21
Mein ganzer Kopf war leer, aber irgendwie auch so voll. Meine Gedanken flogen im Kreis und doch auch wirr durcheinander. Ich konnte nichts greifen, doch das wollte ich auch nicht. Es war nur eine Sache wichtig; der Junge vor mir. Ich konnte oder wollte immer noch nicht glauben, das wir uns vorhin wirklich geküsst hatten. Diese ganze Situation war so surreal.
Wie lange wir nun schon hier saßen und uns nur schweigend ansahen, wusste ich nicht. Ich wusste nur, dass ich diesen Moment gerade nicht brechen wollte. Themba musste es genauso gehen, denn auch er bewegte sich nicht. Wir beide lächelten einfach nur sahen uns in die Augen. Seine Augen funkelten in so einem schönen Goldton. Wenn ich sie beschreiben müsste, würde ich sagen, dass alle Sterne des gesamten Nachthimmels gerade in seinen Augen versammelt waren und zusammen strahlten.
Wir waren so in die Augen des jeweils anderen vertieft, dass wir nicht mitbekamen, wie meine Zimmertüre schon vor einigen Minuten geöffnet wurde. Drei Personen schauten uns seither an.
Meine Mutter, Quirin und Hektor.
Erst als mir eine Hand auf die Schulter gelegt wurde, fand ich den Weg in die Realität zurück. Mehrfach musste ich blinzeln um zu realisieren, wo ich mich gerade befand. Meinen Kopf drehte ich schweren Herzens in die Richtung, in der sich die Person befand, welche mich berührte.
Ein Lächeln befand sich auf ihrem hellen Gesicht und ihre fast schon gelben Augen leuchteten. Sie sah glücklich aus, aber wieso das denn? Habe ich irgendetwas verpasst? Verwirrt schaute ich sie an und bemerkte auch gleich, das ihre andere Hand auf der Schulter von Themba lag. Dieser schaute aber mindestens genauso verwirrt, wie ich es tat.
"Mum? Was ist los?"
Ihr Lächeln blieb konstant auf ihre Lippen. Wenn ich ehrlich sein soll, machte sie mir so ein wenig Angst. Aber ich sollte mich glücklich schätzen, denn seit gestern hatte ich sie noch nicht wieder gesehen. Ich hatte wirklich noch ziemliche Bedenken, ob sie nicht noch immer irgendwie sauer gewesen wäre, weil der Tag gestern so aus dem Ruder gelaufen ist.
"Nein, mein Schatz, alles ist in bester Ordnung."
Etwas misstrauisch musterte ich sie, bis mir auffiel, was sie trug. Ein wunderschönes golden glänzendes Kleid,welches ihr bis zu den Knöcheln reichte. Ihre schulterlangen Haare wurden zu einer Seite zusammen geflochten. Heute sah sie wirklich aus, wie die menschliche Sonne.
"Mum, du siehst wunderschön aus."
Ihr lächeln blieb weiterhin auf ihren Lippen und sie hob die Hand von einer Schulter und legte sie an mein Kinn.
"Nisha, dich werden wir jetzt auch langsam mal fertig machen, sonnst wird das heute auch nichts mehr."
Mit diesen Worten drehte sie sich zu den zwei Personen um, welchen ich bisher noch überhaupt keine Beachtung geschenkt hatte. Quirin und Hektor. Beide sahen nicht wirklich glücklich aus. Aber das kümmerte mich auch nicht wirklich.
"Ihr könnt gehen. Ich brauche nur eine Person die mir hilft. Danke."
Meine Mutter drehte sich wieder in meine Richtung um und zog mich auf die Beine. Ohne das ich auch nur eine Sekunde mit kam, schubste sie mich auch schon in die Richtung der Türe. Sie zögerte auch nicht, Themba am Arm zu packen und ihn hinter sich mit zuziehen.
Als ich an Hektor und Quirin vorbei kam, konnte ich von dem jüngeren auch ein Murmeln hören: "Toll, schon wieder dieser Themba."
Ich musste leicht grinsen. Es war einfach zu lustig, wie sich Hektor aufregte. Meine Mutter schien das Gemurmel aber auch gehört zu haben, denn sie blieb abrupt stehen und schaute den blonden Jungen eindringlich an.
"Ja, Themba schon wieder. Er ist nun mal der beste Freund und Leibwächter meiner Tochter!"
Ohne auf einen weiteren Kommentar zu warten, führte sie ihren Weg fort und wir kamen kurz darauf in dem großen Badezimmer an.
"Nisha, du gehst jetzt duschen und beeil dich. Ich werde zusammen mit Themba eure Kleidung für den heutigen Tag holen. Ich gebe dir 30 Minuten, um dich zu duschen."
Ich war it dieser Situation wirklich irgendwie überfordert. Vorhin saß ich noch mit Themba auf meinem Bett und habe in seine, von Sternen funkelnden Augen, gesehen und jetzt stehe ich alleine in diesem großen weiß grau gefliesten Raum und muss mich in 30 Minuten duschen, weil meine Mutter mit Themba und der Kleidung dann wieder hier aufkreuzen würden.
Also tat ich das, was meine Mutter von mir verlangte und begann zu duschen. Diese 30 Minuten waren wirklich sehr großzügig von ihr, denn ich war bereits zehn Minuten vor Ablauf der Zeit fertig. Deshalb setzte ich mich, in einem Handtuch eingewickelt, auf den Rand der Badewanne und schaute aus dem Fenster. Die Sonne strahlte noch immer an Himmel, doch wurde sie langsam von dem Mond abgelöst, welcher sich nun immer mehr zum Vorschein brachte.
"Eines Tages, du wirst schon sehen, wird die Sonne von dem Mond abgelöst. Für den Mond, so wie für einige Sterne, beginnt dann eine Zeit, in der sie Strahlen können. Eine Zeit, welche nur ihnen gehört. Die ganzen Blumen und Tiere, werden sich daran gewöhnen und dann die Nacht als ihren Tag sehen. Du wirst es erleben. Die sonne wird zwar noch immer scheinen und auch immer weiter aufgehen, doch wird sie ihren eigentlichen Platz an den Mond geben. Die Sonne wird den Mond noch immer anstrahlen und erhellen, doch wird sie nicht mehr der hellste Punkt an dem weinten Himmelszelt sein. Und glaub mir, Nisha, das ist auch gut so. Alles hat seine Zeit. Aber diese wird auch von allen irgendwann einmal ablaufen. So geschieht es mit der Herrschaft der Sonne, wie mit der Sonne selber."
Ich verstand die Worte von meinem Vater für lange Zeit nicht. Was hatte er damals damit gemeint, dass auch einmal die Zeit der Sonne ablaufen würde? Wie konnte der Mond jemals den Platz der Sonne übernehmen? Das konnte doch nicht sein. Ich habe seitdem viel Zeit damit verbracht, die Sonne zu verstehen. Ich war dauernd in der Bibliothek, wenn ich Zeit hatte, die ich alleine gestalten konnte. Aber nie bin ich auf eine Antwort gestoßen.
"Nisha?"
Die Stimme von Themba riss mich sofort aus meinen Gedanken. Sofort sah ich die zwei Augenpaare, welche mich ansahen.
"Ach Nisha, wo warst du denn schon wieder mit deinen Gedanken? Wir sind schon seit mindestens fünf Minuten wieder hier. Aber ich konnte dich nicht aus deiner eigenen Welt holen."
Meine Mutter hatte schon wieder ein Lächeln auf ihren Lippen, als sie zwischen Themba und mir hin und her schaute. Manchmal würde ich echt gerne wissen, was in ihrem Kopf so vorgeht. Ich meine was sie sich wohl jetzt gerade denken muss, wo anscheinend erst Themba mich aus meinen Gedanken holen konnte.
"Ich habe nur über ein paar Sachen nachgedacht, die mir Papa mal gesagt hat. Ich habe sie nie verstanden und irgendetwas hat mich vorhin daran erinnert."
Sie nickte nur stumm. Sie hatte einen irgendwie so traurigen Blick, als sie mich danach ansah. Doch sie überspielte es sofort, als sie sich an Themba wandte und anfing zu sprechen: "Themba, du kannst jetzt gehen und dich umziehen. Schließlich ist das auch ein besonderer Tag für dich. Du kannst dir ruhig etwas zeit lassen, doch in einer Stunde erwarte ich dich ungefähr wieder hier."
Sie lächelte ihn an und er verbeugte sich leicht, bevor er den Raum verließ. Aus irgendeinen Grund, hatte ich ein ungutes Gefühl, jetzt mit meiner Mutter alleine zu sein. Ohne groß Zeit zu verlieren, schnappte sich meine Mutter auch schon eine Haarbürste und begann damit dann durch meinen Haare zu streichen.
"Nisha, es tut mir leid. Wie gestern alles gelaufen ist. Wie ich mich verhalten habe. Das ich dir nichts gesagt habe, dass wir in deinen Büchern gelesen haben. Einfach alles."
Sie wurde still und hätte sie nicht weiterhin meine Haare durchkämmt, hätte ich sie kaum noch bemerkt. Ich merkte, dass es ihr wirklich leid tat. Es war an ihrer Art auszumachen, wie sie sprach. Ich kannte sie einfach.
"Mir tut es auch leid. Es ist nur so viel auf einmal gewesen."
Es blieb noch eine Weile ruhig, bis sie anfing meine Haare zu flechten. Es war offensichtlich, dass sie noch was wissen wollte. Sie zog irgendwie ungeduldig an meinen Haaren, um sie in die richtige Position zu bringen.
"Mum, was möchtest du wissen?"
"Ich? Nichts, wie kommst du darauf?"
"Mum, ich kenne dich. Du willst mich etwas fragen. Also frag doch endlich."
Sie lachte nur kurz, bevor sie meine Haare befestigte und aufstand, um noch etwas zu holen, was sie wohl noch zu brauchen schien.
"Na gut, du wolltest es ja nicht anders. Also, was ist passiert? Also ich meine zwischen Themba und dir? Ihr habt euch wirklich einige Zeit ununterbrochen in die Augen geschaut."
Meine Mutter vermutete es schon, das sah man ihr an. Nur wollte sie es von mir als Bestätigung hören. Sie war wirklich ziemlich durchschaubar. Jedenfalls für mich. Ihr stand die Ungeduld ins Gesicht geschrieben. Deshalb seufzte ich, bevor ich dann zum sprechen ansetzte:
"Naja, was hast du denn gesehen?"
"Ach Nisha, ich glaube, das ich genug gesehen habe. Aber ich will es von dir nochmal wissen."
So, wie ich es auch schon vermutet hatte. Wenn meine Mutter eins konnte, dann immer in Situationen reinkommen, die sie rein theoretisch auch ganz leicht gegen mich verwenden konnte.
"Na, was soll ich denn dann noch großartig sagen? Ich kann dir natürlich erzählen, dass wir gestern noch lange bei den Klippen waren. Wir haben zwar nicht viel geredet, doch ganz im Ernst, dass war auch nicht nötig. Er hat mir von seinem Mentor erzählt. Und ich kann dir auch sagen, dass ich ihm von meinem Vater erzählt habe. Ich kann dir auch erzählen, dass er jetzt von Papa weiß. Und ich vermute, dass du jetzt sauer sein wirst, aber bitte, ich konnte es wirklich nicht mehr nur mit mir ausmachen. Aber das war unser erster Kuss."
Mit meinen Haaren war sie inzwischen schon fertig. In ihrer Hand lag ein Pinsel, mit dem sie wahrscheinlich noch irgendein Puder auf mein Gesicht auftragen wollte. Ich traute mich nicht, ihr in ihr Gesicht zu schauen. Hatten wir uns nicht gerade erst entschuldigt? Musste das jetzt wirklich sein?
"Nisha, was ist los?"
Ihre Stimme klang alles andere, als gedacht. Sie war nicht wütend, sondern eher besorgt. Mit ihren Fingern hob sie mein Kinn an. Also musste ich sie ansehen. Sie lächelte. Immer noch. Langsam frage ich mich echt, was heute mit ihr los ist.
"Es ist doch alles gut. Ich habe in der letzten Zeit gemerkt, dass du ihm dein Leben anvertrauen würdest. Du vertraust ihm, wie du es sonst bei keinem tust. Wieso sollte ich ihm dann nicht auch vertrauen? Ich bin mir sicher, dass er das Geheimnis für sich behalten wird."
Wieder lächelte sie. Ihr Lächeln kam wirklich von ganzem Herzen.
"Nisha, ich freue mich, dass du glücklich bist."
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