Der Vampir und die Jägerin
Hallo, meine Lieben :) Das Wochenende steht vor der Tür und somit geht es wieder weiter, aber schon heute, da ich morgen unterwegs bin. Die große Offenbarung brachte im letzten Kapitel ja einen ziemlich großen Knall mit sich und auch heute wird es aufregend. Ich wünsche euch viel Spaß beim Weiterlesen und wenn es soweit ist ein schönes Wochenende :)
Liebe Grüße,
eure Hela
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Der Vampir und die Jägerin
Im rasanten Tempo erreichte ich schließlich das Haus von Elysia, wo ich aus dem Auto sprang, die Stufen der Veranda hochhetzte und den Schlüssel mit zittrigen Fingern aus meiner Tasche kramte. Prüfend warf ich einen hektischen Blick über die Schulter um sicherzugehen, dass ich nicht verfolgt wurde und schaffte es dann endlich die Tür aufzuschließen. Schnell schlüpfte ich durch den Spalt und schloss die Tür hinter mir, als Elysia, die auf dem Sofa saß, verdutzt zu mir sah und irritiert die Stirn runzelte, angesichts meines aufgebrachten Gesichtsausdrucks.
,,Alena! Großer Gott. Was ist denn mit dir passiert? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen."
Sie war eindeutig besorgt, doch konnte ich ihr unmöglich die Wahrheit sagen. Wie auch? Hey, Elysia. Ich habe gerade herausgefunden, dass Carlisle Cullen ein Vampir ist, nachdem wir uns geküsst haben? Das wären wohl zu viele Informationen auf einmal und sie würde mir vermutlich nicht glauben. Deshalb sagte ich gar nichts und hetzte stattdessen die Treppen nach oben, was Elysia nur noch mehr irritierte.
,,Alena!"
Ich ignorierte ihren Ausruf und stürzte zu meinem Zimmer, welches mir augenblicklich der beste Zufluchtsort zu sein schien. Schnell öffnete ich die Tür und mit einem letzten Blick der Versicherung, dass meine Tante mir nicht folgte, betrat ich es. Ich schlug meine Zimmertür zu, lehnte mich mit dem Rücken gegen sie und schloss die Augen, als unzählige Emotionen auf mich einstürzten und vermutlich wäre ich unter dem Ballast zusammengebrochen, würde ich nicht so enorm unter Schock stehen.
Carlisle war ein Vampir. Ein unsterblicher blutsaugender Vampir. Und obwohl es so viele Anzeichen dafür gegeben hatte, hatte ich sie alle nicht gesehen. Oder hatte ich es doch und nur verdrängt, weil ich es schlichtweg nicht wahrhaben wollte?
Ein Windhauch riss mich aus meinen Gedanken und als ich meine Augen aufschlug, fuhr mir der nächste Schreck in die Glieder. Carlisle, der sich Zutritt durch mein offenes Fenster verschafft hatte, stand nun mitten in meinem Zimmer und hob abwehrend seine blassen Hände.
,,Alena, bitte lass es mich erklären.", setzte er an, doch ich fand endlich meine Stimme wieder und fauchte ihn aufgebracht an.
,,Raus hier! Verschwinde und zwar sofort!"
Mein ganzer Körper bebte vor Zorn, doch mein Herz schlug nicht nur wegen der Aufregung so schnell. Nein, es reagierte nach wie vor so stark auf die bloße Anwesenheit von Carlisle, wofür ich es geradezu verfluchte. Er war ein Vampir, verdammt nochmal. Ich durfte nicht so für ihn empfinden und musste meine Gefühle um jeden Preis wieder loswerden.
Carlisle ließ sich jedoch nicht so einfach vertreiben, denn er kam zögerlich auf mich zu, woraufhin ich mich noch enger gegen die Tür presste und er versuchte noch immer, beruhigend auf mich einzureden.
,,Es ist nicht so wie du denkst, Alena. Ich kann deinen Zorn verstehen, aber du brauchst keine Angst vor mir zu haben. Ich würde dir doch niemals etwas tun."
Ich schnaubte verächtlich. ,,Das würde jeder Vampir sagen und jetzt geh! Bevor ich mich vergesse und die Inneneinrichtung demoliere, indem ich dich im hohen Bogen eigenhändig rauswerfe!"
Alles in mir tobte und dennoch überwog ein Gefühl selbst meine immense Wut und das war die unendliche Enttäuschung, die mich nun innerlich förmlich zerriss und sich einen Konflikt mit meiner aufkeimenden Verzweiflung lieferte. Seit der ersten Begegnung hatte ich Carlisle nicht vergessen können und selbst jetzt, wo er direkt vor mir stand, konnte ich nicht leugnen, dass sich alles in mir nach ihm verzehrte. Ich konnte vor allem unseren Kuss von vorhin nicht aus meinen Gedanken verbannen, der mich wie ein flammendes Inferno förmlich zu neuem Leben erweckt hatte. Solch eine Mischung aus Sanftmut und Leidenschaft hatte ich noch nie verspürt, was nur dazu führte, dass ich mich nach mehr sehnte. Doch verbot ich mir jeden Gedanken daran, denn ich würde ihm nie wieder zu nahe kommen. Niemals wieder.
Die gold-braunen Augen von Carlisle, die mich mit ihrem Funkeln einmal mehr drohten in ihren magischen Bann zu ziehen, waren nun erfüllt von Verzweiflung und ich konnte ihm ansehen, dass meine Reaktion ihn schrecklich quälte, was mich ein wenig stutzig machte. Entweder zeigte er wirklich Bedauern diesbezüglich oder er war einfach ein herausragender Schauspieler.
,,Alena, es tut mir schrecklich leid und ich wollte bestimmt nicht, dass du es so erfährst, aber du musst mir glauben. Ich könnte dich niemals verletzen und ich habe schon die ganze Zeit versucht, es dir irgendwie zu sagen. Nur wusste ich einfach nicht wie. Meine Familie..."
,,Oh, mein Gott!", platzte es aus mir heraus, da mir eine schreckliche Tatsache bewusst wurde. ,,Deine ganze Familie besteht aus Vampiren! Ihr seid ein verfluchter Clan! Wie konnte ich nur so blind sein? Ich hätte es erkennen müssen. Was bin ich nur für eine Idiotin?!"
Ich fuhr mir durch die Haare und verlor langsam aber sicher die Nerven. Carlisle warf einen niedergeschlagenen Blick auf mich, schien jedoch zu erkennen, dass ich seine Gegenwart jetzt einfach nicht ertrug. Denn er wich langsam vor mir zurück in Richtung Fenster, hielt seinen Blick jedoch weiterhin auf mich gerichtet.
,,Ich werde gehen, Alena. Aber bitte, gib mir die Chance es dir zu erklären und zu beweisen, dass weder ich noch meine Familie eine Bedrohung darstellen." Er zog einen Zettel aus seiner Jackentasche und legte ihn auf meinem Schreibtisch ab. ,,Das ist unsere Adresse. Komm zu unserem Haus und ich werde dir alles erklären. Aber wenn du nicht kommst, werde ich dir nie wieder unter die Augen treten. Versprochen. Nur sollst du eins wissen: meine Gefühle für dich sind echt. Ich habe nicht gelogen und könnte dir niemals wehtun. Es tut mir leid."
Mit diesen Worten verschwand Carlisle und ich blieb allein zurück, was allerdings nur dazu führte, dass ich nun doch zusammenbrach und verzweifelt aufschluchzte. Ich schlug mir die Handflächen vors Gesicht, als die Tränen aus mir herausbrachen und ich von meinen Gefühlen überwältigt wurde.
Carlisle war fort, ganz wie ich es von ihm verlangt hatte, doch dadurch hatte er mir auch förmlich das Herz gebrochen. Denn es hatte die schreckliche Erkenntnis von mir in die brutale Realität verwandelt, was mir fast die Luft zum Atmen raubte und ich hatte das Gefühl, dass ich die Wahrheit kaum ertragen konnte. Wie sollte ich auch? Der Mann, in den ich mich Hals über Kopf verliebt hatte, war ein Vampir und ich konnte immer noch nicht glauben, dass ich sämtliche Anzeichen diesbezüglich so lange ignoriert hatte.
Ich weinte bitterlich. Nicht nur, weil ich die Wahrheit viel zu spät erkannt hatte, sondern weil sie mir schrecklich weh tat. Carlisle hatte schon solch starke Gefühle in mir entfacht, dass sie alles andere überwogen und ich sah ihn noch immer vor mir, obwohl er gegangen war.
Was sollte ich nur tun? Mein Instinkt als Jägerin führte mir direkt vor Augen, dass es meine Pflicht war, jeden Vampir zu vernichten. Doch selbst wenn ich es versuchen würde, könnte ich es unmöglich allein mit einem ganzen Clan aufnehmen. Dazu reichten selbst meine Fähigkeiten nicht aus. Und davon abgesehen wusste ich nicht einmal, ob ich es über mich bringen konnte.
Könnte ich Carlisle wirklich töten, wenn es drauf ankam? Obwohl ich sein Geheimnis inzwischen erkannt hatte, sah ich ihn keineswegs als Vampir, sondern als den mitfühlenden Arzt, dem ich im Krankenhaus zum ersten Mal begegnet und augenblicklich verfallen war. Mein Herz hatte ich von Anfang an unwiederbringlich an ihn verloren und jetzt entpuppte sich der Mann, den ich insgeheim liebte, als Vampir.
Ich war am Boden zerstört und vollkommen verzweifelt. Wusste einfach nicht, was ich denken, tun oder fühlen sollte, da mir die Wahrheit buchstäblich den Boden unter meinen Füßen weggezogen hatte. Alles in mir schien wie ein Spiegel in tausend Splitter zerschlagen worden zu sein und ich war zum ersten Mal froh, dass sich mein Bruder gerade nicht in Forks befand.
Wenn Alex wüsste, was sich hier abgespielt hatte und was Carlisle war, dann würde er keine Sekunde zögern und ihn töten, denn mein Bruder war durch und durch ein Jäger. Für ihn zählte nicht, ob der Vampir nett war oder scheinbar friedlich wirkte, er würde kurzen Prozess machen und ihn vernichten. Weil uns genau dies in der Ausbildung beigebracht wurde. Uns wurde von Anfang an eingetrichtert, dass man Vampiren auf gar keinen Fall trauen durfte, weil sie alle möglichen Tricks anwandten, um das Vertrauen von Menschen zu gewinnen, nur um sie dann heimtücksch ermorden zu können. Es war laut unseren Ausbildern die Freude an der Jagd, was die Blutsauger so gefährlich machte und dennoch kollidierte es mit dem, was ich bislang bei Carlisle gesehen hatte.
Er hätte durchaus die Möglichkeit gehabt mich zu töten. Mehrere Male und auch eben hier in meinem Zimmer, wäre es bestimmt ein Leichtes für ihn gewesen, mich zu überwältigen, da ich durch meinen emotionalen Ausnahmezustand keineswegs komplett einsatzfähig gewesen wäre. Doch er hatte es nicht einmal versucht und stattdessen unendlich verzweifelt gewirkt, weil ich so verschreckt und abwehrend reagiert hatte. Und er hatte beteuert, dass er mich niemals verletzen würde. Doch konnte ich ihm das glauben?
Mein Herz schrie eindeutig ja, doch mein Verstand versuchte mir vor Augen zu führen, was es für Konsequenzen mit sich bringen könnte, wenn ich es wirklich tat. Und dennoch wanderte mein Blick wie selbst zum Schreibtisch, wo Carlisle den Zettel mit seiner Adresse abgelegt hatte, bevor er verschwunden war. Mit der Bitte, ihn mir alles erklären zu lassen.
Mit Mühe kämpfte ich mich wieder auf die Beine, wobei mein ganzer Körper noch immer bebte und die Tränen nach wie vor über meine Wangen liefen. Wie in Trance näherte ich mich langsam dem Schreibtisch und sah auf den Zettel, wo in feinen Linien eine Adresse aufgeschrieben worden war. Und allein der Anblick seiner Handschrift sorgte fast dafür, dass ich einen weiteren Zusammenbruch erlitt, was jedoch von einem Klopfen an meiner Zimmertür vereitelt wurde. Bevor ich etwas sagen konnte, öffnete sie sich und Elysia trat herein.
Hastig wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht und bemühte mich, möglichst normal zu bleiben, doch der Blick meiner Tante sprach Bände und sie hatte längst erkannt, dass ich mich gerade in einem Ausnahmezustand befand.
,,Alena, was ist passiert? Und bitte, sag mir die Wahrheit, denn es muss ernst sein, wenn es dich so sehr aus der Fassung bringt."
Ihre ruhige Stimme sorgte irgendwie dafür, dass ich meine Fassung tatsächlich langsam wiederfand, obgleich ich nach wie vor stark unter Schock stand. Nur hatte ich nicht die geringste Ahnung, wie ich meiner Tante das alles erklären sollte. Was würde sie davon halten, wenn ich ihr offenbarte, dass ich eine Jägerin war, die sich Hals über Kopf in einen Vampir verliebt hatte? Sie würde mich für verrückt halten und höchstwahrscheinlich einweisen lassen.
Hilfesuchend rang ich mit mir. Versuchte die richtigen Worte zu finden, als meine Tante mich prüfend musterte und eine erste Vermutung aussprach.
,,Hat es was mit Carlisle zu tun?"
Volltreffer. Mal wieder schien Elysia genau zu wissen, dass ihr behandelnder Arzt der Grund für meinen emotionalen Ausbruch war. Aber im Grunde besaß sie ja die gleiche gute Auffassungsgabe wie ich, wenn man mal davon absah, dass ich Carlisle lange nicht als Vampir identifiziert hatte. Aber wahrscheinlich hatten mir meine Gefühle wirklich den Blick aufs Wesentliche verwehrt und mich stattdessen nur das sehen lassen, was ich auch sehen wollte.
,,Ja.", erwiderte ich schließlich und der Blick von Elysia wurde mitfühlend.
,,Hat er irgendwas gesagt oder getan, was dich verletzt hat?"
Ich schüttelte kaum merklich den Kopf. ,,Selbst wenn ich es dir sagen würde, du würdest mir niemals glauben, Elysia."
,,Versuch es doch einfach."
Meine Tante sah mich erwartungsvoll an und sie würde wohl nicht gehen, ehe ich ihr nicht eine glaubwürdige Erklärung für all das geliefert hatte. Und obwohl ich mit Alex ja eigentlich vereinbart hatte, dass Elysia nichts von unserer wahren Vergangenheit erfahren sollte, so wollte ich ihr auch nicht länger etwas vormachen und womöglich war sie so ziemlich die einzige Person, der ich mich diesbezüglich anvertrauen konnte. Immerhin hatte Elysia stets ein offenes Ohr für mich gehabt und auch versucht, mich und Carlisle einander näher zu bringen. Wenn ich Glück hatte, glaubte sie mir und verurteilte mich nicht dafür, Gefühle für einen Vampir entwickelt zu haben.
Mit einem tiefen Atemzug sprang ich schließlich über meinen Schatten und beschloss, Elysia die ganze Wahrheit zu sagen. ,,Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll. Du solltest zunächst erst einmal etwas wissen, was Alex und mich betrifft. Wir sind nicht in einem normalen Internat für Waisenkinder aufgewachsen, Elysia. Es ist vielmehr eine Akademie und dort wurden wir ausgebildet. Mein Bruder und ich...wir sind...Vampirjäger."
So, jetzt war es raus. Voller Anspannung sah ich zu Elysia, die mir schweigsam zugehört hatte und mich nun eingehend musterte. Das verunsicherte mich, da ich keine Ahnung hatte, was in ihrem Kopf gerade vor sich ging und sie von dieser Aussage hielt. Ich sah mich schon in den Fängen einer psychiatrischen Nervenheilanstalt gefangen, in welche sie mich schicken würde, weil ich in ihren Augen offenkundig den Verstand verloren haben musste.
Doch Elysia seufzte mit einem Mal auf und nickte kaum merklich. ,,Das habe ich mir schon fast gedacht."
Ich blinzelte leicht verwirrt und glaubte, mich verhört zu haben, als meine Tante auch schon fortfuhr.
,,Glaub mir, Alena. Ich bin nicht so naiv, wie ich vielleicht aussehe. Dass dein Bruder immerzu verschwindet und mehr Zeit außerhalb von Forks verbringt, hat mich von Anfang an stutzig gemacht und ich wusste schon immer, dass es naheliegend ist, dass ihr beide in die Fußstapfen eurer Eltern tretet. Ich habe nur nichts gesagt, weil ich es euch selbst überlassen wollte, mir die Wahrheit zu sagen."
Nun war ich endgültig sprachlos. Meine Tante wusste, was Alex und ich waren? Sie kannte unser Geheimnis und das schon die ganze Zeit über. Das kam jetzt wirklich überraschend, obwohl es gleichzeitig auch ihr Verhalten in manchen Situationen erklärte. Immerhin hatte sie mir ab und zu solche merkwürdigen Blicke zugeworfen, als wüsste sie ganz genau, was ich nun vorhatte und auch meine Verletzung, welche ich von dem Kampf mit den beiden Vampiren davongetragen hatte, hatte sie gar nicht groß hinterfragt. Sie hatte nur Carlisle darüber informiert und ihn gebeten, sie zu behandeln. Was mich etwas vermuten ließ, das ich unbedingt wissen musste.
Zögerlich blickte ich zu ihr und rang mit mir, bevor ich die Frage stellte. ,,Wie viel weißt du noch?"
,,Du solltest schon etwas präziser werden, Alena."
,,Was weißt du über Carlisle und seine Familie?"
Ich wusste nicht einmal weshalb ich annahm, Elysia könnte irgendwas über die Cullens wissen, doch mein Gefühl sagte es mir und das hatte sich eigentlich noch nie getäuscht. Und meine Tante verzog keine Miene, als sie mit den Schultern zuckte und mir endlich die ersehnte Antwort gab.
,,Falls du wissen willst, ob ich ihr Geheimnis kenne, lautet die Antwort Ja. Ich weiß, was sie sind. Das wusste ich schon die ganze Zeit über."
Erneut schaffte es Elysia, mich sprachlos zu machen. Obwohl es mich gar nicht mehr umhauen sollte, denn immerhin hatte sie auch die ganze Zeit über gewusst, dass Alex und ich Vampirjäger waren. Doch ließ mich ihr Geständnis alles aus einem anderen Blickwinkel betrachten, denn es traten einige neue Fragen auf und ich versuchte, die Zusammenhänge dazwischen zu erkennen.
,,Moment mal, du wusstest die ganze Zeit über, dass die Cullens Vampire sind und hast dich trotzdem von Carlisle behandeln lassen? Hast ihm Zutritt zu deinem Haus gewährt und dabei einfach das Risiko ignoriert, dass er jederzeit über dich herfallen könnte?", brachte ich hervor, doch Elysia sah mich ernst an.
,,Er wäre nicht über mich hergefallen, denn er und seine Familie sind nicht wie die anderen Vampire. Hat er dir denn gar nicht gesagt, dass sie sich ausschließlich von Tierblut ernähren?"
Sie klang so überrascht, während mich die neueste Offenbarung wie ein Blitzschlag traf. War das etwa das gewesen, was Carlisle mir vorhin so verzweifelt versucht hatte klarzumachen? Dass er gar nicht darauf aus gewesen war mein Blut zu trinken, sondern wirklich gute Absichten hegte? Ich würde es wahrscheinlich strikt leugnen, wenn mir nicht ein bedeutsames Detail wieder in den Sinn kam.
Seine Augen. Sie waren von Anfang an das faszinierendste Merkmal an ihm für mich gewesen und da ich ihm die Erklärung bezüglich des seltenen Gendefekts restlos abgekauft hatte, hatte ich es auch nicht länger hinterfragt. Denn alle Vampire, denen ich bislang begegnet war, hatten die typischen blutroten Augen gehabt. Doch Carlisle hatte gold-braune und das höchstwahrscheinlich, weil er sich nur vom Blut der Tiere ernährte. Doch wenn das wirklich stimmte, dann hatte ich vorhin vollkommen überreagiert und ihn viel zu schnell verurteilt.
,,Oh, nein!", brachte ich hervor und begann unruhig durchs Zimmer zu laufen. ,,Er war hier. Elysia, er hat vorhin versucht mir alles zu erklären und ich habe ihn einfach rausgeworfen. Aber ich wusste einfach nicht, was ich tun soll und war so durcheinander. Ich meine, erst küssen wir uns und dann finde ich raus, dass er ein Vampir ist. Das ist alles einfach..."
Ich war vollkommen durch den Wind und meine Gefühle waren, wie auch schon die ganze Zeit über, ein einziges Chaos. Doch Elysia sah, zu meiner Verwunderung, keineswegs schockiert, sondern eher...zufrieden aus. Ihr Blick wirkte geradezu erleichtert, was ich nicht ganz deuten konnte und sie verschränkte die Arme vor der Brust, als sie doch tatsächlich ein wenig neckisch auf mich blickte. ,,Soso. Geküsst also, ja? Dann hatte ich also doch recht und ihr beide seid euch näher gekommen."
Fassungslos starrte ich sie an. ,,Könnten wir bitte nochmal zu dem Detail zurückkehren, dass Carlisle ein Vampir ist? Hast du das schon wieder vergessen?"
,,Nein, keineswegs. Aber dir ist doch sicher auch aufgefallen, dass von ihm keinerlei Gefahr ausgeht. Denn wenn die Wahrheit um Carlisle, all dein Vertrauen in ihn vollkommen zerstört hätte, dann hättest du nach seinem „Besuch" doch umgehend dein Fenster geschlossen."
Perplex sah ich zu dem Fenster, welches noch immer offen war und durch das Carlisle vorhin verschwunden war. Mir war schleierhaft, wie mir dieses Detail entgehen konnte, zumal ich überhaupt gar keinen Gedanken daran verschwendet hatte, dass Carlisle zurückkehren könnte. Nein. Ich hatte ihm vorhin tatsächlich geglaubt, dass er sein Versprechen halten und mir nie wieder unter die Augen treten würde, sollte ich das wollen und das ließ mich erkennen, dass meine Tante vollkommen recht hatte. Die Wahrheit über Carlisle hatte mich erschüttert und dennoch nicht mein ganzes Vertrauen zu ihm ausgemerzt, was entweder ein sehr gutes oder aber unglaublich schlechtes Zeichen war.
Elysia beobachtete mich, als ich mich nun auf meinem Bett niederließ und gedankenverloren vor mich hinstarrte. Was sollte ich jetzt nur tun? Ich befand mich eindeutig in einem Zwiespalt und hatte keine Ahnung, wie ich eine Lösung für mein Problem finden sollte. Meine Tante setzte sich neben mich und legte mir einen Arm um die Schultern, während sie ruhig und verständnisvoll versuchte, mir einen Ratschlag zu erteilen. ,,Alena, hör mal zu. Ich kann verstehen, dass dich die Wahrheit erschreckt hat und das ist keineswegs überraschend, weil du dein ganzes Leben damit verbracht hast, Vampire zu jagen und sie somit als deine Feinde zu erachten. Aber ich glaube, dir war im Grunde von Anfang an klar, was Carlisle ist und du hast dennoch zugelassen, dass eine Art Bindung zwischen euch entsteht. Du hast ihm von Anfang an vertraut, weil du etwas für ihn empfindest und du tust es noch immer. Ihm scheint es ohne Zweifel genauso zu gehen, denn sonst hätte er sicher nicht so verzweifelt versucht, dir alles zu erklären. Und wenn du mich fragst, dann war es keineswegs ein Zufall, dass ihr euch begegnet seid. Vielleicht war dir niemals ein Leben als Jägerin bestimmt, sondern vielmehr das hier. Ein Neuanfang in Forks, der dich zu jener Person führt, die dein Leben grundlegend verändern könnte."
Da ich nicht wusste, was ich darauf erwidern sollte, schwieg ich und dachte stattdessen ausführlich über die Worte von Elysia nach. Könnte es wirklich so sein? Dass Carlisle und ich uns nicht zufällig über den Weg gelaufen waren, sondern mich mein ganzes Leben im Grunde nur zu diesem einen Moment geführt hatte? Bisher hatte ich der möglichen Existenz eines Schicksals immer skeptisch gegenüber gestanden, doch langsam begann alles für mich einen Sinn zu ergeben.
Der tragische Tod meiner Eltern hatte dazu geführt, dass ich von der mystischen Welt erfuhr und ein Teil von ihr wurde. Die Ausbildung zu einer Jägerin hatte mich dann, ob ich wollte oder nicht, stärker gemacht und mein Entschluss, dieses Leben hinter mir zu lassen und zu Elysia zu ziehen, hatte mich direkt zu Carlisle geführt. Dass ich mich dadurch in einen Vampir verlieben würde, hätte ich unmöglich vorhersehen können und dennoch hatte ich es vorbehaltlos getan.
Carlisle Cullen hatte mir von Anfang an mein Herz gestohlen, so viel war schon mal sicher und obwohl er womöglich ahnte, was ich war, hatte er mir dennoch die Chance gegeben, mich ihm anzunähern und mir dadurch sein Vertrauen geschenkt. War es dann nicht nur fair, dass ich mir zumindest seine Seite anhörte und ihm dadurch die Möglichkeit gab, mir alles zu erklären?
Elysia strich mir ein wenig über den linken Arm und schien zu ahnen, dass ich eine Entscheidung getroffen hatte. ,,Was willst du jetzt tun?", fragte sie und ich nahm einen tiefen Atemzug, ehe ich mich zu einem Lächeln durchrang und sie vielsagend ansah.
,,Deinen Rat beherzigen und meinem Gefühl vertrauen. Ich werde nochmal mit Carlisle reden und mir seine Seite anhören. Und wer weiß, vielleicht eröffnet uns dieses Gespräch ja auch, was das Schicksal mit uns beiden vorhat. Obwohl ich mich immer noch frage, weshalb ausgerechnet ein Vampir und eine Jägerin dazu bestimmt sein sollten, sich zu begegnen. Wie kann das eine willentliche Fügung des Schicksals sein, Elysia?"
Darauf hatte meine Tante keine Antwort oder aber, sie verriet sie mir einfach nicht. Zumindest fühlte ich mich etwas besser nach dem Gespräch mit ihr und hielt an meinem Entschluss fest. Ich würde noch einmal mit Carlisle sprechen und hoffentlich dann entscheiden können, wie es für uns beide weitergehen sollte.
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