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Louis' POV:
Wenn man brennt, geht alles ganz schnell. In der einen Sekunde spürst du eine unerträgliche Hitze, dann überkommen dich die unsäglichsten Schmerzen, die sofort deine Sinne benebeln, und dann wird schlagartig alles schwarz um dich herum.
Vielleicht spürst du noch einen Aufprall, weil du vorher panisch umhergerannt bist und plötzlich über deine eigenen Füße fällst, aber dann bist du weg.
Und das Komische ist: je tiefer das Feuer in deine Haut eindringt, sich erst durch die Epidermis und anschließend durch die nächsten Hautschichten beißt, desto ruhiger wirst du. Zuerst kannst du nicht aufhören, zu schreien, aber irgendwann verflüchtigen sich die Schmerzen und dich lullt die Wärme der Flammen komplett ein.
Und dann stirbst du. Zumindest dein Körper. Deine Organe versagen, deine Haut verbrennt bis auf die Knochen und wenn du Pech hast, sterben ganze Gliedmaßen ab.
Und dein Geist?
Dein Geist lebt.
Als ich die Augen aufschlug, war mein Rachen staubtrocken und meine Arme waren schwer wie Blei.
Ich schluckte einige Male und spürte prompt, wie mir die Galle hochkam. Unter Schmerzen krampfte sich mein Magen zusammen und ich spuckte in eine Nierenschale, die mir vor die Nase gehalten wurde. Danach sank ich wieder in mein Kopfkissen und dämmerte weg.
Als ich das nächste Mal wach wurde, stand mir eine unbekannte Frau in weißem Kittel gegenüber, die mich kritisch beäugte, ehe sie näher zu mir trat und vorsichtig einen Zeigefinger an mein Kinn legte.
„Was ist mit ihm?"
Ich hörte die dumpfe Stimme meines Bruders, woraufhin die Ärztin kurz seufzte.
„Er kann nicht sprechen, aber seine Augen funktionieren."
„Und hört er uns?"
Sie legte den Kopf schief und ich schlug einmal meine Lider nieder.
„Ja, kann er."
„Oh Gott sei Dank!", jubelte mein Bruder und schlagartig pochte ein Schmerz gegen meine Stirn, der mich aufstöhnen ließ.
„Sie sollten etwas leiser sein, Herr Tomlinson. Am besten gehen Sie kurz nach draußen und schnappen ein wenig frische Luft. Währenddessen kann ich mich um Ihren Bruder kümmern."
Das tat er und sobald die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war, machte sich die Ärztin daran, an mir herumzufuhrwerken. Mehrere Schläuche steckten in mir, die sie allesamt abtastete, bevor sie Flaschen, die neben meinem Bett hingen, auswechselte.
Dabei erklärte sie mir, was passiert war.
„Sie haben gebrannt, Louis. Aber zum Glück hat jemand rechtzeitig den Krankenwagen und so sind Sie bei uns gelandet. Sie lagen drei Wochen im Koma."
Ich schluckte schwer, denn zum Einen hörte sich das absolut furchtbar an und zum Anderen konnte ich mich an absolut nichts mehr erinnern.
Stattdessen herrschte nur eine gähnende Leere in meinem Hirn, die mich so übermannte, dass ich erschöpft zurück in den Schlaf sank.
Als ich abermals aufwachte, war es bereits dunkel und mein Bruder saß schläfrig neben mir auf einem Plastikstuhl. Kaum dass er jedoch bemerkte, dass ich mich bewegte, schreckte er hoch und strahlte mich dankbar an.
„Louis! Gott sei Dank!"
Er umfasste vorsichtig meine Hand, die höllisch zu brennen begann, weshalb ich verwundert zu ihr blickte.
Sie war feuerrot, mit einzelnen Blasen übersät und hatte an einigen Stellen schwarze Krusten. Mir wurde schlecht.
„Louis, es tut mir so leid, was zwischen uns vorgefallen ist. Ich... ich war echt fies zu dir, das weiß ich. Aber als die Polizei angerufen hat, hatte ich solche Angst um dich und da ist mir klar geworden, welch Fehler es war, dich wegzuschicken. Ich hoffe, du kannst mir verzeihen."
Es herrschte eine Weile Stille, dann räusperte er sich. „Sie mussten Dir eine Niere entfernen und teilweise neue Haut implantieren, aber keine Sorge: die Polizei hat den Dreckskerl geschnappt, der Dir das angetan hat", sprudelte es aus Alec heraus und er beugte sich etwas vor, damit er mir zuzischen konnte:
„Es war Harry."
Verständnislos starrte ich ihn an, bis schließlich ein Erinnerungsfetzen in mir aufflackerte: Harry, der sich über mich beugte, ein Feuerzeug in der Hand.
Warum? Warum hatte er das getan?
Fieberhaft überlegte ich, was zwischen uns vorgefallen sein könnte, das ihn zu so etwas getrieben hatte, doch ich erinnerte mich nur daran, wie ich morgens aus dem Schlafsack gekrochen war, um zu verschwinden, bevor er aufwachen konnte.
Und er hatte mich nicht gesucht.
Ich presste meine Lippen aufeinander und merkte, wie meine Lungen sich zusammenzogen, während einzelne Tränen meine Augen verließen.
Wieso hasste er mich?
Natürlich war es unfair von mir gewesen, einfach zu gehen, allerdings hatte ich gehofft, er würde mir folgen - stattdessen hatte er sich einen Plan zurechtgelegt, mich vollkommen loszuwerden.
Ich hatte Schwierigkeiten zu atmen, weswegen mein Bruder ängstlich die Augen aufriss und sofort einen Notruf absetzte.
Keine Minute später eilte ein Pfleger ins Zimmer, der mir eine Flüssigkeit in die Infusion spritzte und kurz darauf wurde ich ruhiger.
„Was ist passiert?", erkundigte der Pfleger sich mit einem prüfenden Blick in meine Richtung, was mein Bruder lapidar mit einem Schulterzucken beantwortete.
„Keine Ahnung, ich hab ihm nur gesagt, dass die Polizei den Kerl eingebuchtet hat, der dafür verantwortlich ist."
Er zeigte auf mein Gesicht und der Pfleger runzelte die Stirn. „Mit solchen Details sollten Sie Herrn Tomlinson nicht belasten", mahnte er und fügte etwas bissig hinzu: „Ich denke, es ist jetzt besser, wenn Sie jetzt gehen. Gönnen Sie Ihrem Bruder ein bisschen Ruhe."
So weit kam es gar nicht, denn auf einmal schwang erneut die Tür auf und zwei uniformierte Beamte betraten den Raum.
„Alec Tomlinson?"
Mein Bruder zog den Kopf ein und nickte langsam.
„Sie sind verhaftet wegen des Verdachts auf schwere Körperverletzung und versuchten Totschlags. Ich muss Sie bitten, mitzukommen."
Der zweite Polizist packte meinen Bruder am Arm und noch bevor dieser sich wehren konnte, klickten die Handschellen.
Fassungslos beobachtete ich, wie er abgeführt wurde und auch meinem Pfleger klappte die Kinnlade hinunter.
Allerdings dauerte das nicht lange an, da die Polizistin noch einmal zurückkehrte und sich vor mein Bett stellte.
„Louis Tomlinson?"
Schwaches Nicken meinerseits.
„Ihrem Bruder wird vorgeworfen, Sie angezündet zu haben. Mehrere Zeugen haben ausgesagt, er habe die Tat angekündigt, um sich für das deutsche Vaterland zu rächen. Außerdem wurde er am Tatort gesehen."
In meinem Kopf ratterte es und die Gedanken überschlugen sich nur noch. Stimmte das? Hegte Alec einen solchen Hass gegen mich, dass er mich umbringen wollte?
Mir wurde schwindelig und ich begann, am ganzen Körper zu zittern, weshalb ich Hilfe suchend die Hand meines Pflegers ergriff.
Dieser kniete sich neben mich und legte schützend eine Hand auf meine Schulter.
„Soll ich einen Psychologen kontaktieren?", schlug die Beamtin zwar vor, aber ich schüttelte so vehement den Kopf, dass sie letztendlich mit einem Seufzen das Zimmer verließ.
Nachdem ihre Schritte auf dem Flur verhallt waren,fand Mark neben mir seine Stimme wieder.
„Louis, ich weiß, du willst es nicht, aber... trotzdem solltest du mit jemandem reden..", flüsterte er, woraufhin ich zusammenzuckte.
Ich wollte mit niemandem reden, denn den Schmerz, den ich in diesem Augenblick fühlte, konnte sowieso niemand nachempfinden. Es fühlte sich an, als würde man mich ein zweites Mal bei lebendigem Leib verbrennen und ich hoffte inständig, dass meine Lungen versagten und auch mein Herz endlich still stehen blieb.
Also ließ Mark mich schlussendlich wieder allein - obwohl es ihm deutlich anzusehen war, dass er sich Sorgen machte.
Die Tage vergingen und entgegen meines Wunsches überlebte ich. Irgendwann konnte ich wieder sprechen, wobei jedes Wort anstrengend war - aufstehen konnte ich ebenfalls, aber nur, um mich in einen Rollstuhl zu hieven. Das Feuer hatte meine Beine vollständig gelähmt und mir somit einen Grund mehr gegeben, mich in einem fremden Körper gefangen zu fühlen.
Ich konnte nicht begreifen, dass diese Oberschenkel, die teilweise noch dunkelrot von den Verbrennungen waren, zu mir gehörten, und dieses entstellte Gesicht ich sein sollte.
Meine Wangen waren geschwollen, meine Stirn von Blasen übersät und auch wenn man mir neue Haut an Kinn und Hals implantiert hatte, sah ich absolut schrecklich aus.
Immerhin konnte ich nach einiger Zeit wieder selbstständig essen und trinken, und Mark war inzwischen mein täglicher Begleiter geworden.
Wann immer er zu mir kam, erhellte sich meine Laune zumindest ein Stück und für eine Sekunde lang erschien nicht mehr alles sinnlos.
Er erzählte mir von seiner Frau, die er letzten Herbst auf Hawaii geheiratet hatte, von dem Kind, das bald auf die Welt kommen würde und von dem Haus, das sie sich bald kaufen würden.
Wenn er so sprach, füllte sich das triste Krankenhaus mit Leben und in manch schlafloser Nacht, in der er Dienst hatte, spielten wir Karten.
Nach weiteren drei Wochen betrat er am Morgen meiner Entlassung mein Zimmer.
Heute sollte ich in eine Reha kommen, wo man meine physische Gesundheit erst auf Vordermann bringen, und dann meine psychische Verfassung in den Griff bