19. Splitterfasernackt
P.o.V.: Louis
Zuhause angekommen setzte ich mich ohne ein Wort zu sagen an den Esstisch. Ich faltete meine Hände zusammen, stützte meine Arme mit den Ellbogen auf der Tischplatte ab und schnaufte leise. Ich schloss meine Augen und atmete tief ein und aus. Ich hatte hier eine Menge neuer Informationen zu verarbeiten und noch immer wusste ich nicht, wie ich darüber denken sollte.
"Sprich dich aus, Boo. Was ist los? Du hast noch nicht einmal Hallo gesagt"
Meine Mum drehte den Herd auf eine niedrigere Stufe und setzte sich gegenüber von mir an den Tisch.
Ich schluckte und sah wieder auf das Holz. "Ich bin überfordert"
"Ist es die Schule?"
Ich schüttelte meinen Kopf. "Zayn"
"Zayn? Was ist mit ihm?"
Ich richtete meinen Blick auf und sah ihr in die Augen. "Ich kann es dir beim besten Willen nicht erklären"
"Louis, du machst mir ein kleines bisschen Angst"
Kurz schmunzelte ich. Ich lockerte meine Finger und ließ meine Arme flach auf den Tisch fallen. "Ich glaube er hat sich bei mir gerade vorher geoutet", murmelte ich.
Ich wusste nicht, ob ich es überhaupt weiter erzählen durfte, aber mit irgendjemandem musste ich darüber reden! Ich kann das nicht einfach für mich behalten! Ich weiß doch noch nicht mal, wie ich jetzt mit ihm umgehen soll!
"Und was genau überfordert dich daran jetzt?"
Entsetzt sah ich meine Mutter an. "Mum! Zayn ist mein bester Freund! Ich hab doch keine Ahnung, wie ich ihm morgen wieder unter die Augen treten kann, was ich zu ihm sagen soll oder sowas"
Verständnislos schüttelte sie den Kopf. "Manchmal da bezweifle ich, dass ich dich großgezogen und erzogen habe", flüsterte sie.
Was soll das denn jetzt heißen?!
"Okay, Louis. Ich kann es dir gerne nochmal sagen: Nichts daran ist verwerflich, schlimm oder abnormal. Zayn wird immer noch dein bester Freund bleiben, wenn du ihn einfach genau wie davor auch behandelst. Das einzige was sich halt jetzt ändert, ist, dass er vielleicht offener zeigt, dass er auch Interesse an Typen hat. Als was hat er sich denn geoutet?"
Ich zuckte die Schultern. "Er meinte, dass er schon vor ein paar Monaten jemanden kennen gelernt hat und sie- naja. Er eventuell seine Ballbegleitung werden könnte. Aber er ist sich unsicher. Er hat nur gemeint, dass es kein Mädchen ist"
"Und ist daran jetzt irgendwas schlimm?"
Leicht schüttelte ich meinen Kopf. "Habe ich bei ihm nur nicht erwartet. Also wirklich gar nicht. Ich kann mir Zayn mit einem Freund einfach null vorstellen"
"Und viele würden mit Sicherheit das gleiche von dir behaupten"
"Mit dem einen Unterschied, dass sie recht haben, weil ich nicht auf Typen stehe"
"Wie dem auch sei. Vielleicht zeigst du Zayn direkt morgen in der Schule, dass sich nichts zwischen euch ändern wird. Ich bin mir sicher, dass er sich darüber freuen würde, wenn du noch an seiner Seite bleibst" Sie stand wieder auf, schob den Stuhl zurück unter den Tisch und stellte sich vor den Herd.
"Ich glaube Zayn will aber nichts mehr mit Toni zutun haben"
Meine Mutter sah mich verwirrt an. "Wieso das?"
"Er meint, dass Toni rassistisch und homophob ist und das nicht länger mit anhören und mitmachen will"
"Nun ja, dann kann ich Zayn sehr gut verstehen. Würde ich persönlich auch nicht wollen"
Ich brummte. "Ich kann mich aber jetzt nicht einfach so auf Zayns Seite stellen. Toni ist immer noch für mich ein guter Freund"
Meine Mutter seufzte leise. "Vielleicht schläfst du mal eine Nacht darüber und denkst für dich selbst ein bisschen nach, wer dir wichtiger wäre, wenn Zayn sich wirklich von eurer Gruppe trennen wird. Das wird wahrscheinlich spätestens dann passieren, wenn er mit dem Jungen zusammen kommt, von dem er erzählt hat. Sollte Toni dann immer noch die gleiche Einstellung beibehalten, wäre es für mich offensichtlich, was zutun ist. Aber jetzt kannst du mir einen Gefallen tun und deine Schwestern zum Essen rufen" Sie lächelte mich sanft an und stellte abwechselnd die beiden Töpfe auf den Tisch.
* * *
Nach dem Mittagessen verkroch ich mich in mein Zimmer, nahm mir mein Handy und schrieb Zayn. Irgendwie hatte mir meine Mutter so ein schlechtes Gewissen eingeredet, dass ich nicht mehr bis morgen warten konnte. Ich wusste, dass mir Zayn schon immer wichtiger war. Wir waren schon immer die besten Freunde und unzertrennlich und wenn sich Zayn in Anwesenheit von Toni nicht mehr wohlfühlen sollte, dann würde ich hinter ihm stehen und entweder dafür sorgen, dass sich Toni in diversen Situationen ändert, oder ich würde mich eben zusammen mit Zayn von ihm anwenden.
Heute, 14:39 Uhr
Hey, Zaynie! Ich möchte dir sagen, dass es mir leid tut, dass ich sofort davon ausgegangen bin, dass du dich in ein Mädchen verliebt hast. Zu meiner Verteidigung kann ich aber auch wirklich nicht ahnen, dass es eben doch noch anders kam. Aber ich will, dass du weißt, dass ich immer hinter dir stehe und dein bester Freund bleibe. Ich hoffe wirklich, dass du mir nicht böse bist, wie ich reagiert habe oder wenn ich manchmal vielleicht sogar etwas gesagt habe, dass dich verletzt hat. Wenn sich Toni dir gegenüber nicht verändert, dann will ich auch nicht länger, dass er ein Freund von uns ist. Ich hoffe wir können so weiter machen wie sonst auch immer und wenn dir etwas nicht passt, dann sag es einfach und ich versuche mein bestes es für dich besser zu machen <3
Heute, 14:43 Uhr
Zaynie
Danke, Louis. Du weißt nicht, wie viel mir das bedeutet. Könntest du aber Toni bitte nichts davon erzählen? Ich glaube das erspart einiges..
Heute, 14:44 Uhr
Denkst du nicht, dass wenn du es Toni sagst, dass du dann schneller eine Antwort hast, die alles einfacher machen könnte?
Heute, 14:44 Uhr
Zaynie
Ich muss darüber nachdenken..
Heute, 14:45 Uhr
Natürlich <3 So lange wie du brauchst. Danke, dass du mir das überhaupt anvertraut hast
Heute, 14:45 Uhr
Zaynie
Naja eigentlich hab ich es nur gesagt, weils mir auf den Piss ging, dass du die ganze Zeit von einem Mädchen geredet hast xD
Heute, 14:46 Uhr
Aber ist er denn jetzt wirklich der Grund, weshalb du so Interesse an Musik hast?
Heute, 14:46 Uhr
Zaynie
Ja.. Schon so ein bisschen
Heute, 14:46 Uhr
Erzähl mir was über ihn
Heute, 14:47 Uhr
Zaynie
Ich wüsste nicht, was ich dir sagen soll, haha
Heute, 14:47 Uhr
Wie habt ihr euch kennen gelernt?
Heute, 14:48 Uhr
Zaynie
Er arbeitet in einem Café, was ein "Familienunternehmen" ist. Er kellnert dort und ja :D so kamen wir irgendwie ins Gespräch
Heute, 14:49 Uhr
Wenn er schon arbeitet, wie alt ist er dann?
Heute, 14:49 Uhr
Zaynie
20, haha. Er wird im August 21
Heute, 14:50 Uhr
Und, denkst du das wird was?
Heute, 14:50 Uhr
Zaynie
Hmm ne. Ich denke nicht
Heute, 14:50 Uhr
Lass den Kopf nicht hängen. Morgen in der Pause will ich dann mehr details hören! Ich muss jetzt aber leider off.. Harry und ich treffen uns um halb 4..
Heute, 14:51 Uhr
Zaynie
Alright xD Hab Spaß. Ich bin mir fast sicher, dass es halb so schlimm wird <3 bis morgen
Schnell schrieb ich Zayn noch eine letzte Nachricht, ehe ich mir etwas frisches zum Anziehen aus meinem Schrank nahm, mich umzog und noch schnell im Bad verschwand, damit ich nicht ankommen würde, wie ein explodierter Handbesen.
* * *
Lässig stieg ich die wenigen Treppen zur Haustüre nach oben. Wenn ich darüber nachdachte, dann ist es echt erschreckend wie oft ich schon hier war und wie oft ich noch hier sein werde. Ich kannte dieses Haus in und auswendig. Ich kenne Harrys Familie inklusive seinem Stiefvater und kann beim besten Willen nicht sagen, was ich dabei fühle. Ich brauchte ja nicht einmal mehr ein Navi, damit ich zu Harry finde. Den Weg könnte ich sogar schon im Schlaf ablaufen.
Schnell betätigte ich die Klingel und wartete nur darauf, dass mir Harry mit Schwung die Türe öffnen würde.
Doch das passierte nicht.
Stattdessen machte Anne die Türe auf. Wohl bemerkt mit weniger Enthusiasmus als Harry. Aber wer konnte es ihr verübeln?
"Oh, hey Louis. Komm rein. Wie geht's dir?" Sie trat zur Seite und ließ mich eintreten. Ich lächelte kurz und zog mir meine Schuhe aus. Fein säuberlich stellte ich sie neben die von Harry. "Alles bestens"
Anne lächelte breit. "Harry müsste oben sein. Ich weiß nicht, wieso er die Klingel nicht gehört hat.. Weiß er, dass du kommst?"
Ich nickte. "Ja. Wir hatten halb vier ausgemacht"
"Dann ist er gerade bestimmt einfach noch vertieft in seine Hausaufgaben. Wenn du etwas zu trinken brauchst, oder hunger hast, dann bediene dich einfach. Du weißt ja, wo du alles findest"
Noch eine Sache, die erschreckend ist. Für Anne ist es viel zu normal, dass ich hier bin. Ich könnte mich reintheoretisch einfach am Kühlschrank bedienen, mir einen Tee machen oder Süßigkeiten aus dem Schrank holen und es würde niemanden stören. Es fühlt sich viel zu sehr danach an, als würde ich hier wohnen, oder als wäre ich Harrys Freund oder so..
Oh Gott, bitte lass mich nicht mal daran denken. Das ist doch krank. Niemals.
"Danke, passt alles. Ich geh hoch", ließ ich Anne wissen.
Ich nahm auf den Treppen immer zwei Stufen auf einmal und war in null Komma nichts oben und stand vor Harrys Zimmertüre. Schon merkwürdig, dass Harry mir heute nicht aufgemacht hat. Sogar Anne fand es ein bisschen komisch. Sonst hörte man ihn immer von oben rufen, dass er die Türe aufmacht, aber heute schien er es einfach überhört zu haben.
Ohne mir Gedanken darüber zu machen, öffnete ich seine Türe und ging in sein Zimmer.
Ich dachte zumindest, dass das eine gute Idee war. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich ihn bei etwas unterbrechen und überraschen würde. Immerhin hatten wir halb vier ausgemacht und auch wenn man es von mir vielleicht nicht dachte, war ich bisher immer pünktlich bei ihm und nicht mehr als zwei Minuten zu spät.
Doch anscheinend hatte Harry die Zeit vergessen, denn es schien, als hatte er überhaupt nicht auf dem Schirm gehabt, dass ich noch vorbei kam.
Sobald ich Harry sah bekam ich erst große Augen und drehte mich dann ganz schnell weg.
"Louis!", schrie er erschrocken. "Was machst du hier?! Wieso klopfst du nicht, aber eher: Was machst du schon hier?!"
Ich hörte, wie Harry nach seinem Handtuch griff und es schnell um seine Hüfte wickelte. Noch immer traute ich mich nicht, mich umzudrehen.
Vielleicht sollte ich die Situation erklären. Harry stand vor seinem Kleiderschrank. Seine Haare waren nass und auch auf seinem Oberkörper waren ein paar Wassertropfen zu sehen. Er war nackt. Splitterfasernackt. Und er suchte offensichtlich nach neuer Kleidung. Alles, was ich gesehen habe, war sein Rücken. Naja und vielleicht auch abwärts alles andere.. Aber ich konnte nichts dafür, dass er hier einfach nackt in seinem Zimmer stand! Er wusste doch, dass ich komme!
"Schon?! Was heißt hier schon? Es ist punkt halb vier!", verteidigte ich mich. Mein Blick war noch immer an die Wand gerichtet. Nie wieder wollte ich Harry nackt vor mir sehen. Ich war schon froh genug, dass mir das Gruppenduschen nach dem Fußball erspart blieb, weil ich immer erst duschte, wenn ich der letzte bin. Selbst wenn ich deshalb manchmal zu spät zum Unterricht komme. Grausam, wenn ich daran dachte anderen Männern dabei zusehen zu müssen, wie sie sich duschten. Kurz schüttelte es mich bei der Vorstellung. Nackt sein vor anderen ist immer hin auch sowas wie das erste Mal und das wollte ich mit Sicherheit nicht mit anderen zwanzig Typen in der Gruppendusche haben!
"Ja! Es ist halb vier! Wir hatten gesagt vier!"
Ein knall einer Türe ließ mich wissen, dass Harry wohl etwas zum Anziehen gefunden hat und jetzt der Schrank zu war.
"Vier?"
Harry brummte und ich hörte das leise Fallen des Handtuchs.
Ich dachte schwer darüber nach, was Harry heute zu mir in der Schule gesagt hat. Halb vier oder vier? Ich bin mir so sicher, dass er halb vier gesagt hat! Darauf könnte ich wetten!
"Okay, du kannst dich umdrehen..", murmelte Harry.
Ich räusperte mich und drehte mich langsam in seine Richtung. Er war angezogen. Seine Haare waren allerdings immer noch nass und hatten jegliches Volumen verloren, weshalb er aus sah wie ein Wischmopp.
"Wir hatten halb vier gesagt", wiederholte ich.
Harry schüttelte den Kopf. "Ganz sicher vier. Aber ist ja auch egal" Kurz wuschelte er sich mit dem weißen Handtuch durch seine Haare und hing es dann über seinen Schreibtischstuhl.
"Ehm.." Ich biss mir auf die Lippe. "Na gut.. Dann fangen wir an und bringen es hinter uns"
Harry nickte und fuhr seinen PC hoch. "Ich hol dir einen zweiten Stuhl"
Völlig verspannt ließ ich mich auf Harrys Bett nieder. Hoffentlich passiert das nie wieder..
[2074 Wörter]
Ich bin mir nicht so sicher, ob dass nie wieder passieren wird 👀
~D 💚💙
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