18. September
Seit Wochen ist es warm und sonnig; ein ungewöhnlich angenehmer Herbst, man könnte von "Altweibersommer" reden, doch in dieser modernen Welt müsste man das wohl "gefühlsmäßig verlängerter Sommer während der Herbstsaison für erfahrene Menschen weiblichen Geschlechts, der aber auch für alle anderen Menschen gelten kann" nennen - und dazu hat niemand wirklich Lust. Es reicht, dass es warm ist.
Es ist sieben Uhr morgens. Vor dem Schulhaus Oberwil parken drei Reisebusse, einer davon ist ein zweistöckiger Dreiachser mit mehr als fünfzig Plätzen. Die drei Fahrer stehen rauchend oder bloß plaudernd daneben und warten auf das bevorstehende Schauspiel.
Die Schülerinnen und Schüler werden mit ihrem Gepäck von den Eltern hergefahren, ein wahrer Verkehrsstau entsteht auf der Dorfstraße und auf dem Pausenplatz. Man könnte denken, die Jugendlichen verreisen für eine ganze Woche, dabei handelt es sich bloß um zwei Übernachtungen.
Eltern umarmen ihre Kinder, verabschieden sie in einer Art, wie sie vor den Weihnachtsfeiertagen die Einkaufswagen füllen - als gäbe es keinen Morgen. Kinder und Mütter weinen, Väter rauchen und diskutieren über ihre Autos, Lehrpersonen versuchen, die Kinder von den Eltern zu trennen und die Helikoptereltern, welche ihre kleinen Kinder zur Schule fahren wollen, finden keine Zufahrt. Hafenkino vom Feinsten.
Stefan, Dominic und Morena stehen etwas zurückversetzt und lachen. "Oh, Mann, wie ich das vermisst habe! Szenen vor und nach den Lagern. Herrlich!", amüsiert sich Stefan.
"Absolut. Man könnte meinen, wir nehmen ihnen ihre Liebsten weg."
"Das tun wir auch, Mori", bestätigt Dominic, "zumindest für zwei Nächte. Stell dir das mal vor: Zwei Nächte keine Kontrolle über dein Kind."
"Wellness", bemerkt Morena trocken. Die Männer lachen. "Lasst uns unsere Schäfchen suchen und die Busse füllen, damit wir von hier verschwinden können." Sie schreitet zielstrebig auf den größten Bus zu.
Stefan, der eine laute Stimme hat, stellt sich in die Mitte des Platzes und weist die Jugendlichen ihren Bussen zu. Siebte in Bus 1, Achte in Bus 2, dem großen Bus und Neunte in Bus 3. Die Fahrer verstauen die Koffer und Taschen im Gepäckfach ihrer Fahrzeuge. Erst dann öffnen sie die hinteren Türen für den Einstieg.
Beim großen Bus stehen die Lehrer bereits im Innenraum. "Schüler nach oben, Leiter hier unten", lauten ihre Anweisungen. Sie wissen, weshalb - sie möchten gerne eine ruhige Fahrt bis nach Fiesch haben. Den Schülern ist es recht. Die vordersten vier Plätze auf dem Oberdeck werden sofort von Enola und ihren Freundinnen belegt. VIP hat Vorrang.
Svenja schmunzelt über dieses Verhalten. Sie setzt sich zu Cristijana. "Ich glaube, es wird Zeit, dass mal jemand den Ziegen erklärt, wie das richtige Leben funktioniert", bemerkt sie nur trocken.
"Und du denkst, dass du das hinkriegst?"
"Du hast ja keine Ahnung. Wir schlagen sie mit ihren eigenen Mobbingwaffen." Sie blickt Cris kampflustig an, beide beginnen zu lachen und besprechen das Vorgehen. Svenja zückt ihr Mobiltelefon und beginnt, versteckt zu filmen.
Cris steht auf und wendet sich an Enola. "Hey, Enola, was meint eigentlich dein Lover dazu, dass du hier ganz ohne ihn im Bus fährst, so mit allen anderen Jungs?"
"Erstens bin ich nicht sein Eigentum und zweitens kann ich für mich selbst entscheiden, was ich tun will, Bitch. Ich brauche niemanden, klar?" Die Antwort hat nicht lange auf sich warten lassen, Svenja formt das 'perfekt'-Zeichen mit ihren Fingern. Zusammen schneiden sie das Video und stellen es auf Snapchat, zudem schickt Cris Dario eine Kopie davon.
"Ihr seid echt von der miesen Sorte", flüstert Petra vom Sitz hinter ihnen. "Auch wenn sie es verdient haben."
Der Bus fährt los. Via Lautsprecher hören sie den Fahrer reden. "Guten Morgen, liebe Schülerinnen und Schüler. Mein Name ist Charly Odermatt oder einfach nur Charly. Ich heiße euch im Namen von Beat-Reisen herzlich willkommen und fahre euch nach Fiesch. Eure Sitzlehnen könnt ihr mit dem großen Hebel verstellen, die Sitze im Gang lassen sich mit dem kleinen Hebel weiter ausfahren, damit ihr mehr Platz habt. Bitte werft euren Abfall in die extra befestigten Abfallsäcke. Ich wünsche euch eine angenehme Fahrt."
Die Schüler applaudieren wie die Massentouristen im Flugzeug, wenn sie in Mallorca gelandet sind.
"Ich habe mal ein Buch gelesen, da gab es auch einen Busfahrer, der Charly hieß - spannende Geschichte über die Zukunft", sagt Nik wie zu sich selbst, gleich auf dem Sitz schräg hinter Svenja.
Sie dreht sich um, blickt ihn mit ihren azurblauen Augen an. "Ach was. Der Sportler steht auf Science-Fiction?"
"Ja, Miss Cool - der Sportler steht auf viele Sachen. Nur nicht auf fiese Spielchen."
Cris kichert neben der beleidigten Svenja. "Viel Glück mit Nik. Der ist Clever & Smart in einer Person. Er hat uns durchschaut."
Svenja schielt über die rechte Schulter - Nik winkt ihr lächelnd zu, worauf sie sich blitzartig zurückdreht.
***
Im hintersten Bus haben die Schüler soeben Dario das Video gezeigt, das von Enola im Netz kursiert. Er ärgert sich darüber, doch im Bus, vor allen anderen, kann er das nicht zugeben. Er gibt sich selbstbewusst und cool.
Lara schaut aus den hinteren Reihen zu. Sandrine, die neben ihr sitzt, stupst sie in die Seite. "Das ist deine Chance. Du könntest ihn trösten."
"Hör auf damit, Bagnole."
"Lara", Sandrine schaut ihre Freundin streng an, "seit drei Jahren heulst du mir die Ohren voll, dass du in Dario verliebt seist. Jetzt hat ihn seine Flamme abserviert. Er ist in seinem Stolz gekränkt und traurig. Du bist eine schöne Frau und in ihn verliebt. - Wo bitte ist dein Problem?"
"Sei leise. Es ist mein letztes Schuljahr und ich freue mich seit Wochen auf diesen Schulausflug. Ich weiß nur nicht, ob die Funken sprühen oder die Fetzen fliegen werden."
"Dann finde es raus! Er sitzt gleich da vorne." Sandrine zeigt auf Dario, der geknickt auf sein Handy schaut.
"Bei euch Welschen klingt das immer so einfach."
"Bei euch Röstifressern müsste echt mal jemand den Stock aus euren Ärschen ziehen. Come on! Vas-y! Deine Chance ist hier und jetzt. Wenn wir in Fiesch aussteigen, tun das Enola und Svenja auch."
"Svenja ist nett."
"Aber sie ist hübscher als wir alle zusammen - und Kohle hat ihr Dad auch. Mit einem männlichen Hirn berechnet, heißt die Lösung zur Aufgabe Svenja: Win-Win."
Lara betrachtet ihre Freundin, die erneut auf Dario zeigt und nickt. Sie steht auf, wankt einige Reihen nach vorne und setzt sich auf den freien Sitz neben Dario, gleich über den Gang.
***
Die Busse halten an der Talstation der Gondelbahn auf die Fiescheralp. Die Lehrpersonen haben die Schüler angewiesen, nur ihren Tagesrucksack mitzunehmen. Die Fahrer würden das Gepäck beim Sportzentrum deponieren. Enola geht direkt auf Dario zu, will sich bei ihm einhaken, doch er wehrt sie ab. "Ey, was ist denn mit dir los?", fragt sie gespielt empört.
"Du brauchst niemanden, schon vergessen? Die ganze Welt hat es verstanden. Nur ich Idiot habe gemeint, du liebst mich. Geh mir aus den Augen, du falsche Schlampe! Wir zwei sind fertig."
Enola will heftig reagieren, wird jedoch von Rebecca Durrer zurückgehalten, weil die Wanderleiterin etwas sagen möchte. Rebecca hält die wütende Enola am Rucksack fest.
"Wir werden jetzt wie besprochen auf die Fiescheralp fahren und von dort auf die Bettmeralp wandern. Unterwegs werden wir Europas längsten Alpengletscher sehen: den Aletschgletscher." Die Erklärungen der Geografielehrerin Madlene Zinniker lassen keine Euphorie aufkommen. "Frau Disler und ich werden immer zuvorderst gehen. Frau Durrer und Herr Roos werden den Schluss machen. Aber nun fahren wir zuerst nach oben."
"Du, Mädchen, wirst schön brav bei mir bleiben, verstanden?", flüstert Rebecca Enola zu. Die Jugendliche nickt mit Tränen in den Augen.
"Ich kann mir üblere Dinge vorstellen, als einen Tag lang hinter Zinni und unserem Gummibällchen herzugehen. Du weißt, wovon ich rede." Kristijan formt eine Wellenlinie mit beiden Händen und nickt gegen die beiden jungen Lehrerinnen, mit Blick zu Dario, der emotionslos daneben steht.
"Halt die Klappe, du Depp. Sie sind dreimal so fit wie du und werden dich am Berg chancenlos stehenlassen. Du kannst froh sein, wenn die Hebamme im Spital einigermaßen ansehlich ist, wenn sie dich wiederbeleben. Vor uns liegen sieben Stunden Bergwanderung, du solltest den Sauerstoff in die Lunge pusten, nicht in deinen Schwanz."
Kristijan ist sichtlich beleidigt. "Ey, Mann! Ich kann nichts dafür, dass deine Schlampe dich abserviert hat!"
Dario dreht sich um und will auf seinen Fußballkollegen losgehen, doch Stefan Roos stellt sich zwischen die Streithähne. "Abmarsch, meine Herren, die Seilbahn wartet nicht."
Als die Klassen von der Bergstation losmarschieren, könnte man aus Distanz einen bunten Tausendfüßler vermuten, der gemächlich von der Fiescheralp bergan kriecht. Sie nehmen die Route durch den Tälligrattunnel zum Vordersee an der Märjelen, danach folgen sie dem Aletsch-Hiking Pfad bis hinunter zum Bettmerhorn. Unterwegs, beim See, nehmen sie ihren Lunch ein. Die meisten Schüler sind begeistert, weil sie mit ihren Eltern nie etwas in der Art unternehmen. Sie staunen und schießen Fotos.
Für einige jedoch ist die Wanderung eine Qual. Rebecca und Stefan haben viel zu tun. Sie motivieren, tragen Schülerrucksäcke und verarzten Blasen an den Füßen. Vorneweg ist die Stimmung super. Madlene und Alissia singen mit den Schülern "Lumpenlieder" oder man erzählt sich Witze. Nik und Svenja sind in dieser vordersten Gruppe, sie lachen viel und lernen sich näher kennen.
"Du bist gar nicht so eine eingebildete Großstadt-Tusse, wie man am Anfang hat denken können."
"Danke. Und du bist kein dämlicher Bauer, der abends zum Fitnesstraining seine Kühe stemmt."
"Touché. Den habe ich wohl verdient. Was verschlägt deine Familie in unser Dorf - das wollte ich dich schon immer fragen."
"Na was denkst du denn? Wir Jugendlichen müssen dahin, wo unsere Eltern hingehen. In meinem Fall war es meine Mutter. Sie hat die Leitung der Armaturenfabrik in Niederwil übernommen. Mein Vater und ich folgten ihr; er macht seine Geschäfte online, für ihn spielt es keine Rolle, wo er arbeitet. Und hier bin ich. Mitten in der Schweizer Bergwelt und schaue einem Mathegenie zu, wie er in die Kuhscheiße tritt." Sie blickt amüsiert auf Niks Schuhe. Er steht mit einem Fuß mitten im Kuhdung, zieht ihn raus und flucht. Sie lacht ihn aus.
"Das kriegst du irgendwann zurück, Daeneris."
Sie verzieht den Mund amüsiert. "Oh, so nennt man mich? Daeneris? Die Drachenlady? Welche Ehre - eine starke und attraktive Frau."
"Mit tödlichen Drachen, ja."
"Was sie nur stärker macht. Also nimm dich in Acht, Mister 'Scheiße-an-den-Schuhen'. Warum nennt man dich eigentlich Pi?"
"Weil ich ein verdammtes Mathegenie bin, wie du vorher treffend bemerkt hast." Nik versucht, seine Schuhe am Gras zu reinigen.
Svenja schmunzelt. "Wenn ich das so anschaue, dann könnte Pee auch ..."
Nik unterbricht sie. "Wage es nicht, das auszusprechen, was du soeben gedacht hast." Warnend hält er den Zeigefinger hoch.
"Ich sehe, wir teilen einen ähnlichen Humor. Das ist ein Pluspunkt. Viel Spaß im Nass."
Svenja lässt ihn stehen, er reinigt seine Schuhe im Bergbach, dem sie in Richtung des Gletschers folgen. Heimlich blickt er dem geheimnisvollen City-Girl hinterher und schmunzelt.
Als sie beim Wanderweg um die Kuppe des Gipfels gelangen und den ersten Blick auf den gewaltigen Gletscher erhaschen können, flippen die meisten Schüler aus. Immer wieder müssen Fotostopps eingelegt werden. Selbst die Schüler, deren Füße schmerzen, sind hellauf begeistert und danken den Lehrpersonen für dieses Erlebnis. Es folgen drei Stunden Wanderung mit ständigem Blick auf die Eisfläche unter ihnen.
Dario und Lara gehen die ganze Zeit nebeneinander. Seit Beginn der Wanderung schon, wie Enola eifersüchtig feststellt. Das Video, das im Bus verbreitet wurde, hat mehr noch bewirkt, als sie befürchtet hatte. Ihre Beziehung mit Dario scheint vorüber zu sein. Enola ist wütend, aber sie weiß noch nicht genau, auf wen sie wütend sein soll. Momentan steht Lara ganz vorne in der Reihe der Opfer. Und die Stadt-Bitch Svenja; auf die ist Enola sowieso wütend.
Müde und körperlich an Grenzen gelangt, erreichen sie die Bergstation auf dem Bettmerhorn. Von dort fahren sie in zwei Etappen nach Betten Talstation, wo sie den Zug nach Fiesch nehmen. Im Zug dösen oder schlafen die meisten Schüler. Die Lehrpersonen gratulieren sich amüsiert.
"Die hätten wir geschafft. Das gibt eine ruhige Nacht."
"Freue dich nicht zu früh, Christian", korrigiert Stefan, "im Gegensatz zu uns sind sie nach einer Dusche wieder voll da und zu neuen Untaten bereit, während wir uns nur noch nach dem Bett sehnen. Das gibt eine harte Nacht, da kannst du dir sicher sein."
"Wir haben ja immer noch die Karaoke-Show und ein Tischtennis-Turnier. Lassen wir uns überraschen."
Der Zug folgt der Rohne durch das enge Tal bis zur eigenen Haltestation des Sportzentrums. Alle steigen aus. Danach suchen sie ihr Gepäck, was noch einmal richtig chaotisch wird, denn Jugendliche können nicht einfach Taschen weiterreichen, sie stehen sich gegenseitig im Weg rum und suchen nach ihrer eigenen Tasche.
Das Abendessen ist auf acht Uhr reserviert; es haben alle genügend Zeit, sich zu duschen und die Zimmer zu beziehen. Beim Abendessen sind alle wieder fit, wie Stefan es vermutet hat. Die Pommes und die Chicken-Nuggets heben die Stimmung zusätzlich, der Broccoli eher weniger.
***
Nach dem Abendessen dürfen die Schülerinnen und Schüler draußen sein, auf der Slackline balancieren, Tischtennis spielen oder sich auf kleinen Sitzbänken ausruhen. Die Lehrerinnen und Lehrer trinken ihren Kaffee und bereiten den Aufenthaltsraum für die Karaoke-Show vor. Christian ist in seinem Element. Er verkabelt die Mikrofone, die Lautsprecher und den Computer. "Ich suche Freiwillige für einen Test! Wer von euch will etwas singen?"
Seine Kolleginnen und Kollegen lachen, Morena zieht Rebecca zum Mikrofon. "Irgendwie, Irgendwo, Irgendwann von Nena und Kim Wild, bitte", ruft sie noch schnell zu Christian, der breit grinsend den Song sucht. Rebecca will kurz protestieren, doch das Intro knallt bereits aus den Lautsprechern. Morena übernimmt den deutschen Part, Rebecca setzt in Englisch ein. Zusammen singen sie den Song; in der Ecke prosten sich Stefan und Silas mit einem Bier zu. Stefan staunt, Silas lacht. "Du wusstest nicht, dass deine Flamme singen kann, habe ich recht? Solltest dein Gesicht sehen", Silas lacht seinen Freund aus. Einige Schüler bleiben in der Tür stehen und staunen über ihre beiden Lehrerinnen, die den Song und den anschließenden Applaus sichtlich genießen.
"Wow, das nenne ich mal einen Soundcheck! Die Schüler müssen sich anstrengen, wenn sie das toppen wollen!" Christian dankt seinen Kolleginnen für die Gesangseinlage.
"Irgendwann kriegst du das irgendwie zurück, Mori. Irgendwo krieg ich dich, versprochen", flüstert Rebecca Morena zu.
"Touché - versprochen. Ich freu mich drauf." Die quirlige Italienerin grinst ihre rothaarige Freundin an.
Nach und nach strömen die Schüler in die Aufenthaltsräume. Es gibt ein Tischfußballturnier, eine "Brändi-Dog-Runde" und Karaoke. Nik und Svenja setzen sich in den Gesangsraum. Einer nach dem anderen singt, die Schüler haben Spaß. Neben ihnen haben Sandrine und Nubia Platz genommen.
"Singst du auch mal was, Cowboy?" Svenja stupst Nik von der Seite an.
"Sieh zu und staune ..." Nik steht auf, geht zu seinem Musiklehrer und wählt den Song. Wenig später erklingt Countrymusik. 'Your Man' von Josh Turner. Nik singt mit tiefer und warmer Stimme; Svenja lacht, aber sie hat noch vor dem Refrain bereits Tränen in den Augen.
"Wow; schnapp ihn dir! Du weißt, was man von Männern mit einer tiefen Stimme sagt ..." Sandrine schüttelt Svenja.
"Jap - der Typ hat echt mehr drauf als Mathe." Sie applaudieren beide. Als Nik wieder bei ihnen ist, erhält er einen Kuss zum Dank.
"Daran könnte ich mich gewöhnen", sagt er grinsend.
"Nicht so schnell, Cowboy. Denk an meine Drachen!" Svenja flirtet und Nubia und Sandrine lachen die beiden aus.
***
Spät am Abend, die Karaoke-Show ist längst vorüber und sie müssten eigentlich im Haus und in ihren Zimmern sein, treffen sich Lara und Dario beim Liegenetz neben den Beachvolleyfeldern. Sie legen sich hinein und betrachten den Sternenhimmel.
"Du hast dich heute um mich gesorgt, als es mir im Bus mies ging. Ich wollte danke sagen."
"Kein Ding. Dir ging es schlecht und ich war gerade da. Tut mir echt leid, das mit Enola; obwohl du mir das wahrscheinlich nicht glaubst. Ich war dann nur zufällig in der Nähe."
"Das stimmt nicht, Lara, du bist zu mir nach vorne gekommen. Warum?" Dario schaut sie an.
"Du hast es wahrscheinlich nie bemerkt, aber ich habe dir früher schon geholfen." Lara dreht den Kopf zur Seite.
"Bei der Wanderung in der Ersten, als ich nichts mehr zu Trinken hatte. Beim Englischtest, als ich die Vokabeln nicht gelernt hatte. Am Schulabschluss, als ich meinen Text nicht konnte. An der Wyna, als ich mich nicht über den Holzstamm traute. Doch, ich erinnere mich."
Sie dreht den Kopf zurück. "Du hast mich gesehen? Die ganzen Jahre?"
"Aber ja doch. Du bist meine gute Fee im Hintergrund, Lara. Ich mache viele Dinge und ich baue noch mehr Scheiße. Aber du hast mich immer wieder rausgehauen. So frage ich dich nochmal: Warum?"
Lara zögert. Soll sie es ihm sagen? Ist jetzt der Moment, auf welchen sie drei Jahre gewartet hat? Sie fasst ihren ganzen Mut zusammen. "Weil ich dich gern habe, Dario."
"Du magst mich? - Den Tölpel und Aufschneider?"
"Nein. Ich mag dich, den sozialen Familienmenschen und liebenswürdigen Kerl."
Er dreht sich zu ihr um, seine Hand hat die ihre längst umfasst. Über ihnen flackern tausende von Sternen und in ihrem Bauch ebenso viele Schmetterlinge. Langsam nähert sich sein Gesicht dem ihren, sie blicken sich tief in die Augen, bis sich ihre Lippen berühren.
Aus Distanz verfolgen Enola, Liv und Effie die Szene. "Die Nutte ist so was von geliefert! Der werde ich es morgen zeigen!"
"Erst das Video und jetzt das da! Das Video kam bestimmt auch von der Bitch", lästert Effie.
Enola wiederholt ihre Drohung. "Ich werde sie killen."
"Was tut ihr noch hier draußen? Ab ins Zimmer, Mädchen!" Die strenge Stimme von Rebecca lässt den Mädchen keinen Argumentationsspielraum. Murrend speien sie ihre Kaugummis unter die Bäume und trotten zum Lagerhaus zurück. Rebecca folgt ihnen. Zu Stefan, der lächelnd am Eingang steht, flüstert sie nur kurz: "Holst du bitte noch das Liebespaar beim Liegenetz? Es ist dein Schüler. Danke, Schatz."
Stefan begreift sofort und schlendert bewusst langsam vom Haus in Richtung Beachvolleyfelder. Als er nah genug ist, beobachtet er zuerst, dann räuspert er sich kurz; das Knäuel im Netz löst sich schlagartig in zwei Körper auf.
"Tut mir echt leid, ihr zwei, aber so ist das nicht gedacht. Bitte geht in eure Schlafräume. Ich werde das überwachen."
Lara und Dario folgen Stefan zum Lagerhaus. An der Zimmertüre dreht sich Dario nochmals um. "Danke, Herr Roos, dass Sie nicht ausgerastet sind."
"Warum sollte ich? Ihr zwei habt es endlich begriffen, was ich schon lange sah. Gut gemacht, aber nicht mehr hier, bitte."
"Gute Nacht, Herr Roos."
"Gute Nacht, Dario."
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