ACHTZEHN
༄
Ich hatte nicht ganz bemerkt, was für Ausmaße Sams und mein Plan angenommen hatte, bis ein wütender Leo am Dienstagnachmittag in Chloes Diner gestürmt kam. Ich war gerade dabei, die Bestellung von einer Frau und deren rotzfrechen Bengel von einem Sohn aufzunehmen, als ich sah, wie mein großer Bruder durch die Flügeltüren trat und mit seinen braunen Augen das ganze Lokal nach mir absuchte, bis er mich schließlich in einer Ecke entdeckte.
Ich zog geräuschvoll die Luft ein und eilte zurück in die Küche, um die Bestellung weiter zu geben, mich dann hinter Rubys Rücken zu verstecken und: „Großer, furchteinflößender Bruder auf zwölf Uhr", in ihr Ohr zu murmeln.
Ich konnte hören, wie Ruby leise lachte. „Hey, kann ich dir helfen?", fragte sie dann jemanden.
„Ich will zu meiner Schwester", knurrte Leo und ich schloss die Augen in einem stillen Gebet. Ich kramte in meinem Gedächtnis, ob irgendetwas passiert war, worüber er sauer sein könnte, doch mir fiel nichts ein. Was hatte ich also angestellt?
„Oh, die ist gerade viel zu beschäftigt, weißt du?", flötete Ruby gut gelaunt, doch Leo ließ sich davon offenbar nicht besonders beeindrucken, denn er schob meine Freundin recht grob beiseite und griff dann nach meinem Arm.
„Wir müssen reden", sagte er.
Ich warf Ruby einen verstörten Blick zu und entzog mich dann Leos Griff. „Ich arbeite hier, Leo", murmelte ich, nicht gerade begeistert von seinem merkwürdigen Verhalten.
Leos Augen verengten sich zu Schlitzen und er sah mich böse an. „Dann mach 'ne Pause", verlangte er.
Ich schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust. „Das ist nicht so einfach", erwiderte ich genervt. „Du kennst doch Chloe. Können wir das nicht zu Hause besprechen? Was auch immer so wichtig ist."
Ich konnte sehen, wie sich Leos Kiefermuskeln anspannten. „Nein, wir reden jetzt darüber", sagte er störrisch. „Sam hat dich angefasst?", fragte er dann ganz ohne Umschweife.
Ich riss die Augen auf und öffnete den Mund, nicht ganz sicher, was ich überhaupt sagen sollte, doch Leo nahm mir diese Entscheidung ab, indem er aufgebracht weiter redete: „Tony hat rum erzählt, dass du und Sam zusammen seid." Er sah mich fragend an. Ich schwieg. „Hat er dich geküsst?", fuhr mein großer Bruder fort und ich verdrehte daraufhin nur die Augen.
„Hör zu, es ist nicht so wie du denkst-", begann ich hastig, doch Leo unterbrach mich sofort: „Ich bring dieses Arschloch um", stieß er durch zusammen gebissene Zähne hervor und ballte seine Hände zu Fäusten.
„Leo..."
„Nein, ich war die ganze Zeit still und hab zugesehen, wie der Typ nur Scheiße baut, und jetzt hat er dich auch noch in seine beschissenen Pläne mit dieser Laura gezerrt und du machst dir wahrscheinlich auch noch Hoffnungen, weil du so verdammt naiv bist!", rief Leo wütend und ich konnte die Blicke einiger Gäste auf uns brennen spüren.
„Alter, halt deinen Mund, die Leute gucken schon", brummte ich deshalb genervt, packte ihn dann am Arm, warf Ruby einen vielsagenden Blick zu, den diese richtig deutete und ging, um Chloe irgendwie abzulenken, und zerrte meinen Bruder dann aus dem Diner. „Sag mal geht's noch?", rief ich, als wir schließlich im kleinen Hinterhof des Restaurants standen. „Du kannst nicht einfach ankommen und mir vor all den Menschen im Diner so eine Szene machen! Bist du komplett bescheuert?"
Leo sah mich wütend an und mich würde es nicht mal wundern, wenn Funken aus seinen Augen sprühen würden. „Bist du komplett bescheuert, Sam so verdammt nah an dich ran zu lassen?", schrie er zurück.
„Das ist ja wohl nicht deine Sache!", erwiderte ich gereizt und stemmte genervt die Hände in die Hüften.
„Es ist sehr wohl meine Sache", behauptete Leo. „Du bist meine Schwester!"
„Das kannst du nicht ständig als Grund nehmen! Ich kann auch ganz gut auf mich selbst aufpassen. Außerdem, was kümmert's dich? Halt dich einfach aus meinen Angelegenheiten raus!", sagte ich zornig.
Leo schüttelte den Kopf. „Nicht, wenn mein bester Freund dich nur benutzt, um seinen Spaß zu haben", entgegnete er. „Glaub mir, Val, ich kenne Sam schon so lange und ich weiß, dass es nichts Besonderes für ihn ist, mit Mädchen zu schlafen und sie dann ab zu servieren. Es interessiert ihn nicht, was aus diesen Mädchen wird, verstehst du?"
Ich zog die Augenbrauen hoch. „Ach, und du bist so viel anders, was?", fragte ich spöttisch und Leo runzelte die Stirn.
„Das hat damit nichts zu tun", widersprach er.
Ich schnaubte. „Ach, nein? Wer hat denn mit meiner besten Freundin geschlafen, mh?", fragte ich gehässig. „Ganz ehrlich, du bist so armselig." Ich wollte mich gerade von ihm abwenden, als Leo nach meinem Handgelenk griff, es zu fassen bekam und mich fest hielt. Widerwillig blieb ich stehen.
„Ich will nur nicht, dass er dir weh tut", sagte er dann.
Ich entspannte mich wieder ein wenig und sah meinen großen Bruder überrascht an. Dann zog ich mich aus seinem Griff und schüttelte den Kopf. „Das wird er nicht", erwiderte ich sanft. „Ich kann schon ganz gut auf mich selbst aufpassen. Ich bin ein großes Mädchen, weißt du?"
Leos Lippen verzogen sich zu einem kleinen Lächeln. „Ja, ich weiß. Trotzdem", sagte er dann. „Versprich mir, dass du vorsichtig bist. Denn wenn er dir das Herz bricht, brech ich ihm auch was. Und dann ist mir scheiß egal, wer er ist."
Ich schnitt eine Grimasse und entzog mich dann ganz seinem Griff. „Ich verspreche es", sagte ich versöhnlich. „Aber das wird nicht passieren, weil er mir nicht weh tun wird. Ich vertraue ihm, Leo."
Leos Züge entspannten sich und er nickte. „Ja, ich auch", sagte er, „Und das ist das Problem."
༄
„Ich kann ihre beschissene Fresse echt langsam nicht mehr ertragen", murmelte ich mit einem Hauch von Verzweiflung in der Stimme.
Rosie seufzte - wahrscheinlich wegen meiner ordinären Wortwahl - und Harriet nickte zustimmend. „Ich weiß, was du meinst", schnaubte sie. „Gott, wie kann man nur so fake sein?"
Ich schüttelte den Kopf und beobachtete, wie Laura und Sam nebeneinander auf einer Bank in der Cafeteria saßen und sich unterhielten. „Keine Ahnung", erwiderte ich dumpf. „Ich dachte echt, sie wäre anders. Ich hab sie immer für das perfekte, unschuldige Mädchen gehalten. Gott, ich mochte sie sogar. Aber sie ist so verdammt falsch."
Ich sah zurück zu meinen Freundinnen, die mich beinahe mitleidig ansahen.
Ich runzelte die Stirn. „Was?", fragte ich verwirrt und Harriet und Rosie tauschten einen vielsagenden Blick. Daraufhin wurde ich nur noch ratloser. „Was habt ihr, Leute?"
Rosie biss sich in einem unterdrückten Grinsen auf die Unterlippe und Harriet räusperte sich. „Sag mal...", begann sie langsam. „Kann es vielleicht sein, dass du einfach nur eifersüchtig auf Laura bist?", fragte sie und ich riss die Augen auf. „Also...ich meine, klar", fuhr Harriet rasch fort. „klar, ist sie irgendwie 'ne Schlampe und das alles. Aber wäre dir das auch aufgefallen, wenn sie nicht mit Sam...na ja du weißt schon...?" Sie sah mich abwartend an und ich presste vehement die Lippen aufeinander.
„Harriet, ich-"
„Komm schon, Kane", sagte diese jedoch. „Wir sind nicht blind, weißt du? Und blöd sind wir schon gar nicht. Seit Wochen redest du von nichts anderem, als Sam, Laura und eurem dämlichen Plan. Schon auf dieser Party hat der Typ nicht gecheckt, was die Olle für ein Spielchen spielt, er lässt dich absichtlich ins offene Messer laufen und dann küsst er dich auch noch, nur um Tony eifersüchtig zu machen-?"
„Was, zugegebener Maßen, echt gut geklappt hat", unterbrach ich sie, doch Harriet ließ sich davon nicht beirren.
„Und ich weiß, wie charmant Sam sein kann. Ich meine, er ist wirklich nett und sieht verdammt gut aus und du lässt dich so leicht von ihm um den Finger wickeln."
„Hey!", rief ich und schlug über den Tisch nach Harriet, diese duckte sich allerdings recht geschickt weg und lachte.
„Ich denke, was H eigentlich damit sagen will", begann nun auch Rosie sich am Gespräch zu beteiligen. „ist, dass du gerade dabei bist, dich in Sam zu verlieben und es nicht mal merkst."
Daraufhin verschluckte ich mich prompt an meinem Saft. „Rosie!", rief ich entsetzt.
Sie zuckte mit den Schultern und warf Harriet einen Blick zu, die zustimmend nickte. „Genau das wollte ich damit sagen."
Ich schüttelte langsam den Kopf und warf dann Sam und Laura einen weiteren Blick zu. Er hatte inzwischen einen Arm um ihre Schulter gelegt. Rasch wandte ich mich wieder ab. „Ich denke nicht", sagte ich mit brüchiger Stimme.
„Was?"
„Ich denke nicht, dass ich in Sam verliebt bin", wiederholte ich mich. „Keine Ahnung, auf was für Ideen ihr wieder kommt, aber dabei liegt ihr falsch."
Harriet und Rosie sahen sich an. „Kane-"
„Nein, Leute", sagte ich jedoch. „Kommt schon, ich reiß mir hier den Arsch auf, damit Sam mit Laura zusammen kommt, und ihr denkt, ich steh auf ihn? Er ist mein Freund und ich will, dass es ihm gut geht, und wenn das bedeutet, dass er und Laura ein Paar sind, dann ist das halt so. Das war der Plan. Das war von Anfang an der Plan."
Harriet schüttelte den Kopf. „Dieser Plan hat sich doch schon längst erledigt. Mach dir doch nichts vor, Kane", sagte sie. „Du kannst Laura nicht mal leiden. Warum hilfst du Sam also, mit ihr zusammen zu kommen, wenn du sowieso weißt, dass sie nur mit ihm spielt?"
Ich zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung", erwiderte ich, inzwischen leicht verzweifelt. „Ich habe keine Ahnung, was ich hier überhaupt tue."
Harriet sah mich mit einem kleinen Lächeln im Gesicht an. „Du bist in Sam verliebt, du willst es dir nur nicht eingestehen", informierte sie mich und ich schüttelte den Kopf und vergrub das Gesicht in meinen Händen.
„Leute...", murmelte ich dumpf. „Was macht ihr bloß mit mir?", fragte ich.
Ich konnte hören, wie Harriet und Rosie lachten. „Wir führen dich auf den richtig Pfad", sagte Harriet und Rosie fuhr fort: „Vielleicht wäre es das Beste, Sam einfach die Wahrheit zu sagen."
Ich hob den Kopf und sah sie beinahe ängstlich an. „Meint ihr?"
Rosie und Harriet nickten unisono. „Ja", sagte Rosie. „Und dann kann er sich immer noch selbst davon überzeugen, wenn er dir nicht glaubt. Aber er hat verdient, wenigstens die Wahrheit über Laura zu erfahren."
Ich nickte. „Du hast Recht", sagte ich und erhob mich.
Rosie riss die Augen auf und Harriet runzelte die Stirn. „Jetzt gleich?", fragte sie.
Ich nickte. „Jetzt oder nie", erwiderte ich.
Rosie lächelte, nahm meine Hand und drückte sie. „Viel Glück", sagte sie und Harriet warf ein: „Du schaffst das, Kane", hinterher, wobei sie siegessicher die Fäuste in die Luft streckte.
Ich atmete einmal tief durch und steuerte dann geradewegs auf den Tisch zu, an dem Laura und Sam nach wie vor eng beieinander saßen. Als Laura den Blick hob und mich entdeckte, verengten sich ihre Augen erst, dann setzte sie eines ihrer falschen, strahlenden Lächeln auf und hob die Hand, um mir zu winken. „Hey, Valentine!", rief sie und jetzt sah auch Sam zu mir.
Er grinste lasziv. „Hi, Val", sagte er mit seiner rauen Stimme und mein Herz schlug mir bis zum Hals.
„Hi", sagte ich etwas lahm, als ich vor ihrem Tisch stehen blieb. Beide sahen mich fragend an. Ich räusperte mich. „Ähm...Sam, können wir kurz reden?", fragte ich verlegen und trat nervös vom einen Fuß auf den anderen. „Hat was mit Englisch zu tun", schob ich rasch hinterher und Sam sah mich verwundert an. Ich war mir sicher, ich würde ihm jetzt und hier - also nicht in Gegenwart von Laura natürlich - von ihrem Techtelmechtel mit dem fremden Typen auf dem Klo erzählen. Er musste es einfach wissen, um sein Bild von der allseits perfekte Laura Benner zu klären.
Sam hob die Augenbrauen, warf Laura einen Blick zu, die ihn süßlich anlächelte, und nahm dann seinen Arm von ihrer Schulter. „Klar, ich schaff nur schnell mein Essen weg, dann können wir gehen", sagte er und stand auf, um sein Tablett zu nehmen und es zurück zu bringen.
„Also...wie geht's?", fragte ich dann nervös, als mir bewusst wurde, dass Laura ich nun allein waren.
Sie lächelte mich beinahe überheblich an. „Sehr gut. Sam und ich sind schon so gut wie zusammen, wie du siehst", sagte sie. „Er ist wirklich unglaublich, weißt du? Wir sind jetzt schon zwei mal miteinander ausgegangen."
Ich sah sie überrascht an, nicht wissend, was ich dazu jetzt sagen sollte. Warum hatte Sam mir nicht davon erzählt?
Laura zog eine Augenbraue hoch. „Das wusstest du nicht?", fragte sie und ich schüttelte lahm den Kopf. „Er wollte es dir sicher nicht vorenthalten."
„Bestimmt nicht", sagte ich trocken und Laura lächelte.
„Na gut, ich hoffe es gibt kein Problem mit eurem Englisch Projekt", sagte sie dann, doch ihr Blick deutete ganz offensichtlich daraufhin, dass sie hoffte, dass es kein Problem mit mir gab.
Ich schüttelte wieder den Kopf. „Oh nein", sagte ich gedehnt und Laura sah mich zufrieden an.
„Gut", sagte sie. „Ich denke, wir haben uns verstanden."
Ich schluckte und nickte. „Klar", murmelte ich, ehe Sam wieder bei uns auftauchte und wir gemeinsam die Cafeteria verließen.
„Also, was gibt's?", fragte er gut gelaunt, als wir auf dem großen Parkplatz vor der Schule ankamen.
„Du bist mit Laura ausgegangen?", fragte ich ohne Umschweife und verschränkte die Arme vor der Brust.
Sam sah mich peinlich berührt an und kratzte sich am Hinterkopf. Ich konnte die Muskeln an seinem Arme hervor treten sehen. „Ja, hör zu, Val...", begann er gedehnt.
„Warum hast du mir nichts davon erzählt?", unterbrach ich ihn jedoch und Sam seufzte.
„Keine Ahnung", sagte er. „Es tut mir leid, Val, ehrlich. Ich wollte es dir sagen, aber-"
„Seid ihr zusammen?", fragte ich mit brüchiger Stimme.
Sam runzelte die Stirn und biss sich auf die Unterlippe. „So gut wie, ja", gab er zu.
„Habt ihr euch geküsst?"
Sam sah mich schief an. „Val-"
„Habt ihr oder habt ihr nicht?"
Sam schwieg einen Moment, dann nickte er einsichtig. „Ja, haben wir."
Ich atmete einmal tief durch, presste die Lippen aufeinander und stieß ein leichtes Lachen aus. „Okay", sagte ich.
„Hör zu, Val, ich kann das erklären", sagte Sam hastig und ich sah ihn abwartend an. „Ich wusste nicht, wie ich es dir sagen sollte. Ich dachte, nachdem ich wir uns am Sonntag geküsst hatten, dass du vielleicht-"
„Dass ich was?", rief ich aus. „Dass ich mir irgendwelche Hoffnungen machen würde? Tut mir ja leid, dich enttäuschen zu müssen, aber es dreht sich nicht immer alles nur um dich!"
Sam stieß einen frustrierten Laut aus und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Das hab ich nicht gesagt! Ich wusste nicht, ob ich nicht vielleicht deine Gefühle verletzen würde, wenn ich dir erzähle, dass zwischen mir und Laura endlich was läuft. Außerdem ging es nur darum, Tony eins auszuwischen."
„Oh, wie umsichtig von dir, dass du meine Gefühle nicht verletzen wolltest", sagte ich sarkastisch. „Ganz ehrlich, Laura hat dich nicht verdient, Sam. Sie spielt nur mit dir und du kriegst es nicht mal mit!"
Sam starrte mich einen Moment einfach nur fassungslos an, dann schüttelte er den Kopf und sagte: „Ich wusste es. Du bist eifersüchtig auf sie."
„Was? Nein!", widersprach ich sofort. „Nein, Sam, ich will nur, dass du siehst, wie falsch sie ist!"
Sam sah mich ungläubig an. „Ist das dein scheiß Ernst?", schrie er zurück. „Ist das dein Ernst? Val, was ist los mit dir?" Er breitete die Arme aus und ich schüttelte den Kopf.
Das fragte er jetzt nicht wirklich?
„Was ist los mit dir?", entgegnete ich. „Du lässt dich von dieser falschen Schlange um den Finger wickeln und merkst es nicht mal!"
Sam runzelte dir Stirn und schnaubte genervt. „Wie kommst du denn auf so 'ne abgefuckte Scheiße? Ich mag Laura und sie mag mich, was ist denn daran so falsch?", rief er kopfschüttelnd.
Ich stemmte die Hände in die Hüften und blickte ihn herausfordernd an. „Laura ist falsch!", schrie ich. „Sie hat mit diesem Typen auf der Party rumgemacht, oben auf der Toilette, und ich hab sie dabei erwischt und ihr versprochen, es niemandem zu erzählen!"
Jetzt war es raus. Und Sam starrte mich an, als ich hätte ich völlig den Verstand verloren. „Was?"
Ich seufzte auf und fuhr mir leicht überfordert mir der ganzen Situation durch die dunklen Haare. „Ich war nur auf der Party, weil Laura mich eingeladen hat. Sie war total besoffen und das nur, um locker zu werden, und hat mit irgendeinem Footballer im Badezimmer rum gemacht. Und hätte ich die beiden nicht entdeckt, dann hätte Laura bestimmt mit diesem Typen geschlafen!", rief ich.
Sam sah mich kopfschüttelnd an. „Du redest so einen Bullshit!", sagte er wütend. „Das alles war dein Plan! Du wolltest mir helfen an Laura ran zu kommen, befreundest dich erst mit ihr und jetzt erzählst du hinter ihrem Rücken so 'ne Scheiße über sie. Was soll das?"
Ich verschränkte die Arme vor der Brust und wippte ungeduldig mit meinem Fuß auf und ab. „Ich will doch nur nicht, dass sie dich verarscht", sagte ich leise.
Sam starrte mich verstört an. „Das ist ja wohl meine Sache", entgegnete er kühl.
Ich schnalzte mit der Zunge und verdrehte die Augen. „Ja klar, aber-"
„Ganz ehrlich, spar dir diese ganze Scheiße. Ich hab da echt keinen Bock drauf", unterbrach er mich jedoch und wandte sich ab.
„Sam! Sam!", rief ich ihm hinterher. „Warte! Komm schon, Sam!"
Der muskulös Footballspieler drehte sich wieder zu mir um und sah mich mit schmalen Augen an. „Was?", knurrte er und machte mir damit beinahe Angst.
„Es tut mir leid, aber-"
„Nein, nichts aber!", fiel er mir jedoch ins Wort. „Ich will überhaupt nichts mehr davon hören, okay?"
Ich öffnete den Mund, doch kein Wort kam heraus.
„Wenn du ein Problem damit hast, dass Laura und ich jetzt zusammen sind, dann tut's mir leid", sagte Sam.
„Ich hab kein Problem damit", sagte ich rasch, obwohl ich ganz genau wusste, dass es anders war.
Sam zog die Augenbrauen hoch. „Ach?" Er schien mir nicht besonders zu glauben. „Dann macht es dir ja auch bestimmt nicht aus, wenn wir diesen ganzen beschissenen Deal jetzt hiermit beenden", sagte er und meine Augen weiteten sich.
Das konnte nicht sein Ernst sein. Der Plan war alles, was uns geblieben war. Dadurch waren Sam und ich uns überhaupt erst so nah gekommen. Ich hatte endlich gemerkt, dass er nicht nur ein testosterongesteuerter Idiot war, der Mädchen nur zu seinem Vergnügen ausnutzte. Und ich hatte gemerkt, dass mir Tony inzwischen egal war und dass ich ihm nicht mehr hinterher trauerte.
„Sam...", flüsterte ich. Ich hatte das Gefühl, dass er nicht nur den Deal sondern auch unsere Freundschaft gerade beendete.
„Lass es einfach, Val", sagte er jedoch. „Ich bin damit echt fertig. Ich bin durch mit dieser ganzen Scheiße. Wir hätten das alles gar nicht erst anfangen sollen, weißt du? Ich hätte deine Hilfe nicht mal gebraucht, um an Laura ran zu kommen. Du warst einfach so verzweifelt wegen Tony und ich hatte Mitleid mit dir, du brauchst dir also gar nichts darauf einbilden, ich hätte Laura nicht auch ohne dich gekriegt."
Ich starrte ihn fassungslos an. Seine Worte taten so weh. „Was?" Meine Stimme war brüchig und für einen kurzen Moment hatte ich das Gefühl, eine Spur von Trauer und Scham in Sams stahlgrauen Augen aufblitzen zu sehen, doch es war so schnell wieder verschwunden, wie es gekommen war.
„Ich versteh dich einfach nicht", Ich sah ihn verwirrt an und Sam seufzte und fuhr sich gestresst durch die Haare. „Ich kapier nicht, was in deinem hübschen Kopf vor sich geht. Einmal denke ich, du willst mir mit Laura helfen, und dann küss ich dich und es war der Wahnsinn, und jetzt erzählst du mir, dass Laura im Grund einfach nur 'ne Schlampe ist? Echt, ich kann das nicht mehr."
Meine Augen waren feucht geworden und ich biss mir nervös in die Innenseiten meiner Wangen. „Sam..."
„Nein, Val. Das Thema ist durch." Und damit drehte er sich endgültig um und ging.
Ich schluckte die Tränen hinunter und fuhr mir erschöpft übers Gesicht. Ich hatte es ja so versaut. Warum hatte ich nicht einfach meine verdammte Klappe gehalten? Warum?
༄
„Val?"
Ich hatte die Knie an meinen Körper gezogen, die Arme darum geschlungen und hob meinen Kopf auch nicht, als ich hörte, wie die Tür zur Toilette aufging und Rosie und Harriet eintraten. Ich saß auf dem geschlossenen Klodeckel, die Kabinentür hatte ich verriegelt.
„Bist du hier, Val?", fragte Rosie besorgt und ich stieß einen jämmerlichen, zustimmenden Laut aus.
„Mach die Tür auf, komm schon", sagte Harriet dann und klopfte leise gegen die Tür der Kabine, hinter der ich saß.
Ich schniefte und fuhr mir mit dem Ärmel meines Pullovers über die Augen.
„Val, bitte."
Ich seufzte leise und ließ das Schloss aufschnappen, Harriet zog die Tür auf und mir gegenüber standen meine beiden besten Freundinnen. Ich fühlte mich, als würde ich ein seltsames Déjà-vu durchleben. Es war, wie an diesem einen bestimmten Tag vor ein paar Jahren, als die beiden Mädchen mich entdeckt hatten, wie ich wegen meines ruinierten T-Shirts geheult hatte.
„Oh, Süße...", murmelte Harriet und kam auf mich zu, während Rosie sich eher im Hintergrund hielt. „Dein Gespräch mit Sam war wohl nicht so, wie du es dir vorgestellt hast", vermutete sie und ich nickte leicht.
„Er glaubt mir nicht", schniefte ich. „Er wollte mir nicht mal zu hören."
Harriet und Rosie sahen mich nachdenklich an, schwiegen jedoch.
„Er hat sich von mir abgewandt. Er hat gesagt, er will nicht mehr. Er hat gesagt, dass er mit mir fertig ist", schluchzte ich. „Dabei...dabei..."
„Dabei magst du ihn", beendete Rosie meinen Satz und ich nickte.
„Ja", murmelte ich. „Und er meinte, dass der Kuss zwischen uns der Wahnsinn war, aber auch dass ich viel zu kompliziert bin und dass er den scheiß Plan beendet, weil er keinen Bock mehr auf mich hat."
Erst jetzt wurde mir klar, wie viel Zeit ich eigentlich mit Sam verbracht und wie sehr ich mich an seine ständige Anwesenheit gewöhnt hatte. Ich mochte ihn viel zu sehr, als dass es mir jetzt egal sein könnte, dass er mit Laura zusammen war. Ich erinnerte mich daran, wie schnell mein Herz bei seinem Anblick zu schlagen begann und wie verdammt gut es sich angefühlt hatte, ihn zu küssen, obwohl das alles nur ein dämliches Spiel war.
Und jetzt musste ich feststellen, dass ich es so richtig versaut hatte. Allein wegen meiner blöden Eifersucht hatte ich mich überhaupt erst in diese Lage gebracht und die Freundschaft zwischen Sam und mir praktisch mit Füßen getreten.
Fuck.
Ich hatte wirklich einen verschissenen Moment lang geglaubt, dass auch Sam etwas für mich empfinden würde. Nachdem Harriet mir auf dem Friedhof die Augen geöffnet und gesagt hatte, dass er das alles bloß tat, um Zeit mit mir zu verbringen, hatte ich das erste Mal so etwas wie Hoffnung. Aber er hatte sich für Laura entschieden. Obwohl ich ihm gesagt hatte, was sie für ein falsches Spiel spielte.
Aber am Ende war es meine eigene Schuld. Ich hatte ihn mit meinen blöden Bemerkungen nur noch weiter in Lauras Arme hineingetrieben. Wahrscheinlich war es auch genau das, was Laura haben wollte. Dass ich mich mit Sam stritt und er sich von mir abwandte. Aber wenn sie Krieg will, dann soll sie Krieg haben.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro