20. September
Der würzig-säuerliche Geruch frisch gebrauten Kaffees füllt den Wohnraum. Barbara Huber sitzt am Küchentisch, die Arme hat sie aufgestützt, ihr Schädel brummt noch etwas. Sie beobachtet Tanya, ihre Tochter, die ihr soeben eine Tasse hingestellt hat. "Wie ist das passiert?", fragt sie sich in Gedanken. "Meine kleine, süße Tochter ist zu einer attraktiven Frau geworden. Wo sind die Jahre hin?" Barbara weiß, dass sie viel zu viel trinkt. Sie weiß, dass sie die Hälfte ihrer Zeit schläft und den Rest nur vage, benebelt mitbekommt. Wie oft hat sie sich deswegen schon geärgert. Anfangs hat sie noch versucht, es zu ändern; sie ist joggen gegangen, hat die Schnapsflaschen versteckt oder alkoholfreie Wochen versucht durchzustehen. Doch mit der Zeit wurde auch das weniger. Betrübt blickt sie an die Wand mit der Nische, dorthin, wo die Fotos stehen. Ein Platz ist leer; das Foto ihrer Hochzeit hat sie zusammen mit allen anderen Fotos, auf welchen Röbi drauf war, schon längst verbrannt.
"Hast du heute keine Schule, Tanya?"
Die Tochter dreht sich um, vergisst dabei aber nicht, in der Pfanne mit dem Rührei und dem Bratspeck zu rühren. "Doch, eigentlich schon. Aber ich mag nicht hingehen."
Barbara schmunzelt; ihre Tochter scheint sich ähnlich zu entwickeln, wie sie es früher war. Die eigenen Pläne immer über die Regeln stellend. "Und was soll ich in dein Absenzenheft schreiben?"
"Krank?" Tanya genießt den seltenen Moment der Nüchternheit ihrer Mutter.
"Krank, hein? - Von uns zweien ist ja wohl nur eine krank", murmelt Barbara vor sich hin. Dann nimmt sie einen großen Schluck Kaffee. Plötzlich spürt sie ihre Tochter ganz nah bei sich. Tanya legt den Arm um ihre Schulter und den Kopf darauf. Barbara stellt die Tasse auf den Tisch und nimmt Tanya in den Arm. Beide weinen. Die Pfanne mit dem herrlich duftenden "Zmorge" steht neben dem sorgsam ausgestellten Herd.
***
Schon beim Frühstück spürt man, dass sich die Situation entspannt hat. Am Tisch mit Selina und Petra versammeln sich auf einmal viele Mädchen um ein Handy. Sie plaudern laut und scheinen sich mit dem Gerät zu unterhalten. Morena steht auf, schlendert zu ihnen und blickt Petra über die Schulter.
"Frau Di Agostino! Guten Morgen. Bitte entschuldigen Sie, aber Sie sehen beschissen aus - dabei bin ich diejenige im Spital!" Aus dem kleinen Bildschirm strahlt ihr Lara lachend entgegen, mit dem gesunden Arm winkend.
"Ich hatte eine harte Nacht, Lara. Es freut mich, dich so munter zu sehen! Wie geht es dir?"
"Meine Eltern sind hier. Sie sind gestern noch angekommen. Es geht mir gut, aber ich bekomme starke Schmerzmittel. Dass ich mich nicht richtig bewegen kann, das stört mich."
"Wann kannst du wieder raus?", fragt Selina.
"Ich weiß es nicht. Meine Eltern hoffen, sie können mich heute oder morgen nachhause begleiten. Wir werden sehen. Ich habe eine nette Ärztin, die mich immer aufmuntert. Heute kommt dann noch die Polizei, haben mir die Eltern gesagt. - Was macht ihr heute so?"
Die Mädchen erzählen ihr das Tagesprogramm, Morena verabschiedet sich und kehrt zu ihrer Kaffeetasse zurück.
"Mit wem reden sie? Lara?"
"Ja, sie plappern über Facetime", Morena trinkt Kaffee. "Lara ist richtig gut gelaunt; sie hatte riesiges Glück und ich bin so froh, sie lachen zu hören."
"Das sind wir alle", bestätigt Dominic.
"Wo ist eigentlich Stefan?"
"Der versucht, Becca aus dem Bett zu kriegen", lacht Silas. "Stell dir vor: Die haben bis um vier Uhr gespielt. Alissia pennt auch noch, die vier Mädchen sowieso; eine sei am Tisch eingeschlafen - erst dann haben sie gemerkt, wie spät es ist."
Madlene Zinniker stellt sich mitten in den Raum und bittet um Aufmerksamkeit. "Guten Morgen allerseits. Wir haben beschlossen, es heute etwas ruhiger anzugehen. Es wird ein Spielturnier in der Halle geben; Fußball, Basket und Badminton. Danach werdet ihr noch zwei Stunden machen können, wonach euch ist. In dieser Zeit solltet ihr dann auch packen. Die Busse kommen gleich nach dem Mittagessen. Also: In zwanzig Minuten treffen wir uns bei der Sporthalle - alle schon in Sportklamotten. Fragen? - Okay, bis dann."
***
"Weißt du was? Wir nehmen uns heute frei. Wir fahren auf den Homberg, zum Aussichtsturm. Oder an den See. Was hältst du davon?"
Tanya kann nicht glauben, was ihre Mutter gerade gesagt hat. "An den See! Lass uns heute um den See wandern, Mami."
Eine halbe Stunde später parkt das Auto auf dem dafür vorgesehenen Platz in der Nähe des Wasserschlosses. Tanya und ihre Mutter sitzen im Schlosshof und gönnen sich noch einen Cappuccino, kaufen etwas Wasser für die Wanderung.
"Manchmal möchte ich auch in einer Wasserburg wohnen. Das wäre cool - wenn ich niemanden sehen will, ziehe ich die Brücke hoch!"
Barbara lacht über die Worte ihrer Tochter. "Hier hätten wir sogar beide unsere Insel. Ich die vordere, du die hintere. - Damit ich mitbekomme, wenn du ausgehst."
Dass ihre Mutter das wohl doch nicht mitbekommen würde, verschweigt Tanya. Sie hat beschlossen, heute glücklich zu sein. "Ich habe aber meine eigene Zugbrücke und kann die hintere Insel abschließen, wann immer ich will; wenn ich male, beispielsweise."
"Oder wenn du deine schreckliche Musik spielst."
Nun lacht Tanya. "Die gibt mir Inspiration, Mami. Ich brauche sie. Sie verarbeitet meine Wut in mir drin."
Die Frauen bezahlen und wandern in Richtung See. Die trutzige Wasserburg verschwindet langsam hinter den Bäumen entlang des Kanals. Lange sagen beide nichts. Plötzlich wird der Weg breiter, nach einer Biegung taucht der See im Blickfeld auf, ein Steg führt aufs Wasser hinaus, das wellenlos dunkelblau vor ihnen liegt. Mutter und Tochter stehen nebeneinander auf dem Steg und blicken auf den See hinaus.
"Du bist wütend? Wegen mir?" Barbara kann ihre Tochter dabei nicht ansehen.
"Auch, ja. Aber nicht nur."
"Es tut mir leid, Tanya. Ehrlich leid."
"Er hat nicht nur dich verlassen, Mami. Aber der Typ ist weg - und das ist gut so. Ich habe keinen Vater; damit kann ich gut leben. Aber mitansehen zu müssen, wie du dein Leben zerstörst, das tut richtig weh." Ihre Tränen fallen in den See und lassen kleine Kreise entstehen.
***
"Was malst du da?", fragt die Lehrerin der sechsten Klasse eine ihrer Schülerinnen.
"Na den Besuch in der Bibliothek; das ist doch die Aufgabe."
"Schon, aber du malst ja alles in Schwarz. Die Bibliothek ist doch bunt."
"Ich male den bösen Mann; der ist schwarz."
"Aus einem Buch, das du gelesen hast?"
"Nein, aber Tanya hat mir eine Geschichte erzählt, von einem bösen Mann, der in den Büchern lebt. Kommt sie heute nicht zu uns?" Das Mädchen schaut von der Zeichnung auf.
"Nein, Doris, sie hat sich für heute krank gemeldet."
"Das ist schade. Sie hätte mir helfen können. Sie kann so gut zeichnen. Ich kriege den bösen Mann nicht hin."
In der Pause sitzt Frank Besenberger mit den Lehrpersonen am Tisch.
"Bei der Oberstufe gab es einen Unfall. Sie kommen heute etwas früher zurück und morgen wird der Unterricht der Oberstufe ausfallen. Wenn sich Journalisten bei euch melden, verweist sie bitte an mich. Alle Kommunikation muss über mich laufen."
"Was ist passiert?"
"Jemand hat am Fahrrad von Lara herumgeschraubt. Lara ist gestürzt und liegt nun im Spital in Brig. Es geht ihr den Umständen entsprechend ziemlich gut, zum Glück."
"Sabotage? Wow - weiß man, wer es war?"
"Wir haben Vermutungen, doch bis die Untersuchungen der Polizei nicht abgeschlossen sind, darf ich euch nicht mehr sagen. Bitte achtet darauf, dass auch die Kinder, die bestimmt schon etwas mitbekommen haben, keine Gerüchte verbreiten."
"Sollen wir die Klassen informieren?"
"Nein. Ich informiere alle zusammen, wenn die OS wieder hier ist. Ich lade auch die Eltern der oberen Klassen zu dieser Information ein. Wichtig ist, dass ihr beruhigend eingreift, wenn eure Kinder Schauermärchen erzählen. Seid etwas aufmerksam, hört hin und beantwortet konkrete Fragen, ohne Details zu nennen, natürlich."
Als Besenberger gehen will, wird er an der Tür zurückgehalten. Die Lehrerin der Sechsten hält ihn am Arm fest. "Hast du eine Minute?"
"Ja, sicher. Was gibt's?"
"Ich habe die Kinder heute zu unserem Ausflug in die Bibliothek zeichnen lassen. Ein Bild, das von Doris, hat mich erstaunt."
"Schon wieder die Bibliothek? Die Oberstufe liegt mir auch dauernd wegen Kägi in den Ohren. Solange ich keine konkreten Beweise habe, kann ich nichts tun. Die Gemeinde hat ihn angestellt, ich habe ihn nochmals überprüfen lassen. Er ist sauber. Entschuldige bitte, ich habe momentan andere Probleme."
Perplex bleibt die Lehrerin stehen, als Besenberger davongeht. Sie blickt ihm nach. Er hat nicht einmal wissen wollen, was das Mädchen gezeichnet hat, sondern gleich abgeblockt. Die Lehrerin beschließt, mit ihren Kolleginnen und Kollegen von der Oberstufe zu reden.
***
Tanya und ihre Mutter sitzen an einem kleinen Tisch direkt am See und genießen eine Eiscreme. Den größten Teil der Seeumrundung haben sie gemeistert, das Wasser ist schon längst leergetrunken. Nun haben sie hier eine Art kleine Pizza gegessen und sind beim Dessert angelangt.
"Mami, der neue Mann in der Bibliothek hat mich angefasst."
Barbara bleibt der Löffel im Mund stecken. Aus dem nichts hat ihre Tochter ihr gerade gesagt, dass ein erwachsener Mann ihr zu nahe gekommen ist. Schon wieder. Sie kennt die Geschichte von ihrem Ex-Schwager. Sie kann es nicht glauben, kann nichts darauf antworten.
"Ich will da nicht mehr hingehen. Er ist ein Pädo und niemand tut etwas dagegen."
"Tanya, das ist ja schrecklich. Was hat er getan?"
Tanya erzählt ihrer Mutter die Geschichte; sie erzählt, wie sie ihre Kleider verbrannte und wie sie nicht mit ihr reden konnte.
"Willst du, dass ich ihn anzeige? Dann müsstest du das alles auch der Polizei erzählen."
"Nein, das will ich nicht. Ich möchte, dass du mit dem Schulleiter redest. Der soll etwas unternehmen. Würdest du das für mich tun?"
"Aber sicher, meine Kleine. Das ist doch klar."
"Danke, Mami. Ich bin heute sehr glücklich; das ist der schönste Tag seit langem. Ich möchte, dass es immer so ist."
"Ich weiß, Tanya. Ich arbeite dran. Gib mir noch etwas Zeit." Die Abendsonne spiegelt sich an der Seeoberfläche.
Als Stunden später ihre Mutter wieder auf dem Sofa eingeschlafen ist, räumt Tanya die leere Flasche weg, verzieht sich in ihr Zimmer und legt Musik auf, welche ihre Mutter so schrecklich findet. Dann beginnt sie zu malen. Sie malt zwei Frauen am Seeufer, im Hintergrund türmen sich Gewitterwolken, dunkel und dräuend.
***
Nach den Sportlektionen packen die Schülerinnen und Schüler ihre Sachen wieder ein. Bei den Mädchen geschieht das ordentlich und schnell. Die Jungs suchen ihre Schuhe und verteilen die herumliegenden Unterhosen. Erstaunlicherweise bleiben dabei immer einige Stücke übrig, die niemandem gehören wollen.
Die Lehrpersonen stehen im Flur und helfen, wenn sie darum gebeten werden. zum Schluss kontrollieren sie die Zimmer auf Sauberkeit und Vollständigkeit der Ausrüstung. Die Zimmerabgabe verläuft normal. Die Jugendlichen sitzen draußen und warten auf die Busse.
Für die Heimfahrt müssen sie wieder nach Klassen geordnet einsteigen. Die Diskussionen um Enola und ihre Freundinnen haben sich gelegt. Niemand redet mehr mit ihnen. Es ist, als ob alle beschlossen hätten, die drei Mädchen zu ignorieren.
Die Busse fahren los; das Minilager ist schon wieder vorüber. Die meisten Jugendlichen hängen ihren Gedanken nach oder blicken aufs Handy. Plötzlich klingelt Stefans Telefon.
"Roos?"
"Herr Roos? Ich bin's, Kristijan. Wo sind die Busse? Sind Sie schon damit weggefahren?"
Stefan setzt sich kerzengerade hin und stellt sein Gerät auf Lautsprecher, er legt es auf den kleinen Tisch zwischen den Bänken der Lehrpersonen, im unteren Abteil des großen Busses. "Kristijan? - Die Frage ist: Wo bist du?"
"Ich war nur noch schnell auf dem Klo; jetzt sind keine Busse mehr hier."
"Scheisse! Das darf doch nicht wahr sein!", flüstert Stefan leise, Snape lacht und Alissia schlägt ihn. "Kristijan, du bist nach dem Durchzählen nochmals verschwunden? Das war dumm von dir."
"Aber ich musste ganz dringend. Was mache ich jetzt?"
Dominic hat dem Fahrer mitgeteilt, dass er anhalten soll. In Bitsch, einem kleinen Dorf unterwegs, halten die Busse auf einem großen Platz gleich vor dem Bahnübergang. Danach hat Dominic durchzählen lassen. Kristijan fehlt tatsächlich.
"Kristijan, wir sagen dem hintersten Bus, er soll ..." Weiter kommt Stefan nicht, Alissia hat das Telefon an sich genommen. Sie hält einen Zeigefinger hoch, strahlt ihre Kolleginnen und Kollegen an und zeigt, sie sollen schweigen.
"Kristijan, ich bin's, Frau Disler. Wo bist du genau?"
"Grüezi Frau Disler. Na da, wo wir auf die Busse gewartet haben, beim Parkplatz."
"Kannst du mich bitte auf Facetime stellen?"
Der Junge schweigt lange. "Das funktioniert bei mir nicht mehr. Die Kamera ist kaputt."
"Dann sage mir doch, welche Farbe das Wartehäuschen für den Zug hat. Es steht gleich neben dir, du kannst es sehen."
Nun folgt keine Antwort mehr.
"Kristijan? Bist du noch da?" Schweigen.
"Ja, Frau Disler." Der Junge wirkt niedergeschlagen und ertappt. Snape krümmt sich vor Lachen.
"Dann sage mir doch nun echt, wo ich dich finde, damit ich dir den Hintern versohlen kann."
"Sie sind gemein! - Im hintersten Bus auf dem Klo, Frau Disler. Alles gut, es war ein Scherz. Wir haben Sie erwischt!"
Nun lachen alle. "Ja, ihr habt uns einen schönen Schrecken eingejagt. Guter Scherz, Jungs! Nun lasst uns fahren!"
Die Busse fahren wieder los. "Woher wusstest du, dass sie uns verarschen, Alissia?"
Die junge Lehrerin grinst. "Ich wusste es nicht. Aber es war ein Versuch wert und ich war früher auch nicht immer das brave Mädchen."
Alle lachen. Rebecca streckt sich, als sie vom Lachen erwacht. "Habe ich was verpasst?"
Die weitere Fahrt verläuft ruhig und schnell, viele Jugendliche und zwei Lehrerinnen schlafen. Vor dem Schulhaus stehen bereits wieder die unzähligen SUVs und Familienkutschen. Die Eltern empfangen ihre Kinder, als hätten sie diese für Wochen nicht mehr gesehen.
Es sind nur wenige Jugendliche, die sich von den Lehrpersonen verabschieden. Noch seltener fällt ein scheues "Danke", werden Hände gedrückt. Die meisten verschwinden schnell und plappernd, als hätte man einen Stein in den Baum mit den Krähen geworfen. Die Lehrpersonen sind müde und freuen sich auf die Ruhe.
Stunden später sitzt Morena zuhause auf dem Balkon. Die Dusche hat sie beruhigt. Die Sonne steht orange schimmernd über dem Waldrand. Salvatore setzt sich mit einer Flasche Weißwein neben sie.
"Willst du erzählen?"
"Es war schlimm. Ein Unfall ist immer tragisch, aber Unfälle kommen vor; das kann man nicht vermeiden. - Doch Lara wurde absichtlich in Lebensgefahr gebracht."
"Ihr wisst, wer es war?"
"Das ist das Schlimmste an der Sache. Wir wissen es und können doch nichts dagegen tun, weil niemand etwas gesehen hat und niemand etwas beweisen kann. Salva - was geschieht mit unseren Jugendlichen?"
"Wie hast du die Stimmung in diesen ersten Wochen erlebt? Ich hatte immer das Gefühl, du kommst zufrieden, aufgestellt nachhause. Müde, aber zufrieden."
Morena nimmt dankbar das Glas Wein entgegen, das ihr Mann ihr hinhält. "Salute, Amore."
"Salute, Principessa."
"Das stimmt auch. Ich bin zufrieden; ich liebe meine Arbeit und wir haben viele tolle, aufgestellte Jugendliche an der Schule, mit denen ich richtig gut arbeiten kann. Aber hinter der Fassade brodelt etwas. Da ist ein schreckliches Monster, das seine Krallen ausstreckt und nach Zerstörung lechzt."
Salvatore schmunzelt. "Du solltest Bücher schreiben. Die hätten bestimmt Erfolg."
"Ich meine es ernst, Salva. Ich sehe noch nicht dahinter. Wir haben einige Mädchen, die andere mobben und via Soziale Medien fertigmachen. Wir haben einen Jungen, der Waffen mitnimmt und an andere weitergibt. Wir haben ein Mädchen, das an Bulimie leidet und sich sozial abschottet. Und seit kurzem haben wir auch noch einen Bibliothekar, der vermutlich auf junge Mädchen steht. - Wir sind nicht in Mailand. Das ist Oberwil, das Dorf wo das Muhen der Kühe lauter ist als der Durchgangsverkehr." Sie nimmt einen Schluck Wein.
Salvatore denkt nach. "Aber es ist auch das Dorf, in welchem nichts läuft. Sie haben keine Möglichkeiten. Sie haben nur ihre Handys, das Internet und einige wenige Vereine, um ihrer Langeweile zu entfliehen. Nicht alle Jugendlichen lesen gern und das Fernsehen ist ein Auslaufmodell."
"Du meinst, wir müssten ihnen Alternativen bieten?"
"Erinnerst du dich an Carla, als sie noch ganz klein war?"
Augenrollen, Wein trinken und Nicken.
"Mit Ablenkung haben wir es immer wieder geschafft, sie zu beruhigen, wenn sie nicht mehr aufhören wollte zu weinen", fährt Salvatore fort. "Ich denke, eine positive Ablenkung könnte helfen, einige Probleme zu lösen. Nicht sofort, aber mit der Zeit."
"Du könntest damit recht haben, Salva. Ich werde die Idee nach den Herbstferien mit meinen engsten Kolleginnen und Kollegen besprechen. Vielleicht könnten wir danach eine Arbeitsgruppe bilden, die Projekte ausarbeitet."
"Da ist sie ja wieder, meine engagierte und aktive Frau! Und mache dir keine Sorgen mit unserem Haus hier. Carla und ich haben das gut im Griff. Sie bringt die Ideen und ich wähle die machbaren davon aus. Die kleinen zwei malen und haben Spaß."
"Es ist ein Glück, dass ich dich habe, mein Schatz."
"Nein - es ist ein Glück, dass wir einander haben. Du und ich, aber auch wir alle fünf als Familie."
"Das ist wahr." Morena lehnt sich an ihren Mann und genießt die letzten Sonnenstrahlen.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro