Kapitel 2
Franz Justin Walker
»Während du in Hamburg bist, bleibst du bei deinem Vater. Er hat geschrieben, dass er dich im Warteraum abholt«, erzählte sie. »Du redest immer noch mit ihm?« Meine Stimme klang überrascht, und ich ärgerte mich sofort darüber, dass ich das gesagt hatte.
Ich überlege, mich zu entschuldigen, mache es aber doch nicht.
Während wir eilig durch den Flughafen gehen, beobachtet mich meine Mutter von der Seite. »Warum wirkst du so ... überrascht? Dein Vater und ich haben uns zwar getrennt, aber denkst du etwa, dass wir nichts mehr miteinander zu tun haben dürfen?« Ihr Gesichtsausdruck wirkt verletzlich, und ich spüre, dass auch sie unter der Trennung leidet. »So war das nicht gemeint ...«
Wir hängen beide unseren Gedanken nach und schweigen, bis wir im Warteraum auf eine junge Frau treffen."
»Avery Walker! OMG, ich hab dich ewig nicht mehr gesehen. Wie geht's dir?« Mutter begrüßt die für mich mega unbekannte Frau mit einer total freundschaftlichen Umarmung, als würden sie sich seit Jahrhunderten kennen.
»Mir geht's so krass gut, danke für die Nachfrage!« Sie lösen sich voneinander, und ich merke, wie sich Mutters Gesicht richtig entspannt. »Hey, wo steckt deine Tochter? Wir müssen uns beeilen, sonst verpassen wir unser Flugzeug, und das geht ja mal gar nicht!«
Ich nähere mich behutsam.
Neben der Frau entdecke ich ein Mädchen in meinem Alter. Sie wirkt auf mich angespannt und zerbrechlich – das spiegelt sich in ihrem Gesichtsausdruck und ihrer Haltung wider. Alles an ihr ist auf das klobige Ding in ihren Händen fokussiert. Durch das Gerät versucht sie, die Welt um sich herum zu vergessen. Warum sie das tut, bleibt mir ein Rätsel, ein Geheimnis, das die Zeit nicht lüften wird, da unsere Begegnung zu kurz ist.
Langsam hebt sie den Kopf, und ihre müden, braunen Augen schauen zu mir hoch.
"Hey, wunderschöne Unbekannte. Kann ich nach deinem Namen fragen? Ich bin übrigens Franz Justin Walker."
Sie schmunzelt und kämpft dabei gegen einen Lachanfall an. Was findet sie an meinem Namen so lustig? Schließlich fängt sie sich wieder und setzt ein neutrales, aber freundliches Gesicht auf.
"Ich bin Stella, und wie lautet dein Name?" gähnt sie verschlafen vor sich hin.
"Franz Justin, aber nenn mich einfach Franz." Stella grinst, und ich würde gerne wissen, was in ihrem Kopf vor sich geht.
Eine monotone Frauenstimme schallt durch den Raum.
'Der Flug Nr. F307 nach Vancouver Airport beginnt bald. Ich wiederhole, der Flug Nr. F307 nach Vancouver beginnt in Kürze.' Ihre Mutter hat den Blick von Frau Walker abgewandt."
»Es wird alles gut, Stella, daran zweifle ich keine Sekunde.«
Sie umarmt ihre Tochter zärtlich, und meine Mutter nutzt die Gelegenheit, sich von mir zu verabschieden.
»Bis bald, mein Junge. Ich wünsche dir eine gute Zeit.«
»Ja, das wünsche ich mir auch«, erwidere ich gelassen.
»Gehen wir, Stella?«
»Ja, können wir«, sagt sie unsicher, und gemeinsam machen sich die beiden auf den Weg.
Frau Wittmann entfernt sich ebenfalls und verschwindet in der belebten Menge.
"Für einen kurzen Moment stehe ich verloren im Flughafen herum, bis ich die Stimme meines Vaters höre. »Da ist ja mein Junge.«
Die raue Stimme meines Vaters lässt meinen Blick suchend umherschweifen. In der großen Halle erkenne ich ihn wieder. Er ist noch immer gut gebaut, seine schwarzen Haare fallen ihm tief in die Stirn, während er mit einem herzlichen Lächeln im Gesicht auf mich zukommt.
Stella Wittmann
Ein Sirren erklingt wenige Minuten später, und ich beobachte gespannt vom Fenster aus, wie das Flugzeug von der Gangway getrennt wird. Mein Blick richtet sich zur kleinen Tür des Flugzeuges, die sich gerade schließt. Dann schweift mein Blick nach draußen. Die schweren Rollen des Flugzeuges setzen sich in Bewegung, begleitet von einer männlichen Stimme, die den Raum durchflutet.
»Liebe Gäste, herzlich willkommen auf dem Flug von Hamburg nach Vancouver. Bitte schnallen Sie sich an, während wir fliegen. Essen wird für Sie ausgeteilt. Lehnen Sie sich zurück und genießen Sie den Flug.«
Ich folge seinen Anweisungen, ebenso wie Frau Walker. Das Flugzeug beschleunigt, hebt ab und bald darauf erreichen wir unsere Flugbahn. Vorsichtig wage ich einen Blick nach draußen aus dem Fenster. Kleine Wattebäuschchen ziehen an uns vorbei und bedecken die winzigen Häuser unter uns.
Kurz darauf beobachte ich Frau Walker von der Seite.
Ihr Cardigan liegt eng an ihrem Körper geschmiegt und ihr rotes Top betont ihren roten Lippenstift. Außerdem wirkt ihr markantes Gesicht entspannt und ihre dunkelblonden Haare gehen ihr bis zu den Schultern.
Schätzen würde ich sie um die 30.
"Frau Walker?" Als sie sich von ihrem Handy abwendet, schenkt sie mir ihre volle Aufmerksamkeit. „Ja?" Ich durchbohre sie weiter mit meinem Blick, verloren in meinen Gedanken. Stillschweigend warte ich darauf, dass sie etwas erzählt. „Ist etwas?" fragt sie weiter nach.
„Warum bist du mit meiner Mutter befreundet? Ich habe dich noch nie bei uns zu Hause oder sonstwo gesehen." Ich wirke verwirrt.
„Ich möchte etwas klarstellen: Lehrer an unserem Internat werden gesiezt, also sagt man beim Ansprechen nicht 'du', sondern 'sie'." Sie versucht es zu erklären. Aber in meiner Schule duzen sich alle, denke ich mir im stillen enttäuscht.
„Oh, das habe ich nicht gewusst", flüstere ich und drücke mich schwer in den kleinen Sitz. Schließlich wende ich mich abrupt von ihr ab. Ich fühle mich unwohl und versuche, meine Gedanken zu sortieren.
Wir beide sitzen still nebeneinander. Ich schaue aus dem Fenster, während sie etwas anderes tut. "Willst du auch? Kaugummis helfen, wenn man im Flugzeug sitzt und die Ohren Druck bekommen." Warum sie das weiß, ist mir ein Rätsel, weil mir das noch nie passiert ist. Meine Mami hat mir immer gesagt, dass ich nichts von Fremden annehmen soll, egal wie nett sie sind. „Das ist nett von Ihnen, aber ich möchte nicht." Frau Walker nickt verständnisvoll und steckt die Packung wieder ein, nachdem sie sich ein Stück in den Mund gesteckt hat.
„Wie war deine letzte Nacht bei dir zu Hause, Stella?" Frau Walker schaut mich freundlich an.
„Meine letzte Nacht war sehr gut, denn meine Mami hat mir zum Abendbrot mein Lieblingsessen gemacht." Das Wasser läuft mir in meinem Mund zusammen, während ich an die selbst gemachte Pizza zurückdenke. „Wir haben sogar zusammen einen Film geschaut, das war total gemütlich. Dann bin ich in mein kuscheliges Bett gegangen und habe von schönen Dingen geträumt." Ein Lächeln huscht über mein Gesicht, die Erinnerung an den Abend wärmt mich.
„Das hört sich nach einem zauberhaften Abend an", bemerkt Frau Walker zustimmend. Kurz darauf werden meine Augenlider schwer, denn gestern Abend bin ich bis in die späte Nacht wach geblieben. Bis zwei Uhr morgens habe ich durchgehalten und die Zeit mit meinem geliebten Handy verbracht. Ein Hauch von Müdigkeit zeichnet sich auf meinem Gesicht ab, und Frau Walker scheint zu spüren, dass ich etwas übermüdet bin.
„Schlaf ruhig weiter, Stella. Ich wecke dich, sobald wir angekommen sind." Mit diesen Worten gleite ich in einen tiefen Schlaf.
»Stella.« »Lass mich schlafen, Mutter. Es ist noch nicht Zeit für die Schule«, murmele ich.
Ich spüre, wie meine Mutter beharrlich an mir rüttelt. »Was ist denn los?« frage ich verschlafen. Diesmal rüttelt sie kräftiger, reißt mich aus meinem Schlaf und bringt mich zurück in die Wirklichkeit.
„Warum sitze ich im Flugzeug?" »Schön, dass du wieder wach bist, Stella. Wir sind in Vancouver angekommen«, erklärt mir Frau Walker. Hat mich Frau Walker geweckt? Verdutzt blicke ich in ihre blauen Augen.
»Habe ich dich gerade Mutter genannt?«, frage ich sie peinlich berührt. »Ja, das hast du.«
Mir wird bitter bewusst, dass ich sie schon wieder geduzt habe. Für einen kurzen Moment fühle ich mich verunsichert. „Es tut mir leid, das war nicht meine Absicht..."
»Alles gut, Stella. Ich bin dir nicht böse, dass du mich mit deiner Mutter verwechselt hast. So etwas passiert eben im Halbschlaf«, unterbricht Frau Walker mich mit einem gleichgültigen Unterton in ihrer Stimme.
Erleichtert atme ich auf.
Wenig später, nachdem wir alle aus dem Flugzeug ausgestiegen sind und meine Koffer geholt haben, gehen wir direkt zum Parkplatz.
Dort angekommen schließt sie ihren silbernen Mercedes auf und befreit mich von meinem Koffer. Nebenbei öffne ich hilfreich den Kofferraum ihres Autos. Sie greift meinen Koffer mit beiden Armen, hebt ihn kraftvoll in den Kofferraum.
»Auf zum Internat. Die Rektorin erwartet uns sicherlich schon sehnsüchtig.« Sie öffnet mir die Tür und ich steige hinten ein. Das Innere des Autos ist in einfachem schwarzen Leder gehalten, was mir gefällt. Frau Walker startet den Motor, fährt vom Parkplatz hinunter und auf die Autobahn.
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