Nachteinbruch
Langsam öffnen sich meine Augen. Ich brauche einige Augenblicke, um mich der noch immer gleichgebliebenen Situation zu vergewissern. Noch immer stehend. Mir gegenüber erblicke ich die reglos im sitzen verharrende Gestalt meines Entführers. An exakt gleichgebliebener Position beobachtet mich Nox stumm. Merkwürdige und sinnlos anmutende Seufzgeräusche meinerseits. Etwas schwermütiger, als mir lieb ist, hebe ich meinen Kopf, bis ich meinen Entführer geradewegs in die Augen schauen kann. Er ist niemand, der mit roher Gewalt, oder Drohungen arbeiten muss, um seine momentane Überlegenheit zu untermauern. Seine Ausstrahlung übernimmt dies für ihn. Dennoch... Wenn dies nicht einmal zu seinem Untergang wird. Meine geistige Kraft fühlt sich vernebelt an. Ich kann sie nicht fokussieren. Die letzte Dosis ist effektiver gewesen, als die davor. Er hat mitgedacht.
„Sind Sie eigentlich auf alle Eventualitäten vorbereitet?", frage ich ihn interessiert und schaue ihm direkt in seine eisblauen Augen. Man muss keine Emotionen fühlen, oder in sonstigerweise über empathischer Fähigkeiten verfügen, um die Kälte seiner Augen erahnen zu können.
Seine schmalen Lippen verziehen sich zu einem dünnen Grinsen.
„Halten Sie mich für einen Anfänger?", erwidert mein Gegenüber in einem leicht amüsierten Tonfall. Dass er noch immer versucht mich zu einer Gefühlsregung zu animieren ist jenseits jeder Logik. Ob ich eine simulieren sollte? Nein. Wozu auch. Ich starre ihn, ohne zu blinzeln an und er hält meinem Blick mit Leichtigkeit stand.
"Alles andere als das. Nur kenne ich diejenigen, die mich hier herausholen werden besser, als Sie. Ich versuche lediglich zu vergleichen, wer die besseren Chancen inne hat.", antworte ich wahrheitsgemäß und ein weiteres Mal, mustere ich Nox von oben bis unten. Einige Zeit lang herrscht Stille. Mein irrwitzig großer Entführer mit dem asketischen Gesicht scheint über eine Antwort zu sinnen. Oder er wartet einfach nur auf den richtigen, passenden Moment, um seiner Antwort Ausdruck zu verleihen.
"Sie scheinen sich Ihrer Rettung bewundernswert sicher zu sein. Ich hoffe, die Enttäuschung ist nicht allzu groß, wenn ein möglicher Versuch in diese Richtung scheitert. Obwohl ich gestehen muss, dass ein kleines Intermezzo mit Ihren "Freunden" gewiss eine angenehme Abwechslung in diesem Auftrag darstellen könnte.", beginnt mein Entführer beinahe theatralisch zu seufzen, ehe er mich herablassend angrinst."Sehen Sie, die Realität stellt sich nur allzu oft als enttäuschend heraus. Man beschrieb Sie als "schwierige Persönlichkeit" und "Herausforderung", doch habe ich bisher nicht viel herausforderndes von Ihrer "schwierigen Persönlichkeit" kennenlernen können.", beendet Nox seinen Monolog,während er beiläufig per Handgestik seine Aussagen untermauert. Wahrscheinlich gehört dies zu den Momenten, in denen seine Opfer provoziert werden. Er will testen, ob ich reizbar bin. Manchmal frage ich mich, warum Menschen nicht imstande sind, richtig zuzuhören. Würde vieles einfacher werden lassen.
„Ihre Versuche mir eine empörte Reaktion hervorzulocken in allen Ehren. Ich sehe für Sie momentan lediglich keinerlei Möglichkeit, diese Situation lebendig zu verlassen.", antworte ich ihm in aller Sachlichkeit. Minuten verstreichen, ohne dass Nox eine Reaktion verlauten lässt. Er wird zwar seine Hausaufgaben gemacht haben, doch kann er nicht wissen, dass ich wieder mit ihm in Kontakt stehe.
"Ich hoffe für Sie, dass derjenige auf den Sie zählen auch hält, was Sie mir versprechen. Ansonsten wird dieser Auftrag noch so eintönig, dass ich gezwungen bin mir "andere" Wege der Zerstreuung zu suchen.", erwidert er letztendlich und lässt seinen Blick unheilvoll über meinen Körper wandern. Die meisten seiner Gefangenen würden vermutlich nun Angst verspüren und es wäre ihnen nicht zu verdenken. Wenn er dies mit mir anzustellen gedenkt, dann würde die Begegnung mit Sleepless für ihn einem einseitig tödlichem Massaker gleichen.
Sichtwechsel: Sleepless
„Bloody Mary.", bestelle ich knapp bei dem Barkeeper. Stammbar bei Nacht. Übliches Klientel innerhalb üblicher Einrichtung, getränkt mit dem üblichen Geruchsgemischkotzreiz. Alkohol. Billiges, vor Fett triefendes Fritteusenekelfressen. Allerlei Rauchkollaborationen aus Zigarette, Zigarren und Joints. Pisse. Kotze und schlimmeres. Kann einen stadtbekannten Gangboss erkennen. Sein Blick trifft meinen verschiedenfarbigen. Er erhebt sein Bierglas und prostet mir zu. Kurz zuckt sein linkes Augenglied. Ein Zeichen von Nervosität. Interessant, dass selbst jemand mächtiges wie er unruhig wird, wenn er mich sieht. Geil, wenn der Name etwas bedeutet. Hätte ich mir früher nicht träumen lassen können. Fünf Drogendealer. Zwei Söldner, die mich immer wieder mit nervösen Seitenblickstichen töten wollen. Wissen, dass sie es besser nicht darauf ankommen lassen sollten. Zwei Nutten, die ihrem klischeepelztragenden Möchtegern-SnoopDogg-Verschnitt von Zuhälter Geld in nem Umschlag überreichen. Und allerlei anderes Gesindel, die wahrscheinlich auf der Durchreise sind. Alles in allem: Das Übliche an Gesocks.
Klirren auf dem Tisch vor mir. Rotes, nach Tomaten schmeckendes, im Hals brennendes Goldgift. Jeder Schluck eine Lebensverkürzung. Als würde ich alt werden wollen. Leere mit einem kräftigen Schluck die Hälfte des Glases.
„Geile Scheiße.", seufze ich, als ich den Weg des Tomatencocktails durch meine Speiseröhre in den Magen mitfühlen kann.
Nachdem ich alles auf mich habe wirken lassen, katapultieren mich meine Gedanken schonungslos zu Sunny zurück. Sorge breitet sich wieder in mir aus. Bin darauf angewiesen, dass Einauge schnellstmöglich mit verdammten Antworten zurückkehrt. In letzter Zeit wirkt er sowieso etwas ernster. Als würde er Lasten mit sich tragen, die sein Kaliber bei Weitem übersteigen. Seltsamer Vogel. Aber ein Verlässlicher.
„Was machst du, wenn du weißt, wo sich Sunny aufhält?", fragt mich Lars' Stimme in meinem Kopf und klingt dabei noch weinerlicher, als sonst.
„Was glaubst du denn.", beginne ich leise zu murren und nehme noch einen Hieb meines roten Drinks.
„Werde den Ort stürmen, Sunny da rausholen und den Hurensohn töten, der es gewagt hat sie zu entführen."
Kann Lars' Unmut beinahe schmecken. Versaut mir den würzigen Geschmack meines Drinks. Triebgesteuertes Lass-Uns-Vögeln-Gepfeife reißt mich aus den Gedanken. Sofort wandert mein Blick zu einigen Kleinkriminellen, dessen Augen auf den Bareingang hinter mich gerichtet sind. Regelmäßiges, langsames Klacken von hohen Absätzen auf Parkettboden. Habe das ungute Gefühl, dass es schon wieder irgendetwas mit mir zu tun haben wird. Langsam schließe ich meine Augen. Greife mir entnervt an die Schläfe.
Ein paar „Hey Baby" und „Komm doch lieber zu uns" Rufe von dem libidozerfressenden Penishirnen.
„Ich darf doch?", haucht eine mir unangenehm vertraute Stimme, direkt zu meiner Rechten. Unangenehme Gänsehaut als Reaktion innerlicher Abscheu. Ohne eine Reaktion abzuwarten, nimmt eine schlanke, aufdringlich erotisch wirken wollende Frau auf dem Barstuhl rechts von mir Platz.
Bin mir nicht sicher, ob entweder der schwarz-rot gefärbte Sidecut, oder der tiefe Ausschnitt des enganliegenden Tops der größere Blickfang ist. Blaue Augen, die ohne zu blinzeln, in meine unterschiedlich farbigen einzustechen versuchen. Neuerdings gehört auch ein bullenringartiges Nasenpiercing zum Kuriositätenkabinett, dass sie „Gesicht" schimpft. Werde mir schnell vollends Ihrer bewusst. Brauche keine fünf Sekunden. Mein Skalpell droht mit ihrem Kehlinneren Bekanntschaft zu schließen.
„Sag mir, wo Sunny ist, Honey.", knurre ich mit knirschenden Zähnen. Zu mir hat sich die Anführerin des Purgatoriums gesellt, mit welcher ich bereits auf der Gala zu tun gehabt habe. Meine Hauptverdächtige. Sie hat den Namen des Entführers genannt. Gewusst, was vor sich geht. Habe dieses unverkennbare Bauchgefühl, dass sie für das alles verantwortlich sein muss.
Bargespräche verstummen. Bin mal wieder der Mittelpunkt der Szenerie. Ist man hier eh nicht anders gewohnt. Sämtliche Augenpaare gefesselt von meiner Aktion. In Erwartung einer Zurschaustellung neuer Grausamkeiten.
„Hui.", beginnt mein potentielles Opfer mit amüsiertem Gesichtsausdruck. Das Blickgefecht gegen mich weiterhin austragend.
„Du kommst aber schnell zum Punkt. Hoffentlich nicht in allen Belangen des Lebens. Wäre doch äußerst... unbefriedi-"
„Hebe dir dein Sexgerede für jemand anderen auf. Habe dir eine ganz einfache Aufgabe gestellt, Schlampe.", blaffe ich und fletsche meine Zähne. Will ihr scheiß Blut am liebsten jetzt schon in dieser Bar verteilen. Muss große Bemühungen aufbringen, um mich zurückzuhalten. Die Freizügige kichert lediglich erheitert. Belächelt mich. Großer Fehler. Beweismittel A: Meine Faust, die ihr Fickgesicht mittels hartem Hieb, fast gegen den Tisch knallen lässt. Einige Barkerle sind aufgesprungen. Reflex? Können sie es nicht mit ansehen, wenn eine gefährliche Frau geschlagen wird?
„Rede!", werde ich allmählich lauter. Verpasse ihr gleich noch einen Fausthieb zur Verdeutlichung. Herzhaftes Gelächter resultiert aus meiner Gewalt. Wenn ihr Blick nicht ohnehin bereits lüstern sein kann, scheint dieser mich gerade vor Begierde verzehren zu wollen. Will sie mich verarschen!? Okay. Dann die harte Tour. Gerade, als ich loslegen will, spüre ich eine unaushaltbare Hitze in meiner Skalpellhand. Lasse reflexartig die Klinge fallen. Schmerz bleibt bestehen. Flüssiges Metall dort, wo eben noch das Skalpell in meiner Hand gewesen ist. Stoße einen erstickten Schmerzensschrei aus. Versuche mir die Scheiße von der Hand zu wischen. Dauert einige Momente, ehe ich es unter dem Lachkrampf der Schlampe geschafft habe.
„Viel zu heiß für dich? Keine Sorge. Ich kann die Temperatur so steuern, dass sie nicht deine Hand zersetzt. Du könntest sie ja noch für abendliche Beschäftigungen brauchen. Wobei ich dir da gerne aushelfen kann.", kommentiert Honey in belustigtem Tonfall. Erinnere mich. Sie hat beim letzten Mal zwei Kerle wortwörtlich dahinschmelzen lassen. Sie wird mich nicht wieder so nah an sich heranlassen. Allein letztes Mal ist sie sich meiner Kraft bereits bewusst gewesen. Alles, was ich nun zu Rate ziehen würde, um sie zu bekämpfen, würde sie sofort schmelzen lassen. Dazu muss sie es nicht einmal berühren. Momentan habe ich keine Möglichkeit, sie zu bekämpfen. Knirsche kurz mit den Zähnen, dann kehre ich widerwillig auf meinen Stuhl zurück und lasse mich auf diesen nieder.
„Du bist zu mir gekommen. Was willst du von mir, Honey?", frage ich, mich selbst nur mit Mühen wieder herunterregulierend. Keine Worte sind nötig, um die Situation zu erklären. Bin mir ziemlich sicher, dass Honey genau weiß, welche Gedanken mir eben noch durch den Kopf gegangen sind. Die attraktive Frau lehnt sich zurück und ordert den noch immer starrenden Barkeeper mittels Fingerschnippen zu uns an den Tisch.
„Eine neue Bloody Mary für meinen Hübschen und für mich einen Gintonic. Danke mein Schöner.", sagt Honey, den Barkeeper über ihre Schulter hinweg anblickend. Dann wendet sie sich mir zu.
„Bevor wir dieses eigentliche Gespräch beginnen, musst du dir einer Tatsache unwiderruflich bewusst werden. Ich bin nicht für die Entführung Sunnys durch Nox verantwortlich.", beginnt Honey mit einer Ernsthaftigkeit, die ich ihr nicht zugetraut habe. Etwas in ihrer jetzigen Art bereitet mir starkes Unwohlsein. Bin dennoch nicht überzeugt. Verschränke meine Arme und hebe eine meiner Augenbrauen.
„Du wirst verstehen, dass ich dir nicht glaube. Bin mir über eure Absichten mit Sunny durchaus bewusst.", erwidere ich angriffslustig. Sie lächelt nicht mehr.
„Natürlich benötigen wir sie zur Durchführung unserer Pläne. Und wir wollten sie auch entführen. Aber denk einmal richtig nach, Sleepless. Glaubst du wirklich, dass ein Syndikat wie das von Einauge, oder meinem Schattensyndikat einen außenstehenden Auftragsmörder braucht?", argumentiert Honey, die elegant an dem eben servierten Gintonic nippt. Ergibt Sinn. Doch eine Sache daran stört mich noch immer.
„Woher wusstest du dann-"
„Dass Nox sich Sunny geschnappt hat? Das Schattensyndikat beobachtet die Aktivitäten sämtlicher „interessanter" Gestalten. Das schließt auch dich mit ein. Wir wissen immer wo wer ist. Was wer macht. Und so weiter.", erklärt die Anführerin des Purgatoriums geduldig. Hat dabei ihre sämtliche vorherige Art abgelegt. Dachte mir schon, dass dieses aufgeilende nur ihre bescheuerte Fassade darstellt. Kann nicht erklären warum, aber ich glaube ihr. Das wirft aber alles, was ich an Vermutungen gehabt habe, völlig über den Haufen. War so sehr in das Gespräch vertieft, dass ich nicht mitbekommen habe, dass die Bar wieder in ihren vorherigen Normalzustand an Konversationsgemisch zurückgekehrt ist.
Nehme einen großen Schluck aus der neuen Bloody Mary.
„Gut. Keine Ahnung warum, aber ich glaube dir. Nicht zu hundert Prozent. Aber fürs erste. Lass es mich nicht bereuen, oder ich schwöre, dass ich deinen libidoversifften Arsch jagen werde.", knurre ich, sie von oben bis unten musternd. Sie lächelt wieder in ihrer üblichen Art und Weise. Prostet mir zu und nimmt einen weiteren Schluck.
„So.", beginnt sie und stellt den Drink sachte vor sich, auf den Tisch. Gebe ihr all meine Aufmerksamkeit.
„Nun, da wir das geklärt haben, lass mich dir sagen, weshalb ich wirklich hier bin."
„Bin ganz Ohr."
Honey lehnt sich zu mir vor, sodass fast ihre gesamte, üppige Oberweite sichtbar wird. Mit sanften Worten, spricht sie „Ich weiß, wo sich Nox mit Sunny befindet."
Meine Augen weiten sich. Herz nimmt an Geschwindigkeit.
Sichtwechsel: Sunny
Etwas schwermütiger, als mir lieb ist, gelingt es mir, meine Augen offen zu halten. Die letzte Dosis von Nox' Spritze wirkt noch immer. Obgleich ich das Gefühl habe, jegliches Zeitgefühl allmählich verloren zu haben, weiß ich mit ziemlicher Sicherheit, dass die letzte Injektion keine Stunde her ist. Die Tür zu dem Ort meiner gefühlt zeitlosen Gefangenschaft öffnet sich. Die Körpergröße meines Entführers überrascht mich jedes Mal aufs neue. Einen weißen Rollwagen vor sich herschiebend, betritt der Auftragsmörder mit dem asketischen Gesicht den Raum. Auf diesen befinden sich ein dickes Paar schwarzer Lederhandschuhe, ein rot-schwarzer, zusammengerollter Bananenstecker, ein Lötkolben und eine schwarze, der Länge nach ausgelegte Lederpeitsche. Des Weiteren noch ein Seil. Sie sind sorgfältig nebeneinander gelegt. Auffallend ist, dass Nox nun ein kleines Headset im Ohr trägt. Nun beginnt also der eigentliche Teil meiner Gefangenschaft. Doch wozu? Bisher hat mir Nox noch keine einzige Frage gestellt, die implizieren würden, dass es in meiner Gefangenschaft um sensible Informationen geht. Wobei mir diese eine Vorahnung nicht aus dem Kopf geht. Dieses verdammte Projekt. Projekt Wiederkehr. Vermutlich soll ich gefügig gemacht werden. Oder Nox foltert mich solange, bis ich breche.
Mein Entführer nimmt sich die Lederhandschuhe von dem Rolltisch, wendet seinen Blick mir zu und tritt einige fast schon sanfte Schritte auf mich zu. Sein stechender Blick ruht permanent auf meine noch immer gefesselt, stehende Gestalt, als er sich vor mir zu seiner vollständigen Größe aufbaut. Mittlerweile besitze ich Übung darin, seinem Blick standzuhalten. Auch wenn es mir ein wenig schwerer fällt, da meine Augen am liebsten geschlossen bleiben wollen. Sie fühlen sich schwer an, als wäre ich seit einigen Tagen am Stück wach.
