»Strumpfhosen?«, brach Jona plötzlich aus, nachdem Mila uns ihren Rücken zugedreht hatte und nun zum Bus dackelte. Ich lachte leise auf, während Jona neben mir wild gestikulierte. »Etwas Besseres ist dir nicht eingefallen, um dich an mir zu rächen?!«, rief er nun schon fast hysterisch.
Wir beide hatten den Weg zur Sporthalle eingeschlagen und schlenderten nun in den Gängen der Schule umher. Natürlich hatte Jona heute kein Tanztraining eingeplant, weshalb wir beide noch zu den Umkleiden der Jungs laufen mussten. Zur Not hatte er immer in einem der Spinde Sportsachen verstaut. Danach würden wir zu mir laufen und endlich mit meinem ersehnten Training beginnen, obwohl ich glaubte, dass Jona es mir heute versauen würde wollen, nach seiner Bloßstellung vor seinen neuen »Kumpels«.
»Ich meine, etwas Uncooleres gibt es nicht. Wenn die jetzt deinetwegen nicht mehr mit mir reden, werde ich dir wohl die Freundschaft kündigen müssen«, redete er weiter und wollte keinen Halt machen. »Was ist, wenn die das herumerzählen und ich dann als Gespött der Schule dastehe.«
»Jona«, sagte ich, um ihm eigentlich am Weiterreden zu hindern.
»Da war es mir doch viel lieber, Luft für alle anderen zu sein. Du hast wahrscheinlich meinen Ruf zerstört, bevor ich überhaupt einen hatte. Bevor ...«
»Jona!«, rief ich ihm zu und hielt mitten im Gang an. Mein bester Freund drehte sich erschrocken zu mir um, kurz danach veränderte sich seine Miene jedoch. Beleidigt sah er mir entgegen und verschränkte seine Arme vor der Brust. »Ganz ehrlich? Die Jungs werden doch genug Grips in der Birne haben, um Sarkasmus zu verstehen. Jetzt hör auf dich darüber so aufzuregen! Wenn es dir so viel bedeutet cool zu sein, dann möchte ich den neuen Jona eigentlich gar nicht kennenlernen«, sagte ich ihn offen und ehrlich.
Jona sollte sich nicht dazu verleiten lassen, etwas aus sich zu machen, das er gar nicht war. Das hatte mich schon immer an den ganzen Mädchen genervt, die irgendwelchen bedeutungslosen Models folgten und ihnen jeden Trend nachmachten. Dünn, doch kurvig und hundert Kilo Schminke im Gesicht, dass man mit einem Spachtel runterkratzen könnte. So versuchten, die Aufmerksamkeit der Jungs auf sich zu ziehen. Er hatte es nicht nötig, sich mit den anderen Jungs zu vergleichen und um deren Aufmerksamkeit zu scheren, nur um cool zu sein. Er würde es auch allein mit seinem Charme und Humor schaffen, die gesamte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Vielleicht auch wegen seines neuen Aussehens. Aber das sollte nicht im Vordergrund stehen, sondern ihn lediglich dabei helfen, aus der Menge herauszustechen.
Schweigend sah er mich mit dicken Backen an. Sein Blick war weicher geworden und seine Arme baumelten nun an seinem Körper locker herab. Langsam nährte ich mich ihm wieder und deutete ihm an, mit mir den Weg wiederaufzunehmen. »Wenn Christoph, Kayden und Christian wirklich deine Freunde sind, dann sollten sie dich auch nicht verstoßen, nur, weil du gerne Strumpfhosen trägst«, erklärte ich und musste mir bei der Vorstellung von Jona in Strumpfhosen und Tutu das Lachen verkneifen. »Zumindest würden Mila und ich dich immer akzeptieren, egal was deine Vorlieben sind. Auch, wenn deine Vorlieben Tutus wären.«
Jetzt war nicht ich diejenige, die laut auflachte, sondern der Silberkopf neben mir. So mochte ich ihn, Jona, der über meine Witze lachte, obwohl ich sie auf seine Kosten machte. »Tut mir leid, Lyn. Ich habe völlig überreagiert. Das sieht mir eigentlich gar nicht ähnlich«, erklärte er, während ich seine Entschuldigung nickend annahm. »Es ist nur ... Ich will nicht umsonst so hart an mir gearbeitet haben, verstehst du?«
»Natürlich verstehe ich dich. Nur ich kann nicht dabei zu sehen, wie du voll gegen eine Wand rennst und nicht du selbst dabei bist«, erklärte ich ihm mit ruhigen Gewissen.
»Aber zu meinem Ich-Selbst-Sein gehören keine Strumpfhosen und keine Tutus«, bemerkte er finster und steckte seine Hände in den Hosentaschen. »Außerdem suche ich nicht die wahren Freunde meines Lebens, denn die habe ich doch bereits«, breit grinsend stieß er mich mit seinen Ellbogen an, statt mit seiner Schulter, vermutlich da unsere Schultern sich mittlerweile nur noch im Sitzen auf einer Höhe befanden.
»Pass auf, dass du nicht auf deiner eigenen Schleimspur ausrutscht«, antwortete ich und grinste wie eine Blöde in mich hinein. »Aber nur, weil du in den Jungs nicht die wahren Freunde suchst, heißt es nicht, dass du dich ihnen gegenüber verstellen musst. Sie sollten wissen, dass du tanzt und sich nicht darüber lustig machen.«
»Sie können wissen, dass ich tanze, aber nicht mit der Vorstellung, dass ich jeden Dienstag in Strumpfhosen springe und Pirouetten drehe. Das ist nämlich das, was alle Jungs vom Footballteam denken«, erklärte er sachlich und stoppte vor den Umkleiden der Jungs.
»Dann sind sie ganau das, wofür ich sie halte. Oberflächlich«, meinte ich nur zu ihm, als er hinter der Tür verschwand, die vor meiner Nase zufiel. Ich lehnte mich an die Wand daneben, als die der Umkleide der Mädchen unter einem lauten quietschen aufging und die ersten weiß-blauen Trainingsanzüge heraustraten.
Freudig lachend schwebten sie an mir vorbei, warfen Pompons in die Luft, richteten sich ihre Zöpfe oder dehnten sich die Gelenke.
Das Cheerleading-Team dieser Schule war im Gegensatz zu dem Team meiner alten Schule, das dem Klischee eines typischen Highschool-Lebens entsprach, freudiger und aufgeschlossener. Der Coach hatte es sich wohl zur Aufgabe gemacht, jedem dieser Mädels einen Traum zu erfüllen. Leider war das Team auch nicht eins der Besten. Doch das war egal! In meinen Augen blieben sie die Sieger der Herzen. Selbst nach einer Niederlage.
»Dann mögen sie oberflächlich sein, das ändert trotzdem nichts an der Tatsache, dass du mich blamiert hast«, entgegnete Jona, nachdem er die Tür mit einem Schwung wieder aufgerissen hatte und kurz im Rahmen stehen geblieben war, um die Truppe an uns vorbeiziehen zu lassen. Er würdigte ihnen nur eines schnellen Blickes, denn so war er nicht. Er hielt sich nicht lange daran, auf Mädels abzuchecken, denn tatsächlich interessierte ihm der ganze Beziehungskram eher weniger und für schnelle Nummern war er auch nicht zu haben.
Währenddessen checkten die Mädels aber ihn ab. Fast jede einzelne von ihnen, die ihn bemerkt hatte, konnte nicht anders als ihren Blick an ihn herunterfahren zulassen und schnellen Schrittes weiter in Richtung Turnhalle zulaufen. Er hatte es ihnen wohl wirklich angetan, denn kurz danach steckten sie ihre Köpfe zusammen und tuschelten vor sich hin. Ein leichtes Grinsen stahl sich auf meine Lippen.
»Was muss ich tun, damit du mir verzeihen kannst?«, fragte ich augenrollend und stieß mich von der Wand ab, um den nach Hause Weg auf mich zunehmen. Auch Jona trat nun aus dem Türrahmen und gesellte sich an meine Seite, jedoch hielt er kurz vor der Turnhallentür inne und sah durch dessen Bullauge. Ich tat es ihm gleich, um sehen zu können, was er sah, doch erkannte ich nur die Cheerleader, die begonnen hatten, sich aufzuwärmen und Hampelmännern im Kreis machten.
Ein wenig enttäuscht von mir selbst, dass ich anscheinend Unrecht hatte, wandte ich meinen Blick ab und stellte mich schräg neben ihn. Vielleicht hatte sich Jona in der Hinsicht auch geändert. Vielleicht war es nicht nur sein Aussehen, sondern auch seine Persönlichkeit. Ich meine, wir waren in einem Alter, wo man die ersten Erfahrungen machte, ob durch Beziehungen oder kurzen Schwärmereien. Ich würde es ihm nicht übelnehmen, wenn er sich danach sehnte seine Erfahrungen zu machen. Auch wenn ich fest daran glaubte, dass er einfach auf die Richtige wartete, ohne Ausschau nach ihr halten zu müssen. Doch all meine Gedanken wurden wieder über Bord geworfen, als er seinen Mund wieder öffnete und mich mit seinen braunen Augen anfunkelte.
»Wenn du es wirklich wiedergutmachen möchtest«, begann er und grinste mich schief von der Seite an. »Dann trittst du den Cheerleadern bei.«
Erschrocken sah ich ihn mit großen Augen an. Das konnte er doch nicht ernst meinen? Das war doch wohl ein Witz. Aber er lachte nicht und nahm seine Forderung auch nicht zurück. Er meinte es tatsächlich ernst.
»Wie bitte?«, fragte ich ihn ungläubig, um mich zu überzeugen, dass ich mich nicht verhört hatte und starrte ihn mit offenem Mund an.
»Du sprichst selbst immer davon, wie viel besser das Team sein könnte in ihren Wettkämpfen, wenn sie bessere Choreografien und Motivation hätten«, meinte er nur und zuckte mit den Schultern. »Vielleicht hätten sie mit dir und ein paar neuen Mitgliedern dieses Jahr eine bessere Chance auf einen Platz.«
»Ich bin keine Cheerleaderin, Jona!«, warf ich ein und sah ihn entgeistert an und ignorierte sein beiläufiges Kompliment, denn das würde mich nicht überzeugen können. Kein einziges Wort davon.
»Aber verdammt gelenkig, koordiniert und eine gute Choreografin«, merkte er an und lachte, noch immer starr den Blick auf das Bullauge gerichtet.
Ich war keine Cheerleaderin und wollte auch nie eine werden, ob ich nun die Fähigkeiten dazu hätte oder nicht. Mit dieser Sportart ist die Aufmerksamkeit anderer Menschen verbunden, vor allem bei Wettkämpfen. Das würde ich nicht durchstehen können, in keiner Weise könnte ich damit umgehen. Ich brauchte und wollte auch keine Aufmerksamkeit anderer Menschen.
»Ich danke dir für all die Komplimente, aber NIEMALS werde ich Cheerleaderin«, ich weigerte ich mich erneut und schüttelte bekräftigend den Kopf. Keine zehn Pferde würden mich dazu bewegen zu können zum Team beizutreten.
»Man, Lyn. Du musst doch endlich mal aus deiner Komfortzone herauskommen und was Neues ausprobieren. Du verpasst das Beste an der ganzen Highschool, nur, weil du so stur bist, keine Nachmittagskurse belegst und lieber zu Hause versauerst. Du solltest endlich deinen Arsch hochbekommen und ein Teil dieser Schule werden und nicht durch sie hindurch leben«, jammerte er, während er sich von der Sporthalle abwendete und wieder seine Schritte aufnahm, um mit mir zu kommen. Langsam schloss ich wieder zu ihm auf und rieb mir die Stirn. Dieses Gespräch bereitete mir Kopfschmerzen.
Ich wollte es nicht weiterführen, doch konnte ihn auch nicht vor den Kopf stoßen, in dem ich es ohne weitere Worte beendete. Irgendwie hatte er recht, aber ich brauchte das alles nicht. Ich sehnte mich nicht nach diesen Erlebnissen und war glücklich mit dem, was ich hatte. Ich brauchte nichts Neues und wollte auch nichts Neues. Es sollte sich nichts verändern, denn so war es für mich leichter, mich auf meine Ziele zu konzentrieren. Denn die Schule wollte ich mit den mir bestmöglichen Noten abschließen und danach an einer staatlich anerkannten Tanzschule studieren, auf der Hoffnung ein Gene Kelly Legacy-Stipendium zu ergattern. Dafür hatte ich mir in den Kopf gesetzt, mich nicht ablenken zulassen und so hart wie es nötig war zu trainieren. Dabei würde mir Cheerleading einfach ein Strich durch die Rechnung machen.
»Ich versauere zu Hause nicht, du weißt doch genau, dass ich trainiere«, zischte ich ihn an.
»Ich weiß, du trainierst hart, um dir deine Träume zu erfüllen, aber hartes Training ist nicht alles. Das kann dich auch kaputt machen.« Nun lag sein typisch besorgter Blick auf mir, den ich schon viel zu oft in der kurzen Zeit gesehen hatte, in der wir uns kannten. »Außerdem wolltest du schon immer alle Tanzarten erlernen, das wäre eine gute Chance mal etwas Neues zu machen.«
Bei seinen Bemühungen mich zu überreden, musste ich leicht schmunzeln und konnte auch einen kleinen belustigten Laut nicht mehr zurückhalten. Ich wusste, dass ich in einer Gruppe von Tänzern immer untergehen würde, weshalb man meinen Namen auch nie hören und mein Gesicht nie klar sehen würde. Cheerleading war da anders. Man wurde auf einen Präsentierteller serviert und wurde all den Augen ausgesetzt. Dabei fielen Patzer besonders auf und die Namen jeder einzelnen Cheerleaderin würde auch bekannt sein. Auch war diese Sportart wesentlich gefährlicher als jede andere Tanzart. Ich könnte es nicht ertragen fallen gelassen zu werden und mich so schwer verletzten zu können, sodass ich eventuell nie wieder tanzen könnte. Ein einziger Bruch könnte das Ende sein.
»Es ist sehr schön, dass du mir so aufmerksam zugehört hast, wenn ich dir mein Herz ausgeschüttet habe. Dennoch lautet meine Antwort immer noch: Nein«, sagte ich und sah ihn ernst an.
Jona atmete hörbar aus und seine Schulter sackten ein wenig nach unten. Ich kannte diese Geste nur zu gut. Gleich würde er zusammen knicken und mich nicht weiter nerven. Er hatte aufgegeben. »Na gut. Wenn ich dich nicht umstimmen kann, dann werde ich dir jetzt den Rest deines Lebens Vorwürfe machen. Ich werde nicht ruhen. Keine Entschuldigung deinerseits kann dies stoppen.«
Ich verzog das Gesicht, als er doch noch immer nicht lockerlassen wollte. Dieser Kerl überraschte mich heute schon zum dritten Mal. Wir hatten fast den Ausgang der Schule erreicht, als mir etwas in den Sinn kam, dass ich nun ihn an den Kopf werfen konnte, und das würde ich auch tun. Denn er war mir eine Erklärung schuldig, denn auch er hatte mich heute in kalte Wasser springen lassen.
»Wo wir die ganze Zeit nur von dir und deinem zerstörten noch nicht vorhanden Ruf reden«, sprach ich und zog seine gesamte Aufmerksamkeit auf mich. »Wann wolltest du mir sagen, dass du Chris bereits kennst?«, fragte ich ihn und zog genervt eine Augenbraue in die Höhe. »Weißt du wie peinlich für mich das heute war, als der einfach dort neben dir in der Cafeteria saß? Und ich keinen blassen Schimmer hatte, wer er ist? Was meinst du, denkt er jetzt von mir, hm?« Ich plapperte einfach weiter und fand keinen Halt. »Ich meine, ist ja nicht so, dass ich mich bereits heute Morgen blamiert hatte, als er neben mir einfach nur seine Spindtür zugemacht hatte und ich deswegen mich erschrocken habe. Vor allem habe ich dann nicht mal ein einziges vernünftiges Wort herausgebracht. Dann tauchst du auch noch auf, machst dich darüber lustig und sagst mir nicht, dass er einer deiner neuen Freunde ist? Ich hatte mit ihm abgeschlossen und gehofft ihn nie wiederzusehen, um das Geschehene schnell zu vergessen, aber du musstest mir einen Strich durch die Rechnung machen, da du ja ach so großartige neue Freunde hast.«
»Bist du endlich fertig?«, stöhnte Jona, als wir gerade auf den Parkplatz traten.
»Jetzt weißt du wie ich mich fühle«, entgegnete ich und verschränkte beleidigt meine Arme vor der Brust, während Jona mich genervt von der Seite anblickte und mir einfach nur die Zunge herausstreckte. Ich tat es ihm nach und lachte lauthals, als er über eine Bordsteinkante stolperte.
»Verdient«, sagte ich laut genug, dass er es hören konnte, welches er mit einem weiteren bösen Blick an diesem Tag quittierte und dann lauthals mitlachte.
So langsam lernen wir Lyn ein wenig kennen, doch nicht nur sie, denn ihr bester Freund drängt sich ganz schön in das Rampenlicht. Was haltet ihr von Jona?
Ich freue mich das die Sonne endlich wieder ein wenig herauskommt. Da möchte ich am liebsten Sonnenbaden, doch hat die Schule gerade Vorrang.
Ich hoffe, euch gefällt das Kapitel!
Sonnige Grüße ~ Eure Cali <3
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