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☾𖤓.𖥔 ݁ ˖☾𖤓
ᴊᴀɴɢ ᴅᴀᴇsʜɪᴍ | Es ist ein frischer Wind, der mir wie ein seichtes Hauchen durch die Haare fährt und mich dazu auffordert einen tiefen Atemzug der salzigen Luft zu nehmen. Die dicke Jacke hält mich glücklicherweise angenehm warm und so halte ich es auf dem Balkon noch einige Minuten lang aus. Genau das wünsche ich mir auch. Ich klammere meine Hände erneut um das kalte Geländer, welches mich von einem Sturz nach unten abhält. Nur einen Moment schließe ich meine Augen, lasse den Luftzug meine eigentlich stets ordentlich gekämmten Haare aufwühlen und öffne sie erst dann wieder, als ich ein leises Räuspern hinter mir vernehme. Es ist meine Mutter, die in langem Mantel gekleidet und ineinander gelegten Händen hinter mir in dem Zimmer steht, dass an den Balkon angrenzt. ,,Mh?", frage ich leise, drehe nun nicht nur meinen Torso sondern meinen ganzen Körper zu ihr herum und lege meinen Kopf leicht schief. Sie rückt die Sonnenbrille auf ihrer Nase zurecht und schenkt mir ein unehrliches Lächeln. ,,Dein Vater ließ ausrichten, dass er es doch nicht schafft. Ihr könnt mit Sicherheit heute Abend telefonieren." Augenblicklich zucken meine Mundwinkel nach oben. Ein belustigter Laut verlässt meine Lippen. ,,Schon gut.", winke ich ab und drehe mich wieder zurück. Mein ebenso unehrliches Lächeln wie das meiner Mutter fällt sofort wieder und erneut richte ich meinen Blick auf das recht unruhige Meer. Mir war von Anfang an bewusst, dass ich heute mit meiner Mutter alleine nach Seoul fahren würde, als mein Vater bekannt gemacht hat, einem Meeting für heute zugestimmt zu haben. ,,Wir fahren in zehn Minuten.", schnaubt meine Mutter, sichtlich unzufrieden mit meiner Reaktion und macht auf dem Absatz ihrer hohen Schuhe kehrt. Ich kommentiere dies nicht, senke meinen Blick nur einmal ab und beiße mir auf die Unterlippe. Sie scheint sowieso unzufrieden zu sein, seit ich erklärt habe, dass ich in die Hauptstadt ziehen will, dabei hat sie mir direkt nach meiner Volljährigkeit angeboten mir eine Wohnung oder ein kleines Haus zu kaufen. Ein Angebot, welches ich abgelehnt habe. Nicht, weil ich die Idee nicht toll finden würde, sondern weil sie mir schon zum zwanzigsten Geburtstag eine ihrer Firmen überschrieben und mich zum CEO gemacht haben. Ich habe schon jetzt das Gefühl im Geld zu schwimmen und wollte mir – so wie ich es jetzt getan habe – mein eigenes Heim kaufen. Ich werde immer in Verbindung mit meinen Eltern stehen und mich niemals gänzlich von ihnen lösen können – ich will zumindest das Maximum erreichen. Und das habe ich nun. Ich habe ihnen gesagt, sie sollen aufhören mir Geld zu geben. Ich kümmere mich größtenteils selbst um die Firma und ziehe nun endlich aus. Nur meine Sicherheit wird noch durch sie generiert und das kann von mir aus auch so bleiben. Auch meine Großeltern haben mit den gleichen Leuten wie sie gearbeitet und ich sehe keinen Grund, jemand anderes auf eigene Faust zu engagieren.
Kaum sitze ich in der geräumigen Limousine neben meiner Mutter und fahre damit zwischen den vier Umzugswägen, suche ich meine Kopfhörer aus dem Rucksack heraus, den ich bei mir lassen wollte. Den kläglichen versuchen meiner Mutter eine Konversation aufzubauen gehe ich lieber aus dem Weg – nicht nur aber auch weil es bestimmt nicht lange dauern wird, bis ein Anruf eingeht, den sie unbedingt entgegen nehmen muss. Ihren dennoch gereizten Blick ignoriere ich gekonnt, sehe aus den getönten Fenstern und betrachte die an uns vorbeiziehende Landschaft.
Für Stunden.
Noch bevor wir endgültig in der Tiefgarage des luxuriöse Wohnkomplexes zum Stehen kommen, zieht meine Mutter die Kopfhörer von meinen Ohren und lässt sie damit auf meine Schultern krachen. ,,Wir gehen kurz nach oben, um den Leuten zu zeigen, wo sie alles hinstellen und aufbauen sollen und dann gehen wir mit deinen beiden Assistenten zu Abend essen.", lässt sie mich wissen, schiebt die Sonnenbrille hoch in ihr dichtes Haar und sieht mich einen Augenblick abwartend an. ,,Ist gut.", nicke ich zustimmend, auch wenn mir eigentlich nicht danach ist. Ich finde es ja auch total schrecklich, dass für die nächsten Stunden bestimmt ein dutzend Leute in meinem Eigenheim herumschwirren werden, nur damit möglichst schnell alles einigermaßen wohnlich ist – auf Wunsch meiner Eltern hin natürlich. Ich hätte mich beinahe gerne noch Tage und wenn nicht sogar Wochen mit den Möbeln und allgemeiner Organisation herumgeschlagen. Ich weiß, dass sie es nur gut meinen und doch wünschte ich, dass ich zumindest in solchen Punkten selbst bestimmen könnte. Selbstverständlich freue ich mich unter anderem deswegen, neue Selbstständigkeit erlangt zu haben. Solange sie mich nicht besuchen, werde ich tun und lassen können, was ich will!
Der Aufenthalt in meinem Apartment ist eher eine schnelle Besichtigung, bei der ich von meinen Innendesigner zugequatscht und von einer modischen Beratung mit Fragen überhäuft werde. Sobald sie abgezogen sind, werde ich wieder allen entfernen lassen, was mir nicht gefällt. Das hier soll mein Zuhause werden und kein Vorzeigemodell wie im Katalog…
– Von all meinen Anzügen und sonstigen Kleidungsstücken, soll heute etwas ganz besonderes ausgesucht und gestylt werden. Ich soll freundlich wirken und trotzdem eine gewisse Dominanz ausstrahlen. Ich soll gut betucht aussehen und trotzdem lege ich besonders viel Wert auf Bequemlichkeit.
Kaum zwanzig Minuten in meinen eigenen vier Wänden habe ich, ehe ich erneut in die Limousine und in das Apartment meiner Eltern gebracht werde, das kaum bewohnt wird. Erst hier werde ich für den Abend eingekleidet, soll eine viel zu teure Uhr und unbequeme Schuhe tragen. Meiner Mutter ergeht es bestimmt ähnlich, doch wissen kann ich es nicht. Während ich nämlich schnell in dem geräumigen Wohnzimmer meine Haare gestylt und leichtes Make-up aufgesetzt bekomme, sitzt sie in irgendeinem Friseursalon und hat mir lediglich mitgeteilt, dass sie in spätestens einer Stunde hier her kommen würde.
,,Sind Sie zufrieden soweit?", fragt die Frau, die den gerade benutzen Pinsel zurücklegt und mir einen Spiegel überreicht. Ich betrachte mein Abbild, sehe meine viel zu perfekt aussehende Haut an und verliere mich einen Moment in den Anblick der nun abgedeckt Stelle meiner Pigmentstörung. Normalerweise thront nämlich ein fingerkuppengroßer, roter Fleck an meinem rechten Wangenknochen. Doch bevor ich mich darin verliere, sehe ich mir wieder selbst in die Augen und schlucke leicht. ,,Ja.", gebe ich recht leise von mir. ,,Dann würde ich mich nun verabschieden.", erklärt mein Gegenüber, dessen sanftes Lächeln ich bei aller Mühe nicht erwidern kann. Sie verbeugt sich tief. ,,Ihre Mutter bat mich, ihnen ein Lippenöl hier zu lassen.", erklärt sie, als sie das kleine Glasfläschchen auf dem Couchtisch ablegt und sich erneut noch tiefer verbeugt. ,,Vielen Dank.", hauche ich, ,,Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend." ,,Vielen Dank."
Ich lausche ihren Schritten durch die Wohnung und erhebe mich erst, als die schwere Tür ins Schloss fällt und mit einem leisen Piepen ankündigt, dass sie sich automatisch erneut verriegelt hat. ,,Ich will doch einfach nur in mein Bett...", wispere ich mir selbst zu und schüttle den Kopf, als ich langsam in die Küche schleiche und nach einer gekühlten Flasche Coca Cola Zero suche. Ich hoffe mich damit auf andere Gedanken und in einen wacheren Zustand versetzen zu können – doch funktioniert das nicht so recht. Und so fühle ich mich schrecklich müde, als ich mit meiner Mutter und zwei mir fremden Leuten an einem runden Tisch eines edlen Restaurants sitze. Ich zwinge mir ein ruhiges, nicht übertriebenes Lächeln auf, habe die Beine überschlagen und meine ineinander gefalteten Hände auf meinem Knie abgelegt.
– ,,Sobald sie sich in den Räumlichkeiten der Firma zurecht gefunden haben, werden wir alle Aufgaben mit ihnen durchgehen.", lächelt mir der Mann freundlich entgegen und bringt die Frau zu seiner rechten zum Nicken. ,,Mister Lee wird sich mit Ihnen um die Außenaufträge kümmern, während ich vor Ort im Haus Ihre Ansprechpartnerin sein werde.", ergänzt sie zudem und hebt kurz darauf das Weinglas an. Auch meine Mutter genehmigt sich einen Schluck, verzieht die matt roten Lippen zu einem etwas übertriebenen Lächeln und winkt einen der Kellner herüber. ,,Die Karten bitte." ,,Natürlich." Die gut gekleidete Angestellte lässt kaum auf sich warten. ,,Bitte scheuen Sie sich nicht davor, zu wählen was Sie wollen. Die Rechnung geht natürlich auf mich.", erkläre ich und bin selbst der erste, der das in Leder gebundene Menü aufschlägt. ,,Vielen Dank." – ,,Nicht der Rede wert."
Und auch sonst scheint nichts der Rede wert zu sein.
Meines Erachtens nach war das Essen ein reines Zeitversäumnis! Ich habe mich zwar gut mit den beiden unterhalten können und sie kennenlernen dürfen, doch hatte ich nicht das Gefühl, dass es notwendig gewesen wäre. Miss Kang arbeitet nun seit sieben Jahren für die Firma, ist dementsprechend schon seit dessen Gründung dort tätig und hat sich in all den Jahren von einer einfachen Angestellten im Marketing hoch zu einer der wichtigsten Managementpositionen gearbeitet und hat so mittlerweile das ganze Haus unter ihren Fittichen. Zudem ist sie seit sechs Jahren verheiratet, hat eine vier jährige Tochter und zwei Katzen. Sie spricht nicht nur unsere Landessprache sondern zudem auch Mandarin, Japanisch und Englisch. Mister Lee spricht ebenfalls Japanisch und Englisch, kann zudem aber auch noch hervorragende Spanischkenntnisse vorweisen, die er in den vergangenen drei Jahren vor Ort erlernt hat. Er ist erst seit ein paar Monaten direkter Angestellter, war davor lediglich einer unserer unendlich vielen Partner, konnte dann aber mit seiner Arbeit überzeugen. Er scheint kaum älter zu sein als ich, doch sein genaues Alter habe ich nicht erfragt. Er ist ledig, lebt mit seinem Hund zusammen und scheint sehr dankbar darüber, dass wir erlauben Hunde mit ins Büro zu nehmen - und das obwohl er einen Hundesitter hat.
Mit pochenden Kopfschmerzen schließe ich in beinahe vollkommener Dunkelheit die Apartmenttür hinter mir und stütze mich schwer seufzend an den Schrank ab, als ich die eigentlich so teuren und empfindlichen Schuhe unsanft von meinen Füßen streife. Ich habe das Gefühl, dass mir schlecht ist, kann mich nur schwerfällig auf die vielen kleinen Lichter konzentrieren, die in der Ferne durch die bodentiefen Fenstern des Wohnzimmers strahlen. ,,Verdammt...", hauche ich, schließe einen Moment lang die Augen und streiche mir über die Stirn, ehe ich mir die Schläfen massiere und mich dabei an dem Schrank heruntergeleiten zu lassen. Gerade scheint es mir sogar unwahrscheinlich, dass ich es ins Bett schaffen werde – aber das wird das mindeste sein! Ich muss mich abschminken, mich umziehen und dringend etwas trinken. Wasser! Denn der Wein war zu viel... Ich vertrage keinen Wein und muss ihn doch immer wieder während diesen formalen Veranstaltungen trinken. Es hat Klasse, doch für mich ist es die reinste Tortur.
Ich kann nicht sagen, wie viel Zeit vergangen ist, als ich den Mantel von meinen Schulter streife und ihn auf den Boden fallen lasse – ich könnte es nicht mal einschätzen. Meine Finger ertasten die glatten Türen des Schrankes an meinem Rücken und leise ächzend versuche ich mich von diesen weg und gleichzeitig hochzudrücken.
– ,,Mh, ich dachte doch, dass ich was gehört habe."
Eine dunkle Gestalt schiebt sich zwischen mich und das wenige Licht, das Schatten der Möbel auf den Boden geworfen hat. Ich zucke zusammen, knalle zurück auf den Boden und stoße mir meinen sowieso schon pochenden Kopf an dem Holz. Ein schmerzhaftes Stechen breitet sich an meinem Hinterkopf aus. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, mir fehlt die Luft zu atmen. Es ist, als würde mir jemand die Lunge zuschnüren. Meine Hände verfangen sich in dem Stoff des Mantels. Ich will schreien und um Hilfe rufen – doch kein Laut verlässt meinen staubtrockenen Hals. Die Worte bleiben in meinem Körper stecken und erdrücken mich.
Der Mann – so glaube ich an der Stimme erkannt zu haben – macht einen Schritt auf mich zu. Mit gefriert das Blut in den Adern. Gleichzeitig reiße ich meine Augen auf und versuche erneut aufzustehen, nur um mit den Socken auf den Fliesen auszurutschen. Ich falle die wenigen Zentimeter zurück auf den Boden, will stattdessen zur Tür robben und aus dem Apartment flüchten!
– da wird das Licht angeschaltet und zwei beinahe rabenschwarze Augen starren mir entgegen.
,,Kein Wunder, dass du mich noch immer brauchst.", zischt er mit dunklem, rauen Unterton und wirft mir einen beinahe angeekelt aussehen Blick entgegen. ,,Du würdest wie ein hilflosen Baby abkratzen, wenn tatsächlich jemand einbrechen würde.", schüttelt er den Kopf, verschränkt die Arme vor seinen lediglich in einem Muskelshirt gekleideten Torso und schnalzt unzufrieden mit der Zunge, als er mich erneut betrachtet. Mein Herz beginnt erneut zu schlagen, gleichzeitig spüre ich meine Wangen brennen und versuche meinen stockenden Atem zu regulieren. Ich beiße mir auf die Unterlippe, erhebe mich schwerfällig und schlucke den Scham herunter, den ich ihm gegenüber immer noch empfinde. ,,Ich–", beginne ich kratzig und räuspere mich schnell. Aus Angst, meine Stimme könnte versagen, nutze ich den Augenblick um ihn mit zusammengekniffenen Augen anzusehen und ebenfalls meine Arme zu verschränken. ,,Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass ich einen solchen Umgangston nicht dulde.", erkläre ich dem hochgewachsenen und hebe mein Kinn an, um selbstbewusster zu wirken. Doch es scheint ihn nicht zu überzeugen. Belustigt schüttelt er den Kopf – scheint mich und meine Persona damit absolut nicht zu respektieren – dreht sich um und verschwindet in der restlichen Dunkelheit der Räumlichkeiten.
Erleichterung breitet sich in mir aus und ich lasse mich doch gleich wieder gegen den Schrank fallen. Meine Hand legt sich auf meine Brust und ertastet meinen viel zu schnellen Herzschlag. Peinlich berührt kneife ich meine Augen zusammen und schüttle den Kopf. Verdammt!
Was macht er hier?
Ausgerechnet er taucht ohne mein Wissen hier auf!
Er... Yun Eunwoo.
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