Kapitel 13
"Alona! Verdammt, BLEIB STEHEN!" Ihr Vater kam ihr immer näher, doch sie hielt nicht an, schlitterte von einem Gang zum nächsten. Dann packte sie ihr Vater - aber war es wirklich ihr Vater? Sie blieb ein paar Minuten ganz still, bewegte sich kaum, dann trat sie mit voller Wucht nach hinten aus. Sie hörte ein Stöhnen hinter sich und rannte weiter; als sie vorsichtig hinter sich blickte, sah sie einen Soldaten am Boden liegen. "Alona", hörte sie die Stimme ihres Vaters hinter sich. Er hatte angehalten. Sie drehte sich zu ihm um. "Ich bin kein junger Mann mehr. Ich kann nicht mehr weiter rennen. Aber ich bitte dich: Bleib jetzt stehen! Diese Frau kennst du nicht mal wirklich!" Sie dachte ein paar Sekunden über seine Worte nach. Er hatte ja recht. Sie kannte Sabrina nicht einmal wirklich! Aber sie hatte ihr geholfen! Außerdem kam es ihr so vor, als ob sie Sabrina schon sehr lange kannte..Alona wollte ihrem Vater nicht noch einmal in die Augen sehen. Sie drehte sich um und raste die Gänge entlang. Dann prallte sie gegen etwas, gegen jemanden... Sie blieb ganz still; vielleicht war es eine Wache...? Dann blickte sie in türkise Augen...
Tristans Sicht:
Ein Tumult brach los und alle bedrängten die beiden Wachen, die ihnen nun angesichts der vielen Krieger zitternd gegenüber standen. Dann rannte er gegen jemanden - und blickte in Alonas vertrautes Gesicht. Sie umarmte ihn so heftig, dass er kaum atmen konnte. "Was ist los?" fragte er sie, nach dem sie ihn losgelassen hatte, denn er hatte sie noch nie stürmisch erlebt. Sie schüttelte den Kopf und legte ihren Zeigefinger auf seine Lippen. Dann war sie verschwunden... Er suchte in dem Getümmel seiner Krieger verzweifelt nach irgendeinem Zeichen von ihr - vergebens. Ein paar Minuten später hatten sich die Wachen ergeben und sich ihnen angeschlossen. Sie öffneten die Kerkertür und begannen den dunklen Abstieg ins Unbekannte. Cara drückte William an sich und diesmal wehrte sich William nicht. Eine gespenstische Stille herrschte hier unten.
Selina schob George hinter sich und ging noch einen Schritt nach vorne und stoppte dann. Plötzlich stieß jemand einen spitzen Schrei aus. Tristan fluchte. "Wer war das?"
Doch dann schrie noch einmal jemand. "Cara und Selina!" riefen ihre kleinen Brüder. Selina schlotterte am ganzen Leib und Caras Augen waren weit aufgerissen. Dann sah Tristan, warum sie geschrien hatten - eine Gestalt in einem schwarzen Mantel kauerte in einer der Zellen. Er ging langsam auf die Gestalt zu und tippte sie vorsichtig an.
Keine Reaktion.
Noch eine vorsichtige Berührung.
Keine Reaktion.
"Wer immer es ist, er lebt nicht mehr!" sagte Tristan leise.
Nun betrachte er die Gestalt näher. Sie war zierlich, hatte längere rötliche Locken und geschwungene Lippen...
Er kam ihr näher, dann...ÖFFNETE SIE EIN AUGE!!! Er hätte fast geschrien, beherrschte sich aber im letzten Moment.
"Sieht so aus, als sei sie nicht tot", stammelte er. Die Gestalt, offensichtlich ein junges Mädchen, beobachte ihn ein paar Minuten mit ihren großen blauen Augen, dann sackte sie wieder zusammen. Er hob sie auf und trug sie aus der Zelle heraus; vorsichtig zogen sie ihr den Mantel aus. Darunter hatte sie eine zerrissene Hose und ein schmutziges Hemd an; sie war kaum mehr vorhanden, ihre Arme waren nur noch Haut und Knochen und ihre Rippen stachen unter ihrem Hemd hervor. Es war ein Wunder, dass sie überhaupt noch lebte! Sie öffnete wieder ein Auge. "Ich bin Dragon -" Dann sackte sie erneut in seinen Armen zusammen. "Hat irgendjemand etwas zu Essen?" Mehrere Brote wurden gesammelt. "Ich habe aber auch Hunger!" murrte George. Selina warf ihnen einen warnenden Blick zu. Seufzend rückte George auch sein Brot heraus. Tristan nahm die Brote dankend an und setzte sich neben Dragon, er stupste sie an. Ihre Augenlieder flatterten, so als würde es sie große Anstrengung kosten, auch nur ihre Augen zu öffnen. "Es gibt etwas zu essen", erklärte er ihr. Sie öffnete ihre Augen langsam, ihre schönen Augen, blau mit grünen Sprenkeln darin, ungewöhnlich. Sie sah auf die Brote in seiner Hand, und...schüttelte den Kopf. Wieder sackte sie in sich zusammen, diesmal hielt Tristan sie schnell fest, damit ihr Kopf nicht auf den harten Steinboden schlug. Sie warteten alle, aber Dragon wachte nicht mehr auf; ihr Herz schlug aber noch, sie war einfach nur erschöpft. Jetzt blieb ihnen nichts anderes übrig, als zu warten. George war mit dem Kopf an der Schulter seiner Schwester eingenickt, Selina kämpfte auch schon mit dem Schlaf. William war im Schoß seiner Schwester eingeschlafen, auch Caras Augenlieder flatterten bereits. Selbst Tristan musste mit dem verführerischen Gedanken ringen, ins Land der Träume zu segeln. Nein, ich darf nicht einschlafen, Dragon... Nur ein paar Minuten ausruhen...
