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16 - Eis kann schön sein

Es sind ungefähr dreieinhalb Stunden vergangen, seit ich hier sitze und dem Neunzehnjährigen schweigend durch die Haare streiche. Nichts tun und warten, dabei kein Wort sagen und gelegentlich Sätze zusammenbasteln, falls er plötzlich aufwacht. Ich habe derweil etliche Sätze im Kopf, die sich aber immer wieder auflösen, weil stets eine bessere Idee um die Ecke kommt. Irgendwann habe ich beschlossen, es einfach zu lassen. Manchmal ist Oliver zu mir gekommen, hat leise wissen wollen, was nun sei. Ich habe mit den Schultern gezuckt und geantwortet, Mikołaj würde nur schlafen und nichts machen. Sein Halbbruder hat die Stirn gerunzelt und genickt, angefügt, er werde zu seiner Freundin fahren. Ich habe ihm ein winziges Lächeln geschenkt, ehe er gegangen ist. Seitdem liegt die Wohnung in absoluter Stille da, nur von draußen drängen Töne nach drinnen. Mir ist nicht langweilig. Es ist zudem nicht so, dass ich mich unwohl fühle. Von mir aus kann er gerne weitere fünf Stunden schlafen; ich werde hier sein und warten.

Sein Handy, das auf dem Nachttisch liegt, hat ab und zu vibriert. Eben wieder. Ich kann nicht widerstehen oder mich der Neugier beugen; ohne Mikołaj zu wecken, strecke ich mich nach dem Gerät und nehme es an mir. Ich bin davon ausgegangen, dass er sein Handy mit einer PIN oder Ähnlichem gesichert hat, was allerdings nicht der Fall zu sein scheint. Eine überraschte Note spiegelt sich in meinem Gesicht wider, als ich einen Blick auf die Nachrichten werfe. Das Meiste ist polnisch, und trotz des jahrelangen Lernens kann ich nur die Hälfte verstehen. Ich sehe für einen Moment zu dem Neunzehnjährigen, der weiterhin tief und ahnungslos schlummert. Ich höre mit den liebevollen Gesten nicht auf, während ich mir die Nachrichten von Delilah, Amélie und jemand namens Julia durchlese. Zu sehen, dass er mit so vielen Mädchen schreibt, ist gewiss keine schöne Tatsache. Wenn man auch bedenkt, dass bei jedem Namen diese beknackten Emojis hinzugefügt worden sind. Delilah will erfahren, wo er bleibe und warum er nicht gekommen sei. Amélie vermisse ihn. Diese Julia fragt, wann sie sich das nächste Mal wiedersehen könnten. Ein tonloser Seufzer entweicht mir. Ich habe mich eindeutig in den falschen Jungen verguckt. Immerhin hat er sich bei mir Spitznamen oder ergänzten Smileys verkniffen. Mein Name steht einfach da. Wenigstens ein Lichtblick in der dunklen Welt. Dann gibt es noch Nachrichten von seinen vermutlich polnischen Klassenkameraden. Eine Handvoll von Jungs – Aleks, Maciej oder Miroslav und einige andere. Mit Ivan schreibt er sogar auf Russisch. Stimmt. Jetzt fällt mir wieder ein, dass Mikołaj erzählt hat, dass er dank seines Vaters die russische Sprache perfekt beherrscht. Bei den Mädchen macht er zumindest keinen Unterschied. Der Neunzehnjährige regt sich leicht, und ich lasse das Handy ein wenig sinken. Er wacht nicht auf, hat sich mehr auf meine Oberschenkel geschoben, sodass sein Kopf beinahe meinen Bauch berührt. Ich richte den Blick wieder auf das Gerät. Ich suche einen bestimmten Chat.

Selbst sein Vater hat ihm vor knapp zwei Stunden geschrieben, und Mikołaj reagiert nicht darauf. Ich kann ein paar Wörter entziffern und mir den Rest denken. Natürlich ist er nicht begeistert. Er will wissen, warum sein Sohn sich so dermaßen hat volllaufen lassen. Ich formuliere keine Antwort, stattdessen rufe ich das aktuelle Foto von ihm auf. Dort sieht Jakub unbeschreiblich glücklich aus. Es muss wohl während eines Urlaubs entstanden sein – diese Häuserlandschaft sieht ziemlich osteuropäisch aus. Vielleicht Kiew? Würde hinkommen; so oft, wie sie laut Mikołaj dort ihren Urlaub verbringen. Jakub scheint kein Stückweit in die Jahre gekommen zu sein. Die Haut ist nahezu faltenfrei, der ohnehin kräftige Körper jugendlich. Nur die Haare sind an einigen Stellen silbrig. So sieht es danach aus. Kann auch am Licht liegen, keine Ahnung. Sehr dicht vor ihm seine Ehefrau Sarah. Auch sie strahlt förmlich, hat die schlanken Arme auf Jakubs Schultern gelegt. Sie sehen aus, als würden sie sich innerhalb weniger Augenblicke küssen. Ich lächele ein wenig. Wenn das nicht ein Indiz dafür ist, dass Jakub sich zum Positiven verändert hat.

Ich will gerade das Handy zurücklegen, als ohne Vorwarnung ein Anruf einkommt. Beinahe wäre ich vor Schreck zusammengefahren. Ich sehe zu Mikołaj. Er kriegt selbstverständlich nichts mit. Schlummert tief und fest weiter, als wäre nichts los. Wer ist das überhaupt? Ich spüre, wie mir etwas Farbe aus dem Gesicht weicht. Es ist Jakub. Eigentlich wäre es ratsamer, den Anruf anzunehmen. Aber Mikołaj schläft noch. Ich wage einen riskanten Schritt in die sicherlich falsche Richtung. Ohne den Polen aus dem Schlaf zu reißen, nehme ich stattdessen den Anruf ab und halte das Handy an das Ohr. Jakub hört sich kein Stück munter an. Eher vorwurfsvoll und gereizt. Ich kann ihn nicht ganz verstehen, weil er das Gesagte schnell herunterrasselt. Und mit der Hälfte der Wörter kann ich so oder so nichts anfangen. Also lasse ich ihn für die nächsten fünf Minuten reden. Höre der Stimme zu, die einem Mittzwanziger zu gehören scheint. Dass er so extrem jung für sein Alter aussieht, liegt an dem jahrelangen Drogenkonsum. Sie haben nicht nur seine Psyche verändert, sondern auch die körperliche Entwicklung erhebt ich beeinträchtigt. Mit vierzehn soll er angefangen haben; erst knappe zehn Jahre später ist er von ihnen wegekommen. Vielleicht auch erst viel später.

Dlaczego mi nie odpowiadasz?" Er wird zunehmend ungeduldig. Wenn er wüsste, mit wem er da eigentlich spricht. Es kommt keine Antwort. Bedeutungsvolle Sekunden verstreichen. Jakub knurrt leise. Ein eigenartiger Schauder rennt mir den Rücken herunter. „Wiem, że tam jesteś, bo słyszę jak oddychasz więc. Czekam." Ich schlucke kaum hörbar. Soll ich etwas sagen? Immerhin bin ich so blöd gewesen und habe den Anruf angenommen. Eigentlich bin ich ihm eine Antwort schuldig. „Ostatni raz, chłopcze. A teraz powiedz coś albo zagram zupełnie inną muzyke, która ci się nie spodoba."

„Mikołaj ... schläft doch", murmele ich viel zu leise. „Ist gerade nicht zu sprechen."

Plötzliche Stille. Ich spüre, wie die Stirn wärmer wird.

„Darf man fragen, wer du bist und was du an Mikołajs Handy machst?" Diese gereizte Note ist hörbar abgeklungen. Jakubs Stimme wird von einem harten Akzent geprägt. Er rollt die R's sehr eigen und spricht das H scharf aus oder das i – dieses betont er extrem. Das er erinnert mich unweigerlich an einen Russen, der verzweifelt versucht, deutsch zu lernen.

„J-ja, klar. Ich, äh ... Ich bin Jess. Jemand aus seiner ... Klasse." Ich halte die Lautstärke möglichst weit unten, damit der Neunzehnjährige nicht wach wird. „Na ja, ich da-dachte mir; er schläft noch und ... das Handy hat eben geklingelt."

„Aha." Jakub seufzt scharf. „Bist du seine neue Bekanntschaft?"

„Ei-eigentlich nicht." Warum stottere ich so blöd?

„Wie dem auch sei", erhebt er die Stimme. „Du kannst ihn aufwecken und ihm schöne Grüße von mir bestellen. Richte ihm aus, dass ich erwarte, dass er mich nachher zurückruft. Ihr solltet eigentlich längst in der Schule sein." Dann ist das Gespräch beendet worden. Mir ist erst jetzt aufgefallen, wie fest das Herz gegen den Brustkorb trommelt. Ich stoße die angehaltende Luft aus und lege das Handy dorthin, wo es vorher gelegen hat.

Ich zögere leicht, bevor ich behutsam an seiner Schulter rüttele.

„Hey. Wach' auf", murmele ich und ignoriere sein mürrisches Murren. „Wird so langsam Zeit ... Außerdem will dein Vater es." Ich halte inne, als er seine eigenartigen Augen aufschlägt und mich direkt ansieht. „Guten Morgen, Mikołaj."

,Oh, kurwa. Co ty tutaj robisz?", kommt es völlig verschlafen von ihm, und er streckt sich ein wenig. „Może mam przerwę, na film. Kurwa mać." Er verzieht das Gesicht. „Diese Kopfschmerzen bringen mich um. Alter, scheiße, Mann." Ich finde es ziemlich interessant, wie selbstverständlich er zwischen den Sprachen wechseln kann. „Was machst ... du eigentlich hier? Wir haben doch nicht miteinander geschlafen?"

Meine Wangen färben sich rot.

„Ich kann dich beruhigen", gebe ich verlegen zurück und erwidere seinen mürrischen Blick. „Ist nicht passiert. Wir ... haben uns gestern nicht geküsst oder so. Nur geredet." Ich fahre mit den Fingern liebevoll über seine Brust. Mikołaj beobachtet mich dabei. „Ich habe nach dir sehen wollen, weil ich mir Sorgen um dich gemacht habe. Ich meine, eine ganze Wodka-Flasche und dazu anderthalb Bier. Jeder Idiot hätte eine Vergiftung weg."

Mikołaj blinzelt langsam und macht keinerlei Anstalten, seine Position zu verändern.

„Ehrlich, ich habe keine Ahnung, was gestern passiert ist. Da is' 'ne Lücke, und eigentlich is' das selten, weil die gestrige Menge meinen normalen Verhältnissen nicht entspricht." Das Eis mag mehr glitzern. „Deine Sorgen sind völlig unbegründet." Das Lächeln misslingt ihm; ich lache leise. „Ja, ich weiß selbst, das sieht scheiße aus. Aber ich habe mich bemüht." Jetzt regt er sich. Steht anschließend auf. Ich kann es mir nicht verkneifen, muss ihn quasi anstarren. „Ich geh' schnell duschen. Mach' mich frisch. So kann ich nich' ... 'rumrennen. Ich brauch' außerdem 'ne extrastarke Tablette. Am besten 'ne Ibu achttausend. Is' ja wie Hölle dieser Scheiß." An einigen Stellen definiert, ein breiter Rücken, ein Sixpack, der nicht durch reine Gewichtsreduktion entstanden ist. Mikołaj sieht nicht unbedingt aus, als sei er erst neunzehn. Sein kräftiger Körper macht ihn älter. Er hat mein Starren bemerkt. „Ganz ehrlich: Du siehst bestimmt genauso aus – deine Bilder auf Insta sprechen dafür. Du hast für'n Mädchen 'n recht breiten Rücken, und die Schultern sind schön definiert." Er schmunzelt über meine Reaktion. „Ohne Scheiß: Ich mag's, wenn Mädchen so aussehen. Is' nicht zu ... Alter, scheiße, Mann." Er fasst sich an den Kopf. „Ich brauch' 'ne Tablette." Der Pole sammelt ein paar Klamotten zusammen, die er willkürlich aus dem Schrank genommen hat. „Lauf' nich' weg." Er ist der erste Junge, den ich kenne, der in Jogginghose schläft. Und gerade er hat nichts zu verbergen. Aber dass er es überhaupt geschafft hat, sich umzuziehen ... Das grenzt schon an ein Wunder.

„Nee, lass dir Zeit", werfe ich ihm gedankenverloren hinterher, ehe er aus dem stickigen Zimmer geht. Ich erhebe mich und öffne das Fenster ganz, nachdem ich die Gardine vollständig beiseitegeschoben habe. Ich nehme die ursprüngliche Position ein, hole mein eigenes Smartphone hervor. Die Gruppe ist wohl heute besonders aktiv. Irgendwie traue ich mich nicht, die Nachrichten zu lesen. Na ja, was habe ich schon zu verlieren? Im Endeffekt nichts.

Wie ich es mir gedacht habe. Dank unserer spontanen Abwesenheit heizen Mikołaj und ich die Gerüchteküche ordentlich an. Die warten ja förmlich darauf, dass wir ihnen das Hauptgericht servieren. Man munkelt, dass wir nur nicht gekommen sind, weil Mikołaj mich erfolgreich um den Finger gewickelt hat. Ich sei der schnelle Spaß für zwischendurch. Ich forme die Lippen zu einem dünnen Strich und rufe einen anderen Chat auf. Sollen sie ruhig denken, was sie wollen – wenigstens wissen Mikołaj und ich, was wir den Idioten anbieten werden. Nämlich das, was eigentlich auf der Karte steht.

Delilahs und Amélies Nachrichten gehen mir getrost am Arsch vorbei. Ebenso die von Josy und Valerie. Sollen sie mir doch drohen, mich beleidigen; ich bin in solchen Sachen wie eine Wand. Die lässt alles an sich abprallen und macht nichts. Elise hingegen macht sich Sorgen um mich. Ich seufze und beschließe, ihr eine Sprachnachricht zukommen zu lassen.

„Ich lass' die Bombe platzen; ja, ich bin bei Mikołaj. Nein, wir machen nichts Besonderes. Nur reden. Ich habe auch nicht bei ihm geschlafen, bin erst seit heute Morgen hier. Ich wollte nur nach ihm sehen, weil er gestern einen halbwegs ... schlechten Eindruck gemacht hat. Außerdem liegen meine Schulsachen in seinem Kofferraum. Die müsste ich auch noch holen. Heißt auf Deutsch: Mir geht es gut, es ist nichts passiert. Mikołaj lebt noch und versucht in keinster Weise, mich 'rumzukriegen. Er behält die Finger bei sich. Die Nachrichten des Tussentaxis gehen mir am Arsch vorbei; du kennst mich. Ich bin wie eine Wand, die alles an sich abprallen lässt." Ich schicke das Gesagte ab.

Mein Vater hat selten Gutes mit einer Nachricht vermittelt. Kurz vor sieben Uhr. Er hat wissen wollen, ob ich schon wach und für die Schule fertig sei. Ich will nicht, dass ich die ohnehin schon angespannte Atmosphäre weiter verschlechtere.

„Nein, ich bin heute nicht in der Schule. Ich habe mich für heute abgemeldet. Du kannst gerne Mama fragen; sie ist dabei gewesen. Ich bin nicht krank, mir geht es soweit recht okay. Falls du es unbedingt wissen willst und ich keine Lust habe, die Stimmung zwischen uns noch weiter in den Keller zu ziehen: Ich bin bei Mikołaj, weil es ihm nicht so gut geht. Ich habe mir Sorgen um ihn gemacht." Bei meinem Vater ist es so, dass er innerhalb weniger Sekunden auf die Nachrichten von mir oder meiner Mutter reagiert, sobald sie abgeschickt worden sind.

„Lass' mich raten: Die ist für dein Vater gewesen?" Wie lange habe ich denn bitte schön geredet? „Für den berüchtigten Kaden Larkin?" Er sieht deutlich besser aus. Besonders wegen der nassen Haare, die verstrubbelt sind.

„Meine Güte, er ist nicht berüchtigt", brumme ich und richte den Blick auf mein Handy. Mikołaj hat sich ein blaues Shirt übergestreift, kombiniert mit einer schwarzen Trainingshose, welche ihm bis zu den Knien reicht. „Ein ganz normaler Mann, der sich um jeden Scheiß Sorgen macht." Ein markanter Geruch umgibt ihn – es ist dieses Aftershave, was meine Sinne ein wenig beflügelt. „Übrigens: Dein Vater hat angerufen und will, dass du dich bei ihm meldest." Er hebt verwundert die Augenbrauen. „Ich hab' ... den Anruf angenommen. Daher weiß ich es."

Ich habe angenommen, er würde aufbrausend reagieren. Das Gegenteil ist der Fall. Mikołaj zuckt mit den Schultern.

„Interessiert mich doch nicht. Ich meld' mich, wann ich will." Der Neunzehnjährige neigt etwas den Kopf zur Seite. „Bist du also, ohne dass ich es weiß, an mein Handy gegangen?" Ich mache mich kleiner, als ich bin, und Mikołaj lacht für eine Sekunde, ehe er einen Arm auf meine Schultern legt und mich zu sich zieht. „Geht ja mal gar nicht."

„Äh ... Dein Vater hat sich aber überhaupt nicht begeistert angehört. Schon so'n bisschen genervt." Ich entspanne mich nur langsam. „Ach, komm'. Den bösen, gefühlskalten Jakub will man doch nicht warten lassen."

Mikołaj prustet los.

„Böse, ja. Da stimme ich dir zu, aber gefühlskalt ... Besuch' mich für einen Tag in Łagów. Dann kannst du gerne immer noch dieser Ansicht sein." Seine Fingerkuppen wandern behutsam über meinen Arm hinweg. „Der kann richtig grantig werden, wenn ihm 'was nicht passt." Ich könnte mich an ihn kuscheln – gerade jetzt, wo ich so viele Vorstellungen im Kopf habe. „Hab' ich dir schon 'von erzählt, wie er mich rund gemacht hat, als ich ihm beim Räder wechseln helfen sollte?"

„Nope." Ich schiele zu ihm. „Was ist passiert?"

„Ich wollt' ihm helfen, die Räder zu ihm zu holen. Okay, doch, ich hab's dir erzählt, aber nicht alles." Ach, echt? Ich runzele sehr leicht die Stirn. Er spricht leiser als vorher. „War sogar dieses Jahr. Jedenfalls: Es war scheiße heiß, und mein Vater hat den Wagen gesäubert. Diese ganzen Fliegen waren schon ... eklig. Besonders gut; da steckte 'ne kopflose Hummel im Kühlergrill. Das sah echt lustig aus."

„Mein Vater ist 'mal 'ne Zeitlang mit einem Transporter gefahren. Während einer Autobahnfahrt steckte plötzlich 'n Spatz im Kühlergrill fest. Hab' das erst nicht geglaubt, bis er mir davon 'n Foto geschickt hat. Mit dem Kopf voran – wortwörtlich."

Mikołaj räuspert sich amüsiert.

„Die Vorstellung ist echt gut", meint er belustigt. Die heitere Note ebbt ein wenig ab, als er fortfährt: „Ich hab' mir den Scherz erlaubt und 'n Schwamm voller Wasser auf die Haube geworfen. Sagen wir: Mein Vater hätte mich am liebsten vors Auto geschubst, um mich danach zu überfahren. Der war vielleicht pissig. Da war er also dezent gereizt – ich hab's natürlich auf die Spitze getrieben, als er mich aufgefordert hat, einen Reifen aus der Garage zu holen. Was hat Blödikaski gemacht? Genau. Statt den vorsichtig zu rollen, erst 'mal volle Kanne zu ihm. Ich kann verdammt froh sein, dass mein Vater den abgefangen hat, sonst wär' der ins Auto gerollt und hätt' 'ne fette Delle verursacht. Das war übrigens der Tag, als er mich ... sozusagen verprügelt hat." Er spricht ruhig, gefasst. „Ich hab' 'mal gesagt, dass ich Angst vor ihm habe. Hab' ich auch, insbesondere dann, wenn er einen sehr schlechten Tag gehabt hat oder wenn mein Bruder und ich irgendeinen Scheiß fabriziert haben."

„Dein Vater schlägt dich also."

„Nicht so, wie du jetzt denkst", stellt er auf Anhieb klar, „klar, es gibt manchmal Tage im Leben, da macht er's. Ist aber nicht so, dass das ein Dauerzustand darstellt. Hat immer einen Grund. In fast jedem Fall hab' ich's auch verdient. Seh' ich ja selbst ein." Mikołaj zupft am Saum meines Shirts. „Wenigstens kriegen meine Mutter und mein Bruder nichts mit. Oliver schon, denn er hat's früher ein paar Mal gesehen. Is' so einer der Gründe, weshalb sich der Kontakt zwischen den beiden extrem verschlechtert hat." Sein Handy klingelt. „Wetten, es is' der polnische Schrecken?" Ich unterdrücke mein Gelächter, als er mich loslässt und das Handy zu sich holt. „Was hab' ich gesagt? Da kann ich die Hölle vorheizen. Na super."

Er bleibt gelassen, als er den Anruf entgegennimmt. Allerdings stellt der Neunzehnjährige das Handy in den Freisprechermodus, sodass ich fähig bin, das Gespräch mitzukriegen.

Ach, jak miło że w końcu udało ci się wyciągnąć swój leniwy tyłek z łóżka. Czego jesteś tak pełen? Ty też jesteś w porządku, co? Ty idiotą wyrzuciłeś swój umysł z mózgu. Czemu?!", poltert Jakub wutentbrannt los. „Ta dziewczyna z pewnością będzie twoją nową zabawką, która ci się podoba. Jak prawie każda dziewczyna, która zacząłeś."

Ich sehe Mikołaj an, dass seine muntere Laune den Bach heruntergeht.

„Also erstens: Jess ist gewiss kein Spielzeug, ja? Klemm' dir diesen bescheuerten Kommentar. Der is' echt unter aller Sau." Er könnte vor Wut platzen. Jetzt kann ich verstehen, warum Mikołaj manchmal Angst vor Jakub hat. „Zweitens: Mein Gehirn funktioniert noch sehr gut, sonst würde ich hier nicht sitzen, um mit dir zu reden." Er atmet laut aus. „Was willst du denn hören? Ich hab' gestern einen blöden Tag gehabt und gut ist. Dachte, ich könnte ..."

„Blöder Tag?! Du?!" Jakub lacht verächtlich los. „Vor allem auch du. Was soll gestern passiert sein, hm? Schlechter Tag in der Schule? Ach, woher soll ich es wissen? Du meldest dich ja nicht, obwohl es ein Teil der Abmachung gewesen ist!" Wie er früher gewesen ist? So ganz unter Drogeneinfluss? „Ich bin von Anfang an gegen dieses beschissene Programm gewesen. Du hast mir gerade einen weiteren Grund gegeben, dich eventuell zurückzuholen."

„Du musst nicht herumschreien", grätscht Mikołaj herablassend dazwischen. „Ich kann dich auch so gut verstehen." Anscheinend muss Jakub auf der Arbeit sein. Hört sich sehr nach einer Werkstatt an. „Ich werd's halbe Jahr hier durchziehen. Wenn du meinen musst, mich nach Scheißland Polen zurückzuholen, dann bitte. Ich werd' wieder nach Deutschland gehen."

„Sie ist bei dir, stimmt's?" Als hätte das Wetter mir nichts, dir nichts beschlossen umzuschlagen. Jakub ist urplötzlich ruhig geworden.

„Das hat dich nicht zu interessieren."

„Ich finde schon, junger Mann."

„Ach, auf einmal?" Mikołaj grinst spöttisch. „Na dann wird es dich sicherlich freuen zu hören, wenn ich dir jetzt sage, dass sie polnisch kann und versteht?"

Was jetzt kommt, lässt sämtliches Blut in meinen Adern gefrieren.

„Jess Larkin beherrscht die polnische Sprache? Das ist mir aber neu."

Sämtliche sanfte Züge scheinen wie fortgewischt zu sein. Sein Gesicht ähnelt einer ausdruckslosen Maske.

„Woher weißt du, dass sie so heißt? Spionierst du uns nach?" Er hört sich herausfordernd an.

„Ich glaube, wir sollten uns dringend persönlich unterhalten. Wir drei." Mir ist übel. Am liebsten will ich verschwinden. „Heute Abend. Punkt halb zehn. Ich werde zu dir kommen, Mikołaj. Und dieses Mal erwarte ich, dass du anwesend bist." Er wendet sich diskret an mich. „Es gibt da eine Menge, das ich wissen will und muss. Im Gegenzug werde ich dir alles erzählen, was du über deinen Vater erfahren willst. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass er dir nicht alles erzählt hat."

„Nein." Mikołajs Ton duldet keine Widerrede. „Bleib' in Łagów. Es ist schon schlimm genug, dass ihr Vater weiß, dass ich hier bin."

Ich schlage mir die Hand an die Stirn. Das hätte er nicht sagen sollen.

„Heute Abend, Mikołaj. Und Jess wird dabei sein." Ende.

Mikołaj legt das Handy neben sich und seufzt. Ihm wird bewusst, in was er sich soeben geritten hat und dass es de facto unmöglich ist, dem auszuweichen oder gar umzukehren.

„Ja, scheiße, ey." Der Neunzehnjährige legt den Kopf in den Nacken, starrt die Decke an. „Das heißt nichts Gutes." Er sieht mich an. Ich bin wie gelähmt. „Hey, ich werde auf dich aufpassen. Solange ich bei dir bin, wird dir nichts passieren. Das verspreche ich dir." Dieses Mal legt er beide Arme um mich, und wie von allein schmiege ich mich an ihn. „Da stelle ich mich gerne gegen meinen Vater. Er wird dir kein Haar krümmen."

Da habe ich gerade angenommen, es kann nicht schlimmer kommen, spüre ich, wie mein Vater mich erreichen will. Ich löse mich nicht von Mikołaj, als ich ans Handy gehe. Lasse Mikołaj mithören.

„Ich finde es wirklich großartig, wie du dich meinen Anweisungen widersetzt, Jess", erklingt die kühle und doch gefährliche Stimme. Mein Begleiter hat sich angespannt. „Oder wie du mit dem Risiko spielst, dass dir etwas zustoßen könnte." Er hört sich nicht vorwurfsvoll an, eher ... enttäuscht? Ich kann es nicht deuten. „Warum verstehst du nicht, dass ich nur so streng zu dir bin, damit ich dich beschützen kann? Es dient nicht, dich zu ärgern, Kleines." Ich enthalte mich einer Erwiderung. „Ich habe schon von Mama gehört, dass du bei ihm bist. Sie hat mir Ähnliches gesagt wie du gestern."

„Siehst du jetzt endlich ein, dass du ein bisschen übertreibst?"

„Nein", kommt die simple Antwort.

„Also soll dieser Scheiß solange weitergehen, bis ich ausziehe?"

„Ganz recht."

„Aha."

„Du bist doch bei Mikołaj, richtig?" Ich tausche mit ihm einen nervösen Blick. Mein Fehler: Ich habe keine Antwort gegeben. „Du bist es. Ich kann daher davon ausgehen, dass er gerade bei dir ist?"

„Nein, ist er nicht." Klar und fest.

„Du kannst ihm gerne von mir ausrichten, dass er dir nichts antun soll, ansonsten wird er mich persönlich kennenlernen. Du kommst um Punkt vier nach Hause. Das ist das Mindeste, was du für mich tun kannst."

„Ähm, Papa?" Man kann Mikołaj die Furcht anmerken. Ich verübele es ihm nicht.

„Was?"

„Ich hab' dich trotzdem lieb, ganz egal, wie ich mich dir gegenüber aufführe. Solltest du ... nicht vergessen." Die Lautstärke ist nach unten geklettert.

Ich habe das erreicht, was ich wollte; der stählende Ton, welcher zwischenzeitlich angeschlagen worden ist, wird weicher, nahezu liebevoll.

„Weiß ich, Kleines. Ich weiß es sehr zu schätzen. Ich hab' dich auch sehr lieb." Ich kann mir sein Lächeln vorstellen. Und es sorgt dafür, dass ich es gerade tue. „Denk' bitte daran: Vier Uhr, okay?"

„Ich werde pünktlich auf der Matte stehen. Pass' auf dich auf."

„Werde ich."

„Bis später."

„Wir sehen uns."

Ich lege auf und platziere mein Smartphone zu Mikołajs. Suche seinen Blick. Mustere ihn.

„Was ... genau darf ich unter seiner vorherigen Aussage verstehen?" Ich weiß, welche er meint, obwohl ich für einige Sekunde darüber nachdenken muss.

„Kein schönes Kennenlernen", antworte ich verhalten und schmiege mich nahe an ihn. Es ist gut zu wissen, dass in diesem Augenblick nichts durchdreht. „Ich sage nur so viel: So, wie du gerade aussiehst, wirst du nicht mehr aussehen." Mikołaj sagt nichts. „Etwas dagegen, wenn ich den Tag über bei dir bleibe?"

„Ich habe vorausgesetzt, dass du bei mir bleibst. Ich denke, wir sollten darüber reden, was wir machen werden. Immerhin will mein Vater dich sehen. Heißt: Ich werde ihn nicht mehr von seinem Vorhaben abbringen können, und vor deinen Augen will ich nicht von ihm zurechtgewiesen werden."

Ich bin sicher, dass das Band zwischen Mikołaj und Jakub genauso einzigartig ist wie bei mir und meinem Vater. Bloß schade, dass ich es nicht sehen kann, damit ich mir ein eigenes Bild machen kann.

„Geht klar." Der Neunzehnjährige erhebt sich. Geht zur Tür. Wir wollen das Gespräch auf dem Balkon verlagern. Ich folge ihm. Ein eigenartiges Gefühl hat sich seit dem Anruf von Jakub in mir breitgemacht. Die Schwindel und die leichte Übelkeit sind geblieben. Er deutet auf einen der beiden Klappstühle. Ich lasse mich auf dem nieder, als ich zum ersten Mal bei ihm gewesen bin.

„Ich hole mir schnell etwas zu essen. Willst du 'was trinken? Du siehst gerade aus, als würdest du gleich zusammenklappen. Bist ein bisschen weiß um die Nase."

Ich lächele ihn schief an.

„Nach den beiden Horrorgesprächen wohl verständlich." Ich nicke. „Das größte Glas, was du hast. Nur Wasser."

„Hol' ich dir." Und damit ist der Pole wieder in der Wohnung verschwunden. Ich sehe unterdessen über das Geländer, direkt zu dem überwiegend grünen Wald. Jetzt kann ich einige einzelne Bäume ausmachen, die verdorrt sind. Den Anblick kann ich nicht mehr genießen, nicht nach diesen Gesprächen. Jakub will mich sehen. Das kann schlichtweg nichts Gutes bedeuten. So langsam beginne ich zu bereuen, mich ständig gegen die Maßnahmen meines Vaters widersetzt zu haben. Wäre ich nicht hier, wäre mir dieses Zwangstreffen erspart geblieben. Selbst schuld. Ein verhaltener Seufzer meinerseits. In was für eine Scheiße habe ich mich da nur hineingeritten?

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Da ich minimal vergessen habe, die Übersetzungen der polnischen Sätze niederzuschreiben, gibt's im Folgenden diesen Nachtrag als sinngemäße Verständnishilfe:

Dlaczego mi nie odpowiadasz? - Warum antwortest du mir nicht?

Wiem, że tam jesteś, bo słyszę jak oddychasz więc. Czekam. - Ich weiß, dass du da bist, weil ich dich atmen höre. Ich warte.

Ostatni raz, chłopcze. A teraz powiedz coś albo zagram zupełnie inną muzyke, która ci się nie spodoba. - Ein letztes Mal, Kleiner. Jetzt sag 'was oder ich ziehe ganz andere Saiten auf, die dir nicht gefallen werden.

Oh, kurwa. Co ty tutaj robisz? - Ach verdammt. Was machst du hier?

Może mam przerwę, na film. Kurwa mać .- Ich brauche eine Pause. Ist ja wie ein Filmriss. Verdammter Scheiß.

Ach, jak miło że w końcu udało ci się wyciągnąć swój leniwy tyłek z łóżka. Czego jesteś tak pełen? Ty też jesteś w porządku, co? Ty idiotą wyrzuciłeś swój umysł z mózgu. Czemu? - Ach, wie schön, dass du endlich deinen faulen Arsch aus dem Bett bekommen hast. Wovon bist du so fertig? Dir geht es auch gut, hm? Du Idiot hast doch deinen Verstand verloren. Warum?

Ta dziewczyna z pewnością będzie twoją nową zabawką, która ci się podoba. Jak prawie każda dziewczyna, która zacząłeś. - Dieses Mädchen ist sicher dein neues Spielzeug. Wie fast jedes Mädchen, mit dem du 'was hast.

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