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32 - Es geht nicht mehr

Ich kann nicht mit der Gewissheit leben, dass Mikołaj wegen mir von der Schule geflogen und nun in Polen zurückgekehrt ist. Mir ist es egal, ob man mir weißmachen will, dass ich keine Schuld trage – Mikołaj hat sich unter anderem wegen mir diese gefährlichen Pillen eingeworfen, weil er nicht damit klargekommen ist, dass ich ihn nicht weiter beachtet habe. Dass ich seine Gefühle nicht erwidern kann und will. Er hat sich die letzten Wochen über völlig daneben benommen. Er ist doch derjenige gewesen, der gefühlt jeden Tag ein anderes Mädchen am Start gehabt hat. Ich habe ihm nur meine Lage zu verstehen gegeben. Ein tonloser Seufzer weicht mir von den Lippen. Ich streite es nicht ab – ich will ihn wiedersehen. Will ihn in meine Arme nehmen und ihn nie wieder loslassen. Und ihm sagen, dass ich seine Gefühle erwidere.

Na ja. Dazu soll es vorerst nicht kommen.

„Jess? Ist alles okay? Du siehst aus, als bist du wieder in deiner Welt." Łukasz mustert mich mit einem Hauch Besorgnis. „Worüber denkst du nach?" Wir sind draußen. Genießen den kalten Abend. Ich habe mir einen schwarzen Parka übergezogen, und trotzdem fühlt sich mein Körper an, als würde er binnen weniger Augenblicke der Kälte erliegen. Ich vergrabe die Nase ein wenig in den Schal. Es ist mittlerweile kurz vor neun Uhr abends. Der Verkehr hat zwar spürbar abgenommen, dafür jedoch hat sich die Anzahl der verrückten Fahrer erhöht. Ein Glück, dass die Straßen bisher von keiner dünnen Eisschicht überzogen sind. Ich behaupte, dass einige es darauf anlegen. Oder die kalte Jahreszeit nicht mitkriegen.

„Über deinen Bruder", antworte ich leise und forme die Hände zu Fäusten, stopfe sie tief in die Jackentaschen. Kalt bleiben die Hände trotzdem. Ich schätze, dass ich nicht einmal mein Handy richtig bedienen kann. „Ich mache mir Vorwürfe."

„Die brauchst du dir doch nicht zu machen." Warum habe ich mir solch einer Art von Antwort gerechnet? „Er hat sie vordergründig wegen seiner eigenen Dummheit genommen."

„Ich habe trotzdem einen Teil dazu beigetragen." In den Augenwinkeln sehe ich, wie Łukasz den Kopf schüttelt. „Das denkst du." Eine scharfe Windböe peitscht plötzlich durch die Straße. Ich kneife die Augen zusammen und verlangsame das Schritttempo. „Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn nicht lieben kann und werde. Ich habe gesehen, wie er es aufgenommen hat. Nicht gut." Wir gehen durch das Zentrum spazieren. Meiden so gut es geht die großen Kreuzungen und halten uns auf den beleuchteten Straßen auf. Die meisten Bäume haben ihre Blätterkleider abgelegt und schütteln sich nun entblößt in der Nacht. Als würden sie wegen der gemeinen Kälte erschaudern. „Dann habe ich mich nicht mehr bei ihm gemeldet." Komisch. Mit Elise habe ich diese Art von Gespräch nie so vertieft wie jetzt mit Łukasz. Es ist nicht so, dass Elise es nicht mag, wenn ich darüber rede. Sie begrüßt diese Art sogar. Wichtig sei für sie, dass ich rede. Nur ... Vielleicht liegt es daran, dass ich gerade einen direkten Verwandten von Mikołaj neben mir habe. Er weiß zudem, wie es um uns steht. Dass wir beide doch blind sind und uns nicht getraut haben, das Offensichtliche wahrzunehmen.

„Er hat sich halt blöd benommen. Du hast richtig reagiert", meint der Junge bestimmt. Da der Wind an unseren Haaren zupft, sieht Łukasz noch jünger aus als vorher. „Was hättest du sonst machen sollen? Wieder zurückkommen? Nein, das ist falsch. So hat Miko kapiert, dass er nicht Mädchen behandeln soll, wie es ihm passt. Er hat es lernen müssen." Er niest. „Mann, das ist echt kalt." Wir haben unseren Müttern noch nicht erzählt, dass Mikołaj von der Schule verwiesen worden ist und daher nicht mehr am Programm teilnehmen kann. „Wollen wir so langsam wieder zurück?"

„Findest du? Ich fühle mich immer noch schlecht." Ich nicke langsam. „Hm, ja klar. Dann müssen wir vorne bei der Ampel über die Kreuzung." Die meisten Passanten, die hier herumgeistern, kommen mir nicht sonderlich geheuer vor. Ich habe das Gefühl, dass abends besonders die Leute durch die Straßen wandern, die man tagsüber nie sieht.

„Das ist normal. Wer würde sich nach so einer Sache nicht schlecht fühlen? Ich meine, wenn ich Sajoscha genauso rund gemacht hätte und er sich nun mit Bier volllaufen lässt, würde ich mich genauso mies fühlen. Aber anders lernt er nicht, dass er sich falsch verhalten hat. Diese bittere Pille muss er einfach schlucken." Ich berühre den Schalter. Der Neunzehnjährige wäre weitergelaufen, hätte ich ihn nicht vorsichtig zu mir gezogen. „Ich glaube, du brauchst jetzt eine kleine Ablenkung, um auf andere Gedanken zu kommen. Ich finde es echt schade, wenn du traurig bist." Łukasz schiebt die Kapuze des weißen Pullovers auf den Kopf.

Es tut gut, mit jemanden über dieses Thema zu reden. Łukasz nimmt bereitwillig etliche Lasten von mir, nur damit ich besser durchatmen kann und den Gedankenwüst ein wenig auflockern kann.

„Eigentlich hast du recht ..." Die rote Farbe wechselt zu grün. Mir missfällt der S7-Fahrer, der mit dem Gaspedal spielt. Neben ihm ein schwarzer alter BMW, der wohl Gleiches praktiziert. Die haben sich bestimmt zu einem spontanen Beschleunigungsspielchen verabredet. „Wir können bald zu ihm, meint mein Vater. Na ja, wenn es ihm etwas besser geht." Das wird lange dauern. Bald – ein sehr dehnbarer Begriff. Und Łukasz scheint wohl Ähnliches wie ich zu denken.

„Das wird wohl noch etwas dauern", sagt er und zuckt ein wenig zusammen, als die beiden Fahrer die Motoren aufheulen lassen und lospreschen. „Warum macht man denn so einen Scheiß? Ich finde es schon echt schrecklich, wenn mein Vater so ein Scheiß macht." Łukasz schaut in die Richtung, in welche die beiden Fahrzeuge verschwunden sind.

„Hast du schon 'mal gesehen, wie er mit seinem Porsche fährt?", wende ich mich nun direkt an ihn. Das wäre beispielsweise ein Thema, das mich vom bisherigen Weg führen könnte. „Ich habe ihn bisher zweimal gesehen. Sonst nur im Internet." Also dem Irren will ich auf den Straßen nicht begegnen.

„Ich habe ihn ein paar Mal zur Werkstatt begleiten können. Aber da ist er normal gefahren. Normal nach polnischem Standard." Der große Parkplatz ist nahezu vollständig besetzt. Eine Handvoll verstreuter Laternen spenden Licht. Die meisten Parkplätze werden von Schatten eingedeckt. „Es ist ein ziemlich cooles Gefühl, wenn man schon drinnen sitzt. Du hast echt das Gefühl, dass du Herr der Straßen bist." Er beobachtet den Straßenverkehr. „Aber als irren Raser? Nie. Wie du hab' ich nur ein paar Nachrichten im Internet gesehen oder gelesen. Ich frage mich jedes Mal, wie er es schafft, den Wagen nicht zu schrotten. Die fahren ja teilweise so scheiße – ich wäre längst in die Leitplanke gefahren. Oder es gibt einen Tiefflug in den Straßengraben." Ein betrunkener Typ kommt uns entgegen. Er gibt irgendeinen unverständlichen Mist von sich. „Er macht es immer noch. Also fährt diese wahnsinnigen Rennen. Entweder fährt er dazu nach Poznań oder Bydgoszcz. So wie ich das richtig mitbekommen habe, fahren die durch die Zentren oder die Autobahnen entlang. Es ist unterschiedlich. Ich weiß nicht, wie die die Rennen organisieren. Mein Vater sagt nichts. Ich krieg's nur über die Medien mit." Er ist weg. Mehr oder weniger über die breite Straße gestolpert. Dass er damit den Verkehr teilweise behindert hat, scheint dem Typen nicht zu interessieren. Er ist sogar ein paar Mal angehupt worden. Wie er reagiert hat? Er hat lallend gebrüllt. „Bist du schon 'mal im Bugatti mitgefahren? Das stell' ich mir echt cool vor."

