Kapitel 2: Hab ich Euch schon mal bedroht?
Nach einer relativ langen Strecke, welche ich allein zu Fuß zurückgelegt hatte, war ich endlich an dem Schiff angekommen und stand nun direkt davor. Dieses Schiff war größer und mächtiger als meine Deadly Cathness. Es war ganz schwarz mit schwarzen Segeln und es war wirklich wunderschön. Wer war wohl im Besitz eines so prachtvollen Schiffes? Ich hatte noch keine Person entdecken können.
Also rief ich nun nach oben zur Reling des Schiffes: "Hallo? Ist da jemand? Hallo? Denn wenn nicht würde ich gerne Euer Schiff kapern!", fügte ich ein wenig leiser hinzu. Doch niemand antwortet.
Stattdessen legte sich mir nun eine kühle Klinge an die Kehle und meine beiden Arme wurden mit einem Griff hinten auf meinem Rücken festgehalten, sodass es in meinen Schultern zerrte.
Ich wurde ein wenig zurückgezogen, sodass ich nun mit den Schulterblättern an der Brust der Person hinter mir lehnte.
"Das, Liebes, würde ich an Eurer Stelle unterlassen", hauchte mir dann eine dunkle Männerstimme ins Ohr.
"Weshalb?", fragte ich. "Vielleicht ist Euer Captain ja nicht fähig genug sein Schiff zu verteidigen." Ich trat dem Mann hinter mir mit dem Absatz meines Stiefels fest auf den Fuß, sodass er einen kleinen Laut ausstieß und für einen Moment abgelenkt war.
Dieser Moment reichte mir, um meine Arme aus seinem Griff zu befreien und seinen Arm mit dem Schwert von mir wegzuschieben und unter ihm her zu verschwinden. Ich rannte ein paar Meter, zückte mein Schwert und drehte mich dann um, nur um festzustellen, dass der Mann mir schleunigst gefolgt war und ich nun meine Klinge mit der seinen kreuzte.
"Denkt Ihr wirklich, dass das eine kluge Idee war?", fragte er und musterte mich interessiert von oben bis unten.
Ich nutzte diese Gelegenheit, um ihn ebenfalls genauer zu betrachten. Er trug ebenfalls braune Stiefel und eine Stoffhose. Unter seinem dunklen Mantel trug er ein Leinenhemd und seinen Waffengürtel. Sein Gesicht war leicht gebräunt und er trug einen Bart über seiner Oberlippe und am Kinn, welcher aus zwei geflochtenen Zöpfchen bestand. Seine dunklen Haare waren Dreadlocks, welche durch ein rotes Bandana aus seiner Stirn gehalten wurden und er hatte sehr viel Geklimper und einige Perlen darin verarbeitet. Auf seinem Kopf trug er einen Dreispitz.
Als ich in seine schwarz umrandeten, dunkelbraunen Augen sah, bemerkte ich, dass er mich schon längst nicht mehr musterte. Stattdessen grinste er mich triumphierend an, ganz als ob er meinen würde, sein Anblick würde mich ablenken.
Ich zog die Augenbrauen zusammen und sagte ein leises 'Aye', woraufhin der Mann nicht mehr grinste, sondern ein wenig verdutzt aussah.
Diese Gelegenheit nutzte ich, um mich einmal um mich selbst zu drehen, nur um ihn dann wieder anzugreifen. Und dann ging es los. Wir lieferten uns einen grandiosen Schwertkampf, bei dem es alles andere als klar war, wer von uns im Vorteil war. Wir hoppsten also kämpfend um das Schiff herum und keiner verlor sein Schwert.
Als unsere Klingen einmal mehr schallernd aufeinander trafen, hob der Mann die Hand und sah mich an. Dann befreite er sich aus dem linken Ärmel seines Mantels, hielt dann mit der linken Hand kurz sein Schwert und ließ den Rest des Mantels schließlich auch von seinem rechten Arm gleiten.
"Was denn, ist es Euch zu warm geworden?", fragte ich ihn sachte grinsend.
Er grinste ebenfalls und fuhr mit seiner Klinge geschickt über meine. "Nur ein wenig."
Dann ging es wieder los und wir fuhren fort mit unserem Kampf. Ich musste aber ganz ehrlich zugeben, dass das hier nicht wirklich einen Sinn hatte. Dieser Kampf war tatsächlich unnötig. Aber ich wollte auf der anderen Seite auch nicht verlieren. Hinterher würde er noch denken, ich wäre leichte Beute. Und das Risiko wollte ich keinesfalls eingehen.
Als unsere Klingen sich erneut in der Luft kreuzten, hielten wir beide inne und sahen uns an. In unseren Blicken lag Interesse. Aber auch ein nicht gerade geringer Hauch von Feindseligkeit.
"Wer seid Ihr?", wisperte der Mann dann und ließ sein Schwert sinken. "Ihr kommt mir irgendwie bekannt vor. Hab ich Euch schon mal bedroht?"
Ich schnaubte, ließ mein Schwert aber ebenfalls sinken. Dann sah ich ihn aufrichtig an und sagte klar und deutlich:"Es ist wahrscheinlicher, dass ich Euch schon mal bedroht habe." Ich grinste für eine Sekunde. "Captain Erin Bailey", antwortete ich dann. "Und wer seid Ihr?"
Der Mann musterte mich erneut von oben bis unten und wieder nach oben. Dann kniff er kurz ein wenig die Augen zusammen und zwang sich dann zu einem freundlichen Lächeln - und es sah wirklich gezwungen aus. "Ihr seid also Captain Baileys Nachfolgerin", stellte er dann fest ohne meine Gegenfrage zu beantworten.
"Welch lobenswerte Schlussfolgerung, Matrose", sagte ich sarkastisch.
Er verzog sein Gesicht zu einem gequälten, ironischen Lächeln und sah mich dann ein wenig genervt an. "Derlei Albernheiten amüsieren mich ganz und gar nicht, Miss Bailey." Er strich mit dem Daumen und dem Zeigefinger seiner linken Hand über seinen Bart und musterte mich währenddessen geringschätzig.
Es war wohl so langsam an der Zeit mir ein wenig Respekt zu verschaffen. "Captain. Wenn ich bitten darf. Und noch einmal: wer seid Ihr?"
"Captain?" Er lachte. "Ich sehe gar nicht Euer Schiff."
Nun wurde ich wütend. "Wer seid Ihr?", fauchte ich.
"Nun, liegt das nicht auf der Hand?" Ich starrte ihn weiterhin böse an. "Captain Jack Sparrow", sagte er schließlich.
"Ah, Ihr seid das also", meinte ich und begann zu grinsen. "Der, der sich selbst immer CAPTAIN Jack Sparrow nannte, auch wenn er kein Schiff hatte."
Das schien ihm wohl nicht sehr zu gefallen. "Dieser bissige Ton schmeichelt Euch nicht gerade, Miss Bailey. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass Ihr Euch gerade ebenfalls in eine solche Situation begeben habt."
Ich zuckte die Schultern. "Ich weiß nicht, was Ihr meint, Sparrow. Mein Schiff steht dort hinten. Hinter den Hügeln."
"Ihr seid auch mit Eurem Schiff hier?"
"Aye."
"Wieso?"
"Das könnte ich Euch ebenso fragen", gab ich strikt zurück und lächelte ihn ironisch an.
Sparrow machte den Eindruck als fühlte er sich nun angegriffen und zog einen leichten Schmollmund. "Ich habe Euch aber zuerst gefragt, Liebes." Er legte grinsend den Kopf schief.
Ich seufzte und zuckte mit einer Schulter. "Ich musste meine Schuld bei Davy Jones begleichen."
Sparrow starrte mich an. "Wirklich?"
