-32-
Jace führte mich ein Motelzimmer, dass er eben gebucht hatte für die Nacht. Ich war noch nicht bereit nach Hause zu gehen. Konnte Daxton noch nicht die Lüge auftischen. Erst wenn es vorbei war.
Die Luft in dem Zimmer war stickig. Jace stellte eine Tüte mit Essen und Trinken ab, welches er unterwegs besorgt haben muss. Ich war zu sehr mit meinen Gedanken beschäftigt als das ich es mitbekommen hätte. Der Raum war klein, eine Kommode stand in dem Raum daneben eine Tür, die vermutlich in das Badezimmer führte. Mein Blick schweifte weiter über die altmodische Einrichtung und fiel auf das große Ehebett.
"Hier kannst du schlafen. Ich komme morgen früh wieder", sagte er und griff nach der Türklinke, als wolle er sich sofort verabschieden
"Warte", brachte ich hervor. Ich wollte nicht allein sein. Er sollte mich nicht allein lassen. Erschöpft ließ ich mich auf die Bettkante fallen. "Bitte bleib." Mein Blick senkte sich zu Boden aus Angst vor seiner Antwort.
Jace hielt inne, zumindest vermutete ich das, denn ich hörte keine Tür die sich öffnete und schloss. Er seufzte. "Riley, ich glaube nicht, dass -"
"Ich will nicht allein sein." Meine Stimme schnitt durch die Stille wie ein Messer. Mein Blick richtete sich auf seinen. Ein leises Flehen in meinen Augen.
"Okay. Ich bleibe."
Erleichterung erfasste mich und ich ließ meine Schulter sinken, als die Last herunterfiel.
Er nahm einen Stuhl, der sich ebenfalls in dem Zimmer befand und ihn zu sich. Gegenüber von mir ließ er sich darauf nieder. "Du solltest dich hinlegen."
"Ich kann nicht", gestand ich ihm. Meine Stimme klang rau. Ich biss auf meine Unterlippe und das Zittern zu verbergen. "Mir ist übel, und mein Bauch... es fühlt sich an, als würde etwas in mir reißen."
Jace lehnte sich zurück, doch ich erkannte die Sorge in seinen Augen. Es ließ ihn nicht kalt. "Ich weiß dass das alles scheiße ist. Aber immer noch besser als das Kind dieses Mannes zu bekommen, der dich nur wie ein Hund an der Leine halten will. Ich bin da falls du etwas brauchst."
Ich nickte und ließ mich schließlich doch in die Matratze sinken. Vielleicht würde etwas Schlaf mir helfen.
Die Nacht zog sich quälend in die Länge. Jace saß noch immer auf dem Stuhl machte keine Anstalten seine Position zu verändern. Die Schmerzen kamen in Wellen und durchfluteten meinen Unterleib, begleitet von Schweißausbrüchen und Schüttelfrost.
Jace Augen lagen ununterbrochen auf mir und musterte jede Zelle meines Körpers.
"Möchtest du etwas Wasser?", fragte er mich doch ich schüttelte den Kopf als mich erneut eine Welle erfasste. Ein stöhnen kam über meine Lippen als mich der Schmerz mit voller Wucht erfasste. "Bleib einfach hier", flüsterte ich schwach.
Leicht benebelt merkte ich wie sich die Matratze neben mir sank. Mein Blick fiel auf Jace der sich neben sich gesetzt hatte. In seinen Händen hielt er einen feuchten Lappen und tupfte mir über die schweißbedeckte Stirn. Erleichtert über die wohltuende Kälte schloss ich meine Augen und umgriff sein Handgelenk, damit er seine Hand durch behielt.
"Jace...", flüsterte ich nach einer Weile.
"Hm?"
"Warum hilfst du mir?" Ich öffnete meine Augen wieder, um jeden seiner Gesichtszüge beobachten zu können.
Er versteifte sich und fixierte mit seinem Blick einen Punkt an der Wand. "Weil ich weiß, wie es ist, allein zu sein."
Er sprach die Worte so leise aus, dass ich sie fast nicht hörte. Seine Stimme war rau, und für einen Moment wirkte es, als ob er etwas in sich unterdrückte. Ich wollte nachfragen, doch irgendetwas hielt mich zurück. Vielleicht war es die Art, wie er mich ansah, als er endlich den Blick von der Wand löste und mir direkt in die Augen sah.
Da war etwas in seinen Augen, das ich nicht entschlüsseln konnte. Schmerz? Schuld? Ich wusste es nicht, aber es machte mich neugierig.
"Allein sein..." Ich wiederholte seine Worte leise, mehr zu mir selbst als zu ihm. "Das fühlt sich an, als würde die Welt dich vergessen, nicht wahr?"
Jace nickte nur, sagte aber nichts. Stattdessen zog er seine Hand zurück, nachdem er den Lappen auf meinen Nachttisch gelegt hatte. Ich wollte die Stille nicht brechen, doch der Druck in meiner Brust wuchs mit jeder Sekunde.
"Es tut mir leid", flüsterte ich schließlich.
Er runzelte die Stirn. "Warum entschuldigst du dich?"
"Ich... ich ziehe dich in etwas hinein, was nicht dein Problem sein sollte."
Er lachte leise, aber es klang bitter. "Riley, glaub mir, das hier ist nichts im Vergleich zu dem, was ich sonst schon durchgemacht habe."
Seine Worte trafen mich härter, als sie sollten. Da war eine Schwere in ihnen, die ich nicht ignorieren konnte. "Was meinst du damit?"
Er schüttelte den Kopf. "Das spielt keine Rolle. Ich bin hier, weil ich es sein will. Du bist nicht allein, Riley. Nicht mehr."
Die Aufrichtigkeit in seiner Stimme ließ meine Kehle eng werden. Ich wollte ihm glauben, wollte ihm vertrauen, doch ein Teil von mir hielt mich zurück. Zu oft war ich enttäuscht worden, zu oft hatte ich auf Menschen gebaut, die mich letztendlich fallen ließen.
Trotzdem nickte ich. Es war alles, was ich in diesem Moment tun konnte.
Die Schmerzen in meinem Unterleib ließen nicht nach, und ich biss die Zähne zusammen, um ein weiteres Stöhnen zu unterdrücken. Jace bemerkte es sofort.
"Riley, das ist nicht normal. Du solltest wirklich einen Arzt sehen."
"Nein!" Meine Stimme war lauter, als ich beabsichtigt hatte, und Jace zog überrascht die Augenbrauen hoch. "Nein", wiederholte ich leiser. "Ich kann nicht. Nicht jetzt."
Er musterte mich eine Weile, als wollte er etwas in meinem Gesicht lesen. Dann nickte er widerwillig. "Okay. Aber wenn es schlimmer wird, versprich mir, dass du mich nicht aufhalten wirst, Hilfe zu holen."
Ich nickte schwach. Es war ein Versprechen, das ich nicht sicher war, halten zu können.
Jace blieb neben mir sitzen, seine Präsenz beruhigte mich mehr, als ich erwartet hatte. Trotz der Schmerzen und der Dunkelheit, die mich zu verschlingen drohte, fühlte ich mich zum ersten Mal seit langer Zeit nicht mehr ganz so verloren.
Meine Augen fielen langsam zu als mich die Müdigkeit erfasste. Erschöpft sank ich in die Kissen.
Ich musste irgendwann eingeschlafen sein, denn als ich meine Augen öffnete schienen bereits die ersten Sonnenstrahlen in das Zimmer. Ich fühlte mich wie benommen. Die quälenden Schmerzen in meinen Unterleib hatten nachgelassen. Es war, als hätte mein Körper mir endlich eine Pause gegönnt.
Ich drehte den Kopf und entdeckte Jace, der in dem alten Sessel neben dem Bett saß. Sein Kopf war leicht zur Seite geneigt, die Arme verschränkt, und seine Brust hob und senkte sich in einem gleichmäßigen Rhythmus. Er sah so friedlich aus, fast verletzlich - ein Bild, das nicht zu dem Mann passte, der mir sonst so selbstbewusst und unerschütterlich erschien.
Für einen Moment vergaß ich alles um mich herum. Ich musterte ihn, jeden Zug seines Gesichts, die leichte Schatten unter seinen Augen, die von zu wenig Schlaf zeugten, und die angespannte Haltung, die selbst im Schlaf nicht ganz verschwunden war.
Er hatte sich die ganze Nacht um mich gekümmert, obwohl er es nicht hätte tun müssen. Warum? Diese Frage brannte mir auf der Seele.
Nach einigen Minuten bemerkte ich, wie seine Augenlider zuckten. Er öffnete die Augen langsam, blinzelte ein paar Mal, bevor er sich aufrichtete und mich ansah.
"Du bist wach", sagte er mit einer rauen Stimme, die nach Schlaf klang. "Wie fühlst du dich?"
"Es geht besser", antwortete ich leise. "Die Schmerzen sind fast weg."
Er nickte und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. "Gut. Du hast ziemlich lange geschlafen. Ich dachte schon, ich müsste dich wecken."
"Wie lange?"
"Fast dreizehn Stunden."
Meine Augen weiteten sich. "Dreizehn Stunden?"
"Du hast es gebraucht", sagte er schlicht und stand auf, um sich zu strecken. "Ich habe dir etwas Wasser und Brot besorgt, falls du aufwachst und Hunger hast."
Sein Blick ruhte auf mir, und ich spürte, wie sich meine Wangen leicht röteten. "Danke", murmelte ich.
"Kein Problem." Er lehnte sich gegen die Kommode und verschränkte die Arme vor der Brust. "Was jetzt, Riley? Hast du dir überlegt, was du tun willst?"
Die Frage traf mich wie ein Schlag. Was wollte ich tun? Ich hatte es geschafft, mich von Daxton zu entfernen, zumindest für eine Nacht. Aber was kam danach?
Jace neugieriger Blick lag auf mir. Ich wusste, dass ich nur diese eine Chance hätte. "Ich muss zu Daxton zurück. Er wird mich überall suchen."
Jace Züge wandelten sich in sekundenschnelle und Wut ergriff ihn. Er ballte seine Hände zu Fäusten und zog eine Augenbraue in die Höhe. "Kommt nicht in Frage."
"Jace..." Ich stand auf um mich ihn entgegenstellen. Er überragte mich um einen Kopf. Trotzdem streckte ich ihm mein Kinn empor. Mein Entschluss stand fest. Ich musste zurück zu Daxton gehen, sonst er würde er das ganze Police Department der Stadt nach mir suchen lassen.
"Ich muss...", begann ich und sah ihn eindringlich an. "Er wird denken, dass es eine Fehlgeburt war, zumindest werde ich ihm das erzählen."
"Er wird dir nicht glauben." Seine Augen funkelten vor Sorge. "Er wird dich töten."
"Er wird mir glauben. Ich muss es versuchen." Ich ergriff seine Hand und drückte sie fest. "Ich möchte nicht, dass er dich ins Visier nimmt und die etwas antut."
Jace schüttelte ungläubig den Kopf. Er schien mich für verrückt zu halten, doch gleichzeitig wusste er dass es die einzige Chance ist für mich und für ihn.
"Er wird am Boden zerstört sein. Er wollte schon immer eine Familie haben", setzte ich an und traute meiner Stimme kaum, die jetzt vor Zuversicht strotzte. "Ich werde Zeit haben um in sein Büro zu gehen. Um an Informationen an den Mord zu kommen."
"Riley..." Jace starrte mich an. Ich erkannte die Sorge und Angst in seinen Augen.
"Er wird mir nichts tun." Auch wenn ich mir dessen nicht sicher war, versuchte ich ihn zu beruhigen. Daxton war unberechenbar. Ich wusste nicht was er tun würde, selbst nach so vielen Jahren in denen wir verheiratet waren.
Er löste seine Hand aus meiner und fuhr sich hektisch durch seine schwarzen Haare. Nach einigen Minuten wandte er seinen Blick wieder auf mich. "Nagut", setzte er an. "Aber sobald er dir ein Haar krümmt hole ich dich da raus. Du rufst mich sofort an, wenn etwas passiert."
Ich nickte auf seine Bitte hin, ohne zu wissen ob ich jemals dafür im Stande sein würde.
Gemeinsam packten wir unsere wenigen Sachen und verließen das Motel. Jace klärte alles an der Rezeption, während ich an seinem Mottorad auf ihn wartete. Mein Herz schlug mir hart gegen die Brust, als die Ungewissheit der nächsten Stunden von mir Besitz ergriff. Keiner wusste wie Daxton reagieren würde. Doch ich musste zurück.
Nach einer Weile kam Jace zurück und gemeinsam fuhren wir zu der Villa in der ich mit Daxton wohnte. Jace hielt das Motorrad vor der prächtigen Villa an. Ich klammerte mich einen Moment unauffällig an Jace Rücken, als wäre er mein einziger Halt, der mich vor der Dunkelheit bewahren würde.
"Riley", flüsterte Jace und drehte seinen Kopf leicht, um mich anzusehen. Er zog seinen Helm vom Kopf, als ich es ihm gleichtat. "Du musst das nicht tun. Ich kann immernoch fahren."
Zögerlich stieg ich von dem Mottorad und reichte ihm den Helm. Langsam schweiften meine Augen zu dem Haus und wieder zurück zu Jace. "Ich habe keine Wahl", flüsterte ich. Meine Stimme zitterte leicht, doch ich schluckte es herunter. "Er wird mich jagen. Dich jagen. Ich muss ihn täuschen, bis ich die Beweise habe."
Seine Augen lagen fest auf mir und ich bemerkte das mahlen seines Kiefers vor Anspannung. Er wollte mir widersprechen, doch er wusste, dass meine Entscheidung feststand und die einzige Möglichkeit war. Er griff in seine Lederjacke und holte ein Handy hervor, welches er mir reichte. Plötzlich fiel mir ein, dass ich keine Handy mehr besaß seitdem Daxton es zerstört hatte. "Hier. Ruf mich an falls irgendetwas passiert."
Dankbar nahm ich das Telefon an mich. Ich ließ es in meine Jackentasche gleiten, als ich den Blister bemerkte. Ich zog ihn hervor. Meine Hände zitterten als ich die Tablette herausdrückte. Falls Daxton mich aus den Fenstern beobachtete würde er nur meinen Rücken sehen. Er würde nicht ahnen, dass ich eine Tablette nahm um unser Kind abzutreiben. Denn nach dieser Pille wäre es vorbei. Es würde kein gemeinsames Kind geben. Jace beobachtete mich mit verschlossener Miene, doch die Sorge in seinen Augen war unübersehbar.
"Willst du, dass ich dir Wasser hole?", fragte er.
"Nein, es geht schon." Ich warf die Pille in meinen Mund und schluckte sie zügig herunter. Der bittere Geschmack breitete sich in meinem Rachen aus, doch ich ignorierte es. Ich musste das durchziehen. Für mich und meine Freiheit.
Ein letztes Mal sah ich Jace an. "Danke", flüsterte ich. "Für alles."
"Pass auf dich auf Riley. Ich meine es ernst. Ein Anruf und ich bin da."
Ein schwaches Lächeln huschte über mein Gesicht, bevor ich mich umdrehte und langsam auf die Haustür zu lief. Meine Augen richteten sich auf die große hölzerne Tür.
Meine Adern gefroren als mein Blick auf die blauen Augen von Daxton trafen, der bereits an der geöffneten Tür auf mich wartete.
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