„Ein paar Mal schon. Als wir beide in den Kurzurlaub gefahren sind oder als der Wagen in die Werkstatt in Berlin gemusst hat. Aber so sinnlos mitgefahren noch nie. Er fährt keine Rennen mehr." Ich erinnere mich gerne an die Momente im Monster zurück. Selbst als Beifahrer scheint man die wilde Energie zu spüren. „Ja, das ist schon eine feine Sache, in so einem Sportwagen mitzufahren." Wir müssten noch gute zwanzig, dreißig Minuten gehen. „Fährst du eigentlich auch mit dem Audi?"

„Das glaube ich dir. Der Wagen ist immerhin eine ganz andere Hausnummer als der Neunhundertelfer." Łukasz gähnt tonlos. „Der hat immerhin unglaubliche tausendfünfhundert PS. Es gibt nur einen Wagen, der sogar mehr hat. Tausendsechshundert. Der ist auch von Bugatti." Der Junge schweigt für einige Sekunden. „Nein. Ich versuche, so oft es geht mit Mikos und meinem zu fahren. Ich mag es persönlich nicht, wenn ich ein schnelles Auto fahren soll. Ist schon mehr oder weniger schlimm genug, dass mein Vater den Corsa auf fünfhundertfünfzig PS gebracht hat. Eigentlich fahre ich gerne mit dem Motorrad. Miko und ich haben dafür auch den Führerschein." Ich hebe ein wenig die Augenbrauen. „Aber er ist nicht der Fan davon. Meinte, da passieren die meisten Unfälle, zumal Autofahrer die Motorradfahrer nicht ausstehen können."

„Mit was für eine Maschine fährst du?", will ich interessiert wissen.

„Eine Yamaha MT sieben", antwortet Łukasz lächelnd. „Mein Vater ist auch eine Weile mit der gefahren. Eigentlich ein echt gutes Motorrad – ich frag' mich immer wieder, wie man es nicht mögen kann, mit dem Teil zu fahren." Der junge Pole mustert für eine Weile die Füße. „Ist auch besser, wenn ich zu Sajoscha fahren will. Er wohnt in einem Gebiet, wo Parkplätze generell Mangelware sind." Er umklammert mit der rechten Hand den Kragen seiner Jacke. „Die ist zum Glück nicht aufpoliert. Mein Vater traut sich nicht an Motorräder heran."

„Er hat mich sogar gefragt, ob mein Auto mehr Leistung haben will", werfe ich amüsiert ein. „Würde mich nicht wundern, wenn der Bugatti plötzlich zweitausend PS hat."

„Wenn ich du wäre, würde ich ganz schnell Nein sagen, denn wenn er einmal angefangen hat, wird er nicht mehr aufhören." Łukasz lacht leise. „Zweitausend PS. Natürlich. Was kostet schon das Auto?" Er hat den Blick von einem der drei Mädchen erwidert, die uns entgegengekommen ist. „Weißt du, was ich echt schön finde? Dass dein Vater kein Problem hat, dass ich schwul bin. Gerade bei ihm habe ich gedacht, das würde eine ... na ja, eben ein Problem sein."

Ich vollbringe eine wegwerfende Handbewegung.

„Ach, Quatsch. Warum auch? Nur weil du jemand deines Geschlechtes liebst, heißt das noch lange nicht, dass du krank seist oder ein Unmensch." Die dunkelblaue Jeans sitzt relativ eng an seinen dünnen Beinen. „Das hat er sehr schnell und früh verstanden." Ich berühre seinen linken Arm. „Es ist nur schade, dass dein Vater diese Einsicht nicht hat."

„Und da soll man mir noch 'mal sagen, der böse, böse Larkin wäre ein abgrundtief schlechter Mensch." Einige Falten suchen sich einen Weg über meine Stirn. Kein Kommentar meinerseits. „Bei mir redet man noch viel über Kaden und meinen Vater. Deshalb die Aussage." Kein Wort von mir. „Tja, man kann es leider nicht ändern. Ich muss es hinnehmen. Klar, es ist schön, dass er sich etwas gebessert hat, nur ... Ich soll in seiner Nähe darauf achten, dass ich nicht zu einem Mädchen werde." Ich schnaube leise. „Schmuck weglassen. Die Sachen auch. Ja, ich oute mich: Ich trage sehr oft Klamotten aus der Mädchenabteilung. Ich mag vor allem die Schnitte der Hosen. Und einige Pullover sind echt kuschelig." Łukasz betrachtet die Ringe an seiner linken Hand. „Ich habe immer noch meine Mutter, die mich zum Glück in jeder Hinsicht unterstützt. Und Miko, wenn es mir schlecht geht."

„Also bin ich jetzt ein Kerl, nur weil ich Klamotten von Jungs trage und sie auch kaufe?", frage ich, und Łukasz kichert. „Gut, sehr schön zu wissen. Nenn' mich ab heute Jasper. Du kannst deinem Bruder ausrichten, dass er ab heute auf einen Typen steht."

„Ich muss schon sagen, Jasper, du siehst echt gut aus", geht Łukasz auf dieses Spielchen ein und räuspert sich amüsiert. „Zu schade, dass ich vergeben bin; du könntest glatt auf meiner Liste stehen." Ein belustigter Laut meinerseits. „Miko würde mich umbringen, wenn ich ihm sage, dass er auf Kerle steht. Hab' ich dir schon erzählt, wie jemand aus unserer alten Schulklasse auf ihn stand?" Ich schüttele den Kopf. Ein neugieriger Funke schimmert in den braunen Augen. „Kuba hieß er. Der stand auf meinen Bruder. Erst hat er mich gefragt, wie es um ihn steht. Du hättest mein Gesicht sehen müssen, als er mir das gebeichtet hat. Ich hab' Miko natürlich nichts erzählt. Ich hab' also geantwortet, dass Miko alles andere als schwul oder bi ist. Er soll vorsichtig sein, wie er sich in der Nähe meines Bruders verhält. Zu dem Zeitpunkt hat Miko Schwule, Lesben und die anderen Angehörigen nicht ausstehen können. Tja, Kubas Fehler war – das war nach Abschluss der zehnten Klasse – dass er zu ihm ging. Miko und er waren echt betrunken. Ich mach's ganz kurz: Kuba hat ihn geküsst. Und Miko ist ausgerastet, das kannst du dir gar nicht vorstellen. Er hat Kuba ziemlich übel verprügelt. Die Nase war danach angebrochen. Kuba hat nach dem Vorfall die Schule gewechselt. Irgendwo auch verständlich, denn komischerweise konnte er sich an den ungewollten Kuss ziemlich gut erinnern. Bis zu meinem eigenen Outing wollte er jeden verprügeln, der auch nur annähernd schwul oder lesbisch aussah. Gott sei Dank ist er nicht mehr so."

„Ich will nicht fies sein: Er hat gewusst, dass Miko nicht schwul ist."

„Ich weiß schon, was du sagen willst, und der Ansicht bin ich auch. Ich hab' ihn mehrfach gewarnt und gesagt, dass er sich lieber an jemand anderes halten soll, denn Miko wird nie und nimmer seine Gefühle erwidern." Łukasz zuckt mit den Schultern. „Ich hab' noch Kontakt mit ihm. Er ist nach Wrocław gezogen. Hat sogar die eine oder andere Beziehung geführt. Leider kommt er nicht über Miko hinweg." Die Straße dehnt sich mehr aus. Wir können ohne Probleme nebeneinander her gehen. „Manchmal nervt es mich, wenn er mich wegen ihm vollheult. Ich kann's nicht ändern, aber irgendwie kapiert er das nicht."

„Bei einem dauert es etwas länger als beim anderen", murmele ich, „er wird schon darüber hinwegkommen."

„Natürlich. Man kann ein Leben lang keinem Menschen hinterher trauern. So eine starke Abhängigkeit zeigt kein Mensch." Er richtet sich mehr auf. „Ganz unter uns: Ich hab' mir manchmal vorgestellt, wie Miko mit einem anderen Typen zusammen ist. So schlecht ist die Vorstellung nicht."

„Soll ich mir jetzt Sorgen machen?", gebe ich scherzhaft zurück.

„Nee, da kann kein Typ mithalten, Jasper." Sein warmes Gelächter steckt an. „Es ist schon okay so, wie es jetzt ist. Miko braucht dich und ist mit dir am glücklichsten." Er denkt nach. „Zumal mein Vater uns freiwillig zur Adoption hätte freigegeben, wenn er herausfindet, dass Miko auch noch schwul ist."

„Also bei mir ist noch Platz", gebe ich beiläufig zurück.

„Du kannst gerne Miko haben; ich werde bei Sajo bleiben", erwidert Łukasz amüsiert.

„Dann lieber nicht – mein Vater wäre nicht wirklich begeistert." Ein Lächeln bleibt auf den Lippen sitzen. „Wobei: Die Vorstellung ist schon süß, wenn er einen Typen an seiner Seite hätte. Am meisten jemand, der ähnlich gestrickt ist wie du."

„Ah, du meinst bestimmt: Kindisch, schusselig, naiv und so? Durfte ich mir schon von Sajo und seinen Freunden anhören."

„Jepp. In die Richtung."

„Dann ist Miko derjenige, der sozusagen der Kerl in der Beziehung ist", führt Łukasz den Gedankengang weiter aus. „Oh, Mann. Wenn er hört, worüber wir gerade reden ..."

„Er kann es ab", werfe ich galant zurück.

„Da wäre ich mir nicht so sicher", erwidert Łukasz etwas ernst. „Aber egal." Er grinst bei meiner Reaktion los. „Ich kenn' diesen schrecklichen Sänger auch schon. Ein Wunder, dass der Name in meinen Reihen bekannt ist."

„Jetzt ohne Scherz?", hake ich lachend nach.

„Wenn die ein deutsches Wort kennen, dann ist es egal." Er hakt sich bei mir unter. Elise und ich schlendern so gerne durch die Straßen von Fürstenwalde. Oder durch Berlin. Wir gehen teilweise auch so weit, dass wir uns an den Händen halten und so den Eindruck machen, wir wären ein Pärchen. „Und wenn sogar Sajo dieses Wort sprechen kann, dann mag das 'was heißen."

„Der Typ stirbt wohl nie aus." Łukasz hat sich einen besonderen Platz in meinem Herzen erobert. „Ich hätte eine Frage: Wann wirst du Elise wiedersehen?"

„Höchstwahrscheinlich am Freitag. Sie will bei mir bis Sonntag übernachten." Ich lächele. „Warum? Möchtest du sie wiedersehen?"

„Sonst hätte ich nicht gefragt. Ich mag sie ziemlich. Also ... Darf ich am Wochenende auch zu dir? Vorausgesetzt, ich werde im Laufe der Woche wieder nach Hause fahren."

„Du bist hier jederzeit willkommen", gebe ich erfreut zurück. „Da wird sie sich freuen. Elise hört es immer gern, wenn man ihr sagt, dass man sie lieb gewonnen hat."

„Perfekt."

___

Wir haben eine halbe Stunde gebraucht, um nach Hause zu kommen. Was habe ich die Wärme begrüßt, als wir ins Haus gegangen sind. Ich habe meine Mutter gesehen, wie sie das Feuer im Kamin mit Holz gefüttert hat. Łukasz und ich schlüpfen aus unseren Jacken und Schuhen und suchen die Küche auf. Sarah und meine Mutter haben es sich im Wohnzimmer gemütlich gemacht. Das Licht ist gedimmt. Auf den Schränken und Tischen flackern Kerzen. Ich fühle mich unweigerlich geborgen und behaglich.

„Zitronentee", antwortet Łukasz, nachdem ich ihn gefragt habe, was er trinken möchte. „Ohne Zucker." Er hat einen Platz auf einem der Hocker bezogen und hat das Smartphone hervorgeholt. „Nimm die größte Tasse, die du hast." Er wird konzentriert, als die Finger über das Display fliegen.

„Trinkst du echt einen Liter ... Gut, ich frage nicht weiter." Ich erhebe mich auf die Zehenspitzen und hole zwei Tassen aus dem Schrank. Ich wollte gerade Łukasz fragen, was er nun vorhat, allerdings erstirbt die Frage, als ich sehe, wie er sich das Handy an das Ohr hält.

Und sofort scheinen sich sämtliche entspannte Gesichtszüge verhärtet zu haben.

„Wie kann das sein, dass du mich anrufst? Ich dachte, sie hätten dir alle Sachen abgenommen?" Ich lasse den Wasserkocher zurück auf seinen ursprünglichen Platz sinken. Ohne ihn anzuschalten. „Wie normal? Was meinst du damit?" Es bestehen keine Zweifel; er telefoniert mit Mikołaj. „Papa ist bei dir? Ach so, okay." Ich geselle mich schweigend zu ihm. „Wie geht es dir?" Łukasz lässt das Handy sinken und schaltet es in den Freisprechmodus um. Legt das Gerät auf die Oberfläche der Zeile.

„Sie haben mir ein Gegenmittel verabreicht. Es soll wohl noch zwanzig Minuten wirken. Bisher habe ich mich beherrschen können. Es geht. Etwas." Es ist eigenartig, seine Stimme zu vernehmen. Ein fremder Druck beginnt, meine Brust zu belasten. Ich schnappe tonlos nach Luft. „Mir geht es beschissen. Es tut alles weh. Ich will einfach nicht mehr." Etwas raschelt. „Es soll aufhören." Es tut im Herzen weh, ihn so zu hören. Ich senke ein wenig den Blick. Łukasz sieht mich still an und hebt ein wenig den linken Arm. Ich lehne mich an ihn. „Es tut aber gut, dich zu hören. Gibt mir etwas Kraft."

„Du musst versuchen, durchzuhalten", murmelt Łukasz leise, „du bist immerhin stark, Miko."

„Hm, körperlich vielleicht", entgegnet er, und ich kann mir sein trauriges Lächeln vorstellen. „Ich bin immer noch nicht über sie hinweggekommen, weißt du? Papa meinte, dass ich mit dir telefonieren sollte, einfach um auf andere Gedanken zu kommen." Nein. Das glaube ich nicht. Ich gehe eher davon aus, dass Jakub weiß, dass ich mich gerade bei Łukasz aufhalte. Will er etwa, dass wir unsere Gefühle offenlegen? Wäre es persönlich nicht besser? Na ja, eigentlich ist jeder Schritt in die korrekte Richtung notwendig. „Es tut, wie gesagt, gut, dich zu hören."

„Du liebst sie wohl immer noch sehr, hm?"

„Nach wie vor, und ich hasse mich dafür, dass ich sie wie der letzte Dreck behandelt habe. Nur weil ich Arschloch Angst vor der Verantwortung habe." Das hat er schon einmal gesagt. Vor einigen Monaten, als ich ihn zum zweiten Mal besucht habe. „Ich will's gerne rückgängig machen. Das würde mir zumindest einen Teil der Last abnehmen." Jakub scheint etwas zu sagen. „Ich weiß selbst, dass ich viele Fehler gemacht habe. Das brauchst du mir nicht zu sagen. Ist schlimmer geworden, als ich auf die Idee gekommen bin, diese Scheißdrogen zu schlucken."

Diese Beichte von ihm zu hören, macht mich sprachlos. Ich realisiere gar nicht, wie eine einsame Träne die linke Wange herabläuft. Mein Herz schreit nach ihm, und nur er kann diesen irren Sturm bändigen. Ich schaffe das nicht allein.

„Was würdest du sagen, wenn ich dir sage, dass Jess dich auch liebt?", fragt Łukasz.

Mikołaj schnaubt leise.

„Was soll ich schon sagen? Gar nichts, weil ich weiß, dass sie mich in den Wind geschossen hat. Sie kommt nicht mehr wieder. Ich hab's ziemlich verbockt." Er hört sich an, als wäre er den Tränen nahe. „Der Herzschmerz verschlimmert die psychischen Schmerzen. Ich werde noch irre."

Ich raffe mich auf. Klammere mich an den letzten Rest Willenskraft fest.

„Mikołaj?", erhebe ich meine dünne Stimme. Keine Antwort. Als würde ich mich allein in einem leeren Raum aufhalten. „Łukasz hat mir alles erzählt. Ich, ähm ... habe auch mit deinem Vater gesprochen. Ich bin nie über dich hinweggekommen. Ich kann das nicht. Ich habe meine Worte sofort bereut, als ich dir gesagt habe, dass ich dich nicht lieben kann und werde und dass ich dich nie wiedersehen will. Das ist alles Blödsinn." Ich streiche mit dem rechten Handrücken die Tränen fort. „Ich habe erst gedacht, du würdest mir irgendeinen Scheiß auftischen, als du mir gesagt hast, dass du mich liebst. Du warst ziemlich betrunken." Was bin ich froh, dass Łukasz gerade anwesend ist. „Dein Vater meinte, dass dir alles leid tue. Łukasz vor einigen Tagen auch." Ich forme die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. Weiterreden erfordert viel Kraft. Kraft, die ich fast nicht mehr habe. „Ich liebe dich, Mikołaj. Ich habe seit dem ersten Tag nie aufgehört. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich in den letzten Wochen nach dir gesehnt habe. Es ging manchmal so weit, dass ich mitten in der Nacht heulend aufgewacht bin, weil ich dich vermisse." Łukasz drückt mich behutsam an sich und wandert mit der Hand über meinen Rücken. „Ich kann die Gefühle für dich nicht mehr unterdrücken. Sie werden mit jedem Tag stärker. Genauso wie die Sehnsucht nach dir."

Jetzt ist es raus. Und trotzdem fühle ich mich nicht leichter. Im Gegenteil. Die Last scheint sich verschlimmert zu haben. Meine Finger bohren sich ein wenig in den weißen Stoff von Łukasz' Pullover. Die Sicht verschwimmt zunehmend.

Mikołaj sagt nichts, allerdings höre ich ihn leise schniefen. Sekunden der Stille verstreichen. So wie Łukasz mir den wertvollen Trost spendet, ist Jakub gerade für Mikołaj da. Ich schätze, dass wir ohne sie längst unter dem Druck der Gefühle zusammengebrochen wären.

„Jess", haucht er nahezu atemlos.

„Ich habe alles gehört", bekräftige die vorherige Aussage und schluchze leise, „ich mache mir Vorwürfe. Ich habe teilweise Schuld an deiner jetzigen Lage."

„Nein, hast du ... nicht." Mikołaj atmet laut aus. „Wirklich nicht. Ich ... allein." Er schluckt laut. „Ich habe es zu spät mitgeschnitten. Es tut mir alles so leid." Er hört sich reuevoll an. „Ich wollte dich nicht verletzen oder dich wie der letzte Dreck behandeln. Mir ist das nicht klargeworden, dass ich mich in dich verliebt habe." Die Stimme bricht ab. Er wimmert plötzlich hörbar los.

„Mikołaj?", frage ich besorgt nach. Das Wimmern bringt undeutliche Worte hervor. „Was sagst du da?"

„Scheiße, nein", höre ich plötzlich Jakub sagen. „Ganz ruhig, Kleiner." Dann ist es vorbei. Es tutet. Wie sehr ich dieses Geräusch nicht ausstehen kann. Ich kann dieses Tor nicht mehr zudrücken. Dieses Wasser explodiert förmlich in den leeren Raum, sodass ich gnadenlos mitgerissen werde. Ich verstecke das Gesicht in Łukasz' Pullover und lasse den Tränen freien Lauf. Klammere mich förmlich an den Jungen, der wortlos beide Arme um mich gelegt hat und mich sehr nahe bei sich behält. Der Druck lässt kaum nach. Mir fällt das Atmen schwer.

„Er braucht Zeit", wispert Łukasz. „Ihm wird es bald besser gehen. Dann werdet ihr vereint sein." Die Fingerkuppen wandern behutsam über den Rücken hinweg. „Ihr gehört zusammen." Ich habe von der Anwesenheit meiner Mutter keine Notiz genommen. Sie kommt zu uns. Łukasz schildert ihr kurz, was gerade vorgefallen ist. Allein sein Name reicht aus, um den Tränenfluss stärker fließen zu lassen. Ich heule Rotz und Wasser. Und warum? Weil die Gefühle auf Zweifel, Vorwürfe und Gedanken stoßen und nicht dagegen ankommen und mich begraben wollen. Ich habe keine Kraft mehr. Sie ist verschwunden. Wieder werden Tage ohne Mikołaj vergehen, und ich werde schon wieder gegen diesen unerträglichen Sturm vorgehen müssen, dem ich nicht gewachsen bin.

Es geht nicht mehr. Ich kann diese verzweifelte Verteidigung nicht mehr aufrechterhalten. Sie droht ohnehin schon, zusammenzubrechen. Ich will aufgeben, aber paradoxerweise hält gerade Mikołaj mich davon ab. Seine Beichte hat mich aufgefangen und mich aufgerichtet. Aber Kraft hat sie mir nicht verliehen. Die werde ich nur erlangen, wenn ich Mikołaj in meine Arme nehmen kann und ihn für eine ganze Weile nicht mehr loslassen werde.

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