Da ist es wieder. Dieses spöttische Lächeln seitens meines Entführers. Es ist nicht zu übersehen, wie sehr er diese Momente genießt. Wäre ich nicht in dieser prekären Situation, würde ich gerne erforschen, was in diesem Gehirn vor sich geht. Vielleicht bekomme ich ja eines Tages die Gelegenheit dazu.
„Mein kleiner Schmetterling, wie es sich trifft, scheint die dritte Person Verständnis für meine Bedürfnisse zu haben und gestattet mir im Rahmen des Auftrags ein wenig Hand an sie zu legen.", beginnt Nox mit seiner dunklen, rauen Stimme zu sprechen. Dieses charakteristisch gerollte R, werde ich vermutlich nie wieder aus meinen Gedanken entfernen. Während er spricht, zieht sich Nox die beiden Lederhandschuhe mit seltsamer Eleganz, über seine Hände. Nun beginnt es also. Halte seinem Blick noch immer stand. Ich kann mir kaum vorstellen, welch Emotionen dies bei seinen übrigen Opfern hervorzubringen vermag.
„Wenn es denn sein muss", erwidere ich neutral. Nox' spöttische Miene bleibt unverändert. Seine Augen wandern immer mal wieder über meinen Körper, ehe sie wieder in die Meinen stechen.
„Seien Sie versichert, dass Ihre Unfähigkeit Emotionen zu empfinden, mich in keinster Weise einschränkt, Ihre Schreie zu genießen.", sagt der riesige Entführer und ich könnte meinen, eine gewisse Vorfreude in seiner Stimme entdeckt zu haben. Wenn er denn unbedingt eine emotionale Regung haben möchte, bitte. Ich verändere meinen Mund zu einem künstlichen Lächeln, dass ich gedenke, bis zum Ende beizubehalten. Nox lächelt zurück. Sein Lächeln wandelt sich in boshaftes Grinsen.
„Ich hoffe, dass Ihnen auch ein Lächeln genügen wird, Nox.", antworte ich, meinen Blick nicht von ihm abwendend.
"Seien Sie doch nicht so geizig. Im Gegenzug dürfen Sie wählen mit welchem Körperteil ich beginne.", erwidert Nox in genüsslicher Sanftheit. Ich schweige. Lächele ihn lediglich an.
„Sie überlassen mir die Wahl? Sehr freundlich von Ihnen.", bedankt sich mein Entführer nach einem kurzen Moment der Stille. Aufgrund seiner langen Beine, benötigt er nur einen richtigen Schritt, um direkt vor mir zu stehen. Keine weitere Zeit wird verschwendet. Heftiger Schmerz durchbricht die Stille meines Körpers, als Nox mit seinem ersten Fausthieb meinen linken Rippenbogen und mit dem Zweiten, die rechte Seite trifft. Ersticktes Schmerzgekeuche. Ich muss mich streng zusammenreißen. Jedes Mal schaue ich meinen Peiniger wieder an und setze zum künstlichen Lächeln an.
Der nächste Schlag trifft die rechte Innenseite meines Oberschenkels. Der Schmerz scheint meine Nervenbahnen zu überlasten. Beiße mir angestrengt auf die Lippen, um keine Schreie loszulassen. Der vierte Schlag, ein direkter Kinnhaken, presst meinen Körper gegen die Fliesenwand hinter mir. Metallischer Geschmack in meinem Mund. Ich spucke warmes Blut direkt vor Nox Füße. Das Atmen verursacht starke zusätzliche Schmerzen. Die vier Schläge sind zutiefst präzise platziert, wenn auch nicht mit voller Stärke gewesen. Wenn Nox es wollte, kann er mir mit Leichtigkeit die Knochen brechen. Irgendetwas ist seltsam. Dieser Mann weiß ganz genau, was er tut. Er experimentiert nicht. Er versucht nicht. Er führt aus. Mit der Präzision eines absoluten Profis. Nox hat explizites Wissen über Foltertechnik. Er weiß, wie man Schmerzen bereitet, einfach um des Schmerzenswillen.
Ich lächele ihn wieder an und starre in seine kalten Augen.
„Sie halten sich gut, aber ich habe auch nicht Weniger von Ihnen erwartet.", lobt mich Nox, doch ist diese Anerkennung von solch tiefem Spott geprägt, dass es eher einer Beleidigung gleicht.
„Bisher haben Sie mir noch keinen Grund gegeben, Ihrer Bitte nach Geschrei nachzukommen.", erwidere ich in aller Sachlichkeit, die mein aktueller, keuchender Zustand, aufzubringen vermag. Nox dünner Mund formt ein boshaftes, dünnes Lächeln.
„So etwas muss sorgsam vorbereitet werden, mein kleiner Schmetterling. Vielleicht kann ich Sie für etwas anderes begeistern. Als Doktor der Biologie ist Ihnen sicher auch bedingt der faszinierende Bereich der Elektrizität bekannt. Obwohl wir uns für die nächste Maßnahme eher die Elektrotechnik zunutze machen.", hält Nox einen Monolog und beginnt währenddessen die Leitungen des Bananensteckers auszurollen. Eine Seite rot. Die Andere schwarz. Meine Augen weiten sich etwas. Schweiß tropft von meinem Kinn. Nochmals spucke ich etwas Blut auf den Boden.
„Wissen Sie wie der Fehlerstromschutzschalter funktioniert? Im Grunde misst er nur den Strom, der über die Phase zum Verbraucher fließt und über den Neutralleiter wieder zurückkommt. Sollte es aufgrund eines Fehlers zu einer Differenz kommen, so löst er aus und Sie sitzen im Dunkeln. Üblicherweise stellt man den Automaten auf 30mA ein, was landläufig als die Grenze dessen betrachtet wird, was der menschliche Körper ohne Schaden verträgt. Natürlich unter gewissen Voraussetzungen.", erklärt mir Nox und steckt währenddessen den Bananenstecker in die Steckdose zu meiner linken. Er genießt es, seine Intelligenz zur Schau zu stellen. Es ist, als würde er gerade einer Schülerin Nachhilfe geben. Ich schweige. Als er sich wieder direkt vor mir aufbaut, nimmt er die rote Seite der Leitung. Nox starrt mir erneut direkt in die Augen und legt die Leitung für einen
kurzen Moment an seinen rechten Arm an. Sein Gesichtsausdruck bleibt unverändert, nur seine Muskeln kontraktieren.
Dieser Kerl hat sich gerade selbst einen Stromschlag verpasst. Die Ladung hätte selbst Sleepless einen Schmerzensschrei ausstoßen lassen. Was ist das für ein interessanter Kerl. Ich würde ihn nur zu gerne studieren.
„Dann wäre unser Vergnügen allerdings von äußerst kurzer Dauer.", fährt mein Entführer fort, setzt eine bedeutsame Pause und mustert mich erneut.
„Ich habe ihn selbstverständlich ausgebaut, damit wir uns so viel Zeit nehmen können wie wir benötigen.", führt Nox seinen Satz zum unheilvollen Ende. Damit beginnt die zweite Phase meiner Tortur. Etwas seltsames regt sich in mir. Ich kann es nicht deuten. Es fühlt sich wie etwas an, dass als verloren gilt.
„Sie sind intelligent, Nox. Viel intelligenter, als ich meine Einschätzung Ihrer Person anfänglich anzudeuten vermochte.", gebe ich ehrlich zurück. Die Forscherin in mir respektiert die schiere Intelligenz dieses Individuums. Kurze Stille. Dann nickt Nox mir kurz zu und antwortet „Vielen Dank."
Er tritt wieder diesen entscheidenden Schritt vor, baut sich direkt vor mir auf und lächelt mich fast schon diabolisch an.
„Wenn Sie es wünschen, berechne ich Ihnen gerne die Leistung, die gleichdurch Ihren Körper fließt.",witzelt Nox und beginnt die schwarze Seite der Leitung um meinen Hals zu schlingen. Ich kann mich dagegen nicht wehren, aufgrund der gefesselten Arme. Und selbst, wenn dieser Umstand nicht gegeben wäre, braucht es keine Wissenschaft, um zu erkennen, dass Nox um Welten kräftiger ist, als ich.
„Um die Spannung zu erhöhen, verrate ich Ihnen, dass ich Sie nun vier Mal stromschocken werde. Der erste Intervall beträgt 1 Sekunde, jeder darauffolgende Intervall wird doppelt so lange andauern wie der vorangegangene. Wollen wir beginnen?" Bewusste Wortspiele. Psychologischer Effekt der Druckerhöhung. Spitzer Schmerz, um Welten schlimmer als die Schläge, zuckt durch meinen Körper. Nox hat die rote Leitung an meinen linken Arm angesetzt. Der Stromfluss zuckt von meinem Arm, hinauf zum Hals, wo die schwarze Leitung umwickelt ist. Der Kontakt besteht zwar nur für eine Sekunde, doch allein das lässt schlimmes für die nächsten drei Runden erahnen. Noch kann ich mich zusammenreißen. Verdammt. Das wird viel schlimmer, als befürchtet. Wieder lächel ich Nox an, als ich mich wieder gefangen habe. Der nächste Schock lässt nicht lange auf sich warten. Dieses Mal zwei Sekunden. Ich kann es nicht mehr halten. Der erste Schmerzensschrei verlässt meine Kehle. Gewisse Erleichterung, doch nun habe ich meinem Entführer das gegeben, was er von mir haben wollte. Meine Sicht verschwimmt etwas. Als sie sich wieder klärt, kann ich sehen, wie sich Nox genüsslich über die Lippen leckt. Ein zufriedenes Brummen.
Dritte Runde. Nun vier Sekunden. Ich bin nicht mehr dazu imstande, die Schmerzensschreie zurückzuhalten. Also lasse ich sie ungebündelt heraus. Erinnerungen aus meiner Kindheit brennen sich, gemeinsam mit den Schocks, in mein Gehirn. Experimente durch meinen „Vater". Auch diese waren so grausam.
„Ihre Stimme klingt wunderbar, wenn Sie schreien, man könnte fast vergessen, dass Sie nicht in der Lage sind Gefühle zu empfinden.", spricht Nox genießerisch und lächelt mich zutiefst boshaft an. Vierter Intervall. 8 Sekunden purer Schmerz. Fühlt sich wieder eine gottverdammte Ewigkeit an. Meine Schmerzensschreie werden vermutlich durch den Raum widerhallen. Mein Körper zappelt unkontrolliert. Mein Mund ist voller Blut. Werde mir wohl währenddessen mehrfach in die Zunge gebissen haben. Augen sind fast unhaltbar schwer. So langsam ringe ich mit dem Bewusstsein. Die Schockeinheit ist vorbei. Nox wickelt die schwarze Leitung von meinem Hals ab. Einige Zeit herrscht tätigkeitsbezogene Stille. Nur schwerlich, kann ich meinen Blick wieder fokussieren.
„Wie fühlen Sie sich?", fragt Nox spöttisch. Die Boshaftigkeit in diesem Menschen ist grenzenlos. Er ist auf eine ganz andere Art und Weise grausam. Eine diabolische Eleganz geht von diesem Mann aus. Nichts, was er tut, geschieht zufällig. Auch hier hätte er mich länger schocken und foltern können. Es scheint, als habe er einen Fahrplan, an den er sich halten muss. Also ist er nur ein ausführendes Organ. Mit grausamer Effizienz. Sleepless... Ich hoffe du kommst nicht zu spät. Bedenke meinen Entführer mit einem feindseligen Blick. Ohne einmal zu blinzeln. Egal, wie schwer es mir mittlerweile fällt.
"Ist dies etwa ein Anflug von Emotionen? Ich fühle mich geehrt", spottet Nox.
„Genießen sie dies, Nox.", erwidere ich mit immer brüchig werdender Stimme. Bin merklich erschöpft.
„Oh gewiss. Ich versichere Ihnen, dass mir nicht das kleinste Detail entgeht und ich mich auch in 10 Jahren noch an jede Einzelheit mit Freude erinnern werde."
"Das wird es demnach noch nicht gewesen sein. Fahren Sie endlich fort und ersparen Sie mir Ihr Gerede. Ich bin froh, wenn er endlich eintrifft.", versuche ich bedeutungsschwer zu erwidern. Nox' zieht eine Augenbraue hoch.
„Sie erwarten demnach noch immer Besuch?"Ich antworte nicht mehr. Starre nur noch. Trotz meiner Reaktion, breitet sich das Gefühl der Angst, in mir aus. Verwunderlich. In der Tat verwunderlich.
„Was nun folgt, ist ein spezieller Gruß der dritten Person. Ich darf Ihnen ein Autogramm schenken. Mir persönlich liegt nicht viel daran mein Werk zu signieren, doch Sie werden sicher verstehen, dass der Kunde König ist und ich ihm keinen Wunsch abschlage, den er bezahlen kann. Damit wir uns nicht zu weit vom Thema des Abends entfernen, fiel meine Wahl auf einen Lötkolben als Werkzeug.", erklärt Nox, wie üblich, seine Tat und nimmt ein metallisches Werkzeug vom Rollwagen. Den eben benannten Lötkolben. Sieht ein wenig abgenutzt aus. Doch ich lasse mich in keine Illusion fallen. Ganz wie er will, wird es geschehen. Ich schweige. Mein Körper zittert erneut. Angst? Warum kommt dieses Gefühl nun wieder?
„Es dauert zwar einen Moment, bis er einsatzfähig ist, aber in der Zwischenzeit sollte ich Sie wohl etwas mehr fixieren, damit Sie das Schriftbild nicht verwackeln.", erklärt mein Entführer und greift zu einem Seil, dass ebenfalls auf dem Rollwagen gelegen hat. Präzise packt er meinen Körper und fixiert ihn noch fest an das Rohr, sodass meine Bewegungsfreiheit vollends verschwunden ist. Nach ein paar weiteren Minuten, ohne dass ein weiteres Wort gesprochen wird, verlautet Nox, dass der Lötkolben nun einsatzbereit ist. Die Angst vor dem Schmerz ist nun allgegenwärtig. Ich hoffe nur, dass Nox diese nicht wahrnimmt. Ein weiteres Mal baut sich Nox vor mir auf, zieht mein Top bis kurz vor meine Oberweite hoch und hält dieses dort.
"Es schien mir persönlicher, wenn ich meinen Namen in Ihre Muttersprache übersetze.", informiert mich Nox lächelnd. Mit der anderen Hand beginnt er sein Werk. Hitze und Schmerz. Schreie mir alles aus der Seele, was vorhanden ist. Ich kann nichts dagegen tun. Bin der Folter vollständig ausgeliefert. Der einzige Gedanke ist „SCHMERZ". Habe das Gefühl, jeden Moment das Bewusstsein zu verlieren. Der Geruch verbrannten Fleisches steigt in meine Nase. Übelkeit steigt in mir hoch. Erbreche mich direkt vor Nox, als er seine Arbeit beendet. Mein Kopf, der als einziges noch bewegungsfähig ist, baumelt hin und her. Mein Blick verschwimmt immer mehr. Augen fallen immer öfter zu. Berührungen an meinem Körper. Es brennt. Ich zucke. Dann Kühlung. Nox versorgt meine Wunde? Versuche etwas zu sagen, doch alles, was ich auszusprechen vermag, sind unverständliche Laute.
"Sie fragen sich vermutlich, weshalb ich die Wunde versorge, die ich Ihnen bewusst beigebracht habe. Nun, es wäre doch schade, wenn der Heilungsprozess durch eine Infektion oder Ähnliches gestört würde und der Schriftzug aus der Form gerät.", spricht Nox in einer Ruhe, als wäre nichts außergewöhnliches vorgefallen. Seine Stimme klingt, als würde sie sich immer weiter von mir entfernen. Oder andersherum. Ich kann kaum noch geradeaus schauen.
"Sie wirken etwas mitgenommen. Halten Sie noch einen Moment durch, dann gebe ich Ihnen etwas, dass Ihnen hilft bei Bewusstsein zu bleiben. Wir sind schließlich noch nicht fertig.", fügt mein Entführer hinzu. Dann höre ich seine Bewegungen. Er legt den Lötkolben wieder zurück auf den Rollwagen.
"Haben Sie noch ein klein wenig Geduld, dann geht es gleich weiter.", sagt er, als er wieder an mich herangetreten ist. Kann nur noch unverständliche Laute von mir geben. Ich fühle mich so taub. Alles schmerzt. Es brennt. Blut fließt aus meinem Mund. Muss immer wieder spucken, um zu atmen. Atmung ist durch die Rippenschläge noch immer erschwert. Spüre, wie ich losgebunden werde, nur um umgedreht zu werden und erneut festgebunden zu werden. Wird er jetzt die Peitsche benutzen? Mein Top hat er vollständig ausgezogen, um meinen Rücken zu entblößen.
"Als intelligenter Mensch, wissen Sie sicher, dass man sich das Beste bis zu Letzt aufhebt. Es ist sozusagen die Süßspeise nach einem herzhaften Mahl. Sie dürfen sich geehrt fühlen, denn ich werde Ihnen gleich einen Einblick in den Umgang mit einem ganz besonderen Folterinstrument gewähren, dass schon seit Jahrhunderten in Gebrauch ist, aber selten mit einer solchen Präzision zum Einsatz kommt.", erklärt Nox ein weiteres Mal. Doch ehe er anfangen kann, mischt sich ein neues Geräusch in den Raum. Einer, der hier nicht hergehört. Ein Klicken. Das Klickgeräusch einer Pistole, die gerade entsichert worden ist.
„Hände da, wo ich sie sehen kann. Umdrehen du Bastard. Ganz. Langsam!", schreit eine mir bekannte, zutiefst bedrohliche Stimme. Mein Herz gewinnt an Stärke. Er ist hier. Gleichzeitig setzt Beruhigung ein, als ich mir vollends bewusst werde, wer Nox gerade bedroht.
„Sleepless", flüstere ich leise zu mir. Ich lächel. Dieses Mal wirklich.
„Ihr Besuch ist tatsächlich eingetroffen. Wie unerwartet und, nun, aufregend.", kommentiert Nox boshaft und interessiert. Kurze Pause. Wahrscheinlich tut Nox gerade, wie ihm befohlen wird.
„Geradezu elektrisierend.", fügt mein Entführer als letzte Provokation hinzu. Ich kann ein letztes Bisschen Kraft manifestieren. Schulterblick zu Nox. Meine letzte Amtshandlung, bevor ich mich beruhigt der Ohnmacht hingeben kann, ist eine Nachricht an meinen Entführer
„Jetzt... Bete!"
Fortsetzung folgt...
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