38. "Ich bin bi"
P.o.V.: Louis
Sam und ich unterhielten uns noch eine ganze Weile über belanglose Dinge. Irgendwann konnte ich sogar den Fakt ausblenden, dass er an mir interessiert ist und wir tranken einfach nur noch zusammen und redeten später sogar noch über Fußball. Er spielt zwar nicht selbst Fußball, ist anscheinend aber ein riesen Fan und hat noch kein einziges Spiel im Fernsehen verpasst.
"Denkst du Zayn und Sierra kommen irgendwann auch mal wieder zurück?", fragte Sam plötzlich nach einer etwas längeren Redepause zwischen uns. Ich brummte unsicher. "Keine Ahnung.."
"Die hab ich auch nicht.. Wollen wir auch tanzen gehen?" Sam hielt mir seine Hand hin und lächelte charmant. Ich schluckte und alles schrie in mir ihm endlich zu sagen, dass ich keinerlei Interesse an ihm habe. Ich gehe doch nicht als Mann in einen Club um dann von einem anderen angeredet zu werden! Wenn ich sowas will, dann gehe ich in eine Gay-Bar. Dafür sind die schließlich auch da.
"Wir sollten unsere Gläser nicht aus den Augen lassen", wiederholte ich seine Worte von vorhin. Ich nahm mein halbvolles Glas in die Hand und trank einen Schluck daraus.
"Du hast recht" Etwas enttäuscht zog er seine Hand wieder zurück und nickte leicht. "Louis, gefällt dir etwas an mir nicht?", fragte er weiter.
Ich musste mich zusammen reißen mich nicht an meinem Getränk zu verschlucken. Leise räusperte ich mich. "Du bist ein wirklich netter Typ, aber-" Ich schüttelte den Kopf. "Tut mir leid. Da ist einfach nichts zwischen uns"
Und schon wieder habe ich es nicht gesagt! Er würde bestimmt sofort aufhören mich toll zu finden, wenn ich einfach sagen würde, dass ich hetero bin!
"Das ist wirklich schade. Weil du bist auch ein wirklich netter Typ und ich finde dich toll, seit du dich hier hingesetzt hast"
Ich lachte leicht verlegen und spürte, wie plötzlich meine Wangen ganz warm wurden. Man! Was ist nur los mit mir?! Das muss am Alkohol liegen. Ja, der Alkohol muss schuld sein.
"Wieso gibst du uns nicht beim Tanzen eine Chance?", schlug er vor und trank daraufhin sein Glas aus. "Wenn sie leer sind, muss keiner darauf aufpassen"
Unsicher hob ich auch mein Glas wieder an und trank den Rest auf Ex weg. Was ist nur mit dieser Nacht? Ich hatte ganz andere Ziele.
Wieder hielt mir Sam seine Hand hin, welche ich dieses Mal annahm und gleich darauf auf meine Füße gezogen wurde. Das ist so lächerlich..
Und trotzdem lasse ich mich auf all das hier ein.
Ich muss später einfach noch so viel trinken, dass der komplette Abend für immer in Vergessenheit bleibt.
Kaum stand ich auf meinen Füßen und ging ein paar Schritte, merkte ich erst richtig den Alkohol, den ich bisher getrunken hatte. Mir kam mein Umfeld plötzlich gar nicht mehr so lästig vor und irgendwas in mir fand Spaß an dem Gedanken jetzt zu der Musik zu tanzen und sich einfach nur frei zu bewegen.
Selbst wenn ich eigentlich nicht der Typ dafür bin..
"Denkst du wir finden Zayn und Sierra?", hörte ich Sams Stimme plötzlich dicht an meinem Ohr.
Die Musik erschwerte es hier extrem sich normal unterhalten zu können. Meiner Meinung nach wären ein paar Lautstärken leiser auch noch völlig okay.
Ich versuchte mich auf meinen Zehenspitzen umzusehen und nach meinem schwarzhaarigen Freund Ausschau zu halten, aber es brachte nichts.
Der Großteil der Masse war um einiges größer als ich, sogar Sam ist ein paar Centimeter größer. Außerdem konnte ich dank den bunten Lichtern nicht unterscheiden, ob die Haare der Menschen vor mir nun braun, schwarz oder vielleicht sogar blond sind. Mal schienen sie heller und ein anderes mal wieder dunkler.
"Ich schreib Sierra kurz eine Nachricht. Vielleicht schaffen wir es später nochmal uns zu sehen", ließ mich Sam wissen.
Ich nickte lediglich und sah ihm dabei zu, wie er eine kurze Nachricht an seine Schwester schieb, sein Handy wieder weg steckte und zu mir auf sah. Naja.. Mehr oder weniger auf. Sein Blick war immer noch leicht nach unten geneigt.
"Alles gut?"
Ich nickte.
"Keine gute Musik?"
Ich lachte leise und schüttelte den Kopf. "Ist ein bisschen unangenehm"
Sam wank ab und nahm mich an beiden Händen. "Dir muss beim Tanzen doch nichts peinlich sein. Die Menschen um dich herum wirst du nach heute nie wieder sehen und außerdem sind 95% davon zusätzlich noch mehr als betrunken" Lachend begann er unsere Arme zur Musik zu bewegen und zusätzlich bewegten sich auch unsere Hüften und Füße. Es kam irgendwie automatisch und Sam hatte wohl oder übel recht. Niemand sieht irgendjemanden komisch an, nur weil er "nicht richtig" am Tanzen ist. Jeder tat das hier und selten wusste jemand, was Taktgefühl ist.
Vielleicht musste ich mir sogar eingestehen, dass es sehr schnell Spaß machte mit ihm hier zur Musik zu tanzen. Wahrscheinlich konnte man das nicht wirklich "tanzen" nennen, sondern einfach nur "komisches, wildes bewegen" aber wir schienen beide ein bisschen Spaß dank dem Alkohol daran zu haben.
Auf Sams Lippen lag ein ständigen Lächeln und wenn wir uns ein bisschen näher kamen konnte ich hören, wie er herzlich lachte.
Noch immer wusste ich nicht genau, was ich vom Nachtleben halten soll, aber ich müsste lügen, wenn das hier mein erstes und letztes mal bleiben wird.
Selbst wenn es bis jetzt in keinster Weise so gelaufen ist, wie ich es wollte, erreichte ich mein Ziel auf komische Art und Weise trotzdem. In Endeffekt wollte ich nur, dass mich das hier von meinen Liebeskummer ablenkt und das habe ich geschafft.
Der Alkohol machte es um einiges leichter für mich, nicht ständig darüber nachzudenken. Ich schaltete ab, ließ mich von Sam immer noch an den Händen berühren und gemeinsam bewegten wir uns zur Musik. Es brauchte keine Worte zwischen uns. Es brauchte auch keine Worte von meiner Seite aus um ihm zu zeigen, dass ich Spaß hatte.
Das hatte ich nämlich sehr und dafür musste ich mich wohl bei dem Rum-Cola, dem Cocktail, den mehreren Shots und den anderen Getränken, die Sam und ich zusammen an der Bar getrunken hatten bedanken.
Wer hätte gedacht, dass das doch so schnell eine solche Wirkung auf mich haben kann? Dafür tanze ich sogar mit einem Typen, der mich attraktiv findet.
Plötzlich kam Sam mir wieder näher, was mich wieder für einen kurzen Moment zurück in die nüchterne Realität warf, doch sobald ich nur zwei Sekunden später realisierte, dass er mir etwas sagen wollte, entspannte ich mich und vergaß den Fakt wieder, dass er mich vielleicht küssen wollte.
"Ich glaube ich habe Sierra mit Zayn gesehen"
"Wo?"
"Etwas weiter hinten. Sollen wir zu ihnen?" Sam steckte seinen Kopf wieder und schien beide mit seinen Blicken zu fokussieren.
Dadurch, dass wir uns verstehen mussten, waren wir uns sehr nahe und dadurch, dass ich mich immer noch leicht zur Musik bewegte, berührten sich unsere Oberkörper.
"Was machen sie?", fragte ich, ohne auf seine eigentliche Frage einzugehen.
Sam sah mich wieder an und lächelte. "Tanzen, küssen, sich berühren. Heißt das, du willst auch alleine bleiben?"
Ich schluckte und blickte nach unten. Wollte ich das? Aber wieso?
Urplötzlich erinnterte ich mich an ein Gespräch zurück, was ich mit meiner Mutter vor ein paar Wochen hatte. Es ging darum, dass ich Veränderungen mitbekommen werde. Aber von was soll ich Veränderungen spüren?
Ich erinnere mich daran, wie sie gesagt hat, dass wenn es etwas gibt, wo ich denke, dass es vielleicht neu ist, oder anders, oder sich für mich vielleicht falsch anfühlt, dann kann ich mit ihr oder auch meinem Dad dafür reden. Ganz egal, was es ist.
Aber es kann doch nicht sein, dass einen das Nachtleben so sehr verändert. Ich bin vielleicht gerade mal ein paar Stunden hier.
Was ich in dem Moment allerdings nicht wusste, war, dass die Zeit mit Sam an der Bar ein bisschen schneller vergangen ist, als es mir tatsächlich vorkam. Auch die Zeit hier auf der Tanzfläche verging schneller als gedacht. In Wirklichkeit hatten wir nämlich schon kurz vor Mitternacht.
"Na gut, dann geben wir Zayn und Sierra ein bisschen mehr Zeit zu zweit", hauchte Sam dicht gegen mein Ohr. Es war leise. Fast zu leise. Aber alles worauf sich mein Kopf gerade konzentrierte waren seine Worte, die ungeheure Nähe zu ihm und meine Gefühle.
Veränderungen..
An dem Tag, als ich das Gespräch mit meiner Mutter hatte, habe ich sie glaube ich dafür ausgelacht. Veränderungen. Was ein Blödsinn. Ich bin im Prinzip schon erwachsen, auch wenn ich mich manchmal nicht ganz so verhalte. Aber wieso sollte ich jetzt noch etwas mit Veränderungen zutun haben? Das meiste passiert, wenn man noch jung ist und in der Pubertät. Aber aus dem Stimmbruch bin ich raus. Einen richtigen Bartwuchs hatte ich zwar trotz dem Ende der Pubertät immer noch nicht, aber immerhin wuchsen mir die Haare anderswo.
Das alles dachte ich zumindest.
Aber woher hätte ich wissen sollen, dass es durchaus noch gewisse Veränderungen gibt, selbst wenn die körperliche Entwicklung beendet ist? Der Geist entwickelt sich wohl oder übel noch bis zum Tod weiter. Oder so ungefähr.
Ich gestand es mir zwar nicht ein, was diesmal nicht am Alkohol sondern einfach an mir selbst und meiner strickten Einstellung lag, aber ich ließ es zu. Und das hatte ich dem Alkohol zu verdanken.
Wie sagt man so schön?
Wenn man betrunken ist, sagt man gerne die Wahrheit, auch wenn man nüchtern niemals auf die Idee kommen würde offen darüber zu reden.
"Du hast ganz am Anfang gesagt, dass du nicht schwul bist, Louis. Was dann?", fragte Sam plötzlich.
Es schien plötzlich leise um uns zu sein. Wie als wäre ich hier gerade in meiner eigenen Welt. In meinem eigenen Paralleluniversum, wo es für einen kurzen Moment keine Musik und keine anderen Menschen gibt.
"Bi", flüsterte ich.
"Hmm?" Sam kam lachend näher. "Sorry, Louis, aber die Musik ist zu laut"
Ich schüttelte unmerklich meinen Kopf und merkte es auch wieder. Es war laut. Es war eng. Es war heiß. Und trotzdem lief mir ein eiskalter Schauer über den Rücken.
"Ich bin bi", sagte ich jetzt etwas lauter. Lauter und ein bisschen selbstbewusster.
Sam lächelte. "Dann willkommen im Club, huh?"
Ich nickte leicht, ließ ihn dann aber schnell los. Ich brauch ein Klo. Dringend.
"Was ist los, Louis?" Sam fasste mich an meiner Schulter an und war ein bisschen besorgt.
Schnell hielt ich mir die Hand vor den Mund und presste meine Lippen zusammen.
"Oh Gott. Komm schnell" Sam packte mich an meinem Oberarm und zerrte mich mit schnellen Schritten nach draußen. Mit einem kräftigen Stoß öffnete er die Türe, die um diese Uhrzeit schon lange unbewacht war, zog mich vor zu einem Busch und ließ mich los.
Im nächsten Moment hatte ich mich schon in den Rosenbusch übergeben.
Ich hustete leise und ekelte mich vor mir selbst.
Sanft strich mir Sam über den Rücken und versuchte mich ein bisschen zu beruhigen. "War wohl ein bisschen zu viel des Guten.."
Ich nickte leicht, stützte immer noch auf meinen Knien und spuckte den ekligen Geschmack in meinem Mund vor meine Füße.
"Hier" Sam reichte mir ein Taschentuch, womit ich mir meinen Mund abwischte.
"Danke.."
"Alles okay?"
Ich nickte leicht und schmiss das Taschentuch neben mir in den Müll. "Geht schon wieder"
"Wir sollten rein und dir ein Wasser bestellen"
"Ich muss mir erstmal meinen Mund in den Toiletten ausspülen", murmelte ich. "Oh Gott, das tut mir so leid.. Wir hätten nicht so viel zusammen trinken sollen. Ich hätte wissen müssen, wann Schluss ist"
Ich wank ab. "Wie hättest du das denn wissen sollen? Alles gut"
Sam nickte leicht und lächelte sanft. "Deine Stimme in aller Ruhe klingt direkt ganz anders"
Ich lächelte leicht und wich seinem Blick aus. "Danke, oder so..?"
Sam kicherte. "Na komm. Lass uns rein gehen. Muss eklig schmecken"
Ich nickte leicht und spuckte ein letztes mal vor mich auf die Straße. Mehr als eklig.
[1958 Wörter]
Sam ist ein guter Kerl 🥰
Haha just kidding, das wichtigste überhaupt: Louis hat sich endlich eingestanden, dass er bisexuell ist!!! WUHUUU
~D 💙💚
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