Ich verdrehte die Augen. "Nein, ich bin zum Vergnügen hier, da ich äußerst angetan von diesem abenteuerlichen Ort bin, an dem man seine Freiheit so wundervoll ausleben kann."
Sparrow blinzelte ein-, zweimal.
"Das heißt ja!", fügte ich ein wenig verärgert hinzu. "Und was führt Euch nun hierher?"
"Das gleiche", antwortete er bloß und zuckte ebenfalls mit der Schulter.
"Das gleiche?", wiederholte ich.
"Das gleiche", bestätigte er.
"Welche Schuld musstet Ihr bei ihm begleichen?", fragte ich und schob mein Schwert nun letztendlich in die Schwertscheide.
Sparrow tat es mir gleich. Dann sah er mich an und streckte mir seine Hand entgegen. "Was haltet Ihr davon, wenn wir nochmal von vorne anfangen? Wir hatten ja einen recht unharmonischen Start, aye?" Er nickte mir grinsend zu.
"Meinetwegen", meinte ich schulterzuckend und schüttelte ihm die Hand. "Captain Erin Bailey. Angenehm."
"Captain Jack Sparrow. Ebenfalls angenehm", sagte er und ließ meine Hand dann los.
"Nun, Sparrow, wenn Ihr nun die Güte besäßet meine Frage zu beantworten?", fragte ich freundlich.
"Aye. Meine Schuld bei Jones. Er hat mir vor dreizehn Jahren mein Schiff vom Grund des Meeres geholt. Dafür muss ich nun büßen", erzählte er und zuckte die Schultern. "Und wofür steht Ihr in seiner Schuld?"
Ich starrte Sparrow ungläubig an. Es konnte doch wohl nicht ernsthaft wahr sein, dass ihm exakt das gleiche widerfahren war, wie mir. Wie konnte das möglich sein? Und dann auch noch zur gleichen Zeit? Irgendwas lief hier doch gewaltig schief. Oder war das alles doch nur Zufall?
"Bailey?", fragte Sparrow und versuchte meine Aufmerksamkeit wieder auf sich zu ziehen.
"Oh, tut mir Leid", sagte ich schnell. "Ob Ihr es glaubt, oder nicht, aber bei mir ist genau das auch geschehen."
Sparrow musterte mich ein weiteres Mal. "Das ist interessant. Das ist wirklich interessant."
Ich nickte zustimmend. "Und was habt Ihr nun vor? Habt Ihr einen Plan, wie man hier weg kommen könnte?"
"Wieso? Ihr etwa?"
Ich schüttelte den Kopf. "Ich weiß gar nicht, was ich hier tun soll, um ehrlich zu sein. Aber ich glaube, ich werde einfach wieder zurück zu meinem Schiff gehen und... abwarten. Macht's gut, Sparrow." Ich drehte mich um und wollte davon gehen, jedoch hielt Sparrow mein Handgelenk fest und hielt mich zurück. Ich drehte mich wieder zu ihm um und sah ihn fragend an.
"Warum wollt Ihr gehen? Wenn ihr bleibt, hätten wir eine... nette Gesellschaft." Sparrows dunkle Augen huschten über meine Gesicht und blieben dann an meinen Augen hängen. Er grinste.
"Auf Eure Gesellschaft weiß ich herzlich zu verzichten. Aber vielen Dank für das vortreffliche Angebot, Mr Sparrow. Es war mir eine Ehre mit Euch Bekanntschaft zu machen. Ich wette, wir werden uns so oder so wiedersehen." Ich befreite meinen Arm aus seinem Griff, nickte ihm zu, lächelte teils ehrlich, teils gezwungen und drehte ihm den Rücken zu, um mich auf den Weg zurück zu meiner Deadly Cathness zu machen. Ich sah mich nicht mehr um. Ich wusste, dass er sich früher oder später auf die Suche nach meinem Schiff begeben würde, da es ihn irgendwann wahrscheinlich langweilen würde gar nichts zu tun.
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