-22-
Irgendwann musste ich doch in den Schlaf gefunden haben, denn ein leises Klopfen weckte mich. Erschöpft schlug ich meine schweren Augenlider auf. Die Sonne schien ins Zimmer hinein. Das Licht funkelte an den hellen Wänden um mich herum. Mit zusammengekniffenen Augen musterte ich die andere Seite des Bettes. Diese war leer. Daxtons Anwesendheit fehlte an diesem Morgen, wodurch ich beruhigt durch atmete. Mein Kopf pochte immer noch von seinem Schlag. Ich spürte meine Wange glühen. Erinnerte mich nicht mehr an den Schmerz, den er mir zugefügt hatte, doch noch ganz genau an die Demütigung, die in Stille nachhallte. Es klopfte erneut an der Tür. Dieses Mal wirkte das Geräusch lauter. Obwohl ich nur alleine sein wollte, rappelte ich mich auf. Die Decke zog ich bis zu meinem Unterleib, um neugierig zur Tür zu blicken.
"Ja, bitte?", rief ich mit schwacher Stimme. Daraufhin öffnete sich die Tür und Amy steckte zögerlich ihren Kopf hindurch. Ich betrachtete sie erwartungsvoll. Wartete ungeduldig, dass sie mir endlich mitteilen würde, was sie wollte.
"Guten Morgen, Mrs. Chambers. Das Frühstück ist serviert. Wenn Sie essen wollen, setze ich Ihnen noch einen Kaffee auf."
"Nein, danke. Bitte keinen Kaffee. Ich komme gleich", erwiderte ich ihr und rubbelte mir dabei meine Augen. Ich wollte das Baby nicht unnötig gefährden durch den Koffein, auch wenn ich täglich darüber nachdachte, es nicht bekommen zu wollen. Amy schaute mich einen Moment lang skeptisch an, ehe sie nickte und die Tür schloss. Vermutlich machte sie sich Gedanken, denn ich trank jeden Morgen einen Kaffee. Es interessierte mich aber nicht. Ihre gesamte Existenz interessierte mich nicht mehr.
Langsam mühte ich mich aus dem Bett. Auf direktem Weg tapste ich in das Badezimmer, um mich zu waschen. Vor dem Waschbecken kam ich zum Stehen und warf einen nachdenklichen Blick auf mein zermürbtes Gesicht. Meine Wange schimmerte rötlich. Meine Augen sahen geschwollen aus vom ganzen Weinen. Ebenfalls zeichneten sich tiefe Augenringe auf meiner Haut ab.
Ich sah schrecklich aus. Genauso fühlte ich mich auch tief in meinem Inneren. Daxton hatte versprochen, es nie wieder zu tun. Er gab mir sein Wort, was kein Gewicht mehr für mich hatte. Blindes Vertrauen brachte mich in diese Lage. Naive Loyalität ließ mich bei ihm bleiben. Ich redete mir viel zu oft schon ein, dass er sich ändern würde. Zehrte von dieser Hoffnung, die jedoch immer wieder aufs Neue enttäuscht wurde. Diese Gedanken zerstörten mich, denn ich gab erneut nur mir alleine die Schuld für meinen Zustand.
Tränen sammelten sich in meinen Augen, doch ich wollte nicht mehr weinen. Keine einzige Träne wollte ich mehr für ihn vergießen. Er hatte davon schon viel zu viele für sich beansprucht. Als würde wirklich alles von mir einzig ihm alleine gehören. Nicht nur meine Seele, die er fest in seinen Händen hielt. Nicht nur mein Körper, den er mit sadistischen Karten zu seinem machte. Auch mein Schmerz gehörte ihm. Doch das würde sich jetzt ändern. Ich musste wenigstens versuchen, mich gegen ihn zu wehren. Schlimmer könnte es sowieso nicht mehr werden. Entschlossen stellte ich den Wasserhahn an und wusch mein Gesicht. Anschließend legte ich dezentes Make-up auf und verdeckte damit die Rötungen.
Zurück im Schlafzimmer schnappte ich mir ein elegantes, aber bequemes Sommerkleid. Es schimmerte in einem dunkelblauen Ton und es zeichneten sich wunderschöne Blumen darauf ab. Daxton hatte es mir gekauft. Diesen Gedanken verwarf ich allerdings schnell wieder, denn mein Magen knurrte bereits zum wiederholten Male. Ich musste stark sein. Nicht nur für mich, sondern auch für das kleine Wesen in meinem Bauch, dass nichts dafür konnte, in welchem Horror ich lebte. Meine Hand legte sich automatisch auf meinen Bauch und streichelte darüber. Ich atmete tief durch, ehe ich mich auf den Weg in das Esszimmer machte.
Überall im Haus duftete es köstlich nach Speck und Rührei. Ich nahm am Tisch Platz und lud mir eine üppige Portion auf meinen Teller. Amy betrat den Raum mit einer Kanne Tee, während ihre Augen auf meinen Teller fielen. Sie schaute kurz überrascht, bis sie wieder ihr gespieltes Lächeln auflegte. Wie sehr ich es hasste.
"Wo ist Daxton?", fragte ich sie und bemerkte, dass meine Stimme zitterte, als ich seinen Namen aussprach.
"Er ist seit gestern Abend nicht wiedergekehrt", erwiderte sie mir, während sie meine Tasse mit dem Tee füllte. Beruhigt darüber, dass ich Daxton erstmal aus dem Weg gehen konnte, aß ich meinen Teller leer. Zum Nachtisch gönnte ich mir Erdbeeren und Ananas. Es fühlte sich ganz anders an, ohne ihn an meiner Seite. So frei und leicht.
Mit einem kleinen Lächeln darüber, lehnte ich mich zurück und atmete tief durch. Vielleicht war das ganze Essen doch zuviel gewesen. Mein Bauch fühlte sich untragbar voll an. Ich hätte auf den Nachtisch verzichten sollen, doch mein Appetit trieb mich an.
Noch eine ganze Weile genoss ich die Stille, bis die zugeschlagene Tür mich allerdings aus meiner Entspannung riss. Ich sprang von dem Stuhl auf und wich einige Schritte nach hinten, als ich Daxton im Türrahmen erkannte. Er trug dieselbe Kleidung wie am Vorabend. Sein Gesicht wurde ebenfalls von tiefen Augenringen gezeichnet. Seine Nacht schien wohl ebenso wie meine gewesen zu sein.
"Ich möchte dir etwas zei-", setzte er an, doch ich ließ ihm keine Chance sich zu erklären.
"Ich brauche frische Luft." Mein Fluchtversuch scheiterte, als ich an ihm vorbeigehen wollte. Er stellte sich direkt vor mich und sah mich mit einem mitleidigen Blick an. Ich konnte kaum realisieren, wie schnell alles sich wieder änderte. Statt frei fühlte mich von einer Sekunde auf die andere wieder gefangen.
"Amy, bitte geh zu meinem Auto und hol die Box vom Rücksitz heraus." Er schaute sie nicht an. Sein Blick lag nur auf mich gerichtet. Amy gehorchte ihm natürlich sofort und lief eilig aus dem Haus. Was würde sie nicht noch alles für ihn tun...
"Riley, du musst mir zuhören", flehte er mich an. Das tiefe blau seiner Augen inspizierte jede Regung meines Gesichts. Doch ich gab ihm keine. Ausdruckslos musterte ich ihn.
"Ich muss dir zuhören, Daxton? Ernsthaft?! Du hörst mir auch nie zu. Du hast versprochen, das eine mal wäre nur ein Ausrutscher gewesen. Du hast gesagt, es wird nie wieder vorkommen. Du hast dein Versprechen gebrochen!" Tränen sammelten sich erneut und dieses Mal konnte ich sie nicht aufhalten, egal wie sehr ich mich dagegen wehrte. Ich schämte mich vor mir selbst. Zu sehr ließ ich meine Gefühle von ihm steuern. Er hatte mich verletzt. Mir wehgetan und forderte mit seinen Blicken mein Mitleid ihm gegenüber. Er dachte, eine Entschuldigung würde reichen. Vor Verzweiflung wurde mir schwindelig.
Daxton bemerkte meinen Zusammenbruch und fasste mich am Arm, damit ich nicht umkippte. Mein Körper erstarrte bei seiner Berührung. Er lähmte mich. Brachte mein Herz dazu, sich fest in meiner Brust zusammenzuziehen. Doch ein kleiner Teil von mir genoss diese Art von ihm. Genau das war der Teufelskreis, der mir kein Entkommen ermöglichte. Es war ein Auf und Ab. Hin und her. Erst zerstörte er mich, dann baute er mich wieder auf. Er nahm mir alles und verließ sich darauf, dass ich sowieso wieder nachgeben würde. Während ich gedanklich immer weiter in meinen Selbsthass abdriftete, führte Daxton mich zur Couch. Ich nahm darauf Platz. Er setzte sich mit etwas Abstand neben mich.
"Ich weiß, wie weh ich dir getan habe, Riley. Du hast ja keine Vorstellung davon, wie schlecht ich mich die Nacht über gefühlt habe. Ich bereue diese Tat mehr als alles andere." Sein Blick war tieftraurig. Er senkte schuldbewusst sein Gesicht. Er bereute es wirklich aufrichtig, doch es sollte mir egal sein. "Ich liebe dich so sehr. Ich will es wieder gut machen", fuhr er fort, als Amy mit der besagten Box neben uns auftauchte.
Daxton lockerte seine Gesichtszüge und begann bereits voller Vorfreude auf das Kommende zu grinsen. Er öffnete den die Box und starrte mich erwartungsvoll an.
"Ich kann es nicht wieder gut machen, aber ich werde es versuchen, Riley. Das ist Ayaat. Ich habe sie im Tierheim gesehen und dachte, sie würde dir gefallen. Nun hast du immer jemanden bei dir, wenn ich nicht da sein kann."
Mein Herz schlug in Eiltempo. Ich hatte aufgehört zu atmen unter Schock. Mein Sichtfeld verdunkelte sich. Ich beobachtete ihn dabei, wie er liebevoll eine pummelige Katze aus der Box hob. Ihr Fell war vollends schwarz. Ein kleines Glöckchen lag um ihren Hals. Die Katze schnurrte, als sie auf seinem Schoß Platz nahm und sich an ihn kuschelte. Daxton betrachtete sie voller Liebe in seinem sonst so kalten Ausdruck.
"Nur zu, Riley. Sie liebt es, wenn du sie hinter dem Ohr kraulst."
Immer noch in meinem Schockzustand gefangen, rührte ich mich keinen Millimeter. Daxton bemerkte dies und nahm meine Hand sanft in seine. Er führte sie zu der Katze. Ihr Schnurren wandelte sich sofort in ein gefährliches Zischen um. Zögerlich streichelte ich sie.
"Siehst du, sie mag dich", behauptete Daxton freudestrahlend. Ich wusste es allerdings besser. Sie hasste mich abgrundtief. Das zeigte schon ihre angespannte Körperhaltung. Ich wollte gerade meine Hand von ihrem weichen Fell wegziehen, als sie mit ihrer Pfote ausholte und mich kratzte. Sofort begann meine Hand zu brennen und mir entkam ein schmerzvolles Zischen.
"Riley!", entkam es Daxton, der die Katze zur Seite auf die Couch hob und sich zu mir lehnte. Er nahm meine Hand und begutachtete den leicht blutenden Kratzer. Es störte mich extrem, dass er mit den Fingerspitzen über meine Haut fuhr. Was mich jedoch dazu brachte, es stillschweigend über mich ergehen zu lassen, war der Ausblick, den er mir offenbarte.
Da sein Hemd oben aufgeknöpft war, erkannte ich den Anhänger seiner Kette. Ich hatte diese nie beachtet, da er sie immer unter seiner Kleidung trug wenn wir ausgingen und Zuhause auszog. Jetzt fiel mir auf, das es sich um seinen Schlüssel handelte. Mein Herz pochte schneller. Ich wusste endlich, wie ich ins Büro kommen würde. Wo sich dieser verdammte Schlüssel befand. Jetzt müsste ich ihn mir nur noch holen.
"Daxton", hauchte ich also und suchte seine Augen. Sofort erwiderte er meinen Blick und ich spielte ihm mein schönstes Lächeln vor. "Danke, für dieses wunderschöne Geschenk", log ich und blickte flüchtig zur Katze neben mir. Sie leckte sich die Pfote und fauchte leise, als sie meinen Blick bemerkte. Schnell wandte ich mich wieder an Daxton und stand dabei auf. "Lass uns hoch ins Bett. Ich brauche jetzt ein bisschen Ruhe. Nur wir beide."
"Du bist die schönste Frau auf dieser Welt", lächelte er und drückte meiner Hand einen Kuss auf, um sich anschließend ebenfalls zu erheben. Ich zog ihn mit mir den Flur entlang und hoffte, ich könnte den Schlüssel heimlich entwenden, wenn ich ihm vorher das Hirn rausgevögelt hätte. Immerhin lag eine schlaflose Nacht hinter ihm. Er war sicher müde. Seine Kraft am Ende. Es fehlte nicht viel für einen Schneewittchenschlaf. Sobald er die Augen schließen würde, hätte ich Zeit, das Büro aufzusuchen. Die Akte zu fotografieren wäre ein Kinderspiel. Sobald Jace alles von mir bekommen würde, würde er mir helfen, meinen Schatten loszuwerden und damit wäre auch Daxton ein für alle mal Geschichte.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro