." Meine Hände ruhen unterdessen auf seinen Schultern. „Da gibt es sicherlich etwas, das sich lohnt zu sehen." Mikołaj sieht mich wieder an. „Erinnerst du dich noch an unser Gespräch Mitte letzten Jahres? Als wir uns zum zweiten Mal getroffen haben?"

„Daran kannst du dich noch erinnern?", frage ich amüsiert.

„Natürlich. Nur weil ich sieben kleine Ouzos getrunken habe, heißt das noch lange nicht, dass ich einen Filmriss habe. Du hast immerhin einen waschechten Osteuropäer vor dir."

Die Augenbrauen heben sich ein Stückchen hoch.

„Ich sage dazu nichts. Ja, daran kann ich mich noch sehr gut erinnern. Worauf willst du genau hinaus?"

„Ich habe dich gefragt, ob dir gewisse Erfahrungen fehlen." Also hat sich mein Gefühl nicht zu Unrecht zu Wort gemeldet. Er will diesen Schritt gehen, obwohl ich am Hadern bin. Ich bin mir sehr unsicher. „Und du es indirekt zugegeben." Ein stiller Blick von mir. „Weißt du? Ich finde, dass ist jetzt ein richtiger Zeitpunkt, dir diese Erfahrungen zu schenken."

„Jetzt." Ich schaue an ihm vorbei.

„Du hast Angst, nicht wahr?", spricht Mikołaj meine Befürchtungen aus, die ich über die anderthalb Jahre in mir herumgeschleppt habe. Ich will keine Bestätigung einräumen. „Hey, die brauchst du doch nicht zu haben. Völliger Blödsinn. Gerade das erste Mal ist das schönste." Er bekräftigt die Worte mit einem Lächeln.

„Ich habe da etwas anderes gehört", gebe ich undeutlich von mir.

„Und was? Dass du Schmerzen erleiden wirst? Dass der Partner doch nicht so vorsichtig ist, wie zunächst behauptet? Oder dass du nichts fühlen wirst und das Ganze einseitig sein wird?" Der Pole streichelt meine linke Wange. „Ist es das, was du gehört hast?" Ich zucke mit den Achseln. „Du vergisst, dass das alles individuelle Behauptungen sind. Nur weil sie es so erlebt haben, heißt das noch lange nicht, dass auch bei dir so sein wird. Du solltest es differenzieren. Ich will ungern von meinen bisherigen Erfahrungen Schrägstrich Feststellungen reden, die gesammelt habe: Kein Mädchen hat über Schmerzen geklagt, sondern hat mir nach dem Sex verraten, dass sie es sehr genossen hat. Sie hat nichts Unangenehmes gespürt." Ich verziehe sehr leicht den Mund. „Ich kann da noch so betrunken sein: Ich werde niemals rücksichtslos oder grob sein."

„Hm."

„Wenn du nichts willst oder magst, wird es nicht getan. Ganz einfach, denn mir ist es persönlich sehr wichtig, dass du es genießt und dich fallen lässt. Und wenn du nichts machst: Soll mir recht sein. Das Ganze sollte allerdings auf Vertrauen basieren." Er liegt zwischen meinen Beinen. „Meine Frage an dich: Wie sehr vertraust du mir?"

Ich brauche einige Augenblicke, um mir eine richtige Antwort zurechtzulegen. Für viele mag sie einfach sein.

„Sehr", wispere ich, „gerade mehr denn je." Die Augenlider senken sich halb, als seine Stirn meine berührt.

„Fühlst du dich denn bereit?" Kaum mehr als ein Flüstern. Ich nicke stumm. „In Ordnung." Ich muss irgendwann über meinen eigenen Schatten springen. Irgendwann ist man fähig, sich seinen Ängsten zu stellen. „Ich liebe dich, Jess." Worte, gesprochen mit dem Herzen. Sein Kuss, die Bestätigung. Ich gehe auf ihn ein. Lasse mich in eine andere Welt transportieren, in welcher ich auf Wattewolken schwebe. Mir ist warm, die Haut prickelt schwach, das Herz ist bereit, schneller in der Brust zu hüpfen. Mikołaj vertieft ihn nicht, wofür ich ihm mehr oder weniger dankbar bin. Er sucht seinen Weg zu der rechten Seite des Halses. Als würden schwache elektrische Impulse durch die dünne Haut dringen und meinen Körper zum kaum wahrnehmbaren Zittern veranlassen.

„Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass du mir so sehr vertraust", haucht Mikołaj, als er sich von meinem Hals abgelassen hat. Er richtet sich langsam auf. Seine Hände tasten sich zu dem Bund meines Shirts. Streichen zärtlich über meine Taille. Spielen mit dem Stoff des Kleidungsstücks. „Darf ich?" Er wartet auf meine Erlaubnis. Kein Wort, nur eine Geste. „Gut." Und dann sind seine warmen Hände unter das Oberteil geschlüpft und berühren meinen Bauch. Unbewusst zucke ich zusammen und halte die Luft an. Sehe die Decke an. Ein komisches Gefühl. „Alles in Ordnung?"

„Ja", antworte ich verhalten. Es ist schwierig, Worte aus mir herauszubringen. Sie würden diese einzigartige Atmosphäre nur stören. Nur seine Stimme nicht. Diese tiefe, liebevolle und angenehme Stimme, die mich beflügelt und die Gedanken und Ängste in meinem Kopf zurückdrängt.

Mikołaj sagt nichts weiter, schiebt das Shirt gemächlich nach oben. Ich weiß gar nicht, weshalb ich die Muskeln in meinem Bauch angespannt habe oder warum ich flacher als sonst atme.

„Lass' mich es dir ausziehen. Es stört nur." Er richtet meinen Körper vorsichtig auf, und meine Arme werden ausgestreckt. Ich sehe das schwarze Shirt lautlos zu Boden segeln. Plötzlich durchkämmt mich Unbehagen, als sein ruhiger Blick meine Brüste wahrnimmt. Ich schlucke leise und halte die Hände instinktiv vor der Oberweite.

„Es gibt nichts, weshalb du dich unwohl fühlen solltest", meint Mikołaj liebevoll und umfasst meine Handgelenke. Ein schwacher Widerstand wagt es, sich zu erheben. „Du siehst wirklich umwerfend aus, Jess. Weiß steht dir. Ein interessanter Kontrast zu deinen braunen Haaren und deinem Teint." Er weiß, wie er die Worte formulieren muss, damit der Widerstand vorsichtig beendet werden kann. Mikołaj führt meine Arme oberhalb meines Kopfes zusammen. „Ist der Verschluss vorne oder hinten?" Ob es mir zu schnell vorkommt? Ja, das tut es. Ich sage nichts. „Jess?" Er sucht meinen unruhigen Blick. „Hey, es ist alles gut." Er beugt sich zu mir herunter. „Oder möchtest du ihn öffnen?"

„Ich ... würde ihn gerne anbehalten wollen." Die Wangen färben sich rot. Ich drehe den Kopf nach links. Weiche seinem aufmerksamen Blick aus. „Irgendwie gefällt mir nicht die Vorstellung, entblößt unter dir zu liegen."

„Darf ich erfahren, warum nicht?"

„Ich fühle mich nicht wohl. Schieb's auf die fehlenden Erfahrungen."

Mikołaj setzt einen entscheidenden Konter: „Findest du nicht, dass du gerade deshalb diesen Schritt machen solltest? Damit du das Gefühl kennenlernst? Du kannst ihn immer noch anziehen, solltest du dich späterhin unwohl fühlen." Er zeichnet die dünnen Träger nach.

„Vorne", antworte ich kaum hörbar. Er umfasst mein Kinn, damit ich ihn ansehen kann. Die Antwort, ein Kuss. Mikołaj achtet darauf, meine Haut nicht zu berühren, als er den BH öffnet und die Träger von meinen Schultern streift. Er lässt das letzte Kleidungsstück des Oberkörpers zum Shirt fallen. Ich verschränke unweigerlich meine Arme vor den entblößten Brüsten. Schaue wieder weg.

„Du brauchst sie nicht zu verstecken", meint er lächelnd und zeichnet willkürliche Formen auf meine Arme. Meine gesamte Haut scheint sich nach seinen Berührungen zu sehnen, denn jeder Kontakt dringt so intensiv unter die Haut. „Du hast einen wunderschönen Körper. Für mich makellos und perfekt. Wie ein persönliches Kunstwerk, das nur ich sehen darf." Ich lasse zu, wie er die Arme wieder neben meinen Körper legt. Meine Wangen glühen. „Sage ich doch: Perfekt." Seine Lippen streifen mein Kinn, meine Wange. Berühren schließlich das Dekolleté. Zwei Küsse, jeweils eine Seite. Der Zwanzigjährige widmet sich ihnen nicht lange, wahrscheinlich weil er sich bewusst ist, dass ich vorerst nicht für mehr bereit bin. „Ich liebe deinen Bauch. Schön flach." Die Muskeln unterstehen einer instinktiven Anspannung, als er ihn mit federleichten Küssen eindeckt. Ich denke automatisch an Schmetterlinge. Jeder Flügelschlag lässt mich atemlos zurück – jedes Streifen bahnt sich tief unter die empfindliche Haut.

„Mikołaj?", wispere ich. Er hält inne. „Zieh' dein T-Shirt aus."

„Gern." Er lässt von meinem Bauch ab, umfasst den Saum seines Kleidungsstückes und zieht es sich schließlich aus. Es gleitet zum Boden. Er kann kein Grinsen verbergen, als ich ihn betrachte – dabei klemmt die untere Lippe zwischen den Zähnen. „Nur für dich, mein Engel." Ich kämpfe gegen den Drang an, meine Hand auf die stählenden Bauchmuskeln zu legen und sie nachzumalen. Er hat sich körperlich zum Positiven verändert. Man würde ihm nicht mehr ansehen, dass das PCP ihn physisch als auch psychisch beinahe zerstört hat.

„Du siehst verdammt gut aus", spreche ich die Worte schließlich aus. „Heiß."

Mikołaj lacht verhalten in sich hinein. Ich kann nicht den Blick von ihm lösen. Starre wie hypnotisiert seine breite Brust an. Mustere den starken Bauch. Die ausgeprägten Schultern, die dicken Ober- und Unterarme. Brenne zudem das russische Wort in mein Gedächtnis ein. Treue. Gegenüber sich, seiner Familie und mich. Ein Wort, das ihn definiert.

„Du kannst mich gerne anfassen, ich bin immerhin kein Ausstellungsstück, das man nur angucken darf."

„Später", sage ich etwas gezwungen und reiße den Blick von ihm los.

„Ganz, wie du meinst, mein Mädchen." Das Grinsen ist unlängst verschwunden. „Wie weit darf ich gehen?"

„Du ... kannst ruhig." Ich spreche es nicht aus. Mikołaj weiß etwas mit meiner unvollständigen Antwort anzufangen. Ich fixiere einen beliebigen Punkt an der Decke, als ich seine Hände am Bund der Jeans merke. Ein vorsichtiger Ruck, und er schiebt die Hose von meinen Beinen. Jetzt liege ich nur noch im Slip auf dem Bett und stelle fest, wie sich Unbehagen in mir ausbreitet. Es sucht sich einen Weg zu sämtlichen Facetten meines Körpers, will zu meinem Unterbewusstsein. Der Weg ist frei. Die Gedanken mischen sich unter die Ängste, die an Kraft gewinnen. Ich merke, wie die Wolke, auf der ich bisher geschwebt bin, beginnt, sich aufzulösen.

„Wie fühlst du dich?" Seine Stimme hört sich an, als würde Mikołaj nicht im Schlafzimmer verweilen. Ich habe ihn beinahe nicht verstanden.

„Unwohl", gestehe ich und zupfe am Laken.

„Was kann ich tun, damit du dich besser fühlst?" Wenn ich das wüsste. Ich kann nichts sagen. „Hm." Liebevolle Küsse, die nur einen Bruchteil der Ängste vertreiben. „Du bist dir ganz sicher, dass du das hier willst? Wir ..."

