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ʏᴜɴ ᴇᴜɴᴡᴏᴏ | Ich habe das Gefühl, dass Daeshim kaum von meiner Seite zu weichen scheint. Während ich das Frühstück wie gewohnt am Esstisch einnehmen will, zieht er mich gleich wieder aufs Sofa, direkt in die Ecke und setzt sich in meinen Schoß, bevor ich meine Beine überhaupt vernünftig zu einem Schneidersitz formen kann. Und das obwohl die Schüssel in meinen Händen beinahe bis zum Rand gefüllt ist. „Wenn ich was verschütte, ist es deine Schuld.", murmle ich. Er mit seinem blöden Obstteller muss sich darüber keine Gedanken machen. Selbst jetzt zuckt er nur mit den Schultern, greift gleichzeitig nach den Controller seiner Play Station und schaltet auch gleich den Fernseher ein. „Willst du was bestimmtes gucken?", brummt er leise, lehnt seinen Kopf gleich an meine Schultern und lässt mir trotzdem noch genügend Platz, um vernünftig essen zu können. „Mh–hm.", brumme ich verneinend, schiebe meine Hand kurz durch seine Haare und drücke ihn damit nur noch mehr an mich. „Hmm...", entgegnet er, drehe sich leicht zur Seite und kuschelt sich so an mich, dass er in meinen Armen zu versinken scheint. Ohne selbst groß drauf zu achten, wählt er also etwas aus, schaut dann dennoch eher mich statt den Fernseher an. „Was ist?", frage ich leise, „Willst du doch Suppe?" Kopfschüttelnd ziehe ich meine Schüssel etwas zurück und will damit symbolisieren, dass es für diesen Meinungsumschwung zu spät ist.
Kurz schaut er verdattert, kichert dann aber und schüttelt den Kopf. „Nein.", unterstreicht er dann und schiebt sich eine Apfelscheibe zwischen seine Lippen. „Du bist einfach nur hübsch.", nuschelt er dann grinsend. „Schleim nicht.", schüttle ich den Kopf, drehe meinen Kopf leicht zur Seite und beginne selbst zu essen. „Nimm das Kompliment doch wenigstens an.", murmelt Daeshim, klingt aber selbst dabei belustigt und kneift kurz in meinen Oberschenkel, bevor er dann selbst aktiv seinen Teller zu leeren beginnt. Zwischen uns herrscht daraufhin Stille. Wir beide sehen uns dennoch hin und wieder an, teile sanfte Küsse und zarte Gesten miteinander und versinken für die nächste Stunde in völlig friedlicher Zweisamkeit.
Lange dauert es nicht, bis Daeshim sich für die Arbeit herrichten muss, seine Tasche packt und von seinem neuen Leibwächter abgeholt wird. Skeptisch sehe ich den mittedreißig-jährigen Mann an, der in schwarzem Anzug und leicht grimmigen Gesicht in das Apartment schaut und mit seiner breiten Statur die Tür versperrt. „Jiyong, das ist Eunwoo.", lächelt Daeshim leicht, während er seinen Mantel anzieht und sieht zufrieden dabei zu, wie wir beide eine Verbeugung andeuten. Jiyong sieht mich aber mindestens genauso skeptisch an, wie ich ihn. Ein wenig versteckt verschränkt Daeshim unsere Finger ineinander, als er sich vor mich stellt und mir ein warmes Lächeln zuwirft. „Komm gut nach Hause, ja?", bittet er leise, was mich gleich nicken lässt. „Ich gebe mir Mühe." „Sehr gut.", grinst er zufrieden, dreht sich auf dem Absatz um und verschwindet mit Jiyong im Hausflur.
Kaum ist die Apartmenttür in ihr Schluss gefallen, drehe auch ich mich um und mache mich zuerst daran, die Sofakissen zu richten, bevor ich mich um mich selbst kümmere. Ich richte mich halbwegs ansehnlich her, trage mir etwas von Daeshims Parfüm auf und stelle mich dann schwer ein und aus atmend an die Kücheninsel. In meinen Händen die Visitenkarte meiner Psychologin, die ich ihm nun doch da lassen will. Es wäre vernünftig, es doch gleich anzugehen, nicht wahr? Auch wenn ich ihm nichts von der Sitzung erzählt habe, sollte ich bei diesem Aspekt mit offenen Karten spielen...
Miss Cheong meinte, dass sie sich gerne einmal mit dir sprechen wollen würde... Vielleicht kannst du dich bei ihr melden, aber fühl dich nicht dazu verpflichtet! – schreibe ich leicht nervös dazu. Noch immer macht mir der Gedanke Angst. Ich befürchte, dass Miss Cheong ihn nochmals darauf hinweisen wird, was ich ihm angetan habe und dass wir uns dann vielleicht doch wieder voneinander entfernen sollten. Genau das will ich nicht. Aber ich könnte es ihm auch nicht verübeln, wenn genau das seine Reaktion wäre...
– Kurz spiele ich trotzdem mit dem Gedanken, die beiden Papierstücke doch wieder mitzunehmen und einfach aus seinem Apartment verschwinden zu lassen, doch das wäre feige. Und ich bin nicht feige. Zumindest will ich es nicht sein. Und ich will das alles schnell hinter mich bringen. Ich will, dass Daeshim schnell mit ihr spricht, will so schnell wie es geht und sinnvoll ist einen positiven Prozess durchleben.
Ich fühle mich nicht wirklich wohl oder gar zufrieden, als ich mich auf den Weg nach Hause mache. Es ist verrückt, aber ich würde viel lieber noch mehr Zeit mit und bei Daeshim verbringen, als mich jetzt wieder zu langweilen... Obwohl ich offiziell noch immer bei seiner Familie angestellt bin, fühle ich mich irgendwie arbeitslos und unbrauchbar. Müde von diesem neuen Alltag lehne ich meinen Kopf an die Scheibe des Busses und schließe meine Augen.
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Überrascht blickt Miss Cheong von ihrem Block auf. „Zurück zur Polizei?", fragt sie, wirkt dabei sogar leicht verwirrt, legt ihre Schreibutensilien zur Seite und überschlägt ihre Beine, ehe sie sich interessiert zu mir beugt. „Ja.", murmle ich eher leise, ziehe aufgrund ihrer Reaktion meine Augenbrauen zusammen. „Warum sagen Sie das so?" „Denkst du, deine Verfassung wäre dafür geeignet?", stellt sie gleich eine Gegenfrage und faltet nun auch ihre Hände ineinander. „Inwiefern?" „Nun ja... offiziell ist nie etwas vorgefallen. Daeshim hat nichts zur Anzeige gebracht oder anderweitig publiziert, das ist mir bewusst, aber–" „Verzeihung, dass ich ihnen so ins Wort falle, aber ich hoffe dass ihnen bewusst ist, dass mein aggressives Verhalten sich absolut auf Daeshim beschränkt. Ich bin noch nie jemand anderen derart angegangen, habe mir–" Ihr ruhiges und doch so aussagekräftiges Nicken, bringt mich zum schweigen. Ich seufze schwer. Eigentlich ist genau das beinahe schrecklich, doch ich muss ehrlich zu mir selbst sein. Und jetzt irgendwie auch zu ihr... „Ich verstehe, worauf du hinaus willst.", nickt sie erneut, wendet ihren Blick kurz ab und scheint einen Moment selbst zu überlegen, wie sie nun weitermachen soll. Zum einen haben wir noch das offene Thema meines neuen alten Berufswunsches auf dem Tisch und dann habe ich mit meiner Aussage wieder das große und allumfassende Thema Daeshim aufgemacht.
„Was erhoffst du dir davon, wieder bei der Polizei zu arbeiten?", fragt sie nach der kurzen Stille und lehnt sich in ihrem Sessel nach hinten. „Hm.", mache ich leise, nehme kurz einen Schluck meines Wassers und schüttle gedanklich den Kopf. Was eine schwachsinnige Frage. „Einen geregelten Tagesablauf.", sage ich leise, ,,Routinen." „Mh–hm.", nickt sie, nimmt nun doch wieder ihren Stift und den Block in die Hand und beginnt und schreiben. „Noch etwas?" „Neue Kontakte.", zucke ich mit den Schultern, „Allgemein ein neues Umfeld. In letzter Zeit war ich sehr beschränkt und so..." Ich beiße kurz auf meine Unterlippe und rede doch weiter, bevor sie mir überhaupt einen fragenden Blick zuwerfen kann.
Ich brauche nur dich hin und wieder noch einen Moment, um zu realisieren, dass ich tatsächlich ehrlich zu ihr sein muss! ... oder es eben zumindest sein sollte.
„Und so kann ich vielleicht noch etwas mehr Abstand zu der Jang Familie gewinnen." – „Und ist es das, was du willst?", hakt sie nach. „Ja.", nicke ich schnell, woraufhin sie es mir gleich tut. „Das finde ich sehr mutig von dir.", erklärt sie anerkennend und lächelt mir leicht zu, „Diese Familie ist sehr wichtig für dich. Sie ist ein Teil deines Lebens – nicht nur, weil du für sie arbeitest, sondern weil du sein Kindertagen mit ihr in Verbindung stehst." Ich nicke. „Aber ich verbinde sie auch mit vielen negativen Ereignissen." „Du meinst den Tod deines Vaters?" „Unter anderem.", nicke ich und lehne mich ebenfalls zurück. „Aber auch, weil ich oft das Gefühl hatte, dass mir mein Vater und damit meine eigene Familie genommen wurde." „Kannst du das weiter ausführen?", will sie wissen und lässt mich damit innerlich aufseufzen. Manchmal stellt sie mir einfach zu viele Fragen – auch wenn das nun mal eben ihr Job ist. „Er war oft tagelange oder die ganze Woche bei den Jangs.", erkläre ich, „Er war oft als Vaterfigur abwesend." „Und nimmst du ihm das übel?" „Nein.", erkläre ich klar und deutlich – und ehrlich. Denn das tue ich tatsächlich nicht. Wir hatten nie viel Geld zur Verfügung, nachdem meine Mutter erkrankt ist und da war es nur sinnvoll, dass mein Vater mehr arbeiten muss. Ich hatte damals lang– und breitgezogene Gespräche mit meinen Eltern darüber und konnte ein gewisses Verständnis für unsere Situation aufbauen. Und irgendwann durfte ich ja sogar hin und wieder mal mit Appa an die Küste. So hatte ich wenigstens ein wenig mehr Zeit mit ihm obwohl er eigentlich arbeiten musste. Und ich weiß, dass sich meine Eltern auch etwas anderes – etwas besseres für mich und uns – gewünscht haben, aber das was wir bekommen haben, war schon mehr als man hätte erwarten können. Mein Vater konnte sich von einem läppischen Assistenten von Mister Jang zu einem der wichtigsten Leibwächter hocharbeiten. Er hat mehr Urlaubstage bekommen als üblich – so hat es mir zumindest meine Mutter erzählt – und mit einem Mal waren die ganzen Behandlungen für Eomma keine Last mehr auf unseren Schultern. Wir hatten nicht plötzlich übermäßig viel Geld, aber es hat gereicht und das war schön. „Ich weiß, dass er es für uns getan hat."
Ein beinahe herzliches Lächeln bildet sich auf den Lippen meiner Therapeutin. „Ich habe sowas schon öfter gehört.", erklärt sie leise, „Aber es ist das erste mal, dass ich es glaube." Ich nicke zufrieden.
„Und warum wolltest du dann ebenfalls für die Jangs arbeiten?" „Des Geldes wegen.", erkläre ich schnell, „Ich bezahle die Wohnung meiner Mutter weitestgehend, damit sie mit ihrem eigenen Lohn für alles andere gut über die Runden kommt und sich etwas zur Seite legen kann." „Nur deswegen?", hakt sie erneut nach und diesmal kann ich mein seufzen nicht mehr unterdrücken. „Also wenn Sie eine andere Antwort erwarten, könnten Sie auch gleich danach fragen.", lasse ich sie wissen, nicke ihr sogar beinahe auffordernd zu, dabei weiß ich sowieso schon, worauf sie hinaus will. „Natürlich hat mir auch die Aussicht auf Rache gefallen.", spreche ich also das aus, was sie vermutet hat oder hören will. Denn ja, auch das stimmt natürlich. Die Dame sieht mich für einen Moment schweigend an. „Was wollen Sie mich fragen?", will ich wissen. Genauso wie sich mich dazu auffordert, meine ersten Gedanken auszusprechen und nicht zu viel über meine Worte nachzudenken, fordere ich sie eben dazu auf. Sie muss schmunzeln. „Ich habe mich gefragt, wie du diese Rache definierst und seit wann du sie verspürt hast." „Wie ich sie definiere?"
Eine schwierige Frage, die ich mir aber selbst schon gestellt habe. Ich habe mich gefragt, ob dieses ungerechte Schicksal, welches ich verspürt habe, solchen Zorn und solche Wut wert ist. Ob ich tatsächlich Rache ausüben will. Doch der Gedanke, genau das zu tun, hat sich so sehr nach Erlösung angefühlt, dass ich nichts anderes als das im Auge hatte. Ich war mir sicher, dass diese Rache meine Art der Trauerbewältigung ist.
– und das lasse ich auch Miss Cheong wissen.
„Ich habe vorher immerzu Appas Tod geleugnet, weil ich es nicht war haben wollte." „Es muss schwierig gewesen sein, so einen geliebten Menschen zu verlieren." Ich nicke zustimmend. „Ich hatte das Gefühl, dass es mir den Boden unter den Füßen weggerissen hat.", murmle ich augenblicklich und presse meine Lippen aufeinander. Ehrlich gesagt, kam es mir zunächst wie ein schlechter Scherz vor. „Ich habe es teilweise in den Hintergrund geschoben, aber irgendwie ist das Verlangen nach Rache nie wirklich vergangen." Verständnisvoll nickt mein Gegenüber, schiebt selbst ihre Lippen kurz aufeinander und lehnt sich wieder etwas vor. „Sagen dir die fünf Phasen der Trauer etwas?" „Schon mal gehört.", nicke ich leicht, aber nicht besonders sicher. „Die erste Phase des Leugnen hast du sicherlich durchlebt, doch ich habe das Gefühl, dass du nie über die Phase des Zorns – oder in deinem Fall der Rache – hinausgekommen bist." „Mh–hm.", mache ich leise. Da hat sie wohl recht... „Und die anderen Phasen?" „Die Phase des Verhandelns, der Depression und der Akzeptanz.", erklärt sie sofort. „Und was ist damit? Durchlebe ich die noch? Habe ich das schon?", will ich wissen und verschränke seufzend die Arme. Es soll doch einfach nur vorbeigehen! Ich will einfach nur endlich vernünftig damit abschließen können!
„Ich glaube, dass du die Phase des Verhandelns und der Depression parallel zu deinem Zorn durchlebt hast. Es kommt immer mal wieder vor, dass jemand in einer der Phasen feststeckt und sich in dieser Hinsicht nicht wirklich weiter entwickeln kann. Manche kommen dementsprechend nicht weiter, doch ich glaube wie gesagt, dass du einen Teil dieser Gefühle parallel verarbeiten musstet. Das ist aber keine Garantie dafür, dass das nicht nochmal passiert – vor allem weil wir jetzt nochmal alles aufrollen." – „Und die letzte Phase?" „Die Phase der Akzeptanz.", nickt sie leicht, „Ich glaube, es dauert noch etwas, bis wir diese Phase erreichen."
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