50. Gathering
♪ Tear it down – Def Leppard
Liam hörte mir zu.
Sein erster, ungläubiger Gesichtsausdruck wandelte sich in Erstaunen, als ich meine komplette Geschichte beichtete. Angefangen bei dem Moment, in dem ich beschloss, ein neues Leben zu beginnen und mein Geld mitzunehmen, anstatt dieses dem Staat in den gierigen Schlund zu werfen. Ich erzählte ebenfalls, dass ich Niall seit Kindesbeinen an kannte und er mir half, an neue gefälschte Papiere zu gelangen, als ich ihn darum bat. Die Verbindung zu Harry erwähnte ich ebenfalls, ich wollte Liam nichts mehr vorenthalten.
„Es tut mir so leid, dass ich euch alle angelogen habe, aber als ich erwachte, nachdem du mich aus dem Wasser gezogen hattest, war das einfach der perfekte Strohhalm, der beste Zeitpunkt, um die neue Identität anzunehmen."
Mit diesen Worten schloss ich meinen Bericht, atmete tief durch und sprach das aus, was mir durch den Kopf ging. „Ich kann verstehen, wenn du mich jetzt rauswirfst und nichts mehr mit mir zu tun haben möchtest, denn ich habe dich hinters Licht geführt, genau wie El und all die anderen."
Nervös knetete ich meine Finger, wartete auf seine Reaktion aber Liams braune Teddyaugen veränderten sich nicht. Fast erwartete ich, Groll in ihnen zu sehen, Unmut, Feindseligkeit, doch nichts dergleichen geschah. Mein Gegenüber blinzelte einige Male, fuhr sich mit einer Hand durch sein dichtes braunes Haar, bevor er ein lautes Seufzen ausstieß.
„Du hast uns ganz schön hinters Licht geführt, aber es liegt mir fern, dich nun hinauszuwerfen. Ich sehe die Dinge, die du als Louis Tomlinson getan hast, William Austin kenne ich nicht, verstehst du das?"
Als ich meinen Kopf schüttelte, setzte er zu einer ausführlichen Erklärung an. „Ich zog dich aus dem Wasser, du warst mehr tot als lebendig und ich hatte Angst, dass du mir unter der Hand wegsterben könntest. Leighton hat dich gerettet und wir beide päppelten dich auf. Du zeigtest dich sehr dankbar, hast tatkräftig mit angepackt, wenn es etwas zu tun gab. Und das gilt nicht nur für meine Belange, du hast dir auf der ganzen Insel Freunde gemacht und einen guten Ruf erworben."
Kurz schluckte ich, da redete Liam schon weiter. „Jeder mag dich, Louis, weil du den Menschen hilfst. Du hast niemandem hier etwas Böses getan, nicht gestohlen, keinen geschlagen oder umgebracht. Dein einziges Vergehen besteht darin, dass du den englischen Staat um Kohle geprellt hast und untergetaucht bist. Aber es liegt nicht an mir, dich dafür zu bestrafen."
Stumm musterte ich sein Gesicht, sah die Ehrlichkeit in seinen Augen und war einfach nur erleichtert. „Dann verzeihst du mir also?", erkundigte ich mich vorsichtig.
„So halb und halb", brachte er hervor. „Ich kann gut verstehen, dass du den Zeitpunkt genutzt hast, um den falschen Namen anzunehmen und da du uns nicht näher kanntest, auch nichts riskieren wolltest. Allerdings," er machte eine kurze Pause, um Luft zu holen, „verstehe ich nicht, dass du uns nicht irgendwann eingeweiht hast. Wir sind deine Freunde, Louis und keiner will dir hier an den Kragen. Ich weiß selbst, wie es ist, Steuern zahlen zu müssen, denn wie du weißt, komme ich ursprünglich aus England, genau wie du."
Mein schlechtes Gewissen meldete sich sofort. Natürlich, Liam hätte mich verstanden und ich fragte mich gerade selbst, weshalb ich nicht die Eier in der Hose gehabt hatte, ihm die Wahrheit aufzutischen. Er würde mich niemals verraten.
„Es tut mir wirklich leid." Zerknirscht kamen die Worte über meine Lippen. „Ich weiß, dass ich einen großen Fehler gemacht habe." Mein Kopf senkte sich automatisch nach unten und ich spürte ein Kratzen in meiner Kehle, das sich verschlimmerte, als Liam den nächsten Satz aussprach.
„Du musst es den anderen ebenfalls sagen. Ed, Shawn und Amy sind deine Freunde, genau wie ich."
„Hoffentlich jagen sie mich nicht zum Teufel", murmelte ich, worauf Liam ein lautes Seufzen hören ließ.
„Ich mache dir einen Vorschlag. Wir werden alle morgen Abend zu uns einladen und dann reden wir gemeinsam darüber. Leighton, Niall und Eleanor wissen ohnehin schon Bescheid, aber es kann nicht schaden, wenn sie trotzdem anwesend sind. Vor allem kann Niall noch einiges dazu sagen, immerhin hängt er mit drin. Aber er ist wahnsinnig beliebt, keiner nimmt ihm was krumm und ich schon gar nicht."
Ich bezweifelte, dass El zu dieser Runde dazu stoßen würde und als ich meine Bedenken bei Liam diesbezüglich anmeldete, machte er mir keine allzu großen Hoffnungen.
„Wir müssen es versuchen, einladen werde ich sie auf jeden Fall", lauteten seine Worte, die bei weitem nicht überzeugend klangen.
In dieser Nacht schlief ich schlecht und obwohl Liam mir verziehen hatte, plagte mich ein unendlich schlechtes Gewissen. Was hatte ich ihm und all den anderen nur angetan? Warum war ich nur so feige gewesen? Niemand hätte mir den Kopf abgerissen, diese Gedanken drängten sich immer stärker in mein Bewusstsein und vielleicht wäre es mit Eleanor ganz anders gekommen, wenn ich von Anfang an die Wahrheit erzählt hätte.
Stunde um Stunde wälzte ich mich im Bett umher, schlief erst im Morgengrauen ein und begann den Tag dementsprechend müde. Allerdings ließ Liam mir keine Zeit, richtig wach zu werden, sondern forderte meine komplette Aufmerksamkeit.
Beim gemeinsamen Frühstück erklärte er, dass er unsere Freunde, einschließlich Harry, heute zum Abendessen eingeladen hätte.
„Na super", murmelte ich. „Dann wird es wohl ernst für mich."
„Sieht wohl so aus."
Auf meine Frage, ob denn alle bereits zugesagt hätten, antwortete er: „Alle, bis auf El. Ihre Zusage steht noch aus."
Traurig blickte ich über den Tisch hinweg, denn obwohl ich damit bereits gerechnet hatte, wirkte dies wie ein Schlag in die Magengrube. Sie würde nicht kommen, ich fühlte es und das brachte mich an den Rand der Verzweiflung.
Nachdem wir den Tisch abgeräumt hatten, fuhr Liam mit seinem Jeep in den Ort, um Besorgungen für das Abendessen machen. Ich hingegen lief zum Strand, wo ich mit nackten Füßen über den Sand, nahe dem Wasser entlang lief, um einen klaren Kopf zu kriegen. Als ich die unzähligen Muscheln erblickte, erinnerte mich dies unweigerlich an meinen Ausflug mit El zum Strand.
Eleanor dazu zu bringen, mich anzuhören, gestaltete sich schwieriger als gedacht. Wie ein riesiger unüberwindbarer Berg türmte sich diese Aufgabe in meinem Innersten auf. Würde ich dieser Herausforderung jemals gewachsen sein oder für immer daran scheitern?
Je weiter die Zeit an diesem Tag voranschritt, desto nervöser wurde ich. Der Abend nahte und ich mutierte zu einem Nervenbündel. Doch kneifen war jetzt nicht angesagt; ich hatte mir die Suppe eingebrockt, die ich auch selbst auslöffeln musste.
Ein kleiner Trost war die Anwesenheit meines besten Freundes. Niall würde alles tun, damit man nicht verachtete und mein Handeln vielleicht verstand.
Gegen sieben Uhr war es dann soweit. Ed tauchte mit Shawn, Amy sowie einer Ladung Fische auf, die Liam sogleich auf dem Grill platzierte.
„Wir haben doch gestern erst gefeiert, du kannst wohl auch nicht genug kriegen", zog Ed meinen Freund auf, der daraufhin ein ernstes Gesicht aufsetzte. „Wir werden nicht nur feiern, sondern vor allem viel reden", sprach er.
Automatisch zog ich den Kopf ein, atmete schneller und war froh, dass Niall, Leighton und Harry in diesem Moment auftauchten. Sie begrüßten mich wie immer, selbst Leighton zog mich in eine Umarmung, wie sie es früher schon getan hatte. Dies gab mir ein wenig Zuversicht, aber als sie mir ins Ohr flüsterte, dass El sich nicht dazu bewegen ließ, mitzukommen, wurde ich augenblicklich in die brutale Realität zurückkatapultiert. Mein Leben war, gelinde gesagt, am Arsch, wenn sie mir in Zukunft nicht verzieh.
Schweigend verdrückte ich den Fisch, trank nur Limettenlimonade dazu und beteiligte mich kaum an dem Gespräch meiner Freunde, das während der Mahlzeit entstand.
„So schweigsam heute, Louis?" Ed, der neben mir saß, stieß mich mit dem Ellenbogen an, sodass ich sofort zusammenzuckte. „Du benimmst dich, als hättest du einen Geist gesehen", frotzelte der Rothaarige und löste damit ein lautes Gelächter am Tisch aus.
Ich nahm diese Äußerung zum Anlass, um endlich meine Beichte einzuleiten. „Nein, ich benehme mich wie jemand, der ein schlechtes Gewissen hat."
Wie zu erwarten richteten sich alle Augen auf mich. Fragend, wissend und erwartungsvoll zugleich. Eine Sintflut unterschiedlicher Gefühle stürzte auf mich ein, als ich förmlich nach Luft rang. Die Menschen verschwammen kurzzeitig vor meinen Augen und ich hörte mich klar und deutlich die Anklageschrift in einem Gerichtssaal vortragen. Louis Tomlinson alias William Austin offenbarte seine wahre Identität.
Drei offene Münder blickten mir entgegen, nachdem ich geendet hatte. Ed, Shawn und Amy fehlten die Worte, doch ihre Gedanken arbeiteten, das konnte ich klar erkennen. Bevor jemand etwas sagen konnte, ergriff Niall das Wort.
Absichtlich hatte ich nicht erwähnt, dass er für die Besorgung der neuen gefälschten Papiere verantwortlich war. Aber das klärte er nun in allen Einzelheiten auf, erwähnte ausführlich unsere Verbindung in der Vergangenheit, diese einzigartige Freundschaft und dass er mich niemals hätte im Stich lassen können.
Es fühlte sich an, als wäre Niall ebenfalls ein Angeklagter in einem imaginären Gerichtssaal, in dem Ed, Shawn und Amy als die Geschworenen fungierten, während Liam die Verhandlung führte. Eigenartigerweise gesellte sich Harry nun dazu. Er klang wie ein Anwalt und zum ersten Mal erkannte ich sein Talent, die Leute mit Worten zu fesseln.
„Wenn ich auch etwas dazu beitragen dürfte", begann er seine Rede. „Ich kenne Louis alias William aus London und er war dort ein sehr angesehener und überaus fähiger Anwalt. Ich beauftragte ihn, weil er mir empfohlen wurde und wir gewannen vor Gericht den Prozess, der meinen Untergang bedeutet hätte, wenn man mich schuldig gesprochen hätte."
Seine Lobeshymnen waren mir beinahe schon peinlich, doch Harry kümmerte das wenig. Er erklärte noch kurz die Zusammenhänge, dass mein Freund Oli in London ihn beauftragte, nach mir zu suchen und wir uns auf diese Art und Weise wieder über den Weg gelaufen seien. Weiterhin erläuterte er den Inhalt unseres Deals und schloss seine Rede mit dem Satz: „Und deshalb sollten wir alle überlegen, ob wir ihn für schuldig befinden wollen. Ich habe ebenso ein Vergehen begangen, und Niall auch. Niemand von uns ist ein Engel, aber eines haben wir gemeinsam. Wir sind keine Schwerverbrecher, die Menschen töten oder sogar Menschenhandel betreiben. Wir schmuggeln keine Drogen", sein Blick ging schmunzelnd zu Niall, „sondern nur Rum und dass Louis nun einen neuen Namen hat, macht ihn nicht zu einem schlechten Menschen. Er ist euer Freund, der euch nichts Böses will, sondern nur in Ruhe und Frieden auf der Insel leben möchte."
In letzter Sekunde verkniff ich mir das Applaudieren, dieses Plädoyer war beinahe filmreif und wurde einem angehenden Anwalt durchaus gerecht. Ich konnte nicht verhindern, dass ein gewisser Stolz in mir aufkeimte, denn während der beiden Tage, die Harry und ich gemeinsam in meinem Haus auf Grand Cayman verbracht hatten, führte ich ihn in die Vorgehensweise eines guten Plädoyers ein.
Ein Räuspern holte mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Dieses wurde durch Ed ausgestoßen, der mich genauestens musterte. „Also verstehe ich das richtig, dass du eine neue Identität angenommen hast, um dich von deinen Steuerschulden zu befreien?"
Mein Herz wummerte wie verrückt, als ich antwortete. „Ja, so verhält es sich."
Shawn und Amy schien es die Sprache verschlagen zu haben, denn sie schauten mich nur an, ohne einen Ton von sich zu geben.
„Alter Schwede", stieß Ed hervor, „und du, Niall, kennst ihn echt seit deiner Kindheit? Und ihr seid euch hier wieder begegnet? Das ist eine Fügung des Schicksals, würde ich behaupten."
„Das sehe ich auch so", meinte Liam, da sprach Ed erneut. „Von wie viel Kohle reden wir hier? Hat es sich gelohnt?"
