18 - Es gibt Hoffnung
[Louis]
Die nächsten sieben Tage vergingen wie im Flug. Ich konzentrierte mich auf die Uni, ging danach zu Dad auf die Station und hatte mich an zwei Abenden mit Harry getroffen.
Je mehr Zeit ich mit ihm verbrachte, desto stärker wurden mein Gefühle. Ich war mir mittlerweile sicher - ich hatte mich in Harry verliebt.
Gleichzeitig jagte mir das eine ganz schöne Angst ein. Wenn ich eine Sache wusste, dann war das die folgende: Glück war in meinem Leben meist nur von kurzer Dauer. Ich hatte Angst, was als nächstes passieren würde.
"Lou?"
Ich kam gerade aus dem Unigebäude und schaute in die Richtung, aus der mein Name gerufen wurde. Harry kam grinsend auf mich zu und ich musste automatisch lächeln. Er sah fantastisch aus. Er trug ein schwarzes Shirt mit einer Jeansjacke darüber, schwarze Jeans und seine typischen braunen Lederschuhe. Er sah immer aus wie ein Popstar. Die lockigen Haare hatte er nach hinten gestylt und dann dieses Lächeln. Man konnte nur dahin schmelzen. Und ich wusste, dass ich nicht der einzige war mit dieser Meinung. Die unzähligen Frauenköpfe, die sich nach ihm umdrehten, gaben mir recht.
"Kommst du um mich abzuholen?" fragte ich ihn, als ich vor ihm stand.
Grinsend nickte er und beugte sich zu mir, um mir einen kurzen Kuss zu geben. Ich erwiderte ihn nur zu gern.
"Wie geht's dir?" fragte ich ihn.
"Ganz fantastisch. Und dir?"
Ich lachte leise. Harry ging es einfach immer fantastisch. "Ganz okay. Ich hab jetzt einen Termin mit Dr. Shepherd im Krankenhaus. Er ist mit seiner Recherche fertig."
"Wirklich?" fragte Harry erstaunt. "Soll ich dich fahren?"
Schnell nickte ich und freute mich, dass er das anbot. Insgeheim wollte ich ihn gern bei dem Gespräch dabei haben, die Autofahrt gab mir die Zeit, ihn das zu fragen.
Gemeinsam liefen wir auf den Parkplatz und zu seinem Auto, stiegen ein und ich schnallte mich an. Dann schaute ich ihn etwas unsicher an.
"Haz?"
"Lou?" gab er schmunzelnd zurück startete den Wagen und fuhr los.
"Würdest du mit mir zu Dr. Shepherd gehen?"
Ich spürte seinen überraschten Blick auf mir, doch ich traute mich nicht ihn anzusehen. Wenn er Nein sagte, dann würde ich mich nur schämen ihn überhaupt gefragt zu haben.
"Bist du dir sicher, dass du das möchtest?"
Sofort nickte ich. "Es würde mir helfen."
Harry schien einen Moment abzuwägen, denn er ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Schließlich nickte auch er. "Dann komme ich sehr gern mit, Lou. Ich habe dir ja versprochen, dass ich für dich da bin."
Ich musste lächeln und legte meine Hand auf seinen Oberschenkel, streichelte mit dem Daumen darüber und blickte aus dem Fenster.
"Danke." sagte ich leise.
Der Rest der Fahrt verlief schweigend. Meine Nervosität wuchs und der dichte Londoner Verkehr zwang Harry dazu, sich auf die Straße zu konzentrieren. Als wir vor dem Krankenhaus parkten und ausstiegen, ergriff ich ganz automatisch seine Hand und gemeinsam betraten wir das Krankenhaus. Mit dem Aufzug kamen wir auf die Neurologie, wo mein Dad lag. Nun schlug mir mein Herz wirklich bis zum Hals.
An den Patientenzimmern vorbei liefen wir zum Ende des Ganges auf eine Tür zu. Die Worte "Daniel Shepherd, Leitung Neurochirurgie" standen darauf und ich blieb stehen und atmete einmal tief durch.
"Ich bin bei dir, Lou. Alles wird gut." hörte ich Harry sagen. Ich nickte ihm zu und klopfte an die Tür.
Dr. Shepherd öffnete die Tür und lächelte mich an, sah dann zu Harry und war sichtlich irritiert. Ich räusperte mich. "Hi. Ich habe mir etwas moralische Unterstützung mitgebracht. Das hier ist Harry Styles."
Der Arzt vor uns lächelte und nickte, machte den Weg frei in sein Büro, indem er zurück zu seinem Schreibtisch lief. "Mr. Tomlinson, Mr. Styles, kommen Sie doch rein. Moralische Unterstützung ist immer gut" sprach er und setzte sich.
Wir folgten ihm und Harry schloss die Tür, ehe wir uns vor den Schreibtisch auf die Stühle setzten. Nervös sah ich auf meine quasi letzte Hoffnung vor mir.
"Mr. Tomlinson, ich habe mich jetzt wirklich sehr lange mit ihrem Vater auseinander gesetzt. Sie wissen ja, dass ich einige neuartige Methoden selbst entwickelt habe mit anderen Ärzten. Wir sind damit wirklich zu den herausragendsten Ärzten im Bereich aufgestiegen."
Okay, ein wenig Selbstbeweihräucherung und Arroganz schien bei ihm normal zu sein. Ein wenig unpassend, meiner Meinung nach.
Er hatte eine kleine Pause gelassen, vermutlich damit wir reagierten. Da keiner von uns beiden ein Wort sagte, räusperte er sich kurz und fuhr dann fort.
"Es gibt eine Methode, die ich gern durchführen würde bei ihrem Vater. Die OP würde lange dauern, sie wäre höchst kompliziert. Aber..."
"Ja!" rief ich aus, mein Puls beschleunigte sich.
"Aber.." fuhr er fort, nicht ohne mir einen mahnenden Blick zuzuwerfen. "Ich denke, es könnte ein Chance sein. Sein vorheriger Arzt hat natürlich solche Mittel und Wege nicht und ich bin wirklich sehr froh, dass Sie mit Ihrem Fall zu mir gekommen sind. Ihr Vertrauen ist mir wirklich wichtig."
Ich nickte leicht und sah ihn erwartungsvoll an.
Harry neben mir musterte den Arzt und dann mich, nahm meine Hand als er merkte dass ich zu zittern begann.
"Ich würde es gern versuchen, Mr. Tomlinson."
Harry räusperte sich. "Entschuldigen Sie die Frage, aber, was heißt versuchen?"
Dr. Shepherd bedachte Harry mit einem väterlichen Lächeln, zumindest sollte es wohl so etwas darstellen. Leider kam es eher als arrogant an, was ich daran merkte, dass der Lockenkopf neben mir sich anspannte.
"Das heißt, dass ich meine neuste Methode verwenden werde. Diese war bis jetzt aber bereits zweimal erfolgreich. Sie müssen sich also keine Sorgen machen." sagte er an mich gewandt und lächelte.
"Zwei mal von wie vielen Versuchen?"
Ich sah zu Harry, seine Fragerei irritierte mich ein wenig.
"Zwei von drei Versuche waren erfolgreich. Der Eingriff befindet sich in der Studie. Mr Tomlinson wäre also der vierte Eingriff überhaupt."
Nun klang die Sache für mich irgendwie anders. Gar nicht mehr so sicher wie er es hatte klingen lassen. Ich schluckte leicht. "Er wäre ein Versuch?"
Dr. Shepherd nickte wieder. "Ihr Fall ist einzigartig, Mr. Tomlinson!" sagte er und stand auf. Er wirkte nahezu euphorisch. Ich fand das unheimlich.
"So einen Tumor habe ich noch nie gesehen. Er ist so kompliziert! Es wäre mir eine Ehre, wenn ich Ihren Vater operieren und ihm helfen dürfte. Was denken Sie?" Er sah mich abwartend an, doch ich musste das erst einmal verarbeiten. Es gab eine Heilungschance.
"Ich muss das mit meiner Mutter besprechen. Ich...was soll das denn kosten?"
Nun klatschte er in die Hände, was Harry und mich zusammenzucken ließ. "Das kostet Sie natürlich nichts, da es eine Studie ist. Sie unterschreiben mir nur die Zustimmung, als sein Vormund, da Ihr Vater ja leider nicht selbst dazu in der Lage ist."
"Oh, also...ich bin gar nicht sein Vormund." entgegnete ich. "Das ist meine Mom. Ich werde sie gleich anrufen, okay?"
"Tun Sie das" antwortete Dr. Shepherd lächelnd. "Wenn sie zustimmt, ist die OP für Freitag angesetzt."
"Freitag?" hauchte ich überrascht. "Das ist in drei Tagen."
"Der Zustand Ihres Vaters verlangt schnelles Handeln, Mr Tomlinson."
Verstehend nickte ich und sah zu Harry, der mich skeptisch ansah. Ich lächelte ihn an und stand auf. "Dann geh ich mal telefonieren."
Mit diesen Worten verließ ich das Büro und Harry folgte mir.
"Lou?" Ich schaute zu ihm und nickte. "Ja?"
"Ich weiß nicht, ich hab kein gutes Gefühl bei der Sache."
"Was?" fragte ich ihn irritiert. "Er sagt er kann ihm helfen."
Harry nickte sofort. "Das weiß ich und das freut mich unglaublich, Lou, wirklich. Aber er wirkt so euphorisch und er war nicht von Anfang an ehrlich. Ich weiß nicht ob er das mit den zwei Versuchen überhaupt gesagt hätte, wenn wir nicht nachgefragt hätten."
Wieder nickte ich und nahm seine Hand. "Er ist ein Arschloch, sind wir doch mal ehrlich." Dann strahlte ich ihn an. "Aber er will ihm helfen, Haz! Verstehst du? Es besteht eine Chance! Eine echte Chance! Ich ruf jetzt meine Mom an!"
Ich gab ihm einen Kuss auf die Wange und zog dann mein Handy hervor, um meine Mutter anzurufen. Eilig wählte ich die Nummer meiner Mutter und wartete darauf, dass sie den Anruf annahm.
"Hey, Louis mein Schatz!" meldete sich nach kurzer Zeit auch schon ihre Stimme in der Leitung.
"Mom, hey. Hör zu, ich habe Neuigkeiten!"
Aufgeregt berichtete ich ihr jedes Detail und bat sie darum, die Einverständniserklärung zu unterschreiben.
Zu meiner Überraschung war auch sie skeptisch.
"Bist du dir sicher, Louis? Das ist ein ganz schön hohes Risiko."
"Ich denke wenn wir das nicht tun Mom, dann werden wir uns das ewig vorhalten. Ich bin mir bewusst, was das für ein Risiko ist, aber es ist ein Versuch. Mom, er hat nicht mehr lange..." Den letzten Teil flüsterte ich nur noch.
Nach einem Moment Stille seufzte sie leise.
"Du hast recht. Er soll mir die Unterlagen faxen."
"Okay, Mom. Super."
"Wie geht's dir denn mein Schatz? Kommst du gut zurecht?"
"Ja, absolut. Ich habe Freunde gefunden." sagte ich und lächelte Harry an. Er lächelte liebevoll zurück.
Ich konnte förmlich ihr Lächeln fühlen. "Wunderbar. Genieß dein Leben, Louis."
Nachdem wir uns verabschiedet hatten, lächelte ich Harry wieder an. "Sie hat zugestimmt. Ich geh kurz zu ihm und kläre alles, okay?" Ich wartete seine Antwort nicht ab, küsste seine Wange und verschwand wieder in Dr. Shepherds Büro.
Ich kam nach nur zehn Minuten wieder hinaus, ging auf Harry zu und umarmte ihn. "Danke, dass du mitgekommen bist. Ich bin richtig glücklich." sagte ich und strahlte ihn an.
Er musterte mein Gesicht und wirkte verblüfft, streichelte mir über die Wange.
"Ich bin so froh dich endlich so sehen zu können. So glücklich."
"Es gibt Hoffnung, Haz. Auch wenn es ein hohes Risiko ist, wenn es klappt, dann ist er gerettet." antwortete ich, woraufhin der Lockenkopf nickte.
"Aber du behältst im Hinterkopf, dass es ein Risiko gibt, ja?"
Sofort nickte ich. "Ja, ich weiß. Zwei Versuche von drei sind nicht viel, das ist mir sehr wohl bewusst. Aber mir ist mittlerweile klar dass die Chancen, dass mein Dad nochmal aufwacht, grundsätzlich sehr gering sind. Also finde ich, sollte ich diese Möglichkeit aufgreifen. Oder nicht?"
Harry musterte mich einen Moment, bevor er antwortete.
"Wahnsinn, wie gut du damit umgehst. Ich stehe hinter dir, Lou."
Wie aus Reflex umarmte ich ihn sofort. "Ich würde dir gern jetzt meinen Dad vorstellen, falls du das möchtest."
Er löste sich von mir, blickte mich überrascht an. "Ehrlich?"
"Nur wenn du möchtest. Ich weiß, es ist seltsam."
"Das ist es eigentlich nicht, nein. Nur ungewöhnlich" gab er lächelnd zu Bedenken. "Aber andererseits wäre es mir eine Ehre, wenn du das wirklich möchtest."
Ich nickte, nahm seine Hand und ging mit ihm über den Gang zu dem Zimmer meines Dads. Leise öffnete ich die Tür und wir traten ein.
Das Licht war ein wenig gedimmt und auf dem Beistelltisch standen frische Blumen, die ich gestern gekauft hatte für ihn. So wirkte das Zimmer gleich viel freundlicher.
"Hi, Dad. Das hier ist Harry." sagte ich leise und ging näher an sein Bett heran. Harry folgte mir und stellte sich dann an das Fußende des Bettes, blickte auf meinen Vater hinab und wirkte auf einmal ganz ernst und betroffen. Ich nahm es ihm nicht übel. Es musste viel für ihn sein. Innerlich hoffte ich, dass ich ihm nicht zu viel abverlangte.
"Ich wollte ihn dir vorstellen. Er ist mir sehr wichtig. Mehr als das" sprach ich weiter und strich die Bettdecke glatt. "Du würdest ihn mögen. Er ist genauso positiv und lebhaft wie du. Er will auch dass ich lächle und mein Leben genieße. Und weißt du, das habe ich sogar ein bisschen getan."
Lächelnd blickte ich zu Harry, welcher mich anstarrte. Sein Blick wirkte gerührt und überfordert zugleich. "Alles okay?" fragte ich ihn unsicher.
Er nickte und räusperte sich. "Alles gut." antwortete er rau.
Mein Dad lag regungslos und friedlich da, ich strich ihm ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht und registrierte die immer tiefer werdenden Augenringe.
"Du wirst operiert, Dad." sprach ich leise weiter. "Wenn du wieder gesund bist, dann gehen wir wieder picknicken im Park. Oder vielleicht gehen wir auch lieber ein Bier trinken." Ich lachte leise. "Sowas machen doch Kerle." Eine kleine Träne entwich mir, doch ich wusste sie zu verstecken. "Dann gehen wir zu dritt. Ich hab dich lieb, Dad."
Tief atmete ich durch, richtete mich wieder auf.
"Bis morgen, ja?"
Ich drehte mich zu Harry, doch dieser stand nicht mehr da. Irritiert sah ich mich um. Er hatte den Raum verlassen.
Noch einmal blickte ich zu meinem Dad, dann verließ ich das Zimmer und sah mich auf dem Gang nach Harry um. Er stand mit dem Rücken zu mir an der Wand. Ich ging auf ihn zu und legte ihm die Hand auf den Rücken.
"Haz?"
Harry drehte sich zu mir um und ich erkannte Tränen. Erschrocken riss ich die Augen auf und fiel ihm um den Hals, was er sofort erwiderte.
"Oh Gott, es tut mir leid, ich wollte dich nicht überfordern, Haz!"
"Nein, du...das hast du nicht. Aber das war etwas viel für mich. Alles okay, Lou." sagte er mit erstickter Stimme und strich mir durch die Haare.
"Hör bloß auf dich zu entschuldigen. Ich wusste auch nicht, dass mich das so mitnimmt. Es tut mir einfach nur noch viel mehr leid, dass ihr so etwas ertragen müsst."
Ich löste mich von ihm und nahm sein Gesicht in beide Hände, blickte ihm tief in die Augen. "Lass uns gehen, Haz. Was denkst du?"
Er nickte und küsste mich sanft. "Kommst du mit zu mir?"
"Wenn ich darf, ja."
"Du musst sogar. Ich will dich auf keinen Fall jetzt dir selbst überlassen." sagte er frech und ich lachte leise, küsste ihn wieder und zog ihn mehr an mich. Jetzt, wo ich wusste, dass ich wieder hoffen durfte, wollte ich endlich anfangen, die Zeit mit Harry wirklich hundertprozentig zu genießen und auszukosten.
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