25 - Ein Funke Hoffnung
[Louis]
Am nächsten Morgen wurden wir von einem schrillen Weckerton geweckt. Noch immer nackt aneinander gekuschelt, waren Harry und ich eingeschlafen und nun fuhr ich erschrocken und hellwach hoch.
Ich hatte mein Handy nicht geladen!
Hektisch versuchte ich herauszufinden, woher der Ton kam, dann setzte sich Harry gähnend auf, angelte nach seinem Handy und schaltete den Alarm ab.
"Guten Morgen, Baby." sagte er noch ganz verschlafen.
"Wie spät ist es?" fragte ich ihn.
"Es ist um sechs. Ich habe den Wecker gestellt, damit wir nicht verschlafen und du zu deinem Dad kannst." murmelte er und streckte sich ausgiebig.
Ich atmete tief durch. "Du bist der Beste." sagte ich, küsste ihn auf die Stirn. "Guten Morgen."
Er lächelte mich an, seine Augen waren noch ganz müde und er schien noch halb in seiner eigenen Welt zu sein.
"Ich muss jetzt auch dann bald arbeiten." murmelte er seufzend.
"Ich gehe kurz duschen, okay? Dann hast du hier freie Bahn."
Harry zog mich an sich. "Ich will gar keine freie Bahn."
Lachend lehnte ich mich an ihn. "Es war wunderschön, gestern."
Er brummte zustimmend und drückte mich fester.
Noch einmal küsste ich ihn auf die Wange, dann löste ich mich schweren Herzens von ihm und verschwand im Bad um zu duschen.
Ich brauchte nicht lange und als ich in den Flur ging um die Sachen aus meiner Tasche zu holen und mich anzuziehen, schlug die Nervosität ein wie eine Bombe. Ich war bereits leicht zittrig, beschloss aber, mir so gut es ging nichts anmerken zu lassen, denn ich wusste, dass Harry sonst seine Schicht vermutlich noch absagen würde um mir beizustehen.
Ich war ihm zwar dankbar, dass er so da war für mich, doch es sollte auf keinen Fall seine Arbeit beeinflussen.
Mein Freund kam in den Flur gelaufen und trug einen schwarzen Jogginganzug, lächelte und hielt mir den TPWK Hoodie hin. "Falls du den wieder anziehen möchtest."
Lächelnd nahm ich ihn und roch daran. "Riecht nicht mehr so nach dir." sagte ich nur.
Harry lachte nun und zog den schwarzen Hoodie aus, den er gerade trug. Nun war er oberkörperfrei, er reichte ihn mir und zog sich gleich darauf dann den grauen Hoodie an.
Ganz gerührt roch ich an dem schwarzen Pullover, er roch stark nach Harry und seinem Parfüm, also zog ich ihn mir über und lächelte Harry verliebt an. "Danke."
"Wenn ich schon nicht da sein kann, dann sollst du wenigstens etwas von mir bei dir tragen" erwiderte er, kam auf mich zu und legte einen Arm um meine Schultern und küsste mich auf die Stirn.
"Wir sehen uns später, ja?" fragte ich und sah zu ihm hoch.
Er nickte sofort. "Ich komme sofort nach der Arbeit zum Krankenhaus."
"Bis dann, Haz."
Ich gab ihm noch lächelnd einen Kuss, griff nach meinem Handy und der Reisetasche, dann ging ich aus dem Haus in Richtung Busstation.
In dem Moment wo ich aus dem Gebäude trat, veränderte sich meine ganze Körperhaltung. Ich ließ die Schultern sinken und die Angst vor dem heutigen Tag kroch mir durch die Glieder, verteilte sich in meinem ganzen Körper. Jetzt hieß es alles oder nichts und ich spürte, wie ich immer zittriger wurde. Ich hatte keine Ahnung wie ich die Wartezeit überleben sollte, vor allem ohne Harry.
Als ich in den Bus stieg, musste ich schlucken und verbrachte die Busfahrt damit, meine Emotionen im Zaum zu halten.
Ich kam um sieben Uhr im Krankenhaus an und ging schnellen Schrittes zu dem Zimmer meines Vaters, nur um es beim Eintreten leer vorzufinden. Ich erschrak mich ein wenig und lief zum Schwesternzimmer. Dort fand ich auch jemanden vor und klopfte mit den Fingerknöcheln gegen den Türrahmen.
"Entschuldigen Sie?"
Eine junge Frau drehte sich zu mir und lächelte mich freundlich an. "Guten Morgen."
"Ja, guten Morgen" antwortete ich. "Ich bin Mr. Tomlinson, mein Vater im Zimmer 3002, es ist leer. Ist er schon zu seiner OP gebracht worden?"
Die Schwester nickte und tippte etwas in den Computer vor ihr, nickte dann. "Ja, vor ungefähr zehn Minuten, aber er müsste noch im Vorraum sein, die OP geht erst um acht Uhr los. Ich bringe sie hin."
Dankbar lächelte ich sie an, dann folgte ich ihr.
Ich fand mich in einer Art Vorbereitungsraum wieder, ich war mir nicht einmal sicher ob ich hier überhaupt sein durfte, aber darin stand ein Bett indem mein Vater lag, umgeben von all seinen Geräten.
"Sie haben ein paar Minuten." Die Schwester verließ den Raum und ließ mich allein mit ihm.
Schnell ging ich zu ihm und ergriff seine Hand, lehnte mich gegen das Bett und sah in sein Gesicht. "Hey, Dad. Heute wird es ernst." sprach ich leise. Ich wusste nicht, ob er irgendetwas von dem hier mitbekam, doch ich wünschte es mir einfach und stellte es mir auch so vor.
"Egal, was passiert, ich hoffe du weißt, dass ich dich liebe."
Mir kamen jetzt schon wieder Tränen, die ich mir grob aus dem Gesicht wischte. "Wirklich sehr, Dad." hauchte ich, musterte sein Gesicht um mir nochmal alles ganz genau einzuprägen. Ich erwartete keine Reaktion oder dass er auf magische Weise plötzlich erwachte, daher kam es mir vor wie ein Wunder, als sein Mundwinkel leicht zuckte, nur für einen Moment. Mein Herz machte einen kleinen Hüpfer und ich lächelte leicht.
Es war wie eine Zusicherung, als hätte er mich gehört.
"Bis dann, Dad. Ich freue mich auf dich." sagte ich noch, dann verließ ich den Raum.
Gerade als ich mich in den Warteraum gesetzt hatte, wurde die Tür aufgerissen und Dr. Shepherd, bereits teilweise in OP Kleidung, betrat den Raum und kam auf mich zu.
"Guten Morgen!" rief er gut gelaunt.
Ich stand auf und lächelte ihn nervös an. "Morgen."
"Es kann losgehen, ich wollte kurz noch einmal nach Ihnen sehen, bevor ich den OP betrete. Wie fühlen Sie sich?" fragte er.
"Nervös." gab ich zu und er nickte.
Wir besprachen noch einmal den OP Plan und er erklärte mir recht detailliert, was er tun würde. Einiges verstand ich, vieles jedoch einfach nicht und so nickte ich nur hin und wieder. Irgendwann würde ich so wie er Patienten aufklären müssen. Ich beobachtete ihn ein wenig fasziniert, ich fand ihn unsympathisch doch was er als Arzt bereits geleistet hatte, verdiente größten Respekt. Wenn einer Dad helfen konnte, dann nur er.
Dr. Shepherd verabschiedete sich von mir und ich setzte mich wieder. Nun begann das große Warten. Nervös wippte ich mit dem Bein und die Minuten vergingen so zäh wie Stunden. Die Zeit verging so langsam.
Dann fiel mir wieder ein, dass ich mein Handy laden musste.
Ich suchte mir eine Steckdose und steckte das Ladegerät in mein Handy, schaltete es dann an. Ich hatte vierverpasste Anrufe.
Die ersten drei waren von Kelly von gestern, und der vierte war von meiner Mom, sie hatte mich vor etwa einer Stunde versucht zu erreichen.
Ich beschloss, sie gleich zurück zu rufen und als ich den Anruf tätigte, ging sie sofort ran.
"Louis?"
"Ja, hi, Mom."
"Meine Güte, wieso meldest du dich denn nicht?" rief sie aufgebracht.
"Entschuldige, ich hatte mein Handy aus, der Akku war leer. Und jetzt bin ich im Krankenhaus. Sie haben eben mit der OP begonnen." erklärte ich ihr in entschuldigendem Ton.
Meine Mom seufzte leise. "Ich bete, dass alles gut geht." Ihr Ton war ängstlich und ich nickte, auch wenn sie das nicht sehen konnte.
"Ich auch."
"Wie kommst du klar?" fragte sie mich.
Was sollte ich darauf sagen? Zur Abwechslung einmal entschied ich mich dazu, die Wahrheit zu sagen und meiner Mom gegenüber ehrlich zu antworten. Es war mir zur Gewohnheit geworden, ihr immer zu sagen dass schon alles okay wäre, doch das fand ich jetzt unangebracht.
"Nicht so gut, Mom."
"Ach, Lou." sagte sie leise. "Hast du jemanden, der mit dir wartet?"
"Im Moment nicht, aber Harry kommt nach seiner Schicht zu mir."
Sie fragte mich, wer das wäre und ich berichtete ihr von ihm und dass wir seit gestern nun offiziell auch in einer Beziehung waren.
"Lou, das ist ja wunderbar! Ich hoffe, ich lerne ihn ganz bald kennen!" freute sie sich und zauberte mir damit ein Lächeln ins Gesicht. "Warte, ich schick dir ein Foto."
Schnell tippte ich auf meinem Handy herum und sendete ein Foto von mir und Harry in den Whatsapp Chat mit ihr, hob den Hörer wieder an mein Ohr. Das Foto hatte wir mal abends auf der Couch gemacht.
Ich war an Harry gelehnt und wir strahlten in die Kamera, er hatte den Arm um meine Schultern gelegt.
Nach einem Moment Pause war meine Mutter wieder am Telefon.
"Du siehst unglaublich glücklich aus, mein Lieber. Und dieser Harry sieht verboten gut aus." Ihr letzter Kommentar brachte mich zum Lachen und ich konnte nicht anders, als ihr beizupflichten.
"Er macht mich sehr glücklich."
"Das ist die Hauptsache, Lou. Mach dir das nicht kaputt, ja?"
Stirnrunzelnd dachte ich über ihre Worte nach, nickte dann wieder leicht.
"Harry würde das nicht einmal zulassen, glaube ich." antwortete ich ihr schmunzelnd. "Er ist sehr beschützend."
Wir unterhielten uns noch eine ganze Weile über Harry und dann auch über Kelly und Zayn und ich bemerkte, wie froh und erleichtert meine Mutter zu sein schien, dass ich Anschluss gefunden hatte und mich nicht so verkroch, wie in Doncaster.
Als wir schließlich auflegten, registrierte ich mit einem Blick auf die Uhr, dass es erst zehn Uhr war. Gerade einmal zwei Stunden waren verstrichen. Seufzend lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück und war wieder so hibbelig, wartete darauf dass die Zeit anfing, schneller zu verstreichen. Ohne es zu wollen, fiel ich irgendwann dabei in einen unruhigen Halbschlaf.
Ich schreckte wieder hoch, als mich eine Hand an meinem Arm berührte und ich in die Augen von Dr. Shepherd sah. Ich riss die Augen auf und stand sofort auf. "Ist es vorbei?" fragte ich ihn etwas verwirrt und mein Blick fiel auf die Wanduhr vor mir. Es war 12.45 Uhr. Das war doch noch viel zu früh, was machte er hier im Warteraum bei mir?
Fragend sah ich ihn an.
Sein Gesicht war ernst und mein Gesicht wurde weiß.
"Haben Sie es schneller geschafft?" Ein Funke Hoffnung schimmerte in mir und ich sah ihn fast schon flehend an, mein Herzschlag verschnellerte sich.
"Mr. Tomlinson, es gab unvorhergesehene Komplikationen während der Operation. Es tut mir furchtbar leid, Ihnen das sagen zu müssen, doch ihr Vater ist aufgrund der Schwere der Komplikationen leider verstorben. Ich habe versucht..."
Ich hörte ab diesem Moment nichts mehr. In meinen Ohren rauschte das Blut und ich fiel zurück auf den Stuhl hinter mir, mein ganzer Körper fing an zu zittern und schwarze Punkte erschienen vor meinen Augen.
Ihr Vater ist verstorben.
Ein unnatürlicher Ton drang an mein Ohr, es war mein eigenes Aufschreien und ich sackte in mich zusammen, als ich dies realisierte. Tränen stiegen mir in die Augen und bahnten sich ihren Weg durch mein Gesicht. Ich bemerkte, wie Dr. Shepherd und noch jemand neben ihm versuchten, mich zu beruhigen und auf mich einredeten, doch ich konnte nicht mehr auf sie hören.
Meine ganze Welt kollabierte über mir zusammen.
Es war passiert. Meine größte Angst hatte sich bestätigt. Meine ganze Hoffnung, die ich in den Arzt vor mir gesetzt hatte, war umsonst gewesen.
Panik breitete sich in mir aus. Wie sollte ich das nur meiner Mom erklären? Oder Lottie?
Ich versuchte nach meinem Handy zu greifen, doch es glitt mir aus den Händen und fiel auf den Boden, schluchzend fiel ich auf die Knie.
Es war alles vorbei.
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