„Auf jeden Fall", erwiderte ich. „Sonst hätte ich das nicht getan. Ich habe mir auf Grand Cayman ein Haus gekauft und möchte irgendwann noch ein Boot haben. Eigentlich könnte ich mir das Boot gleich kaufen aber ich wollte nicht das ganze Geld verprassen."
„Darf ich fragen, was du mit dem restlichen Geld angestellt hast?" Amy meldete sich zum ersten Mal zu Wort, wobei ihre Augen gespannt auf mir lagen.
Als der Name der Cayman National Bank über meine Lippen kam, sah ich, wie Leighton sich mit der Hand gegen die Stirn schlug. „Eleanors Vater sitzt dort im Vorstand."
„Das weiß ich bereits und es wird die Sache zwischen ihr und mir nicht einfacher machen", erwiderte ich geknickt. Die Runde nickte zustimmend, sie alle wussten schließlich, dass El und ich nicht mehr zusammen waren und nun kannten sie auch den wahren Grund.
Unruhig rutschte ich auf dem Stuhl hin und her, wartete, dass mich noch jemand verurteilen würde, Shawn zum Beispiel, denn er hatte noch kein einziges Wort gesprochen. Aber zu meiner großen Überraschung und Erleichterung brachte er nun einen Satz hervor. „Also ich finde, wir brauchen uns darüber nicht aufzuregen. Ich nehme das einfach zur Kenntnis, aber ich würde dich nie verraten. Für mich bist und bleibst du Louis Tomlinson oder Crusoe."
Dabei grinste er mir entgegen und reichte mir seine große Hand. „Freunde für immer, Louis, egal, welches Leben du früher geführt hast."
Ein Stein, so groß wie der Gipfel des Himalayas fiel von meinem Herzen, vor allem als Ed und Amy sich ebenfalls anschickten, mir die Hand zu reichen. Ich war noch immer ihr Freund, ungeachtet dessen, dass sie nun die Wahrheit kannten. Dies gab mir Hoffnung, dass El mir vielleicht eines Tages verzeihen würde.
Nachdem alle gegangen waren, saßen Liam und ich noch lange auf der Veranda, tranken Rum und redeten. „Harry war große Klasse, er wird bestimmt mal ein super Anwalt werden", meinte Liam und griff nach seinem Glas, um einen großen Schluck zu trinken.
„Das hoffe ich doch, dann habe ich eines meiner Ziele erreicht." Als ich in Liams Gesicht schaute, blitzte der Schalk daraus hervor und plötzlich stellte er eine Frage, die mich aus den Flip Flops haute.
„Sag mal, woher stammte eigentlich das Geld auf dem Spendenkonto, das für meine OP und die anschließende Reha eingerichtet wurde? Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Inselbewohner diese immense Summe in der relativ kurzen Zeit aufgebringen konnten. Du besitzt nicht zufällig nähere Informationen darüber, oder?"
Leugnen erschien zwecklos, denn Liam war nicht auf den Kopf gefallen, sondern zählte zu den intelligenten Zeitgenossen und deshalb beschloss ich, ihm die Wahrheit zu sagen. Auch wenn ich es hatte verschweigen wollen.
„Der Großteil des Geldes stammt von mir."
Das war der Moment indem eine Träne der Rührung Liams Auge verließ. Stumm erhob er sich und ich tat es ihm gleich. Als Liam vor mir stand, umarmte er mich heftig, gleichzeitig spürte ich das Zittern, das von ihm ausging.
„Du bist so ein guter Mensch, Louis William Tomlinson Austin, der beste, der mir je begegnet ist. Und ich wünschte, Eleanor würde das auch erkennen."
Darauf gab es für mich nur eine Antwort. „Ich möchte nicht, dass du es ihr erzählst, denn wenn El mir verzeiht, dann soll sie mir verzeihen, weil sie mich aus tiefstem Herzen liebt und nicht, weil ich Geld für deine OP habe springen lassen."
In dieser Nacht nahm ich ihm das Versprechen ab, Eleanor gegenüber zu schweigen und Liam willigte ein.
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Hallo meine Lieben, ich habe es geschafft, zwischen all den Fußballspielen der WM ein neues Submerge Kapitel zu schreiben.
Louis hat riesiges Glück, oder? Könnt ihr nachvollziehen, dass Liam und die anderen ihm verzeihen?
Hättet ihr es genauso gemacht?
Denkt ihr Liam wird sein Versprechen Louis gegenüber halten und El nichts von der Geschichte mit der Spendenaktion erzählen?
Danke dafür, dass ihr noch immer da seid. Ich hoffe, ihr hattet Spaß beim Lesen.
LG, Ambi xxx
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