Wahrheit
Louis POV
Als ich wach wurde, war es mitten in der Nacht. Das Schlafzimmer war dunkel und ich fühlte den regelmäßig hebenden Brustkorb meines Gefährten an meinem Gesicht.
Sein Arm war um mich geschlungen und so war es mir gar nicht möglich, mich aus meiner Position wegzubewegen.
Sofort kamen die Bilder zurück, die Gefühle der Verzweiflung, die Angst, die ich gefühlt hatte, als ich erst von den beiden Halbstarken bedroht worden war und anschließend mitten im Nirgendwo zurückgelassen. Ich hatte tatsächlich mit meinem Leben abgeschlossen, als Liam auftauchte und mich mit nahm.
Es war wie eine Erlösung, als ich in seinen Armen hing und die Kälte und der Stress hatten ihr Übriges getan und mich in den Schlaf geschickt. Erst als Harry mich im Bad wieder geweckt hatte, kam das Leben in mich zurück.
Als er mich später fragte, was passiert war, konnte ich ihm nicht sagen, dass die Jungs mich bedroht hatten. Zum Einen hatte ich Angst davor, was er mit ihnen machen würde und zum Zweiten war ich auch noch immer der Meinung, dass es mein Kampf war, den ich mit ihnen auszufechten hatte. Selbst wenn ich inzwischen tief in mir fühlte, dass die Chance diesen allein zu gewinnen vermutlich eher gen null tendierten.
„Schlaf Kickuwi.", hörte ich ihn plötzlich neben mir brummeln, sein Arm zog mich, wenn das ging noch näher an ihn heran.
„Ich, ich bin nicht mehr müde.", sagte ich leise, versuchte, seinen schweren Arm von mir zu lösen, doch er behielt den Griff um mich bei.
„Du bleibst liegen. Hier wird nicht in der Nacht herum gegeistert. Es ist gerade mal...", er erhob seinen Kopf kurz, blickte auf den Wecker. „2.30 Uhr in der Nacht."
„Aber ich, ich muss mal.", nahm ich als Ausrede aufstehen zu können und hörte ihn kurz danach seufzen.
„Gut. Aber du kommst sofort wieder zurück ins Bett, oder plagt dich Hunger?", die Augen sahen mich prüfend an und statt einer wörtlichen Antwort knurrte mein Magen laut.
„In Ordnung. Du hast ja auch seit dem Mittag nichts mehr gegessen. Geh ins Bad, dann direkt wieder ins Bett. Ich bereite dir schnell etwas zu unten.", damit stand er auf, zog sich eine Trainingshose über und lief direkt die Treppe nach unten.
XXX
Als ich aus dem Bad kam, stolperte ich fast über die langen Hosenbeine des Pyjamas, den Harry mir scheinbar angezogen hatte. Ich musste zugeben, dass sich dieses Flanell am Körper wirklich gut anfühlte.
Wieder unter der Bettdecke, kam kurze Zeit später mein Gefährte mit einem Holzbrett zurück, auf dem er eine Scheibe Brot, ein wenig Käse und ein Stück Schokolade gelegt hatte.
„Hier.", er lächelte schief, reichte mir das Brettchen und erneut meldete sich mein Magen lautstark.
„Danke.", fiepte ich nur, machte mich sofort über das zwar karge, aber ausreichende Mahl her, was er mir kredenzte.
„Und dann wird weiter geschlafen. Morgen hast du nur die jüngeren Kids im Unterricht. Doug und Robert werden morgen nicht zum Unterricht erscheinen.", teilte er mir noch mit, ehe auch er sich wieder ins Bett legte und mir wenig später das leere Holzbrett abnahm.
„Warum?", frage ich, spürte aber innerlich, wie froh ich war, dass ich die Jungen Morgen nicht würde sehen müssen.
„Ich hatte heute ein Gespräch mit ihren Eltern. Sie sind beide der Meinung, dass es reine pubertäre Verhaltensweisen sind, die sie an den Tag legen. Beide Elternpaare stehen voll hinter dir.", erklärte er und es war als würde ein Stein vom Herzen fallen. Also hatten sie ihre Einstellung nicht von daheim.
„O.k.", sagte ich daraufhin nur, spürte, wie Harry mich wieder an sich zog.
„Und jetzt Augen zu, Kickuwi. Schlafen ist wichtig für dich. Du als Omega bist körperlich nämlich wesentlich schwächer."
Ich schloss die Augen bei den Worten und auch wenn ich wusste, dass er das nicht böse gemeint hatte, steckte doch wieder ein imaginärer Dolch in meiner Brust, den er mir bei den Worten unbewusst hinein gerammt hatte.
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Ich schlief in dieser Nacht nicht mehr. Zwar bewegte ich mich nicht oder besser gesagt nicht mehr als unbedingt nötig, aber der Schlaf hatte nicht mehr zu mir zurückgefunden. Harry dagegen schnarchte bereits nach kurzer Zeit wieder und ich war froh, das Gespräch nicht weiterführen zu müssen.
Als ich am nächsten Morgen fertig für die Schule im Flur stand und gerade meine Jacke überzog, umfing er mich von hinten, drückte sich an mich.
„Ich wünsche dir heute einen störungsfreien und entspannten Tag. Heute Nachmittag sprechen wir in Ruhe. Ich denke wir müssen wieder ein paar Dinge klären.", flüsterte er in mein Ohr, ehe er mich noch einmal sanft in den Nacken küsste und dann die Tür öffnete.
„Wenn du mich brauchst, lass die anderen mich einfach rufen.", gab er mir noch mit auf den Weg und schon war ich draußen und lief die staubige Straße nach unten.
In der Schule empfing mich Susann wie auch schon die Tage zuvor. Genauso wie ein paar Kids, die sich sofort strahlend an meine Hosenbeine hängten.
Dummerweise hatte ich auf Grund der Aktion am gestrigen Nachmittag den Unterricht für heute nicht vorbereitet und würde nun improvisieren müssen.
„Du siehst ganz schön blass aus.", die junge Frau musterte mich mit besorgten Augen und ich nickte.
„Ich habe wenig geschlafen.", gab ich zu. Magst du mir die kleinen Monster abnehmen? Ich hatte gestern keine Zeit, mich auf heute vorzubereiten und würde gern noch schnell ein oder zwei Dinge machen, bevor meine Schüler kommen.", bat ich sie und mit einem Fingerzeig gehorchten die Welpen und ließen von mir ab.
„Danke ihr Mäuse.", sagte ich lächelnd. „Nach der Schule spielen wir ein bisschen zusammen, wenn ihr mögt.", schlug ich vor und sofort brach Jubel aus.
„Also dann bis später.", ich nickte Susann noch einmal zu und ging dann nach oben in mein Schulzimmer um zumindest, die Themen über die wir heute sprechen würden, heraus zu suchen.
XXX
Der heutige Unterricht war trotz der fehlenden Vorbereitungen toll. Die Mädels und auch die Jungen beteiligten sich aktiv und viel engagierter als die Tage zuvor. Vermutlich hatten sie ein wenig Angst vor den Großen und sich deshalb mir gegenüber ein bisschen zurückgehalten.
„Das war toll!", Lux strahlte mich am Ende des Unterrichts an und stand vor meinem Schreibtisch. „Ich möchte auch mal eine Lehrerin werden.", erklärte sie und ich schmunzelte.
„So so. Du möchtest dann also meinen Job übernehmen?", fragte ich, doch sie schüttelte nur den Kopf.
„Nein! Nicht deinen Job. Ich möchte mit dir zusammen arbeiten. Also ich könnte die kleinen Kinder und du die großen Kinder unterrichten.", grinste sie und es war toll, wie erwachsen sie sich bereits verhielt.
„Du wirst sicher eine großartige Lehrerin. Vielleicht kannst du ja mal ein Thema von mir übernehmen. Es vorbereiten und dann vortragen. Dann könntest du bereits üben.", schlug ich vor und ihre kleinen Augen leuchteten.
„Wirklich?", sie war ganz aufgeregt und ihre Freundin lachte.
„Oh Luna, da hast du was angerichtet. Jetzt wird sie von nichts anderem mehr sprechen.", sagte sie und ich lachte.
„Na ja, so fleißige Schüler hat jeder Lehrer gern. Was möchtest du denn mal machen?"
Sie kratzte sich am Hinterkopf, zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht recht. Aber ich bin ja auch noch ganz schön jung. Ich habe noch Zeit.", sie legte den Kopf schief und ich nickte.
„Da hast du natürlich Recht. Aber Lux, ich bringe dir morgen ein paar Bücher zu einem Thema mit und dann wirst du Ende nächster Woche eine Unterrichtsstunde abhalten. Wollen wir das so machen?"
Erneut strahlte sie und nickte. „Oh ja. Das wäre so toll, Luna Louis. Vielen vielen Dank!"
Noch immer war ich belustigt darüber, dass eines der Kids tatsächlich freiwillig einen Vortrag, ein Referat oder wie ich es nennen wollte, abhalten wollte. Wir hatten uns in der Schule immer versucht davor zu drücken und sie war so dankbar, als hätte ich ihr eine Tonne Schokolade geschenkt.
„Na, heute lief es gut, oder? Die Kids waren alle ganz begeistert, als sie runter kamen.", Susann reichte mir eine Tasse Tee, die ich dankend annahm.
„Ja, heute war es genauso, wie ich es mir vorgestellt habe. Die Kinder sind super!"
XXX
Anders als die anderen Tage ging ich heute, nachdem ich mein Versprechen eingelöst hatte und mit den Welpen gespielt, beschwingt nach Hause.
Die Stunden waren super gelaufen und ich war sowohl mit den Kindern als auch mit meiner eigenen Leistung mehr als zufrieden.
„Hey, du strahlst ja richtig.", wurde ich begrüßt, als ich Harrys Büro betrat, in dem ich ihn hatte auf die Tastatur einhauen hören.
„Und du machst gerade die Tastatur kaputt.", gab ich grinsend zurück, ließ mich ihm gegenüber in den Sessel fallen.
„Es war wirklich toll heute. Genau wie ich es mir vorgestellt habe. Die Kinder waren toll, haben super mitgearbeitet und die kleine Lux will sogar selbst mal Lehrerin werden.", schwärmte ich und die grünen Augen wurden ganz sanft, als er mich anlächelte.
„Das freut mich sehr für dich, Louis.", sagte er, stand von seinem Schreibtischstuhl auf und kam zu mir herum. Als er vor mir stand, beugte er sich vor, küsste mich liebevoll auf den Kopf, ehe er mein Kinn hoch drückte, sodass ich in seine Augen sehen musste.
„Genau dieses Glück möchte ich immer in deinen Augen sehen, Kickuwi. Du bist so wunderschön, wenn du so von innen heraus strahlst.", flüsterte er mir zu und ich merkte, wie mein Herz zu rasen begann.
„Komm her.", er öffnete seine Arme und ohne zu überlegen stand ich auf, ließ mich an seine breite Brust fallen.
Wir standen einige Minuten einfach nur so, eng umschlungen, die Wärme des Anderen genießend, als er sich leicht von mir löste, sich selbst auf den Sessel fallen ließ und mich seitlich auf seinen Schoss zog.
„Und nun sagst du mir, was gestern wirklich passiert ist.", seine Stimme war von sanft und liebevoll auf bestimmt und ein Stück weit streng gewechselt und ich schluckte, sah sofort zu Boden.
„Louis, ich weiß das du etwas verbirgst und ich will dich wirklich nicht drängen, aber es ist wichtig das du alles mit mir teilst, gerade Dinge, die dich beschäftigen, ängstigen oder sonst etwas mit dir anstellen. Ich bin dein Gefährte und es ist wichtig, dass ich weiß was mit dir los ist.", versuchte er es jetzt etwas sanfter, doch ich schüttelte nur den Kopf.
„Es ist nichts, Harry.", sagte ich, versuchte, überzeugend zu klingen, doch im Augenwinkel sah ich, wie er den Kopf schüttelte.
„Kickuwi, ich bin ein Alpha, ein guter noch dazu. Ich rieche Lügen auf eine Meile und ich spüre umso mehr, wenn es meinem Gefährten nicht gut geht. Bitte zwing mich nicht dazu, mich mit meiner Alphastimme durchsetzen zu müssen.", er drehte erneut mein Kinn zu ihm, sodass ich wieder in diese tiefen grünen Augen sah, die versuchten mir Vertrauen, Zuversicht und vor allem Liebe zu vermitteln.
„Ich, es ist...", versuchte ich etwas zu sagen, doch ich hatte Angst vor den Konsequenzen. Was wäre, wenn er genauso ausrastete, wie bei den anderen Jungs? Was wäre, wenn er...
„Hör zu, es ist deine letzte Chance, Louis. Dann werde ich meine Position zur Geltung bringen. Ich habe dich mehrfach höflich gebeten und kann es nicht dulden, dass du mir so etwas Wichtiges, und das scheint es zu sein, verschweigst.", die Stimme war nun tiefer geworden, dunkler und mein Omega in mir fiepte bereits und ich zeigte wie automatisch meinen Hals ein wenig, um ihn zu besänftigen.
„Gut, ich...", stotterte ich erneut und fühlte eine warme Hand, die nun begann sanfte Kreise auf meinen Rücken zu malen. „Die Jungs, sie waren gestern auch im Wald. Ich weiß nicht, ob sie mir gefolgt sind, oder mich durch Zufall dort gefunden haben. Sie, sie haben mich bedroht, gesagt, sie würden dich davon überzeugen, dass ich nicht ins Rudel gehören würde.", floss es jetzt einfach aus meinem Mund und in dem Moment raste mein Herz, meine Hände wurden feucht.
Doch anstatt auszurasten, passierte erst einmal gar nichts. Harry saß da wie vorher, kraulte weiter, während seine andere Hand nach meiner griff.
„Danke, Kickuwi.", er strich mir liebevoll über die Wange. „Danke, dass du es mir doch verraten hast. Ich weiß, du hast Angst, dass ich ausflippe und erneut so etwas tue, wie mit den Jungs damals. Aber das hier ist eine andere Situation.", begann er zu erklären und ich runzelte die Stirn.
„Sie bedrohen dich zwar, aber nicht direkt. Mein Wolf muss also nicht sofort einschreiten, sondern kann sich in Ruhe überlegen, wie ich vorgehen kann. Glaube mir, ich bin nicht nur impulsiv und gefährlich, ich bin Rudelführer und da muss ich im Normalfall besonnen agieren. Also habe keine Angst. Ich werde mir entsprechende Maßnahmen überlegen und die Erste wird sein, sie vom Unterricht auszuschließen und eine Verfügung zu erlassen, dass sie dir nicht auf 100 m nahekommen dürfen. Alles Weitere werde ich in Ruhe mit Liam besprechen. Ich werde ihren Eltern linken und diese mit den Jungs für morgen Vormittag, wenn du in der Schule bist einbestellen. Du musst dir keinerlei Sorgen machen, Louis. Du bist mein Gefährte und nichts wird mich davon abbringen, dich an meiner Seite zu wollen, dich lieben zu wollen. Das was sie sagen ist pubertärer Quatsch.", damit zog er mich an sich, küsste meine Stirn so liebevoll, dass mir ein kleines Seufzen der Erleichterung entwich.
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„Aber es gibt noch ein Thema, über das wir dringend sprechen müssen.", holte er uns einen Augenblick später wieder ins Hier und jetzt zurück und ich schluckte, weil er noch immer so ernst klang.
„Ich weiß, ich wollte dich nicht drängen, aber wir müssen den Bund schließen, ich muss dich markieren. Es wird Zeit, ich merkte, dass mein Wolf immer unruhiger wird und ich will nicht, dass es nachher aus einem Instinkt passiert und ich mich nicht unter Kontrolle habe, in einer Situation.", Harry war schonungslos ehrlich und ich wusste, dass dieses Thema irgendwann auf mich zu kommen würde.
„Das mit der Markierung ist o.k.", sagte ich leise, drückte mein Gesicht an seinen Hals. Kannst du mich nicht einfach erstmal nur beißen?", fragte ich hoffnungsvoll, denn vor dem Vollzug des Verkehrs hatte ich Angst, auch wenn die Körperlichkeiten bisher wirklich schön gewesen waren.
„Ach Kickuwi.", er lachte leise, strich mir die Haare hinter das Ohr. „Das würde ich für dich tun, wenn es ginge, aber leider sind diese Dinge untrennbar verbunden. Aber du hast doch gemerkt, dass ich ganz sanft sein kann und ich verspreche dir, alle Vorsicht walten zu lassen, die mir möglich ist.", er beugte sich vor, küsste mich zärtlich auf die Lippen.
„Versprichst du es?", hakte ich nach und ich wusste, dass es quatsch war, das zu fordern. Ich würde es so oder so nicht verhindern können und musste darauf hoffen, dass Harry seinen Wolf unter Kontrolle behielt.
„Ja, ich verspreche es dir. Wir werden uns alle Zeit der Welt nehmen, aber ich möchte, dass wir es noch heute besiegeln.", er griff mit beiden Händen nach meinen Wangen, sah mir direkt in die Augen. „Es ist sowieso unumstößlich, Kickuwi und es ist ein Zeichen an das Rudel. Mit der Verbindung wirst du mit dem Rudel verlinkt und es ist mir wichtig, dass das endlich passiert. Du wirst nicht leiden müssen, das verspreche ich dir noch einmal, bei der Mondgöttin. Im Gegenteil, ich werde dafür sorgen, dass auch du das Markierungsritual genießen wirst."
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