09
☾𖤓.𖥔 ݁ ˖☾𖤓
ʏᴜɴ ᴇᴜɴᴡᴏᴏ | ,,Da sehe ich dich eine halbe Ewigkeit lang nicht und jetzt sitzt du als Kunde vor mir.“, lacht mein alter Tutor breit, während er die Farbe in einen kleinen Behälter umfüllt. Er hat mich in den ersten zwei Jahren bei der Polizei begleitet und beinahe zeitgleich mit mir den Job an den Nagel gehangen. ,,Sei froh, dass ich dir etwas Geld einbringe.“ ,,Seit sich einige Idols tätowieren lassen, läuft es tatsächlich um einiges besser.“, zuckt er mit den Schultern, ,,Aber schön, dass du dich sorgst.“ Er dreht sich zu mir, dreht meinen Arm etwas nach rechts und neigt seinen Kopf ein wenig zur Seite. ,,Das wünscht du dir.“, verdrehe ich die Augen. ,,Und der Junge da draußen? Ist er dein Schützling? Hab schon gehört, dass du für die Jangs arbeitest.“, lächelt er und wirkt leicht stolz, als er den letzten Satz ausspricht. Ich nicke lediglich, muss und will nicht mehr dazu sagen und schiebe die Hand meines freien Arms unter meinen Kopf. ,,Fangen wir an? Die Musik ist auch okey für dich.“ ,,Ja, lass uns keine Zeit vergeuden.“, nicke ich und schließe die Augen, als die Nadel zu surren beginnt. ,,,Wenn du eine Pause brauchst, sagst du bescheid, ja?“ ,,Natürlich.“, nicke ich. In mir kommt augenblicklich Vorfreude auf, als ich das pulsierende Stechen der Nadel zu verspüren beginne.
– Und nach den ernsten zwei Stunden machen wir tatsächlich eine Pause und ächzend setze ich mich auf. Sujin steht selbst auf, nimmt seine Flasche in die Hand und übergibt mir ein Glas Wasser. Durch die Oberlichter kann ich in den Vorraum sehen und erblicke Daeshim schlapp auf dem Ledersofa hängen. Er schläft. ,,Was ein Idiot.“ Aber immerhin stört er so nicht und hält die Klappe.
Lange dauert die Pause, die wir machen nicht. Um ehrlich zu sein sind wir schon nach nicht mal zwanzig Minuten in eine ähnlichen Position wie vorher, sprechen hin und wieder ein wenig und lauschen sonst der leisen Musik, die um Raum erklingt.
Kaum sind wir fertig, treten wir zusammen wieder in den Vorraum. Man sieht Daeshim nicht an, dass er wie weggetreten auf der Couch gesessen hat – nun sitzt er kerzengerade und mit Laptop auf dem Schoß da und ist in seiner Arbeit versunken, während ich mit meiner Kreditkarte Sujin für die seine bezahle. ,,Komm vorbei, wenn es abgeheilt ist, dann kann ich Fotos für meine Website und Instagram machen.“ ,,Versprochen.“, nicke ich leicht. Die kurze Umarmung reicht zur Verabschiedung, um den Sitzenden aus seiner Trance zu locken. Er springt ebenfalls auf, packt hektisch alles zusammen und verbeugt sich vor dem Älteren. ,,Kommt gut nach Hause.“, ist das letzte was der Tätowierer sagt, winkt uns nochmals zu und verschwindet im Hinterzimmer, während wir noch das Gebäude verlassen. Es dämmert bereits und Daeshim zieht augenblicklich sein Jackett enger um sich. Ich werfe einen Blick nach rechts und links, lege wieder eine Hand in Daeshims Nacken und nehme ihm seine Tasche ab, als wir nach links einschlagen und uns nahe der Straße auf dem Bürgersteig bewegen. Noch sind recht viele Menschen unterwegs, von der gegenüberliegenden Straße strömt angenehmer Duft zu uns herüber und in meinem Mund sammelt sich das Wasser. ,,Wir bestellen gleich im Auto was zu essen. Dann ist es hoffentlich schnell da, wenn wir ankommen.“ ,,Ist gut.“, wispert er leise. ,,Ich weiß nicht, ob du das magst– ob du willst, aber ich hätte Lust auf Pizza.“, stammelt er dann, sieht flüchtig zu mir auf und dann wieder nach unten auf seine Füße. ,,Von mir aus.“, nicke ich. Eigentlich habe ich nicht wirklich an Pizza gedacht und doch gefällt mir der Gedanke, an das fettige und doch so leckere Gebäck. Das Auto schon fokussierend lockere ich den Griff, als wir uns dem Fußgängerüberweg nähern und deute dem anderen an, gleich eine Speisekarte aufzurufen. Er brummt zustimmend, lässt mir freie Sicht auf die Straße und micj bestimmerisch einen ersten Schritt auf die Straße setzen.
