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ᴊᴀɴɢ ᴅᴀᴇsʜɪᴍ | Ich fühle mich müde und ausgelaugt als ich eigentlich schon lange wach in meinem Bett liege und wahllos aus dem Fenster starre. Erneut sträube ich mich dagegen, in den Wohnraum zu gehen und auf Eunwoo zu treffen. Wir haben gestern nicht mehr miteinander geredet, haben uns gegenseitig ignoriert und sind uns auch nicht mehr groß über den Weg gelaufen. Trotzdem bin ich mir sicher, dass es wieder anders sein wird, sobald wir ins gleich sehen. Es ist schon elf Uhr… ,,Verdammt.“, brumme ich, als ich mich in die Höhe drücke und auf mein Fenster zulaufe, um einen besseren Blick zu erhaschen. Der Himmel hat sich über Nacht aufgeklart und die Sonne scheint sanft auf die Stadt herunter. Vielleicht – wenn das Wetter so bleibt – kann ich mir einen Spaziergang genehmigen. Ohne Eunwoo. Ich schlurfe weiter ins Bad, schiebe mir mit einem Haarband die Haare zurück und lasse angenehm warmes Wasser auf meine Hände laufen. Ich sehe gedankenverloren dabei zu, wie es in die Kuhle meiner Hände läuft, leicht sprudelt und wieder aus ihr herausfindet. Nur einen Moment, denn dann beuge ich mich herunter und wasche jeglichen Schlaf aus meinem Gesicht.
,,Man könnte ja fast meinen, du würdest dich vor mir verstecken.“
Mein Herz sticht, mein Körper fährt zusammen und mit tropfendem Gesicht schrecke ich auf. Eunwoo sieht mir neutral durch den Spiegel entgegen und legt, als ich vor ihm zurückweichen will, seine Hände von hinten um meinen Körper herum an die Kanten des Waschtisches. Sein Blick verfinstert sich. ,,Oder willst du mir erzählen, die ganze Zeit gestern im Büro war sinnvoll verbracht?“, murmelt er, während sich die Nässe meiner Hände meinen Armen entlang verbreitet. Ich erwidere seinen Blick nicht einmal ansatzweise so standhaft wie ich es gerne würde, habe die Oberarme noch immer vor Schreck fest an meinen Oberkörper gepresst und kneife panisch die Augen zusammen, als er sich bewegt.
Er stellt das Wasser aus.
,,Es ist so lächerlich…“, murmelt er rau, ,,Jemand wie du sollte kein CEO sein. Jemand wie du hat doch nicht das Zeug dazu.“ Und jemand wie du schon? Was gibt ihm überhaupt das Recht, ständig so über mich zu urteilen? ,,Mh?“, macht er leise und kommt mir so nah, dass ich seine Brust an meinem Rücken spüre. Seine Augen sind stechend scharf und er scheint nicht mal daran zu denken, den Augenkontakt zu mir zu unterbrechen. ,,Sie haben nicht das Recht, über mich zu urteilen.“, wispere ich kopfschüttelnd. ,,Nicht? Ich denke, ich kenne dich mittlerweile ganz gut.“, zuckt er mit den Schultern, ,,Und ich bin davon überzeugt, dass jemand wie du nicht das Zeug für eine Führungsposition hast.“ ,,Wollen Sie meine Eltern überzeugen, Ihnen auch eine Firma zu überschreiben?“, murmle ich, versuche den Drang zu unterdrücken meine Augen nach hinten zu rollen. Gleichzeitig versuche ich nach einem Handtuch zu greifen, möchte mein Gesicht abtrocknen und ihm dann weiter aus dem Weg gehen – doch ich kann mich aber gerade mal umdrehen und damit direkt in seine Augen sehen, ehe er mich weiter in die Enge zwängt und schwer gegen mein Gesicht atmet. ,,Klar, warum auch nicht.“, grinst er mir dann für einen Augenblick entgegen, ,,Selbst ohne Erfahrung würde ich mich besser anstellen, als du dich.“ Ungläubig sehe ich ihm entgegen, schüttle nur leicht den Kopf und weiß nicht mal mehr, was ich sagen soll. Er kann noch so überzeugt von sich selbst sein – seine Worte sind nicht wahr. Provozierend schnaubt er mir nochmals entgegen, ehe er meine Wange etwas zu fest tätschelt und sich von dem Waschtisch abstößt.
Ich verstehe nicht, warum er hier war, verstehe auch seinen stechenden Blick nicht, als ich wenig später in den Wohnraum schleiche. Ich habe Hunger, schneide mir schnell etwas Obst klein und mache mir einen Kaffee – mit beidem bewaffnet ziehe ich mich schnell ins Büro zurück und schaffe es doch nicht, die Tür abzuschließen. Eunwoo hält mich davon ab. ,,Denk immer schön daran, dass ich derjenige bin, der im Zweifel dein Leben rettet.“, murmelt er, stößt die Tür wieder auf und lässt mich damit zurücktaumeln. ,,Niemand will mir das Leben nehmen.“, entgegne ich verdutzt und trete noch einen weiteren Schritt zurück. ,,Sicher?“, hakt er nach. Ein düsteres Lächeln breitet sich auf seinen Lippen aus und als wäre das nicht genug, tritt er erneut auf mich zu, packt meinen Hals, ehe ich zurückweichen kann und zieht mich zu sich. Ich pralle an seinem Körper ab, habe das Gefühl, von seinem Duft umhüllt und gefesselt zu werden. Panik kommt in mir auf, ich bekomme kaum Luft, als ich flach durch die Nase atmen will. Sein Griff ist fest und bedrohlich, seine Augen strahlen wie die eines hungrigen Adlers.
Nein!
Meine Augen werden wässrig, als er einen Augenblick seinen Griff so dermaßen verstärkt, dass jegliche Kraft aus meinem Körper weicht. ,,Ich könnte dir sicher ganz leicht das Genick brechen.“, haucht er seelenruhig, während ich kaum Spannung in meinen Muskeln halten kann. Will er mich umbringen? Will er das ich verrückt werde? Warum– Ich habe ihm nichts getan! Ich war immer zuvorkommend und freundlich, habe ihn nie anders als die anderen behandelt! Und er? Schnürt mir die Luft ab! Mir wird schwindelig, als er auch nach einem verstrichen Augenblick nicht zurückweicht. Stattdessen hebt er auch seine andere Hand und fixiert meinen Kopf so, dass ich ihn ansehen muss. Sein Ausdruck ist beinahe hungrig. Hungrig nach meinem Leid?
– Ich glaube fast ja, denn er atmet beinahe zufrieden aus, als eine Träne aus meinem Augenwinkel rollt und auf seine Hand tropft. Er scheint sich daran zu ergötzen und lächelt so schrecklich aufrichtig, als er mich röchelnd nach hinten taumeln lässt. Ruhig verschränkt er seine Arme und sieht sich kurz in den Zimmer um, während ich mich verzweifelt und flach atmend an dem freistehenden Schreibtisch abstütze und kaum etwas dagegen tue, als noch mehr Tränen aus meinen Augen rauschen.
,,Ich will keine verschlossenen Türen.“, erklärt er nun, als wäre das Geschehen der vergangenen Minute nicht wirklich passiert, dreht sich um und lehnt die Tür an, als er mich alleine lässt. Meine Augen flackern unruhig und verwirrt, während ich zu Boden gleite. Wie von selbst legen sich meine Hände sanft an meinen Hals – ich habe das Gefühl, er hat eine Quetschung zurückgelassen.
Keine verschlossenen Türen… Wozu? Damit er mich immerzu kontrollieren und in Blick haben kann? Damit er mich immerzu angehen kann? Kann er mir sowas überhaupt vorschreiben? – Nein, eigentlich nicht… Was aber, wenn ich seinen Worten nicht nachgehe? Nicht dass ich glaube, er würde mich tatsächlich umbringen wollen, aber ich weiß, dass er gerade nur einen Bruchteil seiner Kraft aufwenden musste um mich in diesen kurzen Zustand der Panik zu versetzten. Er könnte mich ohne Mühe krankenhausreif schlagen, mich bis in die Bewusstlosigkeit würgen und mich körperlich in Schacht halten. Ich weiß, dass ich keine Chance gegen ihn habe… Und er scheint meine Schwachstellen zu kennen…
Mir schwer atmend durch die Haare streichend drehe ich mich zur Seite und sehe etwas unschlüssig auf die auf dem Boden verteilten Unterlagen, denen ich mich widmen wollte. Kurz spiele ich mit dem Gedanken, meine Eltern anzurufen, verwerfe diesen aber schnell. Sie würde mich abspeisen, meine Aussagen als Hirngespinste abstempeln und denken, ich würde maßlos übertreiben, um Eunwoo loszuwerden. In ihren Augen ist er ein Goldschatz… Doch wie heißt es so schön; es ist nicht alles Gold, was glänzt.
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Es dämmert bereits, als ich mit gesenktem Kopf und Kappe auf den Haaren durch die Straßen laufe. Hin und wieder Knistern Blätter unter meinen Schuhen oder ein leichter Windhauch erwischt mein Gesicht. Hauptsächlich aber vernehme ich die gedämpften Stimmen anderer Menschen, sehe dabei zu, wie sie sich schnell fortbewegen. Gleichzeitig spüre ich deutlich, wie nah Eunwoo mir doch ist… Ich habe ihm lediglich schnell bescheid gesagt, dass ich spazieren gehen werde, ehe ich aus dem Apartment gehuscht und das Gebäude verlassen habe. Schon wenig später habe ich ihn hinter mir in der Spiegelung eines Schaufensters erkannt, mich kurz umgesehen und direkt in sein Gesicht geblickt. Er schien nicht überrascht, meinen Blick zu treffen, schien nicht darum bekümmert, dass ich um seine Anwesenheit weiß. Er schien auch nicht genervt darüber, dass er nun hier draußen sein muss. Aber mich stört es. Ich dachte, wenn ich schnell genug bin, könnte ich einen Moment alleine sein.
Ich stecke die Hände tiefer in die Tasche meines Hoodies und biege in die Parkanlage zu meiner rechten ab. So gerne ich die Großstadt auch habe, liebe ich es etwas Grün um mich herum zu haben! Kaum betrete ich den knirschenden Schotterweg hole ich meine Kopfhörer hervor und lasse leise Musik in meinen Ohren erklingen, nur um mich gleich nach einer Bank umzusehen. Unter dem Arm habe ich ein Buch geklemmt, welches ich erst aufschlage, als ich ein paar Minuten später eine hölzerne Bank aufsuche und mich niederlasse. Es ist noch angenehm warm und das in sanftes Licht gehüllte Ambiente, lässt mich zufrieden aufseufzen, als ich das aktuelle Kapitel aufschlage und zu lesen beginne.
Einen Moment lang kann ich in einer Parallelwelt versinken, kann mich ablenken und durchatmen – dann aber sobald mir Gesellschaft geleistet wird, werde ich aus der Zufriedenheit meines vorherigen Zustands gerissen. ,,Das hättest du auch zuhause machen können.“, murrt Eunwoo unzufrieden, doch ich reagiere nicht. Eigentlich müsste er sehen, dass ich Kopfhörer trage, sodass ich eine plausible Ausrede habe, um ihm nicht zu antworten. Seufzend lehnt er sich nach hinten, überschlägt die Beine, sodass sein linker Unterschenkel auf dem rechten Oberschenkel ruht, und verschränkt die Arme. Den Blick hat er auf die Blumenwiese gerichtet, während ich unauffällig die Lautstärke der Musik höher stelle und mich erneut auf die Wörter zu konzentrieren beginne. Überraschenderweise scheint ihn das nicht mal zu stören. Er meckert nicht, beleidigt mich nicht und schikaniert mich auch nicht. Für einen Moment vergesse ich sogar, dass ich in purer Angst vor ihm lebe.
Ich empfinde ihm gegenüber eine Abneigung, die ich kaum jemand anderem gegenüber empfinde.
– ,,Wir sollten langsam gehen!“, dringt es leise und doch bestimmerisch zwischen einer kleinen Musikpause zwischen zwei Liedern zu mir und lässt mich vorsichtig aufsehen. Mittlerweile erhellt eine Laterne den Platz um uns herum und unterstützt das wenige Tageslicht. Kurz sehe ich in den abgedunkelten Himmel, dann zu Eunwoo. Er hat die Hände mittlerweile in seinem Nacken verschränkt, hat die Augen geschlossen und in den Himmel gerichtet. Er wirkt überraschend friedlich. Ich sehe zurück auf das Buch. Fünf Kapitel habe ich gelesen – 167 Seiten. Ich nicke auf seine Worte hin leicht und ziehe vorsichtig die Kopfhörer aus meinen Ohren. ,,Ist gut.“, flüstere ich ihm zu, stecke das Lesezeichen zwischen die Seiten und schlage das Buch zu. Überrascht sieht er auf, seine Augen blitzen wieder scharf und trotzdem reagiert er schnell, springt auf und läuft bereits die ersten Schritte, ehe auch ich mich erhebe. Lange dauert es nicht, bis er mich ihn überholen lässt und wieder hinter mir läuft. Zumindest einen Moment – den kaum sind entspannt wieder auf den belebten Straßen, zieht er mich in einen kleinen Markt und baut sich vor den Eistruhen auf. Seine Augen scannen die verschiedenen Eissorten einen Moment lang, ehe er die Tür zur Seite schiebt und zwei Pfirsicheiscremes zum Vorschein bringt. Er drückt sie mir kommentarlos in die Hand und drückt mich in die Richtung der Kasse. ,,Was–“ ,,Mach schon!“, schüttelt er mich ab und drängt mich weiter an den Tresen. Vorsichtig lege ich beiden kleinen Tüten vor der Dame ab, damit sie diese abscannen und kassieren kann. Ja, ich könnte sie einfach zurücklegen und kommentarlos den Laden verlassen. Ich müsste das hier nicht machen und weiß auch nicht, warum ich es doch tue. Ich zögere kaum, als ich den kleinen Betrag mit dem Handy bezahle und schon wenig später dem anderen das Eis in die Hände drücke. Er grinst zufrieden und ich muss innerlich seufzen. Ich bin so schwach…
,,Mach was du willst, ich kümmere mich ums Essen.“, bricht Eunwoo das langwierige Schweigen, als wir zurück in die Wohnung kommen. Mittlerweile ist es dunkel draußen und die sanften Lichter in der Wohnung, die sich einschalten, als ich das Smart–System einschalte, lassen mich zufrieden aufseufzen. Ohne ihm zu antworten, streife ich meine Schuhe ab und schleiche in mein Schlafzimmer. Die Tür schließe ich nicht ab – und das obwohl ich den Schlüssel bereits in der Hand halte. Stattdessen lasse ich mich rücklings auf das Bett fallen, lege das Buch und die Kopfhörer neben mich und starre einen Moment lang an die Decke, ehe ich mein Handy zwischen die Finger nehme und ein paar der eingegangenen Nachrichten lese. Darunter auch eine von Mister Lee.
Er wird mich morgen früh empfangen, mir helfen die ersten Tage zu überstehen, während Miss Kang uns immer wieder zur Seite stehen wird. Um ehrlich zu sein, freue ich mich schrecklich darauf, zumindest für ein paar Stunden von Eunwoo getrennt zu sein. Wenn ich in der Firma bin, muss er nicht ständig um mich herum wandeln, er kann tun und lassen was er will und mich endlich in Ruhe lassen!
Ich werde Raum zum Atmen haben.
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