
Kapitel 30 ~ Über Jogginghosen und das Tanzen
🎶Moves like Jagger ~ Maroon Five 🎶
Hatte ich Ärger bekommen, als ich eine halbe Stunde zu spät zum Unterricht aufgetaucht war?
Ja.
Hatte ich dafür mehr Aufmerksamkeit erhalten, als nötig war?
Natürlich.
Bereute ich es?
Keines Wegs.
Meine Freundin brauchte mich. Wofür waren Freunde denn da, wenn nicht in seinen dunkelsten Zeiten? Dabei rückten seine eigenen Verpflichtungen ganz schnell in den Hintergrund. Es fing schließlich um das Wohlergehen eines wichtigen Menschen in meinem Leben.
Mila und Jona würden dasselbe für mich tun, wenn es bei mir einmal so weit kommen sollte, daran glaubte ich sehr stark. Dennoch würdr ich es niemals zulassen, sie in solch eine Situation hineinzuziehen ...
Noch bis zur Mittagspause machte ich mir Gedanken um den Wirbelwind, erst danach hatten wir gemeinsam Unterricht. Zu meiner Überraschung saß sie wieder glücklicher und ausgelassener am Tisch, als ich mir denken hätte können. Kayden hatte wirklich eine wahnsinns Wirkung auf sie. Sie mussten wirklich viel für einander empfinden.
Jona hatte ich bereits alles an der Essensausgabe erzählt. Er wirkte sichtlich erleichtert, als er erfahren hatte, dass Kayden zu uns gestoßen war und dass es Mila bei ihm wesentlich besser ging. Noch vor wenigen Tagen hätte er ihn beinahe wegen Mila der Kopf abgerissen. Zum Glück schien er wirklich nicht nachtragend zu sein.
Nach den letzten Stunden erkundigte ich mich bei Mila, ob es ihr auch wirklich gut ging, bevor ich mich dann auf den Weg zu den Umkleiden der Sporthalle machte. Beinahe hätte ich bei der ganzen Aufregung diese dämliche Wette mit Christian vergessen. Sie drang sich wieder in meinen Kopf, als er sich beim Mittagessen auf der Bank vor mir platziert hatte. Ich durfte diese Wette keinesfalls verlieren, das würde ich ihm nicht gönnen.
Somit betrat ich im nächsten Augenblick in meinen Trainingssachen die Turnhalle und hatte definitiv nicht damit gerechnet, dass der Quarterback bereits anwesend war. Kurz blieb ich überrascht in der Tür stehen. Er stand einfach so in der Halle, in blauer Jogginghose und weitem weißen T-Shirt, während er auf seinem Smartphone tippte. Bei dem Anblick musste ich doch glatt feststellen, dass es das erste Mal war, dass ich Christian mit einem mobilen Endgerät in den Händen sah. Ich hatte schon fast vermutet, dass er keins besaß, dass er ein Technikmuffel war. Zumindest schienen wir eins gemeinsam zu haben: Wir legten kaum Wert auf so etwas wie ein Smartphone.
Entschlossen ließ ich die Tür los und näherte mich dem Dunkelhaarigen mit langsamen Schritten. Er schien mich gar nicht zu bemerken. Widerwillig musste ich feststellen, dass seine Präsenz, der ich mit jedem Schritt mehr ausgesetzt war, ein seltsames Kribbeln in meinem Körper verursachte. Deutlich spürte ich mein Herz gegen meinen Brustkorb hämmern, während sich wenig Schweiß in meinen Händen bildete. Ich fühlte mich, als würde ich gleich vor einem wichtigen Publikum vortanzen müssen, dabei handelte es sich hier nur um ein einfaches Tanztraining. Jona brachte ich nun seit knapp einem Jahr das Tanzen bei, doch selbst zu unserer ersten Tanzstunde hatte ich mich so nicht gefühlt.
Es war mir ein Rätsel, warum ich auf den Grauäugigen so reagierte, der mir noch immer den Rücken zugedreht hatte. Vielleicht mochte es daran liegen, dass wir beide uns kaum kannten und ich nicht genau wusste, wie er sich während des Trainings verhalten würde. Die meisten Jungs fanden das Tanzen einfach nur albern, vor allem, wenn sie eine Frau führen mussten. Die Mädchen dagegen, sehnten sich danach von einem gutaussehenden Jungen durch den Saal gewirbelt zu werden. Früher war das alles wesentlich weniger kompliziert. Auf diese Art uns Weise sind Frau und Mann sich näher gekommen.
Unwillkürlich musste ich wieder daran denken, wie Christians warme Hände meine Taille umfasst hatten, als er mich aus dem Wasser hob. Sein Gesicht war viel zu nah an meines gewesen, nachdem er mich wieder auf den sicheren Boden gesetzt hatte. Wir waren uns allein durch mein Hobby und der doofen Idee von Kayden schon viel zu nah gekommen, eine höhere Stufe gab es bei uns nicht mehr. Darum musste ich also auch nicht nervös werden. Deshalb war ich ganz sicher nicht nervös!
Plötzlich erwischten mich eiskalt seine stahlgrauen Augen, die mich völlig unvorbereitet trafen.
Wumps!
Ruckartig schoss mein Kopf in Richtung Ausgang, mein Mund schnappte nach Luft und mein Körper zuckte in sich zusammen. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als wolle es vor Schreck aus meinem Mund springen wollen.
Die Tür war zu ...
Mit drei tiefen Atemzügen, verfrachtete ich mein Herz wieder an den rechten Platz, ehe ich mich zu dem Quarterback umdrehte und mich seinen grauen Augen stellte. Dieser grinste mich nur amüsiert an, obwohl er sich vor wenigen Sekunden selbst vor das Quietschen der ins Schloss fallenden Tür erschrocken hatte.
»Hi«, begrüßte er mich völlig unbeeindruckt erneut an diesem Tag. Sein Smartphone hielt er noch immer in seiner Hand.
»Hi«, hauchte ich ihm nur entgegen, kaum imstande meine feste Stimme wiederzufinden, die sich mit meinem Schreck verabschiedet hatte. Zusammen liefen wir zu seiner Sporttasche, die er gegen die Wand gestellt hatte. Ich, um meine direkt dazuzugesellen, und Christian, um sein Smartphone wegzustecken. Höflichkeit besaß er, das musste ich ihm lassen. Jona steckte seins während des Trainings immer nur in die Hosentasche und nutzte jede Gelegenheit der Pause, um einen Blick darauf zu werfen. Dementsprechend zügelte ich auch nie meine Schadenfreude, wenn es einmal herausrutschte und einen Abgang machte. Das Ding musste echt robust sein, so oft, wie das schon geschehen war.
»Lyn?«, hörte ich neben mir eine dunkle Stimme, die mich aus meine Gedanken riss.
Mit großen Augen senkte ich meine Trinkflasche, die ich hervorgeholt hatte, um einen Schluck meinen Rachen hinunterzustürzen, der von dem Schreck ganz trocken war. »Hm?« Fragend blickte ich den Dunkelhaarigen an, der sich seine Hände in die Taschen seiner Jogginghose schob.
»Ich habe dich gerade gefragt, wie es deiner Schwester den nächsten Tag ging. War es am Samstag noch sehr schlimm?« Fürsorglich. Das war eine Eigenschaft, die mir sofort durch den Kopf schoss. Eine Eigenschaft, die ich nie einem Jungen zuschreiben würde, der nicht zu meinem engsten Freundeskreis gehörte.
»Em ... Na ja. Sie hatte den Tag noch ganz schön zu kurieren. Ich denke, so schnell wird sie Alkohol nicht mehr anfassen. Ich hoffe es zumindest.« Zu viel. Du hast bereits zu viel gesagt, Lyn. Seit wann sprichst du offen über deine Gefühle? »Wie war die Restparty?«, fragte ich aus Höflichkeit - ganz sicher nicht, weil es mich interessierte - und stellte dabei meine Flasche Wasser in die Tasche.
»Ich denke wesentlich besser, als der Anfang«, meinte er.
Sofort schossen mir wieder die Bilder durch den Kopf, wie er sich Jona, dem Löwen, zum Fraß vorgeworfen hatte, um seinen Freund aus der Patsche zu helfen. Ich konnte sehr gut verstehen, warum er diese Empfindung hatte.
»Kayden und Christoph haben sich ganz schön die Kante gegeben. Du glaubst nicht, wie schwer es war, sie beide davon zu überzeugen, dass die Party zu Ende war.« Sein Lachen klang rau, welches mir eine Gänsehaut bescherte. »Sie hätten bis zum Morgen gefeiert, wenn Jona nicht die Musik gekappt und eingeräumt hätte. Fahrer zu sein, kann manchmal sehr amüsant sein, wenn man der einzige ist, der Stock nüchtern ist. Auch, wenn dadurch manchmal Dinge mitbekommt, die man sich nie hätte ausmalen wollen«, erklärte er mit dunkler werdender Stimme. Sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse.
Ehe ich mich zügeln konnte, sprach die Neugier aus mir. »Was meinst du damit? War am Freitag noch etwas vorgefallen?«
Ich konnte ihm ansehen, dass er es bereute angesprochen zu haben. Er wollte sich eigentlich gar nicht dazu äußern, dass konnte ich an seinen zuckenden Kiefermuskel erkennen. Das war eine Frage zu viel, jedoch hatte er mir diese Vorlage dazu gegeben. Christian hob seinen linken Arm und fuhr sich angespannt mit der Hand über den Nacken, dabei gab er mir einen Blick auf seinen vernarbten Ellenbogen.
Scharf sog ich die Luft ein, da sie wirklich übel aussah. An dieser Stelle konnte kaum Haut übrig geblieben sein, was auch immer ihm passiert war. Selten sah man eine Person mit so vielen sichtbaren Narben, wie Christian. Es war die Vierte, die ich an ihn entdeckt hatte, doch keine von ihnen störte mein Bild von ihm. Er wirkte deswegen nicht bedrohlicher, als er war oder unattraktiver, im Gegenteil, das machte ihn für mich irgendwie interessant.
Wie bitte was? Hatte ich das gerade wirklich gedacht?
Lyn du solltest dich echt wieder auf deine Ziele konzentrieren und nicht deinen Gedanken an den erst Besten verschwenden, der deinen Weg kreuzt. Richtig. Ich hatte kein Interesse daran, mir jemanden klarzumachen. Das würde nur Ablenkung bedeuten, die ich ganz sicher nicht gebrauchen konnte, also schon ich jeglichen unangebracht Gedanken beiseite und versuchte mich wieder auf unser Gespräch zu konzentrieren.
»Einer der Typen dort war der Meinung, einem der Mädchen etwas ins Getränk mischen zu wollen. Für ihn war die Party ganz schnell vorbei, als er erwischt wurde. Ich habe keine Ahnung, bei wie vielen er es vorher versucht hatte.« Christian klang sichtlich enttäuscht. Kannte er diesen Typen etwa persönlich?
Mir persönlich blieb die Spucke weg. Sie hatten vielleicht den erwischt, der auch Nancy etwas ins Getränk getan hatte. Es erleichterte mich, zugleich erinnerte es mich aber an meine Unfähigkeit, den Job einer großen Schwester zu erfüllen. Außerdem hätte ich verhindern können, dass auch andere Mädchen von ihm hereingelegt wurden, doch hatte ich nur an mich selbst und an Nancy gedacht. Wieso war es so schwer, etwas Gutes für andere zu tun?
»Mit anderen Worten: Du hast ihn entlarvt. Richtig?«, fragte ich mit zugeschnürter Kehle, dennoch bemüht mir nicht anmerken zu lassen, dass es mich sehr traf.
Er zögerte, seine Kiefermuskeln zuckten erneut. Er wollte es mir eigentlich nicht sagen. »Ja. Ich habe ihn nach Hause geschickt, bevor er noch mehr Blödsinn veranstalten konnte.«
Blödsinn war nett ausgedrückt, Christian.
Dieser Kerl wollte Nancy etwas antun und hatte es auch bei anderen versucht. Es war mir egal, wie Christian vorgegangen war, Hauptsache er kam nicht mehr dazu, so etwas einem Mädchen erneut anzutun.
»Ist alles okay bei dir?«
»Em ... Ja!«, antwortete ich ihm ein wenig zu überschwänglich. Danach sackte ich wieder ein wenig in mir zusammen. »Es ist nur ... Ich glaube, meine Schwester hatte ebenso etwas im Getränk.« Warum erzählte ich ihm das gerade?
»Warum denkst du das? Meinst du nicht, sie hatte einfach etwas zu viel getrunken?«, versuchte er mich zu beruhigen und rieb sich erneut über den Nacken.
Ich schüttelte mit dem Kopf. »Du hättest ihre Pupillen sehen mü ...« Erneut schüttelte ich mit dem Kopf, nur heftiger. Was tat ich hier gerade? Das ging ihn rein gar nichts an. Wir waren hier um zu tanzen und nicht um einen netten Plausch abzuhalten oder unsere Seelen bei dem anderen auszuschütten. »Was ist nun? Soll ich dir das Tanzen beibringen oder wollen wir heute an dieser Stelle Wurzeln schlagen?«
Mit wenigen Schritten beförderte ich mich mehr in die Halle, um mehr Platz zwischen mir und der Wand zu bringen. Diese war absolut nicht hilfreich, um jemanden das Tanzen beizubringen. Wir brauchten mehr Raum. Jeder von uns.
Irritiert blickte Christian in meine Richtung. Ich deutete ihn mit einer Handbewegung an, sich an meine Seite zu gesellen, um ihm die Grundlagen beibringen zu können. Als er dann so auf mich zutrat, fiel mein Blick auf seine blaue Jogginghose, die seine Waden recht eng umschmeichelten. Auf dem rechten Oberschenkel befand sich ein Bild des Schulmaskottchens in Form eines Adlerkopfes. Eagles. Eine schnippische Anmerkung konnte ich mir nicht verkneifen, um diese von mir blöd gehandelte Situation zu überspielen.
»Ich dachte, ihr Jungs tragt beim Sport immer kurze Hosen, da euch sonst zu warm werden würde.«
»Ich denke, das Tanzen ist nicht mit dem vergleichbar, was du Sport bei uns nennst«, antwortete er gelassen und verkniff sich das Grinsen ganz und gar nicht. Er machte sich über mich lustig. Das würde er noch büßen.
»Was meinst du damit?«, fragte ich zurück und verschränkte meine Arme vor meiner Brust. Würde er genau das sagen, was ich dachte, dann müsse er sich aber auf etwas gefasst machen.
»Ich meine damit, dass ich wohl kaum beim Tanzen genauso schwitzen werde, wie beim Footballtraining oder im Fitnessstudio.« Er zuckte mit den Schultern. Vor mir kam er zum Stehen und blickte mich von oben herab durch seine grauen Augen an.
Herausforderung angenommen.
Er denkt, er würde nicht schwitzen? Dann aufgepasst mein Lieber. Du wirst noch vor Anstrengung mit den Beinen schlottern.
Allein bei dem Gendanken an mich, werden sie das tun.
»Wenn du das tatsächlich denkst, dann muss ich dich enttäuschen, mein Lieber. Du wirst noch zu spüren bekommen, was es bedeutet zu tanzen.«
»Ach? Ist das so?«
Auf diese Frage pfefferte ich ihn nur einen Todesblick zurück, den er erneut mit einem Grinsen quittierte. Dieser Junge war auch kaum aus der Fassung zu bringen. Das brachte mich dermaßen auf die Palme.
