»Du und Jona kennt ja schon die ganze Geschichte. Doch du bist die einzige, die bisher weiß, wer es ist«, lachte sie leise, dass auf mich ein wenig verzweifelt wirkte.
Das war also der Moment. Sie war bereit zu reden. Es war das erste Mal, dass wir ernsthaft über nur einen Jungen sprachen und ich wusste nicht wie ich mich fühlte. Etwas kroch mir unangenehm in die Kehle und nahm mir die Fähigkeit zum Sprechen, wiederum kribbelte mein Bauch, der wissen wollte, was sie zu sagen hatte. Ich bin keins der Mädchen, dass gerne über Jungs und Beziehungen sprach, aber ich wollte für meine Freundin da sein.
»Ich habe mit ihm noch immer kein Wort gesprochen. Nicht einmal, nachdem Jona uns die Jungs als seine neuen Freunde vorgestellt hatte. Eigentlich dachte ich, dass ich dem aus dem Weg gehen könnte, doch macht er selbst mir das ganze viel komplizierter. Immer wieder lässt er diese verdammt süßen Kommentare fallen und ich weiß nie was ich darauf erwidern soll. Wer denkt er, wer er eigentlich ist? Möchte er mir damit eins reinwürgen und weiter auf meine Gefühle herumtrampeln? Macht es ihm etwa Spaß?« Mit jeder Frage gerät Milas Stimme eine Oktave höher und mit jeder höheren Oktave riss sie fester an meinen Haaren. Sie sollte ruhig ihre Wut herauslassen, doch nicht an mir!
»Wow! Wow, Mila!« Mit einer schnellen Kopfbewegung entriss ich ihr meine Haare und drehte mich zu ihr um. »Du kannst deinen ganzen Frust nicht an meinen Haaren auslassen! Nimm das Kissen, wenn es so nötig ist«, sagte ich zu ihr, drückte ihr eins meiner kleineren Kissen von meinem Bett in die Arme und sah in ihre bernsteinbraunen Augen, die von einem dunkelgrünen Lidschatten und Kajal umrandet waren.
»Es tut mir leid, das wollte ich nicht. Nur er macht mich so rasend«, schnaufte sie und zerknautschte das Kissen zwischen ihren Händen. Ihre Augen glitzerten aufgebracht im Schein meiner Zimmerlampe und ließ mich nur erahnen, was sie fühlen musste, denn ich hatte so etwas Ähnliches durchlebt, dennoch war es nicht vergleichbar mit ihrer Situation. Uns beiden wurde das Herz gebrochen, doch war ich darüber hinweg und hatte Klarheit. Mila dagegen war noch mitten drin und blieb in der Ungewissheit zurück, die sie sich selbst mitunter geschaffen hatte. Er hatte Versuche unternommen ihr alles zu erklären, doch wollte sie ihm nicht zuhören und das war nicht gut. Sie musste bald mit ihm reden.
»Warum sprichst du nicht mit ihm?«, fragte ich sie und griff nach ihrer Hand, die das Kissen umklammert hielt. »Nur er kann dir das alles erklären. Und es tut mir leid, wenn ich dir das sagen muss, aber du bist selbst ein wenig schuld an dieser Situation, schließlich bist du nicht ans Telefon gegangen und hast ihn versucht zu vergessen, ohne dass er sich erklären konnte. Du wirst ihn nie vergessen können, wenn du nicht weißt was los war.« Das waren die harten Fakten, die Mila akzeptieren musste. Sie hatte die Wahl damit zu leben oder es zu ändern, doch musste sie diesen Schritt gehen. Mir war bewusst, dass ich ihr eigentlich gut zureden sollte und sagen sollte, dass er ganz allein Schuld hatte, doch entsprach dies nicht der Wahrheit. Meine Worte mögen ihr jetzt nicht gefallen, doch wird sie mir vielleicht eines Tages dafür danken.
»Aber was ist, wenn mir seine Erklärung nicht gefällt? Wenn sie mir einfältig erscheint und sie mich nur mehr verletzt?«, eröffnete sie mir ihre Zweifel. Ihr Mundwinkel verzogen sich immer weiter nach unten und ich wusste, dass es nicht mehr lange dauern würde bis der Damm brach. Ich musste es so gut wie möglich verhindern, sonst hätte ich gleich einen kleinen Panda vor mir zu sitzen.
»Ist das deine Angst? Wenn, dann kann ich dich beruhigen. Egal wie dieses Gespräch ausgehen mag, entweder dir geht es sofort besser oder dir geht es wenige Tage beschissen und danach kannst du ihn vergessen und du wirst mit jemand anderen glücklich. Doch solange, wie du dich selbst in Unwissenheit wiegst wird es dir nicht besser gehen. Es wird dich verfolgen und das möchte ich nicht für dich. Ich möchte meine glückliche Mila zurück, die ihr Leben so lebt, wie es ihr gefällt. Kein Junge sollte die Macht über dich haben dich unglücklich zu machen.« Nannte man das eine Standpauke? Es fühlte sich zumindest wie eine an, dabei wollte ich ihr keineswegs vorschreiben was sie zu tun hatte. »Aber das ist nicht das einzige, oder?«, fragte ich sie, als keine Antwort von ihr kam, dabei hatte sie immer eine Antwort parat, egal was ich sagte. Sie schüttelte mit dem Kopf und bestätigte mir meine Vermutung.
»Jona und er sind gute Freunde. Ich habe Angst, dass wenn ich mit ihm rede und wir uns danach vielleicht nicht mehr ausstehen können, dass ihre oder unsere Freundschaft darunter leiden wird. Sie scheinen schon sehr gute Freunde zu sein. Ich wäre gezwungen Jona zu erzählen, dass Kayden derjenige ist.« Seinen Namen aus ihren Mund zu hören, war etwas ganz anderes, als von ihm ein Bild auf dem Smartphone meiner besten Freundin zu finden und nur eine Vermutung anstellen zu können. Aber in diesem Augenblick hatte ich die Gewissheit, dass Kayden der Junge war, der Mila das Herz gebrochen hatte und vielleicht heilen könnte oder es komplett aus ihrer Brust reißen würde.
»Mach dir darüber keinen Kopf, Mi. Kayden scheint ein wirklich anständiger Mensch zu sein. Ich denke, er wird eine plausible Erklärung für sein Verschwinden haben, sonst hätte er nicht versucht dich zu kontaktieren«, versuchte ich sie zu beruhigen, denn selbst ich war mit meinem Chinesisch am Ende. Keiner von uns beiden konnte in die Zukunft blicken, niemand wusste, wie das alles enden würde, wenn Kayden doch keine guten Absichten hegte. Jona würde dann zwischen zwei seiner engsten Freunde stehen und vielleicht sogar noch zwei weitere verlieren, denn er würde zu seinen ältesten Freunden halten. In der Hinsicht war er sehr loyal, außerdem kannte er Mila sogar länger als mich. Ich würde locker gegen sie verlieren, wenn wir uns jemals streiten sollten und Jona sich entscheiden müsste, das war mir klar. Ich mochte mich auch gar nicht in seine Situation versetzten, wenn es wirklich so weit kam. Er steckte mitten drin und wusste rein gar nichts von dem Ganzen. Der Arme ...
»Wird Kayden heute Abend auch dort sein?«, fragte ich den Wirbelwind, der sich gerade die Tränen aus den Augen wischen wollte. Schnell fing ich mit meiner Hand ihren Arm ab, um das Schlimmste zu verhindern. Dann nahm ich ein Taschentuch und tupfte sanft über ihre Wangen.
Sie nickte. »Das ganze Footballteam wird dort sein. Diese Party ist schließlich zu Ehren der neuen Mannschaft.«
»Gut. Dann tu mir den Gefallen und mach, was ich dir sage. Such Kayden. Sprich mit ihm. Trefft eine Vereinbarung, wenn es schlecht läuft und sage danach alles Jona. Es ist nicht fair ihm gegenüber und er hat das Recht es zu erfahren, sonst gerät er noch unwissend zwischen euch.« Ich tupfte ihr die Farbe vom Kajal unter den Augen weg, drehte mich kurz um, um mir den Stift erneut zu nehmen und ihr Zeit zu geben, sich alles durch den Kopf gehen zu lassen. Als ich mich wieder umdrehte, nickte sie mit dem Kopf und ließ mich ihr helfen. Danach sah sie gleich wieder viel besser aus und ihr Stimmung hob sich wieder ein wenig. Also drehte ich mich ruhigen Gewissens um und ließ mich von ihr frisieren. Diesmal blieb es nicht stumm zwischen uns. Sie erzählte mir von ihrem Vorsprechen und, dass sie erst in der nächsten Woche erfahren würde, welche Rolle sie bekommen würde, aber ein gutes Gefühl hatte. Ich erzählte ihr von meinem Training mit den Cheerleadern und den Physikunterricht, der mir den letzten Nerv raubte.
Sobald unsere Haare saßen, machten wir uns auch wieder auf den Weg nach unten, aßen noch etwas von Kates gemachten Abendessen und stiegen in den grünen Volvo von Jona. Auf dem Hinweg zur Party erfuhr ich, dass der DJ, der eigentlich heute spielen sollte, an einer heftigen Grippe erkrankt war und Jona deswegen als Ersatz diente, weshalb auch für ihn selbst und Mila die Party heute sehr kurzfristig kam. Auch wenn er nur als Ersatz diente, konnte der heutige Abend eine entscheidende Rolle für Jonas Zukunft spielen. Ich hoffte es zumindest, denn wenn er von eins Ahnung hatte, dann war es Musik.
Ein paar Straßen weiter hielten wir an einem eher unscheinbaren weißen Haus, das mich eher an ein Bungalow erinnerte. So weit ich es noch in der bereits angebrochenen Dunkelheit erkennen konnte, war die Holzverkleidung des Hauses weiß gestrichen und dessen Pappdach in einem dunklen Ton. So klein wie das Haus war, vermutete ich das hier ein Einzelkind wohnen musste, eine Familie mit mehr als drei Köpfen würde hier ganz bestimmt nicht reinpassen. Die Lichter im Haus waren aus, weshalb ich schon fast die Vermutung hatte, dass wir am falschen Ort gelandet waren.
»Jona? Bist du dir sicher, dass wir hier richtig sind?«, fragte ich den Silberkopf. Wenn ich an die beschriebenen Häuser aus einigen Romanen dachte, die ich gelesen hatte, war dieses Haus für eine Party definitiv zu klein und unscheinbar. Normalerweise fanden doch Partys in riesengroßen Villen statt in denen die reichen Kinder mit ihren reichen Eltern wohnten.
»Ja! Die Party findet draußen im Garten statt, außerdem kommen die restlichen Leute viel später. Wir müssen ja noch mein ganzes Equipment aufbauen«, erklärte er mir die Sachlage und öffnete schwungvoll den Kofferraum in dem ein ganzes Mischpult, riesige Boxen und Kabel zum Vorschein kamen. »Ich schlage vor, ihr nehmt die Kabel. Wir bringen schon einen Teil rein, für den Rest hole ich mir die Jungs dazu.«
Nach seiner Ansage lud ich mir die zusammengelegte Kabel auf die rechte Schulter und war froh meine Lederjacke angezogen zu haben, sonst hätte es ein wenig schmerzhaft werden können, da selbst die Kabel einiges an Gewicht hatten. Jona schnappte sich die Teleskopstative und drückte sie Mila in die Hand, bevor er selbst sich eine der kleineren Boxen nahm, die zum Schutz in einer Tasche verstaut war. Woher hatte er eigentlich das ganze Equipment aufgetrieben? Das alles muss ja fast ein ganzes Vermögen gekostet haben.
Ich ließ Jona den Vortritt, als wir zusammen ums Haus herumgingen und ich die ersten Stimmen vernahm. Wir passierten die letzte Ecke des Hauses, hinter der sich ein großer mit Lampions geschmückter Garten auftat, inmitten eine riesige Trauerweide stand unter der aufblasbare Sessel mit einem Kompressor von zwei Jungs in blauen Trikots aufgepumpt wurden. Drumherum waren mit Liebe Blumenbeete und Obstbäume angelegt, zwischen denen sich hin und wieder ein Tisch wiederfand. Hinter ein paar höheren Rosenbüschen wurde von zwei weiteren Jungs in Trikots eine Tischtennisplatte aufgebaut. In einer anderen Ecke ein Tisch mit haufenweise von diesen allbekannten roten Plastikbechern und Süßkrams, nur die Getränke fehlten. Auf der Terrasse sollte wohl das DJ-Pult aufgebaut werden, zumindest sagte uns das einer der anderen Trikotträger, dessen Haus das anscheinend war. Sie hatten mitgedacht, denn der ausgelegte Holzboden der Terrasse eignete sich hervorragend als Tanzfläche, obwohl es man sich dann erst einmal durch die Menge von tanzenden Gestalten quetschen musste, um drinnen auf die Toilette gehen zu können. Für Jona stand bereits ein größerer Tisch bereit, auf den er sich ausbreiten konnte, sowie an ein Stromanschluss auch gedacht wurde.
Ersteinmal legten wir alles ab, was wir von seinem Equipment mitgebracht hatten, als wir uns umdrehten rauschten auch schon zwei raufende Kobolde durch die Tür der Terrasse und bemerkten uns zunächst gar nicht. Bei dem Knäul, das sich uns präsentierte, wusste ich nicht einmal wer wem im Schwitzkasten hatte. Sollten sie nicht besser jemanden helfen, als sich gegenseitig zu zeigen, wer der Stärkere war?
Hinter ihnen stolperte Christian durch den Türrahmen, der den Rothaarigen vom blonden Raufbold trennte und die Anweisung gab, dass sie sich sinnvollere Aufgaben suchen sollten, als nur Mist zu veranstalten. Wahrscheinlich hatte er nicht damit gerechnet und auch nicht den Blickwechsel zwischen Christoph und Kayden bemerkt, als er sich umdrehte und wieder hineingehen wollte und die Fieslinge sich auf ihn stürzten. Sie verlangten von ihm, dass er Spaß haben sollte. Schneller als sie beide gucken konnten hatte dann Christian die Oberhand und schon bald darauf, fanden sich die Jungs im Schwitzkasten von ihm wieder.
»Hey Jungs!«, versuchte Jona sich bei ihnen aufmerksam zu machen, doch reagierte keiner von ihnen. Verzweifelt versuchten Christoph und Kayden sich aus Christians Armen zu befreien, stellten ihn sogar ein Bein, dennoch hielt der erst ernannte Quarterback stand und grinste fies in sich hinein. Schon vom weitem konnte man erkennen, wer von den dreien die Hosen in der Freundschaft an hatte.
Jona klatschte laut in die Hände. Christian schrak auf, hob seinen Kopf und ließ sich trotzdem nicht aus dem Konzept bringen. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht begrüßte er uns. Im selben Augenblick ließ er die anderen beiden frei und stellte sich wieder gerade hin. Erstaunlicherweise ließen der Rotschopf und das Blondchen voneinander ab und begrüßten uns ebenso.
In Reih und Glied standen sie vor uns und es war mehr als deutlich, dass Christian der größte von den Vieren war. Während Jona und Christoph ungefähr gleich groß waren und Christian am nächsten kamen, war Kayden schon echt ein Zwerg gegen die drei. Ich würde mich sogar so weit aus dem Fenster lehnen, dass er so groß war, wie ich selbst. Dabei entging es mir nicht, dass er Mila anstarrte und kaum die Augen von ihr lassen konnte, auch als die Jungs Jonas Equipment in den Garten brachten, konnte er nicht anders, als ein Blick zu ihr zu werfen. Wenn der nicht verschossen in sie war und eine vernünftige Erklärung bieten konnte, dann würde ich ihn eigenhändig den Kopf umdrehen. Seine Signale waren mehr als eindeutig.
»Du solltest mit ihm reden, bevor hier noch mehr Trubel ausbricht«, meinte ich zu meiner besten Freundin. Zusammen füllten wir die Tüten Chips, Popcorn und Gummibärchen in große Schüsseln um, damit sie greifbarer waren.
»Da magst du recht haben, aber ich weiß nicht, wie ich das anstellen soll, ohne dass Jona etwas davon mitbekommt«, gestand sie mir und mopste sich etwas vom Popcorn, dass ich gerade geöffnet hatte.
»Glaub mir, wenn ich dir sage, dass er mit seinem DJ-Pult noch sehr beschäftigt sein wird«, versuchte ich ihr die Angst zu nehmen. Und fügte noch hinzu: »Und wenn es nötig ist, werde ich eine Lösung finden, um ihn abzulenken.«
»Danke«, sagte Mila und lächelte mich ehrlich an. »Danke, für alles, Lyn.«
»Dank mir nicht zu früh. Und jetzt geh, bevor ich mit ihm sprechen werde«, scheuchte ich sie mit einer Handbewegung los und zeigte ihr mein schönstes Lächeln, als sie nochein mal über die Schulter zu mir sah.
Kayden stellte gerade die Box mit einem der Lautsprecher in seinen Händen auf der Terrasse ab. Die anderen Jungs waren bereits wieder hinterm Haus verschwunden und holten wahrscheinlich den Rest vom Equipment. Zielstrebig lief Mila auf den Blondschopf zu, der sich beim Klang ihrer Stimme sofort umdrehte und auf sie herabsah. Gegenüber Mila, wirkte er wie ein Riese.
Vom weiten sah ich zu, wie sich die beiden kurz unterhielten und Kayden mit dem Kopf nickte. Dann war es wohl so weit. Mila würde Gewissheit bekommen, ob im Guten oder Schlechten. Jedenfalls verschwanden sie zusammen ins Haus, bestimmt um eine ruhige Ecke zu finden und ungestört reden zu können. Die meisten Leute, die bereits da waren, befanden sich draußen. Die meisten der Jungs waren in den Trikots der Footballmannschaft gekleidet, das sollte mich aber nicht wundern, da es eh um eine Party für sie handelte.
Kaum nachdem Mila und Kayden nach drinnen verschwunden waren, tauchten auch schon die anderen Jungs neben dem Haus auf. Voll bepackt hievten sie den letzten Rest von Jonas Sachen auf den Tisch der Terrasse. Danach begann der Silberkopf die ganzen Puzzleteile zusammenzusetzen. Die anderen beiden Jungs lösten sich auf und gingen verschiedene Wege, während einer von ihnen zielstrebig auf mich zukam.
Auf mich!
Lieber Herr Gott, wann verschonst du mich? Ich brauchte gerade keinen Gesprächspartner und vor allem keinen Jungen, gegenüber den ich mich nicht zu verhalten wusste. Seit dem Jona mir erzählt hatte, dass Christoph versuchte mich kennenzulernen, wusste ich nicht mehr mit dieser Situation umzugehen. Warum hatte er mir das auch erzählt? Mir wäre es lieber gewesen, wenn ich nichts davon wüsste. Aber eigentlich war es auch ganz gut davon zu wissen, so konnte ich zumindest vermeiden zu missverstehende Zeichen zu geben. Was waren überhaupt solche Zeichen?
»Hallo, Spindnachberin«, begrüßte mich der Rotschopf mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Seine Sommersprossen tanzten auf der Nase, die sich ein wenig rümpfte. Auf seiner Brust prangte die Zahl 77.
»Hallo, Spindnachbar«, erwiderte ich auf seine Begrüßung und versuchte mich ebenso an einem Lächeln. Er durfte mir auf gar keinen Fall anmerken, dass ich etwas wusste oder mir seine Nähe ein wenig unangenehm war. Ich fühlte mich ihm gegenüber gerade so schlecht. So ging es mir wohl, wenn ich mich mit jemanden verstand und ich bald darauf erfuhr, dass der Typ mehr von mir möchte. Deshalb hielt ich mich eben immer gern von Jungs fern.
Freundschaften zu Jungs konnten gleichzeitig die leichtesten und besten Freundschaften sein, die man haben konnte, aber oft funktionierten sie nicht. Meistens möchte einer von beiden mehr, meistens empfand der andere nicht genauso und dann wurde es kompliziert. Die Freundschaft ging zu Brüche und zwei gebrochene Herzen blieben zurück. Beide zerbrachen an Liebe. Eins an der Liebe der Freundschaft und das andere an der Liebe der Liebe. Beides war hart. Beides tat weh. Beides war nicht aufzuhalten. Darum hatte ich auch so eine Angst, als Jona mir missverständlicherweise gebeichtet hat, dass er auf Talisa steht.
»Ich habe dich heute gar nicht mehr an unseren Spinden angetroffen«, stellte er fest. Das war also sein Beginn eines Gespräches, warum nicht?
»Em Ja, die letzten Stunden sind ausgefallen, wie fast immer am Freitag. Manchmal habe ich das Gefühl, dass unser Geschichtslehrer das Wochenende vorzieht, um unsere dummen Visagen nicht mehr sehen zu müssen«, erklärte ich. Wir beide lachten über meine letzte Aussage, die in meinem Kopf besser klang, als nachdem ich sie ausgesprochen hatte. Nur, um ihn nicht in die Augen sehen zu müssen blickte ich auf meine Füße, die in schwarzen Boots steckten, die ich nur selten trug. Ich wusste auch wieder warum. Sie waren die reine Fußsauna.
»Ich denke nicht, dass deine Visage dumm aussieht. Wohl eher die von den anderen.« Ein wenig erschrocken über sein so direktes Kompliment zuckte ich mit dem Kopf nach oben. Dabei traf ich sofort auf seine intensive blaugrünen Augen, die auf mir lagen. Sie erinnerten mich an das Meer, an dem ich vor Jahren zu sein geglaubt hatte. Es war sehr dunkel in meinem Kopf. Es war selten, dass sich Erinnerungen in meinem Kopf bahnten, vor allem so schöne.
»Wie fühlst du dich nun so als Wide Saver?«, fragte ich ihn, um mich von mir selbst und dem Meer in meinem Kopf abzulenken, obwohl es das erste Mal war, dass ich eine Erinnerung voll und ganz zulassen wollen würde. Wäre ich allein, dann würde ich darin versinken. Ich würde nach weiteren Hinweisen zu meinem früheren Leben suchen, bis mich eine schlechte heimsucht und mich daran erinnert, warum ich das normalerweise nicht tat.
Ein kleines Lachen entfloh seiner Kehle. Die Hände steckte er in die Hosentaschen seiner dunklen Jeans. »Es heißt Wide Receiver«, berichtigte er mich.
»Ich weiß nicht, ob du es schon bemerkt hast, aber ich verstehe rein gar nichts von Football«, gab ich zu. Ich entlockte ihm damit erneut ein raues Lachen und konnte mir ebenso kein kleines Grinsen verkneifen. »Aber wolltest du nicht den Posten des Quarterbacks?« Sein Lachen verstummte abgrubt.
Super, Lyn. Anscheinend hatte ich gerade einen sehr wunden Punkt getroffen, streute immer weiter Salz in die Wunde, da es schließlich nicht reichte, dass sein bester Freund diesen Posten ergattert hatte.
Christoph schluckte schwer. Er richtete sich in seiner vollen Größe auf und blickte mir wieder ins Gesicht. »Darf ich ehrlich zu dein sein?«
Ich wusste nicht, ob ich das wollte, doch wenn es ihm besser damit ging sollte ich zustimmen. »Natürlich.«
Er blickte mir eine Sekunde länger in die Augen. Wir beide schwiegen. Ich versuchte mich darauf vorzubereiten, was die nächsten Sätze mit sich brachten, während er wahrscheinlich nach seinem Mut suchte, um weiterzusprechen. Ehe er seine Stimme wiederfand, blickte er prüfend über seine Schulter. »Es stimmt, dass ich den Posten gern bekommen hätte, doch war mir bewusst, dass ich gegen Christian keine Chance hätte. Er trainiert schon sein ganzes Leben auf den Quarterback hin und ich bin stolz auf ihn, dass er es geschafft hat. Er hat ihn sich verdient. Außerdem ist der Wide Receiver auch eine gute Position. Ich kann zeigen wie schnell ich bin und wie gut ich Strategien vom Quarterback umsetzen kann.«
Ich spürte geradezu, wie er sich seine neue Position versuchte schönzureden. Christoph war ein wirklicher guter Freund für Christian. »Ich hoffe Christian weiß das zu schätzen, dass du deinen Traum für seinen aufgibst.« Er sah betreten zu Boden, als ich das sagte. »Christian weiß gar nichts davon?«
»Nein. Es ist auch nicht wirklich ein Traum von mir. Es ist nicht mein Ziel Profispieler zu werden, darum habe ich mich auch nie wirklich ins Zeug gelegt. Deshalb habe ich ihn das nie erzählt, denn ich wüsste, dass er seinen Traum für mich zurückstellen würde. Das würde ich nicht wollen«, erzählte er mir, dabei blickte er abwechselnd zwischen mir und dem Baum hinter mir hin und her. Christian schien ihm wirklich nah zu stehen. Es war ihm wichtig, dass sein Freund sich seine Träume erfüllen konnte, jedoch sollte er seine eigenen nicht aus den Augen verlieren. Es war wichtig seinen Freunden Beistand zu leisten, sie zu unterstützen, aber sein eigenes Glück sollte man dabei nie aufs Spiel setzen.
»Du bist ein wirklich guter Freund«, brachte ich nur heraus. Ein kleines Lächeln breitete sich wieder auf seinen Lippen aus, dass mich ein wenig ansteckte. Er war ein herzensguter Mensch, das wusste ich auch schon nach zwei Wochen, die ich ihn erst kannte.
Schweigend unterbrach ich unseren Augenkontakt. Im Garten waren bereits mehr Leute, als vorhin. Die Party kam so langsam im Gange. Mittlerweile hingen alle Lampions, die Luftsessel waren aufgepumpt und das DJ-Pult war fertig aufgebaut, doch war der DJ verschwunden. Müsste nicht auch bald Musik aufgelegt werden?
»Möchtest du auch etwas trinken?«, fragte der Rotschopf hinter mir und hielt einen der roten Plastikbecher in die Höhe.
»Nein, dan...«
Jona!
Wo war Jona, wenn er nicht hinter seinem Pult stand? Panik breitete sich in mir aus, die mir heißt den Rücken hochkroch. Ich hatte es Mila versprochen. Wie konnte ich so nachlässig sein?
»Wir sehen uns später!«, verabschiedete ich mich von Christoph, dann nahm ich Anlauf und sprintete über den grünen Rasen auf die Terrasse. Dort angekommen betrat ich ein kleines Wohnzimmer durch die Glastür und sah mich in dem schummrigen Licht um. Zuerst konnte ich niemanden direkt sehen, was mich schon erleichtert aufatmen ließ, bis ich eine laute sehr wütende Stimme vernehmen konnte, die durch das kleine Wohnzimmer hallte. Gänsehaut breitete sich auf meiner Haut aus, ehe ich noch weiter hineinstürzte, fast Christian über den Haufen gerannt hätte, der genauso wie ich in Alarmbereitschaft schien und mir mit einer Kopfbewegung zeigte, aus welcher Ecke das Gebrüll kam.
»Jona! Hör auf!«, hörte ich eine weibliche Stimme, die nur von Mila gehören konnte.
Zusammen bogen Christian und ich um eine Ecke der vier Wände. Wir fanden uns in der Küche wieder. Sowie ich die Fliesen betrat, stach es plötzlich in meiner Schulter und ich zuckte zurück, als hätte ich mich mit meinen Füßen verbrannt. Mein Atem beschleunigte sich, wie von allein. Rückwärts tretend, suchte ich nach etwas, dass mir halt geben konnte und fand die Lehne eines Stuhls in meinem Rücken an der ich mich sofort festkrallte.
»Warum nimmst du ihn auch noch in Schutz, nachdem was er getan hat?«, hörte ich noch immer laut und deutlich, obwohl mir ein wenig schwindelig wurde. Kaum darauf spürte ich das verheißungsvolle Stechen in meinem Kopf. Ich musste es loswerden, doch sah ich keine Möglichkeit hier wegzukommen. Also atmete ich tief ein und aus, zählte bis zehn und begann von vorn. So hatte es mir Kate beigebracht. Meine Sicht wurde wieder ein wenig klarer. Das Stechen hinter meiner Stirn ließ nach.
Jona stand stinksauer in der Küche. In der Hand hielt der den Kragen von Kaydens Trikot, der sich darin keinen Zentimeter zu bewegen schien. Wie konnte er in dieser Situation nur so ruhig bleiben? Mila stand neben Kayden, versuchte auf Jona einzureden. Christian ging dazwischen. Er zog Jona von Kayden weg. Brachte Abstand zwischen ihnen.
»Jona, hör auf!«, rief Christian bestimmt.
»Warum? Er hat sie wie ein Stück Dreck behandelt!«, schrie Jona Christian an. Ich hatte ihn noch nie so wütend erlebt.
Der Grauäugige blickte zwischen Kayden und Mila, die total aufgelöst mittendrin stand, hin und her, bis sich sein Gesicht erhellte und er zu verstehen schien. Dann wandte er sich wieder an Jona. Er sagte etwas, womit niemand von uns gerechnet hätte: »Das hat er nicht. Es war meine Schuld, dass er gegangen war.«
Ich glaube, dass ist mein bisher längstes Kapitel... Upsi 🤭
Ich hoffe ihr habt es überlebt. 😅
Gibt es Vermutungen, wie Christian in der Sache von Mila und Kayden mit drin steckt? 🤔
Ich wüsche eine schöne Woche!
Eure ~ Cali <3
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