Es ist frei – das denke ich zumindest für den Bruchteil einer Sekunde. Nur solange, bis ich die hellen LED–Scheinwerfer des Sportwagens erblicke. Das rote Auto fährt deutlich zu schnell um die Ecke, lässt die Lichter durch die dortige Hecke blitzen und sie dann die Straße erhellen. Ich erschrecke mich, als der Motor aufgeheult, komme gleich zum Stehen und muss doch gleich feststellen, wie die weiche Haut des jungen Mannes aus meinen Finger rutscht. Sein Blick ist weiter gesenkt und seine Hände in den Stoff seiner Jacke gekrallt. ,,Daeshim!“, zische ich sauer, sehe erneut zu dem Wagen, der trotz seiner Geschwindigkeit für einen Moment wie im Zeitlupe zu fahren scheint. Der Angesprochene bewegt sich weiter, das Auto ebenso. Mein Herz rutscht mir in die Hose, meine Augen weiten sich – wird er angefahren, werde ich gekündigt! Ich greife nach vorne und kann doch seinen Kragen nicht erhaschen. Noch einen Schritt – er ist fast bei der Hälfte der Straße. ,,Daeshim!“, rufe ich lauter, diesmal beinahe wie ein Knurren. Ich glaube, den Motor erneut aufheulen zu hören, schlucke schwer und sprinte zwei Schritte nach vorne.
Gerade rechtzeitig.
Mein Herz schlägt vor Erleichterung kräftig gegen meinen Brustkorb, als ich den Oberarm des Mannes erhasche, ihn zu mir ziehe und gerade so vor einen Zusammenprall mit dem Wagen bewahren kann. Er knallt gegen meine Brust, spannt sich an und keucht erschrocken auf. ,,Yahh! Wie fährst du, du Hurensohn!“, rufe ich aus Reflex, zeige dem Fahrer des Autos unverblümt meinen Mittelfinger und scheine erst jetzt alles wieder in der wahren Geschwindigkeit wahrzunehmen. Der – wie ich nun erkennen kann – Audi, bremst radikal ab, nur um gleich darauf wieder loszubrettern und den in Schockstarre verfallenen Mann zurücklässt. Seine weit aufgerissenen Augen sind auf sieht er zu mir auf. Sie sind zittrig und füllen sich augenblicklichen mit Tränen, als ich mich selbst aus der leichten Starre reißen kann und ihn auf die andere Seite zerren kann. ,,E–Eunwoo–“ ,,Sei leise.“, zische ich, ziehe ihn stolpernd hinter mir her, als ich mit viel zu schnellen Schritten auf den SUV zulaufe. ,,Aber er–“ ,,Klappe!“, hauche ich, kann und will es nicht riskieren, dass er auf öffentlichen Straßen einen Zusammenbruch erleidet und verfrachte seinen zitternden Körper auf den Beifahrersitz. Kurz sehe ich in seine so geschockt aussehen Augen, drücke ihm den Sicherheitsgurt in die Hände und laufe um das Auto herum.
,,Er– Er hätte m–mich angefahren–“ ,,Ich weiß.“, sage ich schnell, ,,Denk nicht drüber nach, steigere dich nicht darein.“ Ich sehe kurz zu ihm herüber. ,,Es ist nichts passiert.“ ,,Aber er–“ ,,Wenn du gleich eine Panikattacke bekommst, schwöre ich, ich werde dir nicht helfen! Beruhig dich einfach!“, zische ich wenig empathisch, ziehe seufzend sein Handy aus seiner Hosentasche und drücke es ihm in die Hand. Ich kann mich gerade kaum dazu durchringen, ihm emotionalen Beistand zu leisten. ,,Such nach Pizza.“ Und eigentlich hoffe ich doch, ihn damit schnell auf andere Gedanken bringen zu können. So gerne ich ihn ärgere und genieße ihn zum Weinen zum bringen, werde ich nicht damit umgehen können, wenn er jetzt noch in Schock verfällt. Und das wird er. Soll er sich in den Schlaf weinen oder kein Auge zubekommen – aber nicht in meiner Anwesenheit.
Eine Viertelstunde später kommen wir beinahe zeitgleich mit dem Lieferanten an. ,,Danke.“, lächle ich ihm knapp zu, nehme ihm die Kartons ab und mache mich auf den Weg nach oben. Daeshim habe ich bereits nach oben geschickt, laufe ihm jetzt nach und werde mit einer offenen Tür begrüßt. Schnell streife ich meine Schuhe ab, stelle seine Tasche neben diesen ab und laufe zu ihm in die Küche. Gerade die Kartons geöffnet, sieht er zu mir rüber. ,,Ist schon geschnitten.“ – ,,Ich esse in meinem Zimmer.“, lasse ich ihn wissen, nehme die Pizza, die ich ihn für mich hab bestellen lassen und lasse ihn selbst ohne weitere Worte alleine stehen. Schnell entkleide ich mich, betrachte einen Augenblick zufrieden meinen Arm und schalte den Fernseher ein, während ich mich auf das Bett lege. Auch wenn ich die vergangenen – leicht schmerzhaften Stunden – nur gelegen habe, bin ich froh mich richtig hinlegen zu können.
In nur wenigen Minuten verspeise ich die ganze Pizza, putze mir die Finger an einem Taschentuch und schaue mir die laufende Folge zu Ende an, ehe ich mich kurz waschen gehe und mit der leeren Glasflasche in den Wohnraum, den Daeshim so wie es aussieht für sich eingenommen hat. Der ebenfalls leere Pizzakarton liegt auf dem Wohnzimmertisch, ein Teller daneben. Der Fernseher läuft – Nachrichten – doch der Mann selbst steht in der Küche vor dem Kühlschrank. ,,Ist da noch nh Wasserflasche drin?“, will ich wissen, stelle die meine auf den Küchentresen und nähere mich ihm, während er sich erschrocken von seinem Schock erholt, mich erst erstaunt ansieht und dann eine Flasche zum Vorschein holt. Zudem hat er ein kleines Saftpäckchen in der Hand, als er sich zu mir dreht. Er sieht müde und leicht verheult aus, seine Augen sind angeschwollen und trotzdem zwingt er sich ein leichtes Lächeln auf. ,,Darf– Darf ich es mir mal ansehen?“, murmelt er leise und deutet auf meinen Arm. Ich hebe ihn kurz an, sehe selbst drauf und schüttle noch währenddessen den Kopf. ,,Nein.“, zucke ich dann mit den Schultern – und vernehme ein lautes Platschen.
Erst das Saftpäckchen. Dann Daeshim selbst.
Beides landet ungebremst auf den Boden, knallt laut und dumpf. Und während zumindest der Saft aus dem TetraPak läuft, rührt sich Daeshim keinen Zentimeter. ,,Was zur Hölle–…“, murmle ich leise, knie mich aber doch gleich neben ihn.
Was ist denn bitte jetzt mit ihm los?!
Reicht es nicht, dass dieser untalentierte Trottel an Autofahrer ihn beinahe Platz gefahren hätte?! Muss er sich jetzt auch noch selbst wie eine tote Fliege auf den Boden werfen?!
Er scheint bewusstlos. Ohne darauf zu achten, ob es sanft ist oder nicht, schlage ich gegen seine Wange, stütze seinen Kopf an der anderen Seite und unterdrücke ein gestresstes Seufzen, als er sich nicht gleich rührt. ,,Daeshim?“ Er kann doch nicht einfach umkippen und ohnmächtig werden. ,,Daeshim!“ Ich schlage erneut zu. Diesmal noch etwas stärker. Seine Haut wirkt noch blasser als sonst, seine Arme zucken und starr sind seine Augen auf die Decke gerichtet. ,,Junge, beweg dich!“, zische ich ihm zu, lasse seinen Kopf fallen, um nach meinem Handy zu greifen. Gleichzeitig schlage ich erneut auf seine Wange. ,,Verdammt!“ – Mein Handy liegt auf meinem Bett! Ich muss einen Krankenwagen rufen! Er kann doch nicht einfach so ohne das was passiert, umfallen und liegen bleiben. ,,Verdammtes Arschloch!“, zische ich, ,,Wie soll ich denn jetzt Hilfe rufen–“
Er schnappt nach Luft.
Kurz breitet sich Erleichterung in mir aus – er ist nicht tot und das ist gut – dann aber lasse ich meine flache Hand gleich nochmals auf seine Wange schnellen. Sanfter und nicht mir so viel Wut, in der ich diese Geste gerne getränkt hätte. ,,Junge, was ist denn los mit dir!“ Er krallt sich hektisch atmend an meinen Arm, zieht sich an dem Küchenschrank hoch, als ich ihn von mir stoße und sieht geschockt auf den Boden. ,,Wisch das auf–" ,,W–Was ist– warum ist das passiert?“, haucht er zittrig. ,,Keine Ahnung.“, zucke ich mit den Schultern, ,,Vielleicht musst du mal mehr essen.“ Und trotzdem muss ich gestehen, dass er mir kurz einen Schrecken eingejagt hat. ,,Mir ist schwindelig…“, haucht er leise und greift blind nach der Papierrolle hinter sich, während seine Augen noch auf dem nassen Fleck am Boden kleben. ,,Trink was.“ – ,,Was wenn das nochmal passiert?“, murmelt er weiter, ,,Ich hätte mir den Kopf–" ,,Halt den Rand!“, verdrehe ich die Augen, stelle mich neben ihn und nehme eine Wasserflasche aus dem Kühlschrank. ,,Kann ich bei dir schlafen?“, bittet er leise wispernd, spricht seine Worte so unüberlegt wie flüchtig aus, dass er erst realisiert, was er da fordert, als ich schelmisch zu grinsen beginne.
– ,,Auf dem Boden.“
☾𖤓.𖥔 ݁ ˖☾𖤓
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