Tristan saß auf einem Boot und segelte gen Horizont. Alona saß hinter ihm und hatte die Arme um ihn geschlungen. Ihr Kopf schmiegte sich an seinen Rücken. Er wusste nicht, wohin sie segelten, doch er hielt nicht an. "Weiter, weiter", forderte Alona. So tat er es. Die Seemöwen kreischten in der Ferne und schwebten über ihnen. Alonas Arme wurden immer realer. Ich vermisse sie, dachte er traurig. Es war alles so real, er glaubte, ihre Arme wirklich zu spüren. Als er die Augen öffnete, bemerkte er, das es nicht Alonas Arme waren, sondern die von Dragon... Wie sehr er Alona vermisste.... Alona... Mit dem Gedanken an sie nickte er erneut ein.
Als er aufwachte, blickte er in blaue Augen mit grünen Sprenkeln. Dragons Augen. "Komm", sagte sie leise aber bestimmt. Er starrte sie fassungslos an. "Du bist bei Bewusstsein!" Sie neigte den Kopf. Er stand auf und widerstand der Versuchung Cara, Selina oder vielleicht sogar William zu wecken, einfach um die Sicherheit zu haben, das jemand bei ihm war. Er beobachtete Dragon von der Seite; er wusste immer noch nicht, ob er ihr trauen konnte...Körperlich hätte sie zwar kaum eine Chance gegen ihn, aber man konnte ja nie wissen. Er blickte Selina an, die selig lächelte, ihre Arme um George geschlungen. Beide schliefen tief und fest. Verrückt, dachte Tristan, wo Selina doch sonst immer die ängstliche und unausgeglichene war. Sie konnte er einfach nicht wecken, sie sah zu friedlich aus. George? Georges Gesichtszüge waren das erste Malseit langem entspannt, und er hatte sich an die Seite seiner Schwester gekuschelt. Nein, ihn auch nicht. Dann fiel sein Blick auf Cara; sie lächelte im Schlaf, ihr Kopf war zur Seite gesackt. William hatte die Hände friedlich auf dem Schoß gefaltet, eine Hand ruhte locker auf der von Cara, sein Gesicht war nach links gedreht, aber er sah ebenfalls entspannt aus. Nein, er seufzte innerlich, ihn auch nicht. Wen dann?- "Du kannst mir schon trauen!" Dragon lächelte ihn verschmitzt von der Seite an. Sie hatte wohl bemerkt, wie seine Blicke nervös von einem Schlafenden zum andere geglitten waren. Jetzt war es ihm etwas peinlich und er senkte den Blick auf seine dreckigen Turnschuhe. Dragon lächelte. "Aber mach' dir keine Gedanken, in dieser Zeit kann man wirklich kaum jemanden trauen, außer sich selbst." Sie entfernten sich ein Stück von den Anderen, und setzen sich in einen Mauervorsprung. "Nun, was ist?" fragte Tristan. Dragon ließ diese Frage ein paar Minuten im Raum hängen, bis sie ihm antwortete. "Du hast geweint im Schlaf, und 'Alona' geflüstert - wer war sie ?" Er schwieg einen Moment und dachte über ihre Gegenfrage nach. So wie sie es formuliert hatte, hatte es sich angehört, als würde sie vermuten, dass Alona schon tot war. Aber das war sie nicht. Sie war quicklebendig. Das hoffte er jedenfalls. Er seufzte. "Das ist eine sehr persönliche Frage", meinte er. Dragons Augen funkelten, doch darauf sagte sie nichts. "Wegen ihr bin ich hier. Sie wurde hier gefangen gehalten. Sie wurde von meiner Mutter befreit. Ich habe sie bis vor kurzem nicht mehr gesehen, aber dann gestern, beim Kampf. Sie ist gegen mich gerannt... Seit dem habe ich sie nicht mehr gesehen. Und sie ist nicht tot!" Dragon schwieg. "Dass kann man nicht wissen", flüsterte sie. "Sie kann schon morgen tot sein." Was sollte das? Wollte sie ihm extra Schmerz zu fügen? "Über dich weiß ich eigentlich noch gar nichts!" stellte er fest. "Du brauchst auch nichts zu wissen, außer das ich Dragon heiße, und schon unfassbar laaange hier sitze." erwiderte sie barsch. Er sah sie von der Seite an. Sie hatte sich von ihm weggedreht. Und plötzlich begriff er - es war etwas passiert, etwas Schreckliches und sie wollte nicht darüber reden. "Was ist passiert?" fragte er schließlich. Dragon drehte sich zu ihm um. Ein paar Augenblicke war Tristan sich sicher, dass sie mit ihm darüber reden würde, aber dann wurden ihre Geschichtszüge hart. "Ich bin Dragon, und das ist das einzige, was du über mich wissen musst." Sie erhob sich schwungvoll und ging davon. Damit war das Gespräch beendet. Tristan sah ihr nach. Erst dann erst wurde ihm bewußt, sie nun alles andere als erschöpft wirkte... Er lächelte schief. Dieses Mädchen namens Dragon war schon äußerst seltsam.
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