014 ― Flucht
Drei Tage flogen tatsächlich. Doch sie warteten, bis es begann zu Dunkeln.
"Wenn wir Glück haben, erwischt uns höchstens die Nachtwache.", flüsterte Thomas, während er und Kaya durch den Flur huschten.
"Das glaube ich kaum. Janson hat die Wachen verdoppeln lassen, um Verräter leichter zu entlarven. ANGST hat alle Geschosse aufgefahren.", wiedersprach Rachel.
"Spielt keine Rolle. Wir müssen es versuchen.", antwortete Teresa.
Kaya nickte, dann trennten sich ihre Wege. Thomas lief auf den Schlafsaal von Gruppe D zu, während Kaya die Glastür zum Flur der Schlafsäle der Jungen aus Gruppe A öffnete.
Mit ihrem Schlüssel öffnete sie die Türen des ersten, zweiten und dritten Schlafsaals zuerst. "Seid ihr so weit?", erkundigte sie sich und war sehr dankbar für Teresa's manipulativen Kunststücke, denn während Thomas und Kaya die Schlafsäle öffneten, sah der Wachposten am Überwachungskamera-Kontrollpunkt bloß ruhige, verschlossene Türen und leere, weiße Flure.
Die Jungen hatten wenige Stunden zuvor eine letzte Blutprobe abgeben müssen, dennoch sahen sie so aus, als ginge es ihnen blendend. "Wir sind fertig. Wann immer du so weit bist, Kaya.", bestätigte Nick mit einem siegessicheren grinsen im Gesicht. Chuck sah ein bisschen verloren auf den Fußboden unter seinem Bett. Er hatte das Hochbett direkt über Siggy, und ließ die Beine über die Leiter baumeln.
"Was ist los, Chucky?", wollte die Blonde wissen.
"Ich dachte, dass hier wäre jetzt einfach mein Zuhause. Zumindest erstmal...Aber..."
"Dein Zuhause ist nicht hier, Chuck.", ertönte Albys eiserne Stimme aus dem ersten Schlafsaal.
"Wir müssen raus hier, Kumpel.", bestätigte Minho.
Kaya trat auf den Kleinen zu, packte ihn sanft an beiden Händen und sah zu ihm auf.
"Hör mal, Chucky. Wir verschwinden von hier. Und dann Leben wir alle zusammen im Sicheren Hafen. Im Paradies. Als Familie."
Chuck lächelte milde, aber dankbar.
"Thomas meinte es wäre am besten bei Nacht aufzubrechen. Ich hole euch in einer halben Stunde ab. Haltet euch bereit, klar?"
Die Jungen nickten im Chor, dann schloss Kaya die Türen wieder zu und öffnete die Türen der Schlafsäle vier, fünf und sechs.
Die Jungen darin sahen forschend zu ihr, als warteten sie darauf, ihre Sachen zu schnappen und aufzubrechen.
"Eine halbe Stunde, klar?", fragte sie. Die Jungen nickten zustimmend, Kaya schloss die Türen wieder zu, hielt jedoch bei Schlafsaal vier inne.
Tobias betrachtete sie eindringlich.
"Wenn wir hier nicht rauskommen", meinte er, "Wer ist dann Schuld?"
"ANGST." lautete die knappe, aber wahre Antwort des Mädchens.
Tobias schien diese Antwort nicht zu gefallen.
"Die hasse ich sowieso schon. Thomas ist schuld. Ich beschuldige keine Mädchen."
Ein schiefes Grinsen, dass vielleicht anziehend wirken sollte, breitete sich auf seinen Lippen aus.
Kaya schwieg und schloss die Tür zu.
"Das hat ja wieder super geklappt.", murmelte jemand im vierten Schlafsaal, während das Schloss von Schlafsaal sechs klickte.
Kaya wandte sich dem gehen zu, als sie bemerkte, dass jemand hinter der vergitterten Fensterscheibe des zweiten Schlafsaals lehnte.
Braune Augen beobachteten ganz genau jeden Schritt den sie tat, bis ihm eine blonde Haarsträhne in die Stirn rutschte und ihn kurzzeitig ablenkte.
Kaya kicherte. Das ist vermutlich der beste Bodyguard, den man sich wünschen kann.
"Bis später, du Strunk!", lachte sie und ließ die Tür wieder ins Schloss fallen.
Strunk. Das seltsame Wort war ihr einfach so in den Sinn gekommen. Aber es passte, also wunderte sie sich gar nicht weiter darüber.
Eine halbe Stunde später trafen Thomas, Rachel, Aris, Teresa und Kaya sich im Flur, bevor sie sich aufteilten und zu den Probanden liefen.
Das bis dorthin noch keine Wachen zu sehen waren, wunderte sie alle zwar, aber niemand hatte etwas dagegen. "Kann gerne so bleiben. Würde das ganze ziemlich erleichtern.", war Thomas' einziger Kommentar.
Die Jungen folgten Kaya im Laufschritt, sagten kein Wort und versuchten jedes unnötige Geräusch zu vermeiden.
Kurze Zeit später trafen sie auf Thomas, der Gruppe C im Schlepptau hatte, sowie Rachel und Teresa, dicht gefolgt von Gruppe D. "Wo ist Aris?", erkundigte sich Tommy. "Der kommt bestimmt noch. Geht schon mal runter, ich warte hier.", schlug Kaya vor.
"Was ist, wenn er schon unten ist?", hakte Teresa nach.
Kaya zuckte mit den Schuntern:"Wenn er in fünf Minuten nicht da ist, hole ich euch wieder ein, okay? Hier.", Kaya reichte Tommy Mary's Schlüsselkarte.
Thomas und Teresa nickten, dann schloss Tommy den Notausgang auf. Die Jungen von Gruppe A und C, ebenso wie die Mädchen aus Gruppe D drängelten sich nacheinander die lange Treppe hinunter, bloß Newt blieb einen kurzen Augenblick zurück und wandte sich an Kaya:"Pass auf dich auf, du Strunk."
Das Wort hörte sich seltsam an, wenn er es sagte. Aber seine Betonung gefiel ihr irgendwie.
"Mach dir um mich keine Sorgen, Newt.", lächelte sie amüsiert, dann tippte sie auf ihre Hüfte, wo, verdeckt in einem Gürtel, Mary's Waffe hing.
Newt weitete die Augen. "Ich glaube, du kommst klar...Pass trotzdem auf.", raunte er, dann folgte er dem Strom, während Kaya zurückblieb und auf Aris wartete. Und wartete. Und wartete.
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