12. My Immortal
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Ein paar Tage später, nachdem der Arbeitsalltag sie wieder eingeholt hatte, beschlossen sie, sich am Wochenende zu treffen. Lzzy arbeitet nach Feierabend weiter an den Vorkommnissen. Sie musste wissen, was es mit den Todsünden auf sich hatte, was sie planen. Sie mussten etwas dagegen unternehmen, das darf nicht passieren.
Doch sie musste sich eingestehen, Jay sollte langsam erfahren, was vorfiel. Sie muss ihm alles erzählen. Von ihrer Vergangenheit, was passierte. Er hat so viel gesehen, weiß, dass es Geister gibt, sogar Dämonen. Eigentlich wollte sie ihn langsam in diese Welt einführen, doch so wie es lief, gleicht es eher einer Schocktherapie. Sie musste es aufarbeiten, er hat es verdient, die Wahrheit zu erfahren. Aber sie hat mit niemandem darüber geredet, seitdem alles passierte.
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Es ist Samstagmittag. Jay will gerade sein Handy greifen, um Lzzy zu schreiben, wann sie sich treffen wollen. Plötzlich klingelt es an der Tür. Als er sie öffnet, steht Lzzy vor ihm. "Wir müssen reden!", sagt sie nur, als sie an ihm vorbeigeht. Er schaut ihr hinterher, da setzt sie sich bereits auf die Couch. "Ja, Hallo erstmal!", er schließt die Tür. Dann setzt er sich zu Lzzy auf die Couch und schaut sie an. Lzzy winkelt ihr Bein an und dreht sich zu Jay. "Ich habe dir etwas versprochen." Jay lauscht gespannt. "Ich denke, so langsam hast du dir verdient, dass ich ehrlich zu dir bin, was meine Vergangenheit betrifft." "Okay", sagt Jay nur. "Das ist nicht einfach für mich, ich habe seitdem mit niemandem darüber geredet." Er bemerkt, wie schwer ihr das fällt, doch er sagt nichts.
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"Ich war noch sehr jung, als meine Mutter mich in diese Welt einführte. Sie meinte, unsere Familie beschützen zu müssen. Es fing mit Kleinigkeiten an. Türen, die von alleine zufielen, Gegenstände, die herunterfallen. Früher sagte man, das sein vom Wind, Durchzug oder so was. Sie wusste, dass das nicht ganz der Wahrheit entsprach. Verteilte überall Hexenbeutel, wir mussten Talismane bei uns tragen, alles zum Schutz.
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Sie greift in ihre Tasche und holt eine Kette heraus. Reicht es zu Jay. Er nimmt sie in die Hand und begutachtet den Anhänger. Es ist ein schwarzes Pentagramm. Dann erzählt sie weiter:
"Ein Pentagramm schützt dich unter anderem vor Dämonen, so kann keiner von dir Besitz ergreifen. Meine Mutter sorgte dafür, dass wir immer geschützt waren. Mein Vater dachte ähnlich, sammelte alles, Bücher, Formeln, alles. Doch zeitweise war einer von ihnen tagelang weg. Sie waren auf der Jagd, das verändert einen Menschen, auch die Familie. Irgendwann kam ich mit auf die Jagd, es ging um einen Geist. Ähnlich wie bei unserem hier in deiner Wohnung. Nur war ich viel jünger als du jetzt. Daher weiß ich, wie du dich gefühlt hast; mir ging es nicht anders. Ich konnte tagelang nicht schlafen, doch das war erst der Anfang. Geister, Vampire, Werwölfe, Monster und Dämonen. Es ging jahrelang gut und wir konnten die Welt vom Bösen befreien. Doch es wurde immer mehr, immer größer. Bis wir uns mit einem falschen Dämon angelegt haben."
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Sie macht eine Pause, muss sich erst mal sammeln. Jay streicht ihr über den Rücken. Nach einiger Zeit erzählt sie weiter:
"Es ereigneten sich mehrere tödliche Krankheiten im Ort. Es konnte sich keiner erklären, also suchten wir die behandelnde Ärztin auf. Da alle Todesfälle auf sie zurückzuführen waren. Aber meine Mutter hatte sie unterschätzt. Es war zwar ein Dämon, doch kein wirklich "normaler" Dämon, das wurde ihr leider zu spät klar. Sie hat sie zu uns nach Hause gelockt, gesagt das mein Vater krank sei. Neben dem Bett hatten wir ein Siegel unter dem Teppich versteckt. Für einen normalen Dämon ausreichend. Was passieren kann, wenn du dich mit einem zu starken Dämon anlegst, hast du bei Bilwis gesehen, er wäre fast durchs Siegel gebrochen. Als sie jedoch im Siegel stand, wusste sie, was gespielt wird und wer meine Eltern waren. Sie lachte nur laut und ihre Augen wurden lila und es erschien ein drittes Auge auf ihrer Stirn. Meine Mutter wusste sofort Bescheid; sie versucht noch die Formeln vorzulesen, doch es war zu spät. Vor ihnen stand 'Agash'. Sie kann Unheil, Krankheiten, ja sogar den Tod durch ihren Sehsinn verbreiten. Das heißt, die muss dich nur ansehen, um dich zu töten."
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Jay ahnt bereits, in welche Richtung es gehen würde. So langsam versteht er, warum Lzzy so lange wartete, bis sie es ihm erzählte. Er sieht, wie Lzzy eine Träne die Wange entlang läuft. Er setzt sich näher zu ihr und legt einen Arm um ihre Schulter.
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"Agash sprach auch nur eine lateinische Formel, da zersprang das Siegel. Sie hob die Hand und meine Mutter wurde gegen die Wand geschleudert. Sie blieb ohnmächtig liegen. Als mein Vater dann versuchte aufzustehen, packte sie ihn an der Gurgel. Sie drückte ihn zurück ins Bett, so sehr er sich auch wehrte, er hatte nie eine Chance."
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Erneut holt Lzzy tief Luft, bevor sie weiter machen konnte. Man sieht, welche Überwindung sie das kostet.
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"Als ich das alles hörte, rannte ich in den Raum. Sie sah mich und grinste mich an. Ich konnte nichts tun und sie wusste das. Ich war 17! Sie lächelte mich an und fragte dann eher sich selbst: Was mache ich jetzt mit euch? Dann sah sie meinen Vater an, ihr drittes Auge funkelte. Schließlich nahm sie ihre Hand von seiner Gurgel. Er starrte gerade hoch an die Decke und begann zu zittern. Sie lächelte und flüsterte ihm ins Ohr, jedoch so laut, dass ich alles verstehen konnte: Nein, ich bringe euch nicht um. Das wäre zu einfach! Ihr seid wie Pest und Cholera. Ich habe dich mit der Pest infiziert. Leider ist sie so fortgeschritten, dass sie beginnen wird, dich von innen heraus zu vergiften. Dir bleibt nicht mehr viel Zeit! Dann lächelte sie mich erneut an und ging zu meiner Mutter. Sie packte auch sie an der Gurgel, hob sie hoch, bis ihre Beine nicht mehr den Boden berührten. Sie rang nach Luft und griff nach Agash Hand. Dir habe ich das zu verdanken! Agash Auge leuchtete erneut, Wenn ihr alles zusammen macht, habe ich auch die Pest für dich. Nur noch nicht so weit fortgeschritten. Sodass du deinen Mann noch sterben sehen kannst, bevor du selbst dahin scheidest!". Dann warf sie meine Mutter in die andere Ecke und kam zu mir. Sie starrt mir in die Augen, ihre drei Augen leuchteten. Du siehst, was man davon hat, wenn man sich mit dem falschen Dämon anlegt. Tränen liefen mir übers Gesicht. Du wirst deine Eltern sterben sehen. Entscheide selbst, willst du ein solches Leben? Ohne ein weiteres Wort zu sagen, verließ sie unser Haus. Während ich noch immer zitternd ohne mich bewegen zu können, da stand."
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Lzzy liefen die Tränen, Jay nahm sie in den Arm, "Tut mir leid. Das wusste ich nicht." Sie holt tief Luft, das war leider noch nicht alles.
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"Es dauerte nicht lang... Mein Vater starb nach drei quälenden Tagen. Meine Mutter folgte ihm vier Tage später. Ich musste dann nur noch weg. Zog in eine andere Stadt, machte meine Lehre und fing danach bei euch an. Ich hatte mir eigentlich geschworen, nie wieder auf die Jagd zu gehen. Aber das Schicksal meinte es anders mit mir. Ich hatte alles verloren, was mir lieb und teuer war. Hatte niemanden mehr, keine Familie, nicht mal Freunde. Dann auf einmal fingst du an, mich aus der Reserve zu locken. Nach den ganzen Jahren in Einsamkeit begann ich, mich wieder auf eine Freundschaft einzulassen. Ich konnte wieder lachen. Aber was hatte ich für eine Wahl, als es bei dir anfing und dich ein Geist heimsucht? Sollte ich die eine Person, die mir mein Lächeln zurückbrachte, einem Geist ausliefern? Das konnte ich nicht!"
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Lzzy sieht Jay an, der zuerst nicht weiß, was er sagen soll. Nach einem Moment glaubt er die richtigen Worte gefunden zu haben: "Lzzy, ich hatte keine Ahnung. Wie hätte ich das wissen sollen?" Er nimmt sie in den Arm. Ein paar Minuten verharren sie so. Als sie die Umarmung lösen, wischt Jay ihr die Tränen aus dem Gesicht. "Glaube mir, ich lasse dich nicht alleine, komme, was da wolle", sagt er. Lzzys blauen Augen spiegeln sich noch ihre Tränen. Es sieht fast so aus, als würden sie glitzern. Lzzy sieht Jay an, Tränen laufen erneut. Sie sehen sich tief in die Augen.
Dann küsst sie ihn.
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Sofort steht sie erschrocken auf. Sie weiß nicht, was in sie gefahren ist. Sie geht schnellen Schrittes zur Tür. Jay ruft ihr noch ein "Warte!" hinterher, doch da war sie schon draußen. Als er in der Tür steht, sitzt sie bereits im Auto und fährt los.
Jay öffnet seine linke Hand. In ihr liegt Lzzy's Kette. Er nimmt sie und hängt sie sich um, während er Lzzy hinterhersieht, bis ihr Auto am Horizont zu verschwinden scheint.
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