27 - Kontakte
Jakub ist tatsächlich mit seiner Familie zu uns gekommen. Na ja, okay. Oliver ist in Berlin geblieben. Seit einigen Stunden, so hat Jakub es uns mitgeteilt, befände sich Mikołaj wieder bei ihm. Eingesperrt. Oliver hat auch berichtet, dass der tobende Neunzehnjährige etliche Gegenstände wegen seines Rauschs zerstört hat. Mehr hat er nicht geschildert – Oliver würde es schon irgendwie hinkriegen, ihn unter Kontrolle zu halten. Jakub hat ihm erlaubt, zu drastischen Maßnahmen zu greifen, sollte es nicht mehr anders gehen.
Łukasz sieht ganz anders aus, als ich ihn mir vorgestellt habe. Der Zwillingsbruder von Mikołaj und dann doch wieder nicht. Die similären Gesichtszüge, die gleiche Haarfarbe, ja beinahe die gleiche Stimme. Bei ihm aber ist sie eine winzige Nuance höher angesiedelt; man muss sehr genau hinhören, um den Unterschied zu bemerken. Die größte Differenz aber: Łukasz ist dünn. Nicht schlank, sondern dünn. Probleme mit dem Essverhalten hat er nicht, dafür hat er beim Abendessen ordentlich zugelangt und viel zwischendurch gegessen. Auch jetzt, während wir auf der Terrasse sitzen. Meine Mutter und ich haben zusätzliche Stühle nach draußen gebracht. Er wirkt introvertiert, mehr für sich. Die Haare, total verwuschelt, hängen ihm zum Großteil ins Gesicht. Seine Gestalt geht in dem Pullover unter. Wir beide teilen uns die schmale Bank, während mein Vater und Jakub auf der Couch Platz genommen haben. Sarah und meine Mutter sitzen auf den Stühlen. Seit fast zwei Stunden geht es um nichts anderes als Mikołaj.
Ich beschließe, nach drinnen zu gehen. Frage Łukasz, ob er eventuell mitkommen möchte. Ein bloßes Schulterzucken, und wir stehen auf. Mein Vater bemerkt uns, steuert aber keinen Kommentar bei. Sie führen eine Diskussion über die Entscheidung, welchen Weg sie gehen wollen. Ich schwebe förmlich in die Küche. Wobei – eigentlich könnte man auch hier bleiben. Der Neunzehnjährige steht etwas unbeholfen herum. Ich deute zu den hohen Hockern.
„Willst du etwas trinken?"
Er lässt sich auf dem Hocker nieder. Faltet die dünnen Finger ineinander.
„Hast du Cola?" Seine klaren eisfarbigen Augen nehmen mich wahr.
„Ja, klar." Ich gehe in die Hocke und öffne einen der Schränke. Nehme die halbvolle Flasche an mich und hole ein Glas aus dem gegenüberliegenden Schrank. „Hier." Ich stelle beides vor ihm ab und setze mich neben ihn.
„Danke dir." Seine Aussprache ist gebrochen. Ihm fällt es bedeutend schwerer, sich mit mir zu verständigen. „Ähm, falls du mich nicht ... wirklich verstehst, dann sag' Bescheid. Ich werd' versuchen, mich besser zu äußern." Es ist häufig vorgekommen, dass er unbewusst ins Polnische gewechselt ist. Łukasz hat mir erzählt, dass es daran liegt, dass er während der Schulzeit nie Deutsch als Fremdsprache ausgewählt hat. Er hat sich auf Englisch konzentriert. Die Fertigkeiten, die er bisher beherrscht, hat er von seinen Eltern beigebracht bekommen.
„Bisher ist es in Ordnung", sage ich leicht lächelnd. Es löst sich wieder auf. „Ist schon nicht einfach, hm?"
Łukasz schüttelt den Kopf und leert das Glas bis zur Hälfte. „Ich wünsche, das ist es. Mikołaj hat jetzt so viele Probleme am Hals." Er umklammert ein wenig das Glas. „Mein Vater geht davon aus, dass er wiederkommen wird. Also nach Hause." Er stützt den Kopf an der linken Hand ab. „Unsere Bindung leidet echt drunter. Ich merke, wie schlecht es Miko geht." Er sieht mich aus einem Seitenblick an. „Es ist blöd, weil ich ihm nicht helfen kann."
„Das glaube ich dir." Ich erwidere den trüben Blick. „Meine Eltern teilen diese Ansicht. Es ist ihm nicht zu wünschen, nur ... Wollen wir einfach nicht hoffen, dass es passieren wird." Mir fällt eine Sache auf; an seinem linken Zeigefinger steckt ein unscheinbarer Ring. „Der ist ja hübsch." Ich nicke zu dem Ring. Bei seiner Ankunft hat er ihn nicht getragen. Auch nicht vorhin auf der Terrasse.
„Hm?" Łukasz betrachtet seine linke Hand. Eine sanfte Röte bedeckt die Wangen. „Oh, ach so. Ja." Er lächelt peinlich berührt. „Ja, der gefällt mir auch." Er schielt verstohlen zu der Terrasse. „Du bist wohl etwas ... weltoffener als mein Vater, oder?"
Ich senke die Stimme. Allerdings kann ich den glücklichen Ton nicht verbergen.
„Ist der von deinem Freund?" Łukasz lächelt nur. „Na, das ist doch schön zu hören. Wie süß." Ich mustere ihn. „Darf ich fragen, was du eben gemeint hast? Also mit deiner vorherigen Aussage?"
„Können wir dafür woanders hingehen? Ich fühle mich nicht so wohl, wenn ich weiß, dass ich meinen Vater im Nacken habe." Er schenkt sich mehr von der Cola ein.
„Natürlich. Wir können gerne nach oben." Wir stehen auf und verlassen die Küche.
Łukasz linst über seine linke Schulter, ehe er etwas zögerlich anfängt: „Mein Vater weiß, dass ich schwul bin. Und dass ich einen Freund habe. Er freut sich nicht für mich. Für ihn ist das nicht normal. Ein paar Wochen lang hat er ernsthaft gedacht, dass ich krank bin. Er ist mit mir sogar zu einem Arzt gefahren." Der Ton in seiner Stimme wird unsicher. „Das hat echt wehgetan, weißt du? Du wirst du krank gehalten, nur weil du auf dein Geschlecht stehst." Er huscht in mein Zimmer. Peilt den Schreibtischstuhl an. Ich lasse mich auf der Bettkante nieder. „Meine Mutter hat es ihm irgendwie klarmachen wollen. Ihr stört das nicht. Immerhin macht es keinen Unterschied, ob ich nun mit einem Mädchen oder Jungen zusammen bin. Aber er kapiert das nicht." Łukasz stellt das Glas auf den Tisch. „Er ist 'mal echt ausgerastet und hat nicht mit mir gesprochen. Das war am Anfang, als er meine Orientierung und Beziehung herausgefunden hat. Ich war eine regelrechte Enttäuschung für ihn." Er verzieht den Mund. „Aber jetzt geht es. So langsam. Er kann sich nicht damit anfreunden, aber er geht damit merklich entspannter um. Tja, nur leider darf ich nicht in seiner Gegenwart meinen Freund erwähnen, Schmuck tragen ... Also alles, was mich zur ciota macht." Ein Wort, das ihn verletzt. Und es wahrscheinlich immer noch tut. „Ist nicht einfach, aber auszuhalten. Mir bleibt ja auch nichts anderes übrig."
„Das ist trotzdem scheiße. Du kannst immerhin nichts dafür. Na ja, bevor ich einen stundenlangen Monolog halte, belasse ich es lieber. Ich kann dir sagen, dass du innerhalb meiner Familie gar keinen Widerstand finden wirst, solltest du dich outen."
„Auch nicht bei deinem Vater?", hakt Łukasz zweifelnd nach.
„Er ist der Letzte, der dagegen etwas hat. Er ist ziemlich tolerant." Ein tonloses Gähnen meinerseits. „Und was sagt dein Bruder dazu?"
Łukasz lächelt schief. Wie auch immer er es geschafft hat, im Schneidersitz auf diesem Stuhl zu sitzen ...
„Er macht Witze, aber nimmt es hin. Es war am Anfang nicht leicht mit ihm, auch wir haben uns echt häufig gestritten." Eine feine Kette hängt um seinen Hals. „Dann habe ich ihn ernsthaft darauf angesprochen und gesagt, dass ich unter den Beleidigungen leide. Das hat er Gott sei Dank kapiert." Der Junge winkt ab. „Als Homosexueller hat man es eh nicht leicht bei mir zu Hause. Ich habe mich damit arrangiert, meine Liebe zu verstecken. Ich bin nicht komplett zusammengebrochen. Es geht. Man muss nur wissen, wie man sich verhält beziehungsweise verstellt." Es ist schrecklich zu hören. Ich kann im Gegensatz zu ihm nicht annähernd so locker mit dem Thema umgehen. „Wenigstens wohnt Sajoscha allein. Das macht es für uns echt leicht."
„Hört sich nicht polnisch an", erlaube ich mir die Bemerkung.
„Nee, Sajoscha kommt auch aus Nowy Port. Das ist irgendwo im Norden Russlands. Sibirien." Łukasz verhält sich nicht alterstypisch. Mir kommt es manchmal vor, als hätte ich einen Zwölfjährigen vor mir. „Er ist nach Polen ... gegangen, weil man ihm gedroht hat. Man kann nicht viel von einem winzigen Städtchen mit zweitausend Einwohnern erwarten. Und seine Eltern wollen nichts mehr mit ihm zu tun haben." Er zuckt mit den Schultern. „Aber jetzt hat er mich. Seine Phasen sind zum Glück vorbei." Er sieht mich neugierig an. „Stimmt das, dass du in Mikołaj verliebt bist?" Diese Selbstverständlichkeit bringt mich zum Schmunzeln. „Er hat vor seiner blöden Phase ständig von dir geredet. Auch, als er im Krankenhaus war. Also er ist in dich verliebt und kommt nicht über dich hinweg. Hm, ich durfte ihn manchmal beruhigen, denn er war echt traurig, weil du dich nicht mehr bei ihm meldest."
Also kann es nicht gelogen sein. Ich meine, wenn sogar Łukasz mir gegenüber offenbart, dass sein Bruder Gefühle für mich entwickelt hat, kann ich es nicht mehr leugnen. Mikołaj hat die Wahrheit gesagt, obwohl er sturzbetrunken gewesen ist. Die Augenbrauen heben sich ein wenig. Okay, das überrascht mich etwas. Und verstärkt zusätzlich die Sehnsucht nach ihm, welche mich seit zwei Monaten nicht mehr in Ruhe lässt.
„Was hat er dir denn alles erzählt, als er Trost gesucht hat?", weiche ich seiner Frage aus. Gerade beschäftige ich mich mit dem Rätsel, ob er das Oberteil von seinem Freund erhalten hat. Łukasz ist ziemlich niedlich, wenn er den Kopf etwas schrägt legt, um mich forschen Blickes anzusehen. „Was?"
„Du hast meine Frage nicht beantwortet", entgegnet er lächelnd. „Ich merke es, wenn man versucht, mir auszuweichen. Hat Miko auch ständig gemacht. Tja, man sollte mich nicht für blöd halten."
„Äh ..." Ich gebe mir einen Ruck. „Ja, okay. Du hast mich erwischt." Er drückt den Rücken durch, um gerade aufrecht zu sitzen. „Das ist richtig, auch wenn ich mir wünsche, dass es anders wäre."
„Hä, und warum?", will er sofort erfahren. „Kann ich echt nicht verstehen. Du hast großes Glück mit ihm. Klar, Miko sieht nicht danach aus und verhält sich auch nicht so. Aber er kann viel anders sein. Gefühlvoll, weißt du? Wenn er jemanden mag, dann kümmert er sich sehr um diese Person. Er versucht alles, um diese Person glücklich zu machen." Der Junge hat die Kette hervorgeholt und spielt mit dem kunstvollen Herz herum. „Ich finde, dass du ihm eine Chance geben solltest. Du bist der passende Typ für ihn. Du bist nett, freundlich, bodenständig und was für ihn wichtig ist: sportlich. Erlaube mir die Bemerkung: Du bist umwerfend hübsch." Die Wangen färben sich rot. „Er hat echtes Interesse an dir. Manchmal hat er mir erzählt, als wir telefoniert haben, dass er sich vorgestellt hat, wie er dich in seinen Armen hat. Mit dir kuschelt und so."
„Wirklich?", murmele ich.
„Ist kein Mist, den ich dir erzähle." Der Anhänger baumelt vor dem Kragen. Verheddert sich manchmal mit den Kordeln des Kragens. „Ähm, die Sache, die ich dir jetzt sagen werde, weiß niemand. Nicht 'mal meine Eltern. Miko hat's mir im Vertrauen erzählt. Es hat 'was mit dir zu tun, darum will ich es dir verraten." Ich sage nichts. „Miko hat gelitten, weil du dich nicht mehr bei ihm gemeldet hast. Ihm geht es völlig blöd, weil er bereut, was er alles getan hat. Es tut ihm leid, dass er dich nicht wertgeschätzt hat. Er wollte gerne neuanfangen. Alles vergessen. Nur ... Das ist ihm zu spät klargeworden." Łukasz nippt am Glas. „Bevor er komplett auf diese Drogen zurückgegriffen hat, hat er mir noch gesagt, dass er seinen Schmerz irgendwie loswerden will. Jedes Mittel soll da recht sein."
„Willst du mir damit sagen, dass er das PCP nur genommen hat, damit er den Schmerz, welchen er wegen mir erlitten hat, verarbeiten kann?" Oh, Gott. Wie schlecht ich mich jetzt fühle. Da donnern so viele Schulgefühle auf mich nieder, dass mich kaum noch auf den Beinen halten kann. Die Kehle wird enger zugeschnürt. Ich schlucke hörbar.
„Nein, nein. Du hast gar keine Schuld. Mach' dir keine Vorwürfe." Er mustert mich besorgt. „Klar, der Herzschmerz ist einer der Anlässe gewesen. Aber vordergründig die eigenen Schuldgefühle, weil er nicht kapiert hat, wie viel du ihm bedeutest." Ich lasse den Kopf ein wenig hängen. „Ich habe versucht, es ihm auszureden. Er soll mit mir reden. Ich wäre auch zu ihm gefahren. Ist ja nicht so, dass ich einen Führerschein habe. Miko hat es immer wieder abgelehnt und behauptet, er kommt allein klar. Körperlich ist er vielleicht stark, aber nicht psychisch. Da fehlt es ihm an einer festen Basis." Łukasz sieht zur Tür. „Niemand weiß davon. Es soll auch so bleiben." Der Neunzehnjährige verzieht den Mund, als seine Augen meine Gestalt erfassen. „Ich kann verstehen, dass du dich jetzt schlecht fühlst. Wer würde das nicht tun? Aber es hilft nicht, Trübsal zu blasen. Das Problem ist, dass er dadurch nicht wiederkommt oder von den Drogen wegkommt." Er leert das Glas. „Miko meldet ich ab und zu bei mir. Wenn es ihm etwas besser geht." Ein schneller Griff zum Handy. „Ich kann es gerne wieder versuchen, wenn du es willst. Damit du weißt, dass er dich vermisst."
„Ich ..." Ich komme gar nicht dazu, meinen Satz zu beenden. Die Stimme verweigert ihren Dienst. Ich kann stumm mit ansehen, wie Łukasz auf dem weißen Handy herumtippt. Ich bedecke mein Gesicht mit beiden Händen. Versuche vergeblich, ruhig zu bleiben. Ich kriege nicht mit, wie der Junge sich das Gerät an das Ohr hält und wartet, bis sein Bruder sich meldet. Ich trage einen Teil der Schuld bei. Ich bin indirekt für seinen Drogenkonsum verantwortlich, ganz gleich, dass Łukasz diesen Fakt abstreitet. Wegen mir ist er in den Bann des gefährlichen Engels geraten. Jener Engel, vor dem sogar der Teufel Angst hat.
Die Leitung knackt. Zunächst Rauschen. Dann abgehacktes Atmen.
„Miko?", fragt Łukasz leise. „Kann ich mit dir reden?" Keine Antwort. „Ich mache mir Sorgen um dich ... Okay, ich habe Angst, ja? Angst um dich."
Ein undeutlicher Laut. Hört sich an, als versuche Łukasz' Bruder, sämtliche Schmerzen zu unterdrücken.
„Brauchst du nicht zu haben." Gequält und verbissen. Man merkt ihm an, dass er ausbrechen will. Den Zorn ausleben möchte. Weiterhin seinem Wahn verfallen. „Es ist alles gut." Mikołaj knurrt laut. „Argh, scheiße, verdammt!" Etwas zerschmettert klirrend im Hintergrund. „Łukasz, es geht gerade ... nicht. Es tut mir leid."
„Aber, das ... Verdammter Mist." So schnell, wie der Anruf begonnen hat, wird er wieder beendet. „Das ist nicht gut." Das Handy wird neben das Glas gelegt. „Na ja, es war ein Versuch wert." Er schüttelt sehr leicht den Kopf. „Oliver wird wissen, wie er mit ihm umgehen muss. Es wird es schon hinkriegen." Der Junge sucht meinen Blick. „Du kannst mir wirklich glauben. Er vermisst dich und braucht dich mehr denn je."
„Sah aber nicht danach aus", gebe ich kaum hörbar zurück.
„Ja, weil er auch nicht mehr er selbst ist." Ich blinzele langsam. Mir ist da etwas eingefallen. „Worüber denkst du nach?"
„Wie kann es eigentlich sein, dass er unter Drogen steht, wenn diese Dose im Büro meines Vaters ist?" Ich stehe auf. „Das ergibt überhaupt keinen Sinn. Das muss heißen, dass er bei sich in Berlin irgendwelche Pillen versteckt hat." Ich forme die Lippen zu einem kurzweiligen dünnen Strich. „Ja, muss so sein. Anders kann ich mir nicht erklären, weswegen er in diesem Augenblick unter ..."
„Oder es sind die Entzugserscheinungen", grätscht Łukasz wohlwissend dazwischen. „Psychische Entzugserscheinungen sind viel schlimmer als körperliche. Oliver hat das Zimmer durchsucht; da sind keine. Und er wird es am besten wissen, weil er immerhin Polizist ist." Ich nehme wieder auf der Bettkante Platz. „Er steht nicht unter Drogen."
„Hm." Ich erblicke den Ring an seinem Finger. Sollte mich um einen Themawechsel bemühen. Es reicht aus, wenn die Erwachsenen sich die Köpfe über Łukasz' Bruder zerbrechen. „Wie alt ist eigentlich dein Freund? Könntest du mir ein paar Sachen erzählen?" Ich lächele etwas misslungen, als ich den fragenden Ausdruck registriert habe. „Ich will ungern darüber weiter nachdenken. Die Stimmung würde sonst darunter leiden."
Seine Miene hellt sich sogleich auf. „Ach, dann sag' es doch gleich." Łukasz geht zu mir. Ich rücke ein wenig Richtung Kante. „Sajoscha ist dreiundzwanzig Jahre alt. Also geht es vom Unterschied. Er wohnt in Schwiebus. Wir sind jetzt seit einem Jahr zusammen, sonst wäre es kritisch geworden. Ich wäre ja minderjährig gewesen. Ja, kennengelernt haben wir uns über Instagram. Er hat mich zuerst angeschrieben. Mit der Begründung, dass ich ja nett wirke." Er lächelt glücklich. „Einige finden das sicherlich komisch, wenn ein wildfremder Kerl um die Ecke kommt und sagt, dass er dich nett oder süß findet. Ich fand es nicht schlimm." Er nimmt den Ring ab. „Den hat er mir zu unserem Jahrestag geschenkt." Ich nehme ihn entgegen und betrachte die feine Gravur im Innern. „Ein Herz und eine Seele. Das steht dort. Mit unseren Initialen und dem Datum, wann wir zusammengekommen sind." Eine sehr rührende Geste. Ich gebe ihm den Ring zurück. „Ich habe die Beziehung für ein halbes Jahr verheimlichen können. Ist verdächtig geworden, weil ich plötzlich 'rausgegangen bin. Das kommt bei mir so gut wie gar nicht vor. Ich habe leider vergessen, meinen bisherigen Schmuck zu verstecken. Der lag auf dem Schreibtisch. Mein Vater hat erst gedacht, dass der für ein Mädchen ist." Łukasz deutet auf die Kette. „Die hat Sajoscha mir auch geschenkt. Als kleine Geste. Sagen wir: Es war echt nicht leicht, meinem Vater zu erklären, dass das meiner ist." Er seufzt. „Ich hätte nie gedacht, dass er Weichling oder – aber dann ausversehen – Schwuchtel zu mir sagt. Hat er aber nur gesagt, wenn wir uns stark gestritten haben. Er wollte mir die Treffen verbieten, indem er mir ständig Hausarrest verpasst hat. Wenigstens hat meine Mutter immer das letzte Wort gehabt. Die Treffen wurden zwar deutlich reduziert, aber immerhin kann ich meinen Sajo noch sehen."
„Fühlst du dich denn nicht blöd, wenn dein Vater sich so aufführt?"
„Klar, aber wie ich gesagt habe: Man muss sich wohl oder übel damit arrangieren. Es geht ja nicht anders. Ich kann nichts dagegen machen." Er hält inne, als es an der Tür klopft. Ich fordere die Person auf, einzutreten. Es ist mein Vater. Łukasz wird augenblicklich still.
„Was gibt's denn?", frage ich ruhig. Er betrachtet Łukasz genau.
„Ich wollte nur schauen, wo ihr beide abgeblieben seid." Er lächelt amüsiert. „Ist mit ihm alles okay?" Łukasz nickt schnell. „Na, dann ist ja gut." Er hält kurzweilig inne. „Łukasz, du brauchst dich nicht zu verstellen. Ich weiß längst, dass du mit einem Kerl zusammen bist." Sein Ton wird weich. „Hat deine Mutter mir erzählt, falls du es wissen möchtest. Keine Sorge; bei mir im Hause kannst du lieben, wen oder was du willst." Er schaut nun zu mir. „Jakub hat sich für den kalten Entzug entschieden, obwohl ich versucht habe, ihm diese Entscheidung auszureden. Wir versuchen gerade, seinen Freund in Kiew zu erreichen."
Łukasz verliert sämtliche Anspannungen und hört auf, die Hand mit dem Ring zu verbergen.
„Siehst du? Ich habe dir gesagt, dass mein Vater damit keine Probleme hat", bestärke ich die Bestätigung und stupse ihn an. „Wen denn genau? Kennt man ihn?"
„Ich glaube nicht, dass dir der Name Jevhen Prokofjew etwas sagen wird", erwidert er stirnrunzelnd.
„Ist das nicht dieser eine Händler gewesen, der in einem Kartell tätig gewesen ist?"
„Ja, einer der elf. Er ist der Einzige, der von ihnen übrig ist." Mein Vater lehnt sich an den Türrahmen. „Außerdem war das ein Drogenring gewesen. Kein Kartell."
„Und worin besteht der konkrete Unterschied? Das ist für mich das Gleiche."
„Der Zusammenschluss der Händler diente vorrangig dem Zweck, Drogen im großen Stil zu verkaufen. Sie wiesen aber keine mafiösen Strukturen auf; die waren kein Geheimbund mit strengem hierarchischem Aufbau, sonst hätte man nie von deren Existenz gewusst oder es wäre keine Frau ein Händler geworden." Er gähnt hinter vorgehaltener Hand. „Jedenfalls: Der Typ ist nicht mehr aktiv, wie Jakub behauptet hat. Glaube ich ihm auch, sonst hätte ich es längst mitbekommen." Er sieht über seine Schulter. „Ach, wenn man vom Teufel spricht ..."
„Was ist mit mir?" Jakub linst zu uns. „Ach, hier sind die beiden." Er nimmt den Ring wahr. Räuspert sich, und Łukasz weiß auf Anhieb Bescheid. Er macht Anstalten, den Ring abzunehmen.
„Lass' ihn da, wo er ist", bestimmt mein Vater ruhig und tauscht mit Jakub einen funklenden Blick aus. „In meinem Haus braucht man seine Liebe nicht zu verstecken. Du findest dich damit gefälligst ab; mein Haus, meine Regeln." Jakub murrt leise. „Müssen wir wieder die gleiche Diskussion wie vor fünfundzwanzig Jahren führen?"
„Daran kannst du doch erinnern?"
„Ich kann man an sehr viele Dinge erinnern", gibt mein Vater unberührt zurück. „Lass' es, Jakub. Ich kann gerne den gleichen Scheiß wie früher durchziehen."
„Am Arsch." Er winkt ab. „Soll jetzt auch nicht Thema sein." Jakub hebt das Handy hoch. „Ich hab' ihn erreichen können. Ist gerade 'rangegangen, als ich nach dir gesucht habe." Der Freisprechmodus wird angeschaltet. „Jevhen? Du kannst loslegen."
Stammt dieser Mann nicht aus der Ukraine? Warum redet Jakub also auf Deutsch und nicht auf Russisch oder nutzt die landeseigene Sprache?
„Hast du ihn dran?" Ich pruste auf Knopfdruck los, und selbst mein Vater muss sich mächtig zusammenreißen, um nicht loszulachen. „Ah, ich habe ihn schon gehört." Dieser verdammt starke Akzent ist zu lustig. „Hey, ich gebe mir Mühe, okay? Meine Aussprache ist inzwischen um Welten besser geworden."
„Seine Tochter ist Deutschlehrerin und hat ihm geholfen, Deutsch zu erlernen", murmelt Łukasz mir zu. Eine schalkhafte Note ebnet die Stimme. „Er hat fast fünf Jahre gebraucht, um es halbwegs gut zu sprechen."
„Ich find's nicht so schlecht", erwidere ich genauso leise und verfolge die Szene. Gerade beleidigen die drei sich gegenseitig. Sie ziehen es ins Lächerliche. „Eigentlich hat er mehr Vor- als Nachteile daraus gewonnen."
„Ist es auch nicht, aber du siehst, wohin das Ganze gehen kann."
„Okay, okay! Ich schätze, wir sollten aufhören", bestimmt mein Vater amüsiert. „Sonst kommen wir nicht vorwärts." Die beiden betreten mein Zimmer und lehnen an sich an den Tisch. „Bevor ich zum Ernst der Lage wechsele, will ich noch einmal erwähnen, dass ich es wertschätze, dass du mir inzwischen vertraust, Jevhen. Ich hoffe, du weißt, dass dieses Vertrauen auf Gegenseitigkeit beruht."
Mir gefällt Jakubs Blick nicht, mit dem er seinen Sohn ansieht. Er ist sich bewusst, dass ich ihn anschaue, nur macht er daraus keine Nummer.
„Das liegt an Jakub", erwidert der inzwischen Sechzigjährige milde, „er hat mir sehr viel Positives über dich erzählt. Da habe ich mir gedacht: Warum ihm keine Chance geben? Die Zeiten haben sich immerhin sehr verändert." Im Hintergrund miaut etwas laut. Es wird nach und nach lauter, je näher die Katze ihren Besitzer aufsucht. „Vielleicht wird ein Treffen in nächster Zukunft möglich sein. Ich würde mich nämlich freuen, dich persönlich kennenzulernen. Einfach den Mann, der mir vor gut zweiundzwanzig Jahren beinahe den Garaus gemacht hat."
„Da wird ein Treffen schneller zustande kommen, als du denkst", schaltet sich Jakub ein, „darüber wollte Kaden gerade sprechen."
„Ganz recht", pflichtet er ihm bei und bohrt den Ellenbogen zwischen Jakubs Rippen, als er erkannt hat, wie Łukasz sich unter dem frostigen Blick seines Vaters fühlt. „Lass' den Scheiß. Du kannst es eh nicht ändern." Der ältere Pole murmelt undeutliche Wörter. Keine gutgemeinten. „Es geht um Mikołaj. Ich rede nicht um den heißen Brei herum: Er ist an einer meiner Läufer geraten und hat von ihm fünfundachtzigprozentiges PCP bezogen. Fünfzehn Gramm insgesamt." Ich kämpfe gegen die Schuldgefühle an. „Heute Nachmittag hat meine Tochter mir erzählt, dass er drei Schüler willkürlich zusammengeschlagen und unter Wahnvorstellungen gelitten hat. Sie hat seine Sachen zu uns mitgenommen. Die Dose ist darunter gewesen. Ich kann es bestätigen: Das sind meine."
„Ich habe das Gefühl, dass ich gerade ein Déjà-vu erlebe", meint Jevhen dahingesagt. Er fokussiert sich aber zügig auf den Ernst. „Und weil ihr versucht habt, mich zu erreichen, wollt ihr sicherlich, dass ihr entweder zu mir kommt oder ich zu euch." Er erlaubt sich eine Frage, welche ich meinem Vater schon gestellt habe: „Wie kommt es eigentlich, dass du dich um deine Käufer sorgst?"
„Mikołaj ist die Ausnahme, Jevhen", antwortet er sachlich, „ich kenne ihn und er ist der Sohn von Jakub. Ich will ungern, dass er genauso wie Jakub wird. Wenn nicht sogar schlimmer." Mein Vater schnaubt leise. „Sonst sind mir meine Kunden scheißegal. Wichtig ist das Geld, das ich daraus gewinne."
„Eine Einstellung, die jeder Händler hat. Auch ich früher." Wie kann denn eine Katze so laut schnurren? Das Tier muss vermutlich auf ihm sitzen oder Jevhen hält es im Arm. „Später. Okay. Prinzipiell würde ich zu euch kommen. Meine Tochter ist ja inzwischen groß, hat eine eigene Familie ... Die Frage ist aber: Wo kann ich unterkommen?"
„Kaden und ich haben uns entschieden, dass wir den Entzug mit Mikołaj bei mir zu Hause durchziehen werden, weil ich entsprechende Räumlichkeiten zur Verfügung stellen kann", beantwortet Jakub die Frage. „Unser Haus konnte man früher für zwei Parteien auslegen. Es gibt also genügend Zimmer. Da kann, wenn man es so will, eine zweite einziehen." Das heißt, ich könnte demnächst Jevhen sehen. „Theoretisch könnte ich dich, deine Frau und Kadens Familie bei mir unterkriegen. Also am Platz soll es nicht scheitern."
„Wenn du es sagst, muss es ja stimmen. Wäre die Frage beantwortet. Wann willst du ihn durchziehen und wie stellst du ihn dir vor? Ich hoffe, dass du dich nicht für den kalten entschieden hast. Du hast früher schon sehr extrem auf die Entzugserscheinungen reagiert und hast dich teilweise bis an den Rand des Wahnsinns getrieben. Mikołaj wird das nicht überleben, wenn es hart auf hart kommt."
„Doch, es wird der kalte durchgezogen, weil ich nämlich die Befürchtung habe, dass Mikołaj von Opiaten abhängig wird. Keine Medikamente. Er soll es einfach durchziehen."
„Du bist dir aber bewusst, was du deinem Sohn damit antun wirst?" Nichts. „Du kannst dich höchstwahrscheinlich nicht mehr in deine frühere Lage hineinversetzen. Das ist auch nicht weiter schlimm. Ich möchte dich nur für die Tatsache sensibilisieren, dass Mikołaj noch sehr nah am Anfang des Drogenkonsums steht. Sein Körper fängt gerade erst an, sich an die Droge zu gewöhnen. Das heißt, dass er auf jede Form von Entzug verdammt stark reagiert. Das geht auf Dauer nicht gut aus. Glaub' mir das, immerhin muss ich oder Kaden es am besten wissen."
„Mit dem warmen werden Mikołaj weitere Schmerzen erspart", ergänzt Kaden und schaut ihn eindringlich an. „Und Opiat ist nicht gleich Opiat. Wir werden darauf achten, dass die Dosis sehr gering ausfallen wird. Wenn wir ihm überhaupt ein Schmerzmittel verabreichen müssen."
„Schön, wenn man weiß, dass das eigene Kind immer mehr mit Medikamenten und Drogen zugedröhnt wird." Jakub lehnt die Stirn an seine ineinander verschränkten Hände.
„Lieber so, bevor er den letzten Trip auslebt", erwidert Jevhen. „Ich werde schauen, ob ich die Gegenmittel parat habe, ansonsten werde ich welche besorgen müssen." Kaden räuspert sich. „Was hast du alles bei dir, damit wir den Entzug erfolgreich durchziehen können?"
„Haloperidol und Diazepam."
„Genügend?"
„Valium könnte knapp werden. Das Meiste ist für den letzten Deal mit Heroin draufgegangen."
„Okay. Ich werde mich um den Rest kümmern. Hast du eine Idee, wie man den Entzug durchführt?"
„Deshalb haben wir dich angerufen. In meinen gut siebenundzwanzig Jahren als Drogenhändler habe ich mich nie auf irgendwelche Entzugstherapien konzentriert."
„Verstehe." Jevhen sagt für ein paar Sekunden nichts. „Ich werde morgen früh um vier losfahren. Zu dir, Jakub. Wenn alles glatt läuft, dann müsste ich gegen siebzehn, achtzehn Uhr bei dir sein. Ich setze voraus, dass du dich um deine Angelegenheiten bezüglich deiner Arbeit gekümmert hast."
„Mein Chef weiß Bescheid. Unbestimmter Urlaub ohne Bezahlung. Alles geklärt." Er mustert das Handy. „Willst du gleich morgen Abend mit dem Entzug anfangen?"
„Wir dürfen keine Zeit verlieren. Je mehr wir verschwenden, umso unberechenbarer wird Mikołaj", legt Jevhen fest, „du musst ihn irgendwie zu dir nach Hause kriegen. Nimm ihn aus der Schule und schaff' ihn nach Polen."
„Ach, ist ja nicht so, dass ich das nicht vorgehabt hätte. Und wie stellst du dir das vor? Dass ich ihn betäube? Am besten noch mit Chloroform?"
„Daran habe ich gedacht." Mein Vater grinst, um sein Gelächter zu unterdrücken. „Anders wirst du ihn nicht ruhig kriegen."
„Du hörst dir schon selbst zu, oder?" Jakub schüttelt fassungslos den Kopf. „Ich werde ihm garantiert kein Tuch auf die Nase drücken. Vergiss es."
„Dann soll das Kaden machen, wenn du dich dazu nicht überwinden kannst." Sein eisblaues Auge starrt meinen Vater an. „Mikołaj wird nicht auf dich hören. Eher versuchen, dich anzugreifen, um an seine Drogen zu kommen."
„Gibt's wirklich keine andere Möglichkeit? Ich kann mich mit dem Gedanken nicht anfreunden."
„Na ja, du könntest ihm k.o.-Tropfen unterjubeln", schlägt Jevhen vor, „wenn du riskieren willst, dass er die Gläser zerstören wird und ihn nicht mehr ruhig kriegst."
„Mann, verdammte Scheiße." Jakub vergräbt das Gesicht in seinen Händen. „Das kann doch nicht wahr sein."
„Ich werde es tun", beschließt mein Vater, „je schneller, desto besser." Er legt eine Hand auf Jakubs Rücken. „Dein Sohn wird davon nichts mitschneiden. Vielleicht haben wir Glück, und er wird sich bei unserer Ankunft selbst ausknocken." Ich mustere Jakub mitfühlend. „Wir werden gleich morgen früh zu Oliver fahren und Mikołaj holen. Morgen Abend, Jevhen, erwarten wir dich."
„Passt gut auf euch auf." Die Katze äußert sich hörbar. „Ich zähle auf euch."
„Versprochen", erwidert mein Vater und lässt die Hand über Jakubs Rücken wandern. „Wir hören und sehen uns morgen. Fahr' dann vorsichtig; du hast einen langen Weg vor dir."
„Ich kenne es nicht anders", entgegnet Jevhen, und man kann das Lächeln heraushören. „Ja, bis morgen."
Es ist beendet. Mein Vater gibt Jakub sein Handy wieder, der es wiederum beinahe fallen lässt.
„Was für eine Scheiße." Der Dreiundvierzigjährige lässt einen tiefen Seufzer erklingen. „Da ist man selbst über den Scheiß hinweg, und schon kommt der Nächste um die Ecke." Sein Auge nimmt unsere Gestalten wahr. „Lass' mich raten: Du hast alles in deinem Depot, was wir morgen brauchen werden?"
„Natürlich. Ist nicht 'mal eine Hauptverkaufsquelle. Geht trotzdem gut weg." Mein Vater erhebt sich. „Jess: Du wirst hierbleiben. Das liegt erstens an der Schule, und zweitens muss Mikołaj sich erst beruhigen." Kein Widerspruch von mir, da mir bewusst geworden ist, wie ernst die Lage wirklich ist. „Lass' uns unten weiterreden – die Details festmachen." Ein flüchtiger Blick zu mir, dann zu Łukasz. „Wir kriegen ihn wieder auf die Beine und das so, dass er keine bleibenden Schäden erleidet. Macht euch darum keinen Kopf." Ein leichtes Lächeln. Jakub ist derweil nach draußen gegangen. Mein Vater sieht ihm nach. Wartet ein wenig. „Steh' drüber, Kleiner. Jakub wird deine Szene nie akzeptieren können. Verübel' es ihm nicht; er ist streng konservativ großgeworden. Das hat sich tief in sein Bewusstsein verankert. Du hast nie und nimmer Schuld. Vergiss das nicht." Er klopft leise auf den Türrahmen und geht hinaus. Fordert Jakub auf, auf die Terrasse zu gehen. Sie müssten dem Plan mehr Aussehen verleihen.
„Das wird nicht leicht werden", murmelt Łukasz undeutlich.
„Was denn genau?"
„Alles. Ich meine alles." Er scheint sich kleiner gemacht zu haben. „Mein Bruder, dann meine Liebe und Papas Akzeptanz. Ich kann's kaum erwarten, dieses Jahr die Schule zu verlassen." Łukasz steht auf. „Wo ist euer Bad?"
„Ist die erste Tür vor der Treppe. Rechts", antworte ich und sehe ihm nach. Wortlos greife ich nach meinem Handy. Ignoriere die vielen Nachrichten in den Gruppen. Oder die, die an mich gerichtet sind. Sie wollen von mir erfahren, was nun mit Mikołaj los sei. Ich werde dichthalten, denn ich will Mikołaj vor weiteren Schwierigkeiten beschützen. Ich tippe auf die Konversation mit ihm. Heute Morgen um sieben Uhr fünfundzwanzig ist er das letzte Mal online gewesen. Ich lese mir den Status durch. Habe Mühe, mir den Satz mit den vorhandenen Bausteinen zusammenzubasteln. Der Teufel hat vor Engel Angst. Eine mögliche Anspielung auf seine Droge? Das kann gut möglich sein. Wenigstens sieht er auf dem Profilbild glücklich aus. Er lächelt ehrlich in die Kamera. Macht einen friedfertigen und lebensfrohen Eindruck. Ein starkes Paradoxon, wenn man bedenkt, wie er sich aktuell aufführt.
Egal, was du gerade machst oder wie du dich fühlst, rede ich in Gedanken und lege das Handy weg. Es tut mir wahnsinnig leid, dass ich dir den Schmerz angetan habe. Ich hätte für dich da sein müssen und dich nicht ignorieren sollen. Du bedeutest mir genauso viel wie ich dir. Ich bin und werde nie über dich hinwegkommen.
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