26. la mort
während soph, hennes und david ihr abi machen, bin ich in der klinik.
ich weine nun oft. es macht mir angst, das weinen. als ich das erste mal hier geweint habe, habe ich eine panikattacke bekommen. sie durften mir keine tabletten dagegen geben wegen der sucht und allem. es war so schlimm, weil ich das gefühl hatte, alle betreuer würden mich anstarren, als ich krampfend auf dem boden saß. wahrscheinlich haben sie das auch getan. es war so schlimm, weil ich nicht mehr wusste, wie man weint, oder wann ich das letzte mal geweint hatte. es hat zwei stunden gedauert. seitdem weine ich jeden tag.
ich habe meine therapeutin gefragt, warum das ist und sie hat mir gesagt, dass viele menschen weinen, wenn der körper und die psyche großem stress ausgesetzt sind, manchmal auch tage- oder wochenlange perioden lang.
ich habe ihr gesagt, dass ich damit meinte, warum ich jetzt weine, aber es davor nie so richtig getan habe.
sie hat mir erklärt, dass durch die drogen ausgelöste psychose und dissoziative störung, ich – wie ich beschrieben habe – mich losgelöst von der realität gefühlt habe. dadurch habe ich den zusammenhang für diese emotionsäußerung verloren.
abstinent weine ich jetzt jeden tag. sie hat aber gesagt, dass es auch ohne drogen wiederkommen kann und dass meine psychose sich noch immer äußert.
ich werde mein abi nicht machen. nach der klinik werde ich weiterhin in therapie sein, nicht zur schule gehen und dann, nach dem sommer, die q2 wiederholen. es fühlt sich nicht echt an. es ist alles weit weg von mir und der frühling fühlt sich wie winter an. ich habe viel zeit hier und ich brauche immer viel ablenkung, um nicht über drogen nachzudenken. ich habe es mit lesen versucht, aber romane fallen mir schwer und malen kann ich nicht und manchmal lese ich zwar kurzgeschichten, aber das geht nicht länger als 15 minuten an einem tag. deswegen sitze ich am fenster und warte. es gibt immer eine sache auf die ich warte; frühstück, mittagessen, abendessen, therapiestunde, gruppentherapie. ich möchte meiner therapeutin morgen sagen, dass ich nicht mehr zur gruppentherapie gehen möchte, weil es mich runterzieht, das traurige leben von fremden mir anhören zu müssen. ich glaube sogar, sie wird es akzeptieren. ich habe das gefühl, sie ist pragmatischer geworden.
manchmal schleiche ich mich mit lea aus dem zimmer neben meinem raus zum rauchen auf der hintertreppe. wir gucken dann den vögeln zu und sie erzählt mir über ihr studium und ihre heiße professorin. sie ist auch die, die mich dazu überredet hat, das abi nicht abzubrechen und die q2 stattdessen zu wiederholen. „heiße professorinnen gibt's an jeder uni", hat sie mit einem zwinkern zu mir gesagt.
eine sache, die sie mir gesagt hat, werde ich aber niemals vergessen. ich glaube, das kann man nicht.
„du wirst niemals nicht mehr drogenabhängig sein, alva. du kannst clean sein für sechs monate und auch für sechs jahre, aber du wirst trotzdem niemals nicht mehr drogenabhängig sein."
„wenn ich sowieso für immer drogenabhängig sein werde, warum bin ich dann hier?"
sie hat den rauch ausgeblasen und gesagt:
„demande à la mort."
das heißt frag den tod.
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