P.o.V.: Louis

Das erste Gefühl, was sich am nächsten Morgen am präsentesten zeigte, war mein unglaublicher Kater. Ich musste noch nicht einmal meine Augen öffnen um zu wissen, dass mein Schädel brummte.

Das Bett, auf welchem ich lag kam mir ungemütlich vor und unglücklich über meinen schmerzenden Magen und meinen Kopf drehte ich mich auf die Seite, nur um mich dann ganz klein zu machen und die Decke über meinen Kopf zu ziehen.

"Guten Morgen", ertönte plötzlich eine viel zu laute Stimme etwas weiter entfernt.

Ich brummte. "Lass mich schlafen. Und shh" Ich hielt mir meine Hand auf meine Ohren und schloss meine Augen. Nie wieder so viel Alkohol. Nie wieder Party.

"Ich hab dir ein Glas Wasser geholt und eine Ibu. Ich bin mir sicher, dass du die brauchen wirst"

"Zayn, kannst du her kommen?", nuschelte ich.

"Klar" Langsam senkte sich die Matratze neben mir und eine Hand legte sich auf meine Hüfte. "Was ist los?"

"Ich hab gestern große scheiße gesagt"

"Echt? Du hast eigentlich kaum etwas gesagt, als wir nach Hause gelaufen sind"

Ich nickte. "Ich weiß" Ich erinnere mich leider noch an jedes Detail von diesem Abend. Ich wusste noch alles vom Anfang bis zum Ende. Ich weiß selbst noch als Zayn und ich zusammen die Treppen nach oben getorkelt sind - wobei Zayn kaum betrunken war - und dann zusammen eingeschlafen sind. Ich wollte gar nicht wissen, wie viel Uhr es ist, aber ich glaube mich zu erinnern, dass es ungefähr drei oder vier Uhr Nachts war, als wir schlussendlich eingeschlafen sind und endlich ruhe war. Dafür hatte ich jetzt umso weniger ruhe. Ich weiß, dass ich Sam gestern nach meinem kleinen Zwischenfall in den Rosenbüschen noch viel dummes Zeug erzählt hatte. Ich erinnere mich zu gut daran, dass ich ihm gesagt habe, dass ich bisexuell bin und ich konnte beim besten Willen nicht sagen wieso ich das getan habe. Es stimmte nicht einmal. Ich hatte ihn einfach angelogen, nur damit er sich vielleicht besser fühlt.

Aber wollte ich ihm damit wirklich nur einen Gefallen machen? Wollte ich einfach nur, dass er sich nicht schlecht fühlt und ich ihm mit der Wahrheit, dass ich heterosexuell bin einen Korb gebe?

Ich seufzte leise und setzte mich langsam auf. "Davor habe ich viele Dinge gesagt"

Unter anderem habe ich später, als Sam und ich dann wieder rein gegangen sind ihn mehr oder weniger voll gejammert, dass ich keinerlei Erfahrung mit Typen habe. Er hat mich dafür nicht verurteilt. Angeboten, dass ich mit ihm Erfahrung sammeln könnte hat er auch nicht, aber vielleicht war ich ihm zu betrunken dazu. Und dafür bin ich mehr als dankbar. Ich hätte den Abend sonst mehr als nur sowieso schon bereut.

Dann irgendwann haben wir Sierra und Zayn gemeinsam gesucht, haben Nummern ausgetauscht und Zayn und ich sind gemeinsam nach Hause gelaufen.

"Bei Sam? Du wolltest mir gestern gar nichts mehr erzählen. Erzählst du mir jetzt, was ihr zu zweit alleine gemacht habt?" Zayn reichte mir ein Glas Wasser und die Schmerztablette.

Ich nahm die Tablette ein, spülte sie mit Wasser runter und seufzte leise. "Ich will das ungerne wieder aufleben lassen" Selbst wenn mich sowieso schon alles in meinem Kopf daran zurück erinnert. Hätte ich doch lieber auf das Wasser verzichtet und weiter Alkohol getrunken. Dann wäre ich jetzt zwar vielleicht bewusstlos im Krankenhaus, aber ich würde mich wenigstens nicht mehr an die Worte erinnern, die ich jetzt so sehr bereue.

"War es dir unangenehm, dass du mit ihm alleine warst? Hat er was schlimmes gemacht? Sam schien so nett"

Ich schüttelte den Kopf. "Er war nett. Aber- Zayn ich weiß nicht, ob ich ihm vielleicht falsche Hoffnung gemacht habe. Ich weiß nicht, was er von mir denkt und was ich von ihm halten soll. Er ist total nett gewesen, aber ich bin nicht-"

"Nicht?"

Ich schwieg und legte mich zurück in mein Bett. "Du weißt schon, was ich meine"

"Ja. Ich weiß, was du meinst, aber wieso kannst du es nicht aussprechen?"

Ich zog die Decke über meinen Kopf. "Ich hab Kopfschmerzen und Bauchweh. Ich will kotzen"

"Louis. Wenn du denkst, dass du nicht schwul, bi oder was weiß ich bist, dann sag es. Was ist so schwer daran das auszusprechen, wenn es für dich so offensichtlich ist? Außerdem weißt du ganz genau, dass ich der aller letzte bin, der dich dafür verurteilt, wenn du dich vor mir outen würdest"

"War es für dich eine Phase? Das mit Liam"

"Phase? Von was redest du?"

"Du hast gestern viel mit Sierra rumgemacht und du warst kaum betrunken. Du hast nur die Rum-Cola und den Cocktail getrunken"

"Falls du die Bedeutung von bisexuell nicht verstehst, hier nochmal. Männer und Frauen. Liam ist ein Kerl und Sierra eine Frau. Das hat nichts mit Phase zutun. Ich bin mir immer noch sehr sicher, dass ich auch auf Typen stehe"

Ich schlug die Decke weg und sah Zayn kritisch an. "War Sierra dafür da um dich von Liam abzulenken?"

Zayn rollte mit den Augen. "Das geht dich überhaupt nichts an. Ich fand sie sehr nett, wir haben zusammen getanzt und dann kam halt eben eins zum Anderen. Ich hab dabei nicht an Liam gedacht"

Ich brummte und drehte mich weg. "Ich hab mich vor Sam auch nicht als bi geoutet"

Zayn blieb einen langen Augenblick ruhig. Es kamen mir vor wie Minuten, aber in Wirklichkeit waren es wahrscheinlich nicht mehr als zehn Sekunden. Aber selbst zehn Sekunden können einem sehr lange vorkommen.

"Du hast dich als bi geoutet? Louis, was genau soll daran jetzt schlimm sein?"

Ich rappelte mich schnell wieder auf, hielt mir allerdings sofort meinen Kopf. Zu schnell. "Ich bin nicht bi. Es war gelogen. Ich weiß nicht, wieso ich gelogen habe. Vielleicht wollte ich ihm einfach keinen Korb geben"

Zayn rollte die Augen wieder mal. "Du bist echt ein Trottel, weißt du das? Wieso kannst du nicht einfach den Fakt akzeptieren, dass du bi sein könntest? Heißt ja nicht, dass du es bist, du kannst am Ende immer noch glücklich mit einem Mädchen werden, aber wieso streitest du es von Anfang an so sehr ab? Hör mal her. Du warst gestern extrem betrunken und glaub mir, ich glaube nicht, dass du das gesagt hast, nur damit du Sam keinen Korb gibst. Du hättest ihn von der ersten Sekunde an sagen können, dass du hetero bist und die Sache wäre geklärt gewesen. Sam hätte dich nicht zum Tanzen eingeladen, ihr wärt euch nie näher als die Abstände der Barhocker gewesen und du hättest dir vielleicht am Ende doch noch ein Mädchen suchen können mit der du dann im Bett gelandet wärst. Genau wie du es wolltest. Aber du hast es nicht gemacht. Nichts von all dem, was in deinem Kopf geplant war. Und weißt du wieso? Weil du Sam vielleicht doch ein kleines bisschen attraktiv gefunden hast und es dir vielleicht tief im Inneren sogar gefallen hat, dass er dir die Art von Aufmerksamkeit schenkt. Also wieso kannst du nicht einfach sagen, Ja Zayn, ich glaube es kann sein, dass ich bisexuell bin. Betonung auf es kann sein und ich glaube. Mir ist es im Prinzip scheiß egal, ob du bi, schwul, oder sogar hetero bist. Oder von mir aus irgendwas ganz anderes. Du musst dich vor mir auch nicht outen. Du musst dich nicht auf irgendwas festlegen und dir selbst ein Label auf die Stirn drücken. Aber wenn du die ganze Zeit, davon redest, dass du hetero bist, auf der anderen Seite dich dann aber auch als bi geoutet hast, dann lügst du mich an. Und ich bin dein bester Freund. Ich halte nicht viel davon, wenn mir Menschen ins Gesicht lügen. Gib einfach zu, dass gestern überhaupt nichts falsch daran war, dass du mit Sam Spaß hattest. Alles andere kommt meiner Meinung nach rüber als wärst du homophob und du weißt ganz genau, wie ich dazu stehe. Und jetzt will ich nichts mehr zu gestern hören. Schlaf jetzt einfach nochmal, ruh dich aus, esse später etwas. Wir sehen uns am Montag in der Schule"

Ich schluckte leicht und sah Zayn hinterher, wie er aufstand. Er sah alles andere als glücklich aus und ich wusste ganz genau, dass ich ihn verärgert hatte.

"Bis Montag..", murmelte ich.

Zayn nickte. "Denk vielleicht ein bisschen darüber nach, was du gestern alles gesagt hast"

Ich nickte schwach und sah dabei zu, wie Zayn mein Zimmer verließ.

Ich wünschte unsere Unterhaltung wäre niemals passiert. Ich bin nicht homophob. Zayn weiß das doch. Sonst würde ich doch nicht mehr mit ihm befreundet sein. Es ist einfach etwas ganz anderes, wenn es sein kann, dass man es selbst ist. Aber das gestern könnte doch einfach nur der Alkohol sein, der gesprochen hat. Wenn man betrunken ist, macht man viele dumme Dinge.. Wieso kann Zayn das nicht einsehen? Wieso bin ich denn jetzt schon wieder daran schuld, dass es scheiße zwischen uns ist?

Langsam legte ich mich wieder zurück ins Bett und kuschelte mich in meine Decke ein. Ich brauche dringend Schlaf..

* * *

"Louis"

"Louis, ich hab dir eine Suppe gemacht"

Die Matratze neben mir senkte sich und langsam öffnete ich meine Augen. Ich wusste direkt, dass mein Kopf weniger brummte, dafür aber mein Magen noch immer keine Ruhe gab. Ich hatte immer noch das schreckliche Gefühl in mir, dass ich mich übergeben will.

"Guten Morgen, Schlafmütze. Wir haben gerade Mittag gegessen, du solltest auch etwas zu dir nehmen"

Müde sah ich meine Mutter an. "Mein Bauch tut weh"

Leise ertönte ein Lachen, weshalb ich die Augen rollte. Ja, ja. Schon klar. Ich hatte eine anstrengende Nacht hinter mir, aber da gibt es nicht lustiges daran.

"Du brauchst was in deinem Magen. Zayn hat mir ein bisschen von eurem Abend erzählt"

"Ist er noch da?"

Meine Mum schüttelte den Kopf. "Er ist vor ungefähr zwei oder drei Stunden schon gegangen. Zayn war wohl wesentlich sparsamer mit dem Alkohol unterwegs als du"

Ich rollte die Augen und setzte mich langsam auf.

Meine Mutter hatte die Brühe auf meinen Nachttisch gestellt und wenn ich es richtig erkannte schwammen Buchstaben darin. Buchstabensuppe! Meine Lieblingssuppe.

"Zayn hat erzählt, dass ihr neue Freunde gefunden habt"

Ich nickte und räusperte mich. "Er hat wahrscheinlich sogar seine zukünftige Ehefrau gefunden"

"Ja?"

Ich nickte. "Mich hat er mit ihrem Bruder alleine gelassen"

"So schlimm?"

Ich nickte erneut. "Ich hätte auch gerne jemanden zum Küssen gehabt"

"Wieso hast du niemanden gefunden?"

Ich wank ab. "Hab es einfach aufgegeben", log ich. Ich hatte es noch nicht einmal versucht!

"Dann iss jetzt deine Suppe und danach kannst ja vielleicht aus deinem Bett kriechen und uns unten Gesellschaft leisten"

Ich nickte leicht. "Ich hab trotzdem Bauchweh"

"Das kommt davon, weil du noch nichts gegessen hast. Glaub mir, danach wird es besser"

Mal sehen, ob die Buchstabensuppe meine Bauchschmerzen wirklich besser machen kann. Im Moment bezweifelte ich es noch sehr stark, aber vielleicht hat meine Mum auch recht. Mütter haben immer recht. Wenn ich mir eins hinter die Ohren schreiben sollte, dann sind es zwei Sachen. Erstens, versuche niemals mit deiner Mutter zu diskutieren, wenn du innerlich weißt, dass sie sowieso recht hat und zweitens, glaube alles, was dir deine Mutter von Gesundheit erzählt. Erstrecht, wenn sie als Krankenschwester arbeitet.

[1855 Wörter]

Ob sich Louis irgendwann mal eingestehen wird, dass er Typen attraktiv findet?

~D 💚💙

P.S.: Ich hab das Finale Kapitel geschrieben. Also ab jetzt kommen die Kapitel alle zwei Tage!