Ich schüttele sogleich den Kopf.

„Nein. Ich will nicht aufhören. Du ... du kannst weitermachen. Sei bitte nur vorsichtig."

„Wir können jederzeit aufhören", erinnert der Pole mich an die Worte, ehe er mir behutsam das letzte Kleidungsstück entfernt. Was für ein eigenartiges Gefühl. Es bestärkt das Unbehagen. Gerade bereue ich es, die Bettdecke zum Fußende geschoben zu haben. Er bewegt sich nichts. Nimmt sich einige Sekunden, um mich in Ruhe zu betrachten. Ich habe mich einzig und allein auf seinen trainierten Oberkörper fixiert. „Wunderschön. Perfekt in jeder Hinsicht." Er will, dass ich seinen Blick erwidere. „Ich mache kein Geheimnis aus der Sache: Es kann gut sein, dass du nachher einen leichten ziehenden Schmerz wahrnehmen wirst." Die Mundwinkel zucken. „Aber ich will versuchen, diesen Schmerz so erträglich wie möglich zu machen."

„Das heißt?", hake ich unsicher nach.

„Ich will dich entsprechend vorbereiten. Kannst du dir vorstellen, was ich damit meine?"

„In etwa." Er weiß natürlich nicht, dass ich seine Aussage nicht begriffen habe. Ich will jedoch nicht die Antwort hören. Hoffentlich durchschaut Mikołaj meine Lüge nicht. „Sei nicht so ... Pass' bitte auf."

Der Zwanzigjährige mustert mich genau, als müsste er meine Aussage analysieren und jedes einzelne Wort individuell bewerten. Die Stirn ist warm. Der Puls hat sich erhöht. Fast schon verdoppelt.

„Das werde ich tun." Seine Hände drängen meine Beine vorsichtig weiter auseinander. Ich will sie aneinanderpressen, allerdings bin ich fähig, diesen Drang zu unterdrücken. Die Fingerspitzen tasten sich über die Innenseiten der Schenkel hinweg. Ich zucke zusammen. Mikołaj behält mich genau im Auge. „Genieß' es."

Das habe ich mehr oder weniger getan. Ich habe mich am letzten Fünkchen Selbstvertrauen festgeklammert, allerdings habe ich gedroht, abzurutschen. Besonders dann, als er ohne Vorwarnung zwei Finger in mich geschoben hat. Da habe ich die ersten Schmerzen registriert. Die Lippen haben einem schmalen Strich geähnelt. Mikołaj hat mir immer die Zeit gegeben, um mich daran zu gewöhnen. Er hat sie behutsam gespreizt, sodass ich unbewusst seufzt habe. Den Schmerz habe ich irgendwie überspielen können.

Die Brust hat sich flacher gehoben und gesenkt. Die Augen sind geschlossen geblieben. Auch dann, als er sich über mich gebeugt hat. Nun ist er ebenso frei von Kleidungsstücken wie ich. Er hat die Arme um meine Schultern geschoben, und meine Fingernägel haben versucht, sich in seiner vorerst makellosen Haut seines oberen Rückens zu bohren.

Es rauschen viel zu viele Gefühle durch mich. Ängste konkurrieren mit der sehnsüchtigen Lust, welche das angenehme Pochen im Unterleib verursacht hat. Ich kann kaum einen klaren Gedanken fassen. Eigentlich bin ich dazu nicht mehr fähig. Alles hat sich nach Mikołaj ausgerichtet. Er ist mein Zentrum.

Er schaut mir tief in die Augen. Dann verstrickt er mich in einen langen Kuss. Er beginnt, sich mit aller Rücksicht in mich zu drängen. Da ist dieser Schmerz, vor dem er mich gewarnt hat. Ich breche den Kuss ab, zische leise los. Kneife die Augen zusammen und versuche vergeblich, keine Tränen sprießen zu lassen. Als würde etwas reißen. Ich bin mir bewusst, dass das nur der Anfang gewesen ist. Das eigentliche Ausmaß erwartet mich noch.

„Nicht weinen, Jess", wispert Mikołaj gegen meine leicht angeschwollenen Lippen und streicht die Tränen weg. „Nicht deswegen. Das ist kein Grund, deine wertvollen Tränen für diesen einzigartigen Moment zu verschwenden." Er tastet sich behutsam in die enge Weiblichkeit. Jeder Millimeter entlockt ein schmerzerfülltes Wimmern aus mir. „Ganz ruhig. Versuch', ganz entspannt zu sein. Je weniger Spannung, desto weniger Schmerzen." Er schenkt mir die Momente, um mich an das Gefühl zu gewöhnen. „So ist es richtig." Der Zwanzigjährige wagt ein Lächeln, ehe er den Versuch startet, mit mittels der Küsse von den ziehenden Schmerzen abzulenken.

Ich habe es irgendwie geschafft, die unangenehmen Leiden zu ignorieren. Sie sind im Verlaufe des Aktes von selbst verschwunden. Mikołaj hat Laute aus mir gelockt, die mir bis dato fremd gewesen sind. In meinem Unterleib hat sich ein dicker Knoten gebildet, der mit jeder Minute unerträglicher geworden ist. Meine sehnsüchtigen und lustvollen Laute haben ihn in Stimmung versetzt. Erst sind die rhythmischen Bewegungen vorsichtig und langsam gewesen. Sie haben an stetigem Tempo gewonnen. Und irgendwann hat er den Knoten gelöst. Das Pochen hat mich schließlich seinen Namen stöhnen und mich aufbäumen lassen. Die Fingernägel haben viele rötliche Linien auf seinen Rücken gezeichnet. Mikołaj hat sein Gesicht in meine Halsbeuge gedrückt, als er in Ekstase aufgegangen ist. Er hat sich auf mich gesenkt. Wir atmen flach, schnell. Die warmen, eng aneinander gepressten Körper von einem glänzenden Schweißfilm überzogen. Seine Arme liegen auf meinen zerzausten Haaren. Ich habe ein paar Mal gezuckt, als würden die letzten Wellen durch mich rauschen. Sie sind abgeklungen.

Ich lächele matt, drücke ihm einen erschöpften Kuss auf den Kopf. Mikołaj schweigt glücklich, als er sich schwerfällig von mir schiebt und sich erhebt. So, wie er ist, tappt er aus dem Schlafzimmer. Sucht vermutlich das Badezimmer auf. Ich richte mich langsam auf. Will soeben nach der Decke greifen, als mir der blutrote Fleck auf dem Laken aufgefallen ist. Ich kann den Blick nicht von ihm lösen. Laut gesellschaftlicher Werte bin ich nun keine Jungfrau mehr. Ich fühle mich reiner denn je.

Ich ziehe die Decke über meinen erhitzten Körper. Richte die Kissen so auf, dass mich an sie lehnen kann. Als Mikołaj wieder auftaucht, formen sich die Lippen zu einem Lächeln. Er huscht zu mir unter die Decke. Zieht mich halb auf sich, sodass ich seinem kraftvollen Herzschlag lauschen kann. Eine Hand ruht auf der anderen Hälfte seiner Brust.

„Wie fühlst du dich jetzt?", haucht der Pole und lässt die Decke auf Höhe meines Nackens sinken.

„Perfekt", wispere ich und heiße die angenehme Schwere willkommen. „Danke für diesen wunderschönen Moment."

„Ach." Er versteckt die Nase in meinen Haaren.

„Ich liebe dich." Die Müdigkeit macht sich bemerkbar. Müdigkeit und Erschöpfung – was für eine angenehme Kombination.

„Ich liebe dich auch, mein Mädchen." Worte, die mein Herz tief in sich verankert. „Schlaf' gut, Jess." Ein letzter Kuss, ehe er sich langsam hinlegt. Ich bleibe an ihm gekuschelt.

„Du auch, mein Schatz."

Mikołaj streckt sich zum Nachttisch. Die Dunkelheit bricht über uns herein. Der Verkehr draußen hat mächtig nachgelassen. Man kann manchmal die Leute hören, die sich zum Park begeben. Es dauert nicht lange, bis ich eingeschlafen bin und mich in meine Traumwelt begeben habe.

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