»Womit beginnen wir, Frau Lehrerin?«, wechselte er das Thema und war ehrlich interessiert, das Ganze für den heutigen Tag hinter sich zu bringen, so wie ich.
»Nenn mich nicht so, Schüler«, entgegnete ich und bedachte ihn mit einem warnenden Blick.
»Ashlyn, besser?« Es verschaffte mir eine Gänsehaut, als er mit seiner tiefen Stimme meinen vollen Vornamen aussprach. Ich hörte ihn recht selten, vor allem aus dem Mund eines Jungen, der nicht Jona hieß.
»Du willst mich ärgern, was?«
»Scheint zumindest zu funktionieren und nebenbei schinde ich noch ein wenig Zeit«, sagte er eiskalt, dass mir der Mund aufklappte.
Er hatte recht. Er nahm mir gerade die Zeit, diese Wette zu gewinnen und ich ging auch noch darauf ein. Wie konnte ich ihm diese Sache nur so einfach machen?
»Na gut, du willst es so. Dann zeigst du mir erst einmal, wie du dich zur Musik bewegen kannst«, meinte ich zu ihm und machte mich schon wieder auf den Weg zu meiner Tasche.
Dort angekommen kramte ich nach meinem Smartphone, öffnete eine von Jonas Playlists und tippte auf den erst besten Song, der mir entgegensprang.
Leider hatte ich nicht daran gedacht, einen Bluetooth-Lautsprecher mitzubringen. Der Sound aus den kleinen Lautsprechern meines Smartphones war nicht der Beste. Also platzierte ich es so an die Wand, dass die Töne doppelt so laut zurückgeworfen wurden. Physik schien doch gar nicht das schlechteste Fach meiner Wahl gewesen zu sein.
Mit den ersten Tönen, die mich an ein Pfeifen erinnerten, begann ich mit den Hüften zu schwingen und begab mich wieder zu dem Grauäugigen, der mich weniger glücklich ansah. Er bewegte sich nicht vom Fleck, wippte weder mit einem seiner Füße noch mit dem Kopf. Wie konnte man nur so unbeeindruckt dastehen? Vor allem bei einem Lied, wie Moves like Jagger von Maroon Five.
Sobald ich Musik hörte, konnte ich nicht mehr still sitzen. Es war unmöglich, doch dieser Kerl stand wie ein Baum vor mir und kein Sturm könnte ihn ins Schwanken bringen. Er war mir ein totales Rätsel. Noch nie hatte ich einen Menschen getroffen, der dem Drang der Musik zum Tanzen nicht widerstehen konnte. Jetzt stand der Erste vor mir.
»Na los! Beweg dich!«, versuchte ich ihn zu animieren und stupste ihn sogar leicht mit meiner Hüfte an. Mein schneller schlagendes Herz, aufgrund seiner Nähe, ignorierte ich einfach gekonnt. »Denk einfach nicht darüber nach! Du musst locker werden. Tanz so, als würdest du dich allein zu deiner Musik bewegen, die du gerne hörst. Lass dich vom Beat leiten.«
Wahrscheinlich musste der Grauäugige jetzt von mir denken, dass ich mir vorher etwas eingeworfen hatte. Ich redete ja schon, wie die bekifften Freigeister unserer Schule, die im Sommer surften und sich von niemanden stressen ließen. Es fehlten mir nur die dicken Rastalocken und die weiten flattrigen Klamotten.
»Ich habe noch nie zu meiner Musik getanzt«, gestand er mir und schob seine Hände wieder in die Taschen seiner Hose.
Abrupt blieb ich stehen. Völlig entgeistert sah ich ihn an, da seine Worte erst einmal in mein Oberstübchen ankommen mussten.
Er hatte noch nie getanzt?! Nicht einmal allein? Irgendwann überkommt es doch jeden, vor allem bei Musik, die man besonders mag. Wenn es nicht so wäre, dann müsste ich nicht jedes Mal nach dem Putzen, das ganze Bad trocken wischen, da ich den nassen Lappen durch die Gegend gepfeffert hatte.
Das hier würde sehr viel komplizierter werden als ich dachte. Plötzlich war ich mir nicht mehr so sicher, ob ich diese Wette gewinnen konnte. Mir wurde klar, dass wir wesentlich mehr Stunden brauchten, als die, die ich eingeplant hatte.
»Was meinst du mit: Du hast noch nie getanzt? Jeder tanzt zur Musik, die er mag, ob gewollt oder ungewollt«, erwiderte ich ungläubig.
»Dann bin ich wohl die Ausnahme.« Gleichgültig zuckte er mit den Schultern.
»Es gibt keine Ausnahmen. Sich nicht zur Musik zu bewegen kann man nur, wenn man schwer beschäftigt ist.«
»Ich höre hauptsächlich im Fitnessstudio, Musik oder beim Laufen. Da bleibt keine Zeit zum Abzappeln.« Wieder zuckte er mit den Schultern. Seine Gleichgültigkeit gegenüber mein Hobby ging mir so langsam auf den Wecker. Jeder normale Mensch tanzte! Automatisch, wenn sie glücklich waren, wenn sie gute Musik hörten, wenn sie traurig waren und wenn sie andere Menschen dazu anstecken konnten. Warum hatte er diesen Drang nicht?
»Das nenne ich dann mal schwer beschäftigt«, grummelte ich vor mich hin. Dennoch gab ich nicht auf. »Versuch einfach mal auf die Musik zu hören. Wenn es die hilft, schließ die Augen. Oder tu irgendwas, womit du dich vollkommen auf ihr konzentrieren kannst. Blende einfach alles um dich herum aus. Auch mich.«
Tatsächlich nahm sich der Dunkelhaarige meiner Worte an, schloss die Augen und spitzte die Ohren. »Wenn du aufhören würdest zu reden, wäre es um einiges einfacher.«
Scharf sog ich die Luft um uns herum ein, versucht nicht auf seinen Seitenhieb einzugehen, denn genau das erwartete er. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. Wenige Strähnen hatten sich aus seiner hoch gestylten Frisur gelöst und verdeckten die Narbe an seinem Haaransatz. Wieder fragte ich mich, wie Christian sich diese eingehandelt hatte, dabei hatte es mich gar nicht zu interessieren. Deshalb drehte ich mich selbst einmal im Kreis und wog mich weiter zu dem Lied.
Irgendwann konnte ich es nicht mehr an mich halten und ließ mich von dem Beat völlig mitreißen. Im Takt der Musik kickte ich, drehte ich mich um meine eigene Achse, warf meine Arme in die Luft und wirbelte mein Haar. Völlig frei bewegte ich mich durch die Turnhalle und fühlte mich einmal frei von all den Problemen, die mich momentan umgaben.
Jedes Mal erfasste mich beim Tanzen eine Freiheit, die ich nicht annähernd beschreiben konnte. Frieden brach über mich herein und es war ein herrliches Gefühl, wie ein Rausch.
Zwischendurch wagte ich es, zu dem Quarterback hinüberzusehen. Und siehe da, er hatte den Takt des Liedes gefunden und bewegte sich sogar. Es sah zwar noch ein wenig steif aus, was bei den Händen in den Hosentaschen nicht ungewöhnlich war, aber er fand den Mut sich gehen zu lassen.
Christian mochte ein harter Fall sein, doch glaubte ich, dass ich an dieser Herausforderung wachsen konnte.
Ich würde ihm das Tanzen beibringen, ob er daran glaubte oder nicht.
Das war Tanzstunde Numero Uno, beziehungsweise der Beginn davon. Lyn hat noch eine harte Nuss zu knacken, aber ich glaube an sie! :)
So richtig zufrieden bin ich nicht mit diesem Kapitel. Ich habe das Gefühl, das mir Lyns Gefühle nicht ganz gelungen sind. Was meint ihr? Ist es nocheinmal Überarbeitungswürdig?
Ich wünsche euch allen eine schöne Woche!
LG ~ Cali ❤️
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