PART 11
Kurz vor Schulschluss bekam ich eine Nachricht von Onkel Justus, dass Sally uns nicht abholen konnte. Wir hatten keine andere Wahl als mit dem Bus zu fahren. Niall hatte mir noch ungefähr erklärt, wo die Bushaltestelle war, bevor er auch nach Hause ging.
Beide liefen Harry und ich schweigend nebeneinander. Dieser rothaarige Junge ging mir nicht aus dem Kopf, wie konnte man nur so gemein sein? Mir viel aber auch ein, das Harry früher vielleicht gar nicht anders gewesen ist. Ich erinnerte mich an unsere erste Begegnung auf der Party, damals wo er mich wie ein Idiot angemacht hatte.
In der nächsten Straße fanden wir endlich die Haltestelle und setzten uns auf die kleine Bank.
Ich schaute auf meine Handyuhr und seufzte auf, da es noch mindestens zehn Minuten dauern würde, bis der Bus kam.
„Harry?", fragte ich einfach und rüttelte ein wenig an seinem Arm, „Wer war der Typ heute beim Mittag?"
Er antwortete mir nicht und drehte seinen Kopf zur Seite weg von mir. Es ist echt schwer, ohne Antworten zu leben. Warum sprach er nicht einfach? Er gab mir nicht mal ein Zeichen. Wütend stand ich auf und ging ein paar Schritte weg von der Bushaltestelle und atmete tief durch. Harry sah auf den Platz, wo ich gerade noch gesessen hatte, er schien nachdenklich.
Ich zählte die Sekunden, bis endlich der Bus kam und anhielt, beide stiegen wir ein, kauften zwei Karten. Der Bus war ziemlich leer, ich setzte mich irgendwo auf einen Zweierplatz und starrte nach draußen. Aber dann merkte ich, wie jemand meinen Arm berührte, genau genommen meine blauen Flecken. Ich zog meinen Arm zurück und zuckte zusammen, als ich in Harrys grüne Augen blickte. Wenn seine Augen sprechen könnten ... Sie sahen traurig aus? Immer wenn er in meine Augen sah, was nicht sehr oft vorkam, spürte ich so eine intensive Verbindung. Sein Gesicht war meinem ziemlich nah und sein warmer Atem prallte gegen meinen. Harry saß auf den Platz neben mir und nahm jetzt wieder vorsichtig mein Handgelenk. Seine kühlen Finger legten sich behutsam auf die schmerzende Stelle, sein Blick darauf gerichtet.
„Es ist okay", flüsterte ich leise und etwas zurückhaltend, da ich mir schon denken konnte, was gerade in seinen Kopf vorging. Doch er schien da andere Meinung, er hob seinen Blick und sah mir in die Augen. Es war doch fast immer so, er gab sich selber die Schuld. Der Bus hielt in diesen Moment an und Harry rappelte sich auf, stolperte nach draußen und rannte davon. Auf der Stelle reagierte ich und stieg ebenfalls aus. Überrascht bemerkte ich, dass wir nicht weit von zu Hause entfernt waren, im Gegenteil. Wir waren gerade mal zwei Straßen entfernt. Ich beeilte mich Harry irgendwie einzuholen, aber Sport war noch nie mein Fach gewesen, deshalb schaffte ich es mit meinen kurzen Beinen nicht und kam etwas später nach ihm ins Haus.
„Harry?", rief ich, schaute mich im unteren Bereich um und bekam natürlich keine Antwort. Plötzlich ertönte von oben ein poltern, er war in seinen Zimmer. Wo denn auch sonst? Hastig rannte ich die Treppe hoch, vorbei an Norbert, der mir mit einen hohen Satz aus dem Weg sprang.
Harrys Zimmertür war sperrangelweit offen, er selbst stand vor seinem Schrank und schmiss Sachen raus. Verwüstete sein Zimmer.
Geschockt stand ich für ein paar Augenblicke an den Türrahmen und sah ihm dabei zu, bis ich aufwachte und auf ihn zu ging.
„Hör auf", sagte ich mit kratziger Stimme und versuchte seinen Arm festzuhalten. Er schien wie ausgeschaltet und drückte mich von sich weg.
„Harry?", versuchte ich es nochmal und legte beide Hände auf seine bebende Schulter, er drehte sich um und sah mich wütend an. Irgendwie war mir klar, dass er nicht auf mich wütend war, sondern auf sich selber. Er wollte sich schon wieder durchs Zimmer bewegen und irgendwas kaputtmachen, da schrie ich ihn an: „Harry, hör verdammt nochmal auf damit!"
Harry zuckte zusammen, blieb stehen und schließlich raufte er sich die Haare. Er stand da, sein Körper verkrampfte sich, bis er auf den Boden sank und seine Beine umschlang. Sein Kopf zwischen den Knien.
Ich beobachtete ihm im Stillen, ging im Endeffekt auf ihn zu und legte ihm beide Arme um seinen Körper, welcher immer noch unkontrolliert zitterte. Es dauerte nicht lange und er drehte sich zu mir, zog mich auf seinen Schoß und vergräbt sein Gesicht in meiner Halsbeuge. So saßen wir beide da, hielten einander fest. Ich summte kaum hörbar eine Melodie und strich ihm sanft über den Rücken. Harrys schnell klopfendes Herz beruhigte sich und auch ich konnte etwas aufatmen. Irgendwann hob er seinen Kopf und sein Blick fand meinen, plötzlich merkte ich abermals, das wir uns sehr nah waren. Verlegen biss ich mir auf die Unterlippe und sah ihn dabei zu, wie behutsam mein Handgelenk nahm und es zu seinen Lippen führte. Mir stockte der Atem, da er seine rauen Lippen auf die blauen Flecken platzierte und jede einzelne Stelle küsste. Es war so anders, so gefühlvoll wie er das machte. Erstaunt beobachtete ich ihn ganz genau dabei.
Harrys trauriger Blick ließ mich hoffen, das ganz tief in ihm immer noch ein andere Harry steckte, der nur darauf wartete zurückzukehren. Er versteckte sich hinter der Fassade und trauerte immer noch einsam um seine verlorene Mutter.
-
Am späten Nachmittag saß ich auf meine Bettdecke und streichelte Norbert am Bauch, der sich gerade schnurrend vor mir fallen gelassen hatte. Im Moment konnte ich mich auf nichts wirklich konzentrieren, denn Harrys Verhalten machte mich ungewöhnlich grüblerisch.
„Maisie?"
Erschrocken zuckte ich zusammen und sah merkwürdigerweise Onkel Justus im Türrahmen stehen „Sorry Kleine, darf ich reinkommen?"
„Na klar", antwortete ich und winkte ihn hinein. Er schloss die Tür hinter sich zu und setzte sich neben mich aufs Bett. Norbert miaute fröhlich und machte es sich zwischen uns bequem, damit wir ihn beide streicheln konnten. Was wir auch taten.
„Sally schickt mich", räusperte er sich und wischte sich mit seiner riesigen Pranke übers Gesicht. Sein Blick huschte durch mein Zimmer in jede Ecke, bloß nicht in meine Augen. Er schien nervös zu sein.
„Okay, sags ruhig", ermunterte ich ihn und tätschelte seine Hand. Onkel Justus atmete tief durch und wagte es sich jetzt endlich in mein Gesicht zu gucken.
„Sie meinte, ich solle dir deine Fragen über ihn beantworten, wenn du welche hast. Sally schafft das nicht darüber zu reden", brachte er mit erstickter hervor und ich nickte. Es war nett das sie bemerkte, dass ich mir den Kopf zerbrach, über Harrys Vergangenheit. Doch ließ ich es in letzter Zeit sein ihr Fragen zu stellen, ich wusste für sie war das auch kein einfaches Thema. Bei mir fehlten Puzzelteile, für ein richtiges Bild von Harry, deshalb zögerte ich nicht lange und platzte gleich mit der ersten Frage hervor.
„Wo ist Harrys Vater?"
„Wissen wir nicht. Seine Mutter war alleinerziehend, er wollte den Jungen nach ihrem Tod nicht haben"
Ich nickte, obwohl ich es nicht verstand. Warum wollte ein Vater seinen Sohn nicht sehen? Wieso wollte er nicht der Vater sein, den Harry vielleicht zu der Zeit und auch noch jetzt so sehr brauchte?
„Hat er Geschwister?", fragte ich und befeuchtete mit meiner Zunge meine Lippen. Onkel Justus kratzte sich an seinem Hinterkopf und schüttelte schlussendlich den Kopf.
Kurz sammelte ich mich und schaffte es, die Frage zu stellen, die mir schon Tage auf der Zunge lag.
„Was ist damals in der Nacht passiert, als seine Mutter starb?"
„Ich ... ich weiß es nicht genau, das ist das Einzige was uns nicht genau gesagt wurde. Harry saß mit im Auto und war so der einzige Zeuge und da er nicht redete, konnten sie nicht genau sagen, was sich in dem Auto abspielte. Sie vermuten aber, dass die beiden sich gestritten haben ..." Während Onkel Justus redete knetete er seine Hände und eine steile Falte bildete sich auf seiner Stirn. Dann schüttelte er kurz den Kopf, wie wenn man einen beißenden Gedanken abschütteln wollte. Mir wurde klar, das Harry mehr Geheimnisse hinter sich versteckt hielt, als ich gedacht hätte.
„Hat dein Vater sich nochmal bei dir gemeldet?", fragte er, da ich nicht die nächste Frage stellte und vor mich hinstarrte.
„Nein, hat er nicht", murmelte ich total niedergeschlagen und seufzte laut auf. Onkel Justus tat es mir gleich. Zu Sicherheit fischte ich nach meinem Handy, das auf meinem Kopfkissen lag, und schaute auf das Display. Keine Nachricht. Nichts.
„Wie war dein erster Schultag eigentlich?" Sein Blick war neugierig und ich war mir sicher, dass er auf ein ganz wichtiges Detail aus war.
„Ganz okay. Ich denke, ich werde gut klarkommen, Harry hatte eine kleine Auseinandersetzung mit so einem Rotschopf, aber sonst war es normal", erzählte ich und strich über Norberts Fell, welches aussah wie Lakritze.
„Du meinst Simon, war das nicht der beste Freund von ihm? Der war zu der Beerdigung von Harrys Mutter mit dabei, hat uns sein Beileid ausgesprochen und erwähnt Harrys bester Freund zu sein!", meinte er und mit einem leicht wütenden Gesichtsausdruck.
„Wirklich? Bist du dir sicher?", harkte ich ungläubig nach.
„Hundertprozentig", erwiderte er ernst und ich hielt die Luft an. Was in Gottesnahmen hatte er angestellt, dass sein bester Freund ihn so hasste? Er musste ein ganz schönes Arschloch gewesen sein, bevor das mit seiner Mutter geschah. Vielleicht aber war er das gar nicht gewesen und Simba, oder wie der Vollpfosten nochmal hieß, verachtete ihn jetzt nur, weil er Langeweile hatte? Das konnte es doch nicht sein. Trotzdem überlegte ich und beschloss, das wenn ich nichts aus Harry rauskriegen würde, Simba der Einzige war, der darüber mehr wusste. Indessen hatte sich Onkel Justus zu Tür bewegt.
„Wir sehen uns beim Abendbrot. Ich weiß nicht, was da in Harrys Zimmer vorgefallen ist, aber könntest du ihm sagen, dass er dieses Chaos beseitigen soll? Ich will nicht dass Sally ein Schreck bekommt, wenn sie nach Hause kommt, das wäre echt nett Maisie. Ich denke nämlich, dass er auf dich mehr hört ...", brummte er und machte die Tür hinter sich zu.
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Ein kleines Mitternachtsupdate :)
Ich danke für die netten Kommentare bei dem letzten Kapitel und hoffe das ich fleißig weiter kommentiert und votet. So macht das ganze auch mir viel mir spaß, wenn ich weiß das es euch gefällt :P
WIE HAT EUCH DAS KAPITEL GEFALLEN UND WAS DENKT IHR?
Durch tanktop weiß ich jetzt endlich wie es weitergeht und enden wird. Dankeschön dafür xD <3
- N
Seid ihr noch in der Schule(wer hat noch Ferien?), macht ihr eine Ausbildung oder arbeitet ihr schon?
Ich werde am Montag mein Abitur anfangen (11 Klasse) und bin schon extrem aufgeregt. Neue Schule, neue Lehrer, neue Schüler ... HA. Ich hab Angst das ich abkacke, weil ich vorher auf einer Oberschule war.
Naja ich sollte durchs leben tanzen ... so wie Niall daunten!
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