13. Abstruse
♪ Blackout - Scorpions
Schwärze.
Ersticken.
Stille.
Blackout.
„Crusoe, mach den Mund auf, du musst etwas trinken."
Da war sie wieder, die Stimme, die sich immer wieder in meinen Kopf schlich, um den angenehmen Aufenthalt im totalen Nichts, in welchem ich mich befand, zu unterbrechen.
„Los, Crusoe, einen Schluck noch."
Etwas Lauwarmes rann meine Mundwinkel herab, doch es störte mich nicht. Hinwegdämmern war das Einzige, was ich tat; die Dunkelheit mein Zufluchtsort, der mich umhüllte, mich gefangen nahm und mich nicht loslassen wollte.
Erneut glitt ich hinab in die völlige Anonymität der Schwärze.
Kälte, Nässe, Hitze und Schweiß wechselten sich ab.
Manchmal nahm ich so etwas wie ein Flackern wahr, ähnlich einem Lichtschein. Die Wärme, welche ich in solchen Momenten verspürte, zog mich magisch an. Doch ich schaffte es nicht, mich an sie zu klammern, mich festzuhalten.
Völlig entkräftet ließ ich los.
„Komm, Crusoe, noch einen kleinen Schluck."
Warum wurde ich immer wieder durch diese Stimme geweckt? Warum konnte man mich nicht in Ruhe schlafen lassen?
Verworrene Gedanken, oder handelte es sich gar um Träume, zogen an mir vorüber. Große Wellen, die weiße Gischt, ein starker Wind, der zu einem Orkan mutierte. All das nahm mich gefangen, zog mich mit sich, hinab in eine Welt, die ich nicht zu verlassen vermochte.
Lediglich die männliche Stimme, die immer wieder 'Crusoe' rief, zeigte mir, dass es einen Ausgang geben musste. Eine Hintertür, durch die ich vielleicht schlüpfen konnte, um zu entkommen.
Aber wer war Crusoe? Der Name war mir nicht geläufig, zudem klang die Stimme, die ich hörte unbekannt. Es musste einer der verworrenen Träume sein, die mich ständig heimsuchten und mir vorgaukelten, in einer anderen Welt zu sein.
Obwohl ich es eigentlich nicht wollte, öffnete ich den Mund, schluckte das lauwarme Nass, das man mir einflößte, immer und immer wieder. Jedoch erstickte ich nicht daran, ich konnte atmen und das gab mir ein gutes Gefühl.
Je länger ich mich in dieser komischen Welt aufhielt, desto seltener wurden die Hitzeperioden, aber auch die Kälte ließ zusehends nach. Öfter hörte ich Stimmen, nicht nur die männliche, die ständig 'Crusoe' rief, auch eine weibliche mischte sich hin und wieder dazwischen.
„Er hat heute kurz die Augen geöffnet." Da war wieder sie wieder, die männliche Stimme, gefolgt von der weiblichen. „Wirklich? Das ist doch ein Fortschritt."
„Ja, ich denke, das Fieber ist unten. Außerdem verheilen die Wunden gut."
Welche Wunden? Wenn sie von mir redeten, dann machte das doch gar keinen Sinn. Ich hatte keine Wunden, zumindest konnte ich mich an keine Verletzungen erinnern. Aber vielleicht ging es ja um diesen Crusoe, den ich leider nicht sehen konnte, da sich meine Augenlider so schwer wie Blei anfühlten.
Und wieder glitt ich in die Dunkelheit hinab, die mich verschlang.
Hitze.
Durst.
Schmerzen.
Schlafen.
Nach einer gefühlte Ewigkeit wurde es plötzlich heller, freundlicher. Ich hörte das Plätschern von Wasser, das Rauschen der Bäume und als ich nach etwa zehn Versuchen endlich meine Augen aufschlug, erblickte ich einen hellen Lichtstrahl.
Völlig geblendet kniff ich kurz die Lider wieder zu, um sie dann erneut zu öffnen. War ich jetzt im Himmel gelandet? Dort sah es aber komisch aus, zudem fühlte es sich nicht so an, als ob ich auf einer Wolke schweben würde.
Langsam sortierten sich die Eindrücke, die ich von Sekunde zu Sekunde schärfer wahrnahm.
Ich lag in einem Raum. Unter meinem Rücken spürte ich eine Matratze, mein Körper wurde durch ein Bettlaken bedeckt. An den weißgestrichenen Wänden hing ein Bild, direkt mir gegenüber, dessen Farben mich in ihren Bann zogen.
Rot, gelb, orange – all das dominierte, verband die Pinselstriche zu einer interessanten Masse.
Als ich den Geruch der salzigen Luft wahrnahm, welche durch das halb geöffnete Fenster strömte, begann ich zu realisieren, dass das Meer nicht weit entfernt sein konnte. Allerdings tauchte noch ein anderer Gedanke in meinem Kopf auf.
Ich war nicht ertrunken, denn ich spürte jede einzelne Faser meines Körpers, der schmerzte, als hätte man mich permanent malträtiert. Als hätte ich einen Kampf gegen den amtierenden Boxweltmeister im Schwergewicht hinter mich gebracht und nach acht Runden verloren. Selbstverständlich durch einen klassischen KO.
Zudem fühlte sich meine Kehle furchtbar trocken an, ich hatte das Gefühl jeden Moment zu verdursten. Vielleicht sollte ich mich bemerkbar machen.
Doch meine Stimme gehorchte mir nicht, mehr als ein schlaffes Krächzen brachte ich nicht hervor. Ein Krächzen, welches meinen Hals brennen ließ, jedoch bewirkte es noch etwas anderes.
Schritte waren plötzlich zu vernehmen, eine Gestalt schob sich durch die Tür, näherte sich dem Bett, in welchem ich lag und ehe ich mich versah, beugte sich ein braunhaariger Mann zu mir herab. Besorgt musterte er mich mit seinen braunen Teddyaugen und als ich erneut versuchte, etwas zu sagen, legte er beschwichtigend einen Arm auf meine Hand.
„Ruhig, Crusoe, du möchtest sicher etwas trinken, oder?"
Crusoe? Meinte er mich?
Die Wasserflasche, die auf dem kleinen Nachttisch stand, erblickte ich erst, als er diese in seinen Händen hielt, um eine Schnabeltasse vollzugießen. Einigermaßen entsetzt schaute ich auf das Gefäß, da ich jedoch enorm durstig war, interessierte es mich gerade einen Scheiß, dass ich aus einer Opa-Tasse trinken musste. Aus einem Gefäß, das man benutzte, wenn einem die Fresse heftig poliert wurde. Allerdings fühlte sich mein Gesicht ganz okay an und Zähne fehlten mir wohl auch keine. Das hätte ich nämlich schon längst bemerkt.
Gierig schluckte ich das erfrischende Wasser, da entschuldigte sich der Mann, der ungefähr in meinem Alter war, auch schon.
„Es tut mir leid, der Tee ist schon wieder alle, du hast heute viel getrunken, was aber gut ist. Ich habe bereits neuen gekocht, aber er muss erst ein wenig abkühlen."
Nachdem er mir die Schnabeltasse wieder aus der Hand genommen und auf dem Nachttisch platziert hatte, sprach er mich erneut an.
„Ich bin Liam, Liam Payne. Wir haben dich Crusoe genannt, weil wir deinen Namen nicht kennen. Also Crusoe kommt von Robinson Crusoe. Aber wenn du richtig sprechen kannst, wirst du uns sicher deinen wahren Namen verraten."
Sprechen? Noch immer wollte meine Stimme mir nicht richtig gehorchen und deshalb hörte ich zu, was Liam erzählte, dessen muskulöse Arme mir im selben Moment auffielen. Da er nur ein Shirt mit kurzen Armen trug, konnte ich seinen Bizeps erkennen, der sich jedes Mal anspannte, wenn er die Arme bewegte. Tätowierungen besaß er auch, die mich komischerweise sofort an jemanden erinnerten.
„Du hast uns ganz schön viele Sorgen gemacht, Crusoe. Was ist nur mit dir passiert? Ich habe dich aus dem Wasser gezogen, du warst verletzt und wir waren in Sorge, dass du vielleicht nicht durchkommen würdest. Wir haben hier nämlich kein Krankenhaus, nur eine Hilfsstation des Roten Kreuzes. Da es im Moment schrecklich stürmt, sind Flüge und Schiffsfahrten zu den Nachbarinseln nicht möglich."
Es fiel mir unendlich schwer, mich auf die einseitige Unterhaltung zu konzentrieren, aber eines begriff ich dennoch. Wenn es hier, auf dieser Insel kein Krankenhaus gab, dann war ich auf jeden Fall nicht auf Grand Cayman gelandet.
Binnen der nächsten Sekunde fielen mir erneut die Augen zu.
Träume.
Sicherheit.
Schwerelosigkeit.
Gerüche.
Als ich zum zweiten Mal erwachte, duftete es nach Essen. Während der Geruch sich in meiner Nase festsetzte, tauchte Liam mit einem Tablett, auf dem eine Schale stand, im Zimmer auf. Dampf stieg aus dem Gefäß empor, machte mir den Mund wässrig, denn mein Magen meldete sich plötzlich vehement zu Wort. Er verlangte nach etwas Essbarem.
„So, Crusoe, deine Suppe ist fertig. Hau rein, damit du zu Kräften kommst. Anschließend musst du deine Medizin nehmen."
Neugierig musterte ich den Mann, dem ich scheinbar mein Leben zu verdanken hatte und plötzlich stieg ein Gefühl der Dankbarkeit in mir auf. Er hatte mich einfach so aufgenommen, ohne meine Identität zu kennen. Ich hätte ein Schwerverbrecher sein können, ein Mörder, Drogendealer, jemand, der ihm vielleicht später nach dem Leben trachten würde.
Aber das war ich nicht.
Langsam bewegten sich meine Lippen, während ich versuchte, einige Laute zu formen.
„Louis", krächzte ich, und Liam verstand sofort, was ich ihm damit sagen wollte.
„Oh." Lächelnd blickte er zu mir, bevor er das Tablett mit den ausklappbaren Füßen im Bett platzierte. „Du heißt also Louis."
Ein Nicken meinerseits erfolgte, dann griff ich nach dem Löffel. Meine Hand zitterte ein wenig, doch ich schaffte es trotzdem, das Besteck zu meinem Mund zu führen. Die Flüssigkeit roch und schmeckte nach Hühnersuppe und die wohlige Wärme, die sich durch den Genuss der Köstlichkeit in meinem Innersten ausbreitete, tat unendlich gut.
Einen Löffel nach dem anderen aß ich, bis nichts mehr davon übrig war, was Liam mit einem zufriedenen Grinsen zur Kenntnis nahm. Er hatte die ganze Zeit am Fußende des Bettes gesessen und mich nicht aus den Augen gelassen. Schnell räumte er das Tablett weg und gesellte sich kurz darauf wieder zu mir. In seiner rechten Hand befand sich eine Tablette, die er mir übergab.
„Hier, die musst du nehmen. Jetzt, da du ansprechbar bist und essen kannst, muss ich die Teile auch nicht mehr mit einem Mörser zerkleinern und im Tee auflösen."
Er grinst breit, um sogleich fortzufahren. „Du solltest noch eine Weile ruhen, Louis. Ich schaue später wieder nach dir."
Seinen Rat befolgend sackte ich mit einem Seufzen in die Kissen zurück, nachdem ich die Tablette eingenommen hatte. Tatsächlich überrollte mich die Müdigkeit relativ schnell, ich blinzelte leicht und schloss anschließend meine Augen. Die sanfte Wärme, die mich sogleich umhüllte, trug mich weit weg, an einen Ort, der heimelig wirkte und Ruhe spendete.
Da mir jegliches Zeitgefühl fehlte, konnte ich später, als ich erwachte, nicht mehr sagen, wie lange ich eigentlich geschlafen hatte. Lediglich der dunkle Himmel zeigte mir, dass es bereits Abend, wenn nicht sogar Nacht sein musste.
Liam schien jedoch noch wach zu sein, denn ich hörte ihn im Zimmer nebenan rumoren. Vorsichtig richtete ich mich auf und tastete nach der kleinen Lampe, die auf dem Nachttisch stand und die ich vorhin wahrgenommen hatte, bevor ich einschlief.
Die Zimmertür war offen, sodass Liam aufmerksam wurde, als er die Lichtquelle erblickte. Es dauerte nicht lange, da kam er in den Raum gelaufen, eine Tasse Tee in seiner Hand.
„Hier, hast du noch etwas zu trinken, Louis." Lächelnd stellte er die Tasse, dieses Mal handelt es sich um eine normale und keine Schnabeltasche mehr, auf dem Nachttisch ab. Sofort richtete ich mich auf. „Danke."
Der Tee dampfte vor sich hin, ich wollte ihn etwas abkühlen lassen und während Liam das Fenster weit öffnete, um frische Luft hineinzulassen, begann ich, meinen Körper auf etwaige Blessuren zu untersuchen.
Da mein Oberkörper nackt war, ließ sich schnell feststelle, dass sich dort, sowie an meinen Armen und Händen, keine Wunden befanden. Deswegen hob ich die Decke ein wenig an und schielte darunter. Außer einer Boxershorts trug ich nichts am Leib, doch plötzlich gelangte etwas in mein Blickfeld, was mich schlucken ließ.
Um meinen Bauch befand sich ein Verband, der meine linke Hüfte bedeckte. Fragend schaute ich zu Liam, der inzwischen auf dem Bett saß, auch jetzt meinen Blick richtig deutete und zu erklären begann.
„Du hast dir eine große Schürfwunde zugezogen, vermutlich als du im Wasser getrieben bist. An in der Nähe der Küste sind scharfe Steine, da kann so etwas leicht passieren. Aber wir haben alles versorgt, so gut es uns möglich war. Das Antibiotikum, dass wir dir verabreicht haben und dass du vorhin selbstständig eingenommen hast, hat das Fieber nach unten gedrückt. Deine Temperatur ist wieder normal, außerdem verheilt die Wunde bestens."
Meine Gedanken begannen zu rasen. Diese Wunde befand sich genau an der Stelle, an welcher ich den wasserfesten Gürtel umgeschnallt hatte. Was, wenn er sich dadurch gelöst hatte und nun in den Tiefen des Meeres verschwunden war? Die Vermutung lag durchaus nahe, denn ansonsten hätte Liam mir nicht den Namen Crusoe verpasst.
In diesem Gürtel befand sich der Grundstein zu meinem neuen Leben.
Der Ausweis, der Safeschlüssel zu dem Schließfach der Cayman National Bank, sowie etwas Bargeld. Sollte dieser abhandengekommen sein, dann war ich buchstäblich in den Hintern gekniffen.
Alle wichtigen Dinge hatte ich in diesem Schließfach verstaut. Den Kaufvertrag für das Strandhaus, den dazugehörigen Schlüssel, ein Bargeldbestand von fünftausend Mäusen sowie die Andenken, die einen ideellen Wert für mich darstellten. Das Medaillon meiner Mutter, das Foto auf dem Niall und ich zu sehen waren und die beiden Matchbox Autos.
Im Augenblick besaß ich nichts mehr, außer meinem neuen Namen.
Louis Tomlinson.
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Hey ihr Lieben, endlich ist das neue Submerge Kapitel da.
Liam ist zum ersten Mal aufgetaucht und ihr wisst bisher noch gar nichts über ihn. Aber das wird sich in den darauffolgenden Kapiteln ändern, versprochen. Denkt ihr er ist eher gut oder böse?
Louis hat es also nicht nach Gran Cayman verschlagen, somit hat sein toller Plan wohl doch nicht so ganz funktioniert. Die Situation ist alles andere als rosig für ihn. Wie gefällt euch die Vorstellung, dass er quasi an der wichtigsten Stelle gescheitert ist?
Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen und ich würde mich wirklich sehr über Kommentare freuen. Einige von euch überhäufen mich immer damit, was ich toll finde, bei anderen Lesern hingegen weiß ich so gar nicht, was sie denken, wenn sie die Geschichte lesen. Das ist ziemlich schade, denn ich bin neugierig und würde furchtbar gerne wissen, was beim Lesen in euch vorgeht.
Bitte vergesst das kleine Sternchen nicht, wenn es euch gefallen hat. Und wenn nicht, dann lasst mir bitte eine Kritik da, damit ich die Chance habe, mich zu verbessern.
Danke an alle, die mich so sehr unterstützen. Ihr seid toll!
LG, Ambi xxx
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