"Miss Nisha, jetzt laufen sie doch nicht so schnell. Das ist ja schrecklich!"
"Miss Nisha, hören sie doch mal auf nur so desinteressiert zu sein!"
"Miss Nisha, jetzt kommen sie schon, sonst kommen wir noch zu spät zum Training!"
So ging es den ganzen Tag. Hektor hat sich echt was rausgenommen, mich den Tag über so herumzukomandieren. Ich bin wirklich überrascht, dass ich noch nicht durchgedreht bin. Doch jetzt muss ich tatsächlich auch noch zum Training von Quirin gehen. Wieso tat mir meine Mutter das an? Warum konnte sie mich nicht einfach einmal unbeaufsichtigt lassen?
Zusammen mit Hektor stand ich vor der Türe, welche uns von dem großen Trainingssaal trennte. Man konnte schon von hier aus das Geschrei von Quirin hören. Meine Lust, die sowieso schon eigentlich nicht mehr vorhanden war, verschwand nun ganz. Leider musste ich aber auch noch dadurch, bevor ich mich dann endlich für die Zeremonie fertig machen konnte. Das ich mich darauf freuen würde, hätte ich heute vor dem Aufstehen auch nicht gedacht. Tja, nun war es mein einziger Lichtblick. Noch zwei Stunden. Aber beide mit Hektor und Quirin. Wo war denn Themba? Er war heute auch nicht auffindbar gewesen. Ich seufzte und wollte gerade die Tür öffnen, als Hektor sich wieder einmal zu Wort meldete: "Ach Nisha, wieso so demotiviert? Nun können wir doch endlich etwas Zeit zu zweit beim Training verbringen. Nur du und ich, bei den Paar- Übungen."
Wo sein Problem lag, konnte ich nicht mit Sicherheit sagen. Doch ich wusste mit großer Sicherheit, dass er eins hatte. Ich meine welche Hoffnungen macht er sich? Ihm war doch bestimmt die erste, oberste und wichtigste Rrgel bekannt. Oder etwa nicht? Bei ihm war ich mir tatsächlich nicht ganz so sicher.
Auf seine Bemerkung antwortete ich nicht, sondern verdrehte nur die Augen. Mal wieder.
Die Tür knallte mit viel zu viel Schwung gegen die Helle Wand. Das Geräusch, welches durch den Saal hallte, brachte mir die ganze Aufmerksamkeit ein. Es war totenstill, bis ich mich räusperte, um eben diese Stille zu brechen. Wie von einem Blitz getroffen, fingen alle an sich wieder zu bewegen und zu reden. Erneut räusperte ich mich, weshalb mich alle wieder ansahen, doch diesmal eher verwirrt.
Ich weiß, eigentlich mochte ich es nicht, wenn ich mit dieser chorähnlichen Begrüßung begrüßt wurde, doch bei Quirin und Hektor und den anderen aus dieser Trainingseinheit, wollte ich es mir nicht nehmen lassen. Es ist schon lustig, wie der erste Eindruck mein ganzes Verhalten geändert hatte.
Gerade, als ich anfangen wollte zu sprechen, wurde mir eine Hand auf die Schulter gelegt. Ich zuckte zusammen, was mir ein Lachen von der Person hinter mir einbrachte.
Dieses Lachen, das konnte doch nur einer Person gehören.
Sein Lachen war nämlich mindestens genauso besonders, wie seine Stimme.
"Du kannst sie doch nicht einfach so anfassen!"
Hektors aufgebrachte Stimme holte mich auf einen Schlag zurück in den großen hellen Saal.
"Dir ist bewusst, wer das ist, oder?"
Wieder lachte er, was Hektor nur zum Schnauben brachte. Noch bevor er irgendwas sagen konnte, wirbelte ich herum und umarmte ihn stürmisch. Hätte ich in Hektors Gesicht sehen können, hätte ich bestimmt lachen müssen. Wenn ich mir einen Ausdruck vorstellen müsste, wie er jetzt wohl gucken würde, hätte ich mir genau den gleichen Ausdruck vorgestellt, wie heute morgen, als ich ihm die Türe vor der Nase ins Schloss gehauen habe.
"Themba!"
Der eben genannte, erwiderte etwas überfordert die Umarmung. Als ich mich löste, sah ich, dass er meine Nachricht in der Hand hielt. Automatisch musste ich grinsen. Er hatte sie also selber gefunden.
"Ja Hektor, ihm ist bewusst, wer ich bin. Seine beste Freundin. Aber ich glaube, dass sonst niemandem bewusst ist, wer ich bin!"
Bei dem letzten Satz wurde meine Stimme ungewollt lauter. Alle anderen sahen mich immer noch überfordert an, bis dann einer von ihnen doch mal auf die Idee kam, mich 'vernünftig' anzusprechen.
"Es tut mir leid, Miss Nisha." Er sagte das, während er sich verbeugte. Kurz nach ihm, kamen dann auch die anderen nach und nach darauf, was sie vergessen hatten. Also taten sie es ihm alle gleich.
Themba legte mir wieder eine Hand auf die Schulter, bevor er mir nun das ausrichten konnte, was er wohl die ganze Zeit zu versuchen schien.
"Deine Mum schickt mich. Ich habe ihr deine Nachricht gezeigt und sie sagte zu mir, dass du den Rest des Tages auch mit mir kommen kannst. Natürlich nur, wenn du das möchtest. Ich will dich ja nicht von deiner Zeit mit Hektor abhalten."
Er lachte. Ich lachte mit ihm, bevor ich anfangen wollte zu sprechen. Doch kam ich nicht wirklich dazu, denn Hektor kam mir zuvor: "Für wen hältst du dich eigentlich? Du hast hier auch nichts zu suchen. Mir wurde der Auftrag erteilt, dass ich auf Nisha aufpassen soll. Ich soll mit ihr die Zeit verbringen. Ich und nicht du!"
Nun war ich diejenige, die anfing zu lachen. Ich frage mich wirklich, ob er sich manchmal selber beim Reden zuhört. Der redet ja wirklich nur Schwachsinn.
"Naja, wie du schon gehört hast, bin ich Nishas bester Freund. Dafür halte ich mich auch. Ich bin hier auch nicht länger als ich muss, keine Sorge. Und ich sage es dir gerne auch nochmals; Alecto hat mich geschickt, um Nisha mitzuteilen, dass sie die Wahl hat, mit wem sie ihre Zeit verbringen will. Ich habe ihr auch die Wahl gelassen. Nur hättest du sie nicht unterbrochen, als sie gerade anfangen wollte zu reden, hättest du jetzt auch schon längst eine Antwort von ihr, wie sie sich entschieden hat."
Themba blieb ruhig, als er mit Hektor sprach. In Gedanken hatte ich den wohl größten Lachanfall, den ich seit langem hatte, denn es war einfach zu komisch, wie sich das Gesicht von Hektor verzog. Schon bei Thembas ersten Satz. Das gefiel Hektor wohl überhaupt nicht.
Nachdem ich einmal tief eingeatmet habe, sah ich zu Themba und lächelte. Es hatte nicht einmal einen wirklichen Grund, wieso ich das tat. Mir war einfach danach, als ich ihn so ansah.
"Ich kann Themba in allen Punkten nur zustimmen. Ich werde jetzt mit ihm gehen. Und ich wünsche dir viel Spaß, deine tollen Paar- Übungen alleine zu machen. Und unsere 'Zeit zu zweit' ist nun auch endlich vorbei."
Ich schaute ihn an und sah, dass er gerade seinen Mund bewegen wollte, um wahrscheinlich irgendetwas gegen Themba oder meine Entscheidung zu sagen, doch ich war schneller. Ich hob meine Hand um ihn zu stoppen, noch bevor er überhaupt angefangen hatte zu sprechen.
"Sag einfach nichts mehr, Hektor. Ich glaube, dass du heute schon zu viel zu mir gesagt hast. Und glaub mir, dein ganzes rumkomandieren wird auch noch ein Gespräch zwischen mir und meiner Mutter geben. Ich bin mal gespannt, wie sie dazu stehen wird."
Daraufhin drehte ich mich um und griff nach Thembas Hand. An dieser zog ich ihn auch schon mit mir, bevor mir noch etwas einfiel. Deshalb drehte ich mich noch einmal zu Hektor um.
"Ach und Hektor", er drehte sich zu mir um und schaute mich an, "ich hoffe, dass du nie wieder das 'Miss' vor meinem Namen vergisst. Sonst kann ich dir schon einmal versichern,dass das auch mit meiner Mum besprochen wird."
Ich setzte meinen Weg aus dem Saal, mit Themba and der Hand nun endgültig fort. Zusammen gingen wir schweigend in die Richtung von meinem Zimmer. Seine Nähe fühlte sich einfach so schön an, dass ich seine Hand, welche immer noch in meiner ruhte, völlig vergaß. Erst als ich die große weiße Holztür öffnen wollte, fiel mein Blick auf unsere Hände. Wieder lächelte ich. Doch diesesmal wurde das Lächeln von einer leichten Wärme begleitet, welche auf meinen Wangen verweilte.
Wir hatten die ganze Zeit Händchen gehalten und unsere Finger verschränkt. Wann das wohl passiert ist? Wer hat das wohl gemacht? Mir ist es auf jeden Fall nicht aufgefallen. Aber das war ja auch egal.
Ich wollte unsere Hände irgendwie nicht lösen, deshalb nahm ich einfach die andere Hand, um die Türe zu öffnen. Zusammen gingen wir in den Raum. Ohne groß zu überlegen, setzte ich mich auf mein Bett. Der Junge folgte mir ohne zu zögern und ließ sich neben mir nieder.
"Du bist echt mein Retter, Themba", lachte ich und schaute ihn an.
"Für dich würde ich alles sein, Nisha."
Seine Stimme war nun so sanft. Er war so ruhig und doch waren seine Worte irgendwie so bestimmt. Seine Lippen formten ein leichtes Lächeln. Und seine Augen blieben an meinen hängen. Es war still. Keiner traute sich etwas zu sagen, doch das war auch nicht nötig.
Er lehnte sich langsam nach vorne. Themba kam mir näher, doch brach unseren Blickkontakt nicht. Wie in Trance, tat ich es ihm gleich. Wir sahen uns tief in die Augen, bis sie sich wie von selber schlossen. Und plötzlich trafen unsere Lippen aufeinander.
Es dauerte einen kleinen Augenblick, bis ich realisierte, was hier gerade passierte.
Themba und ich, wir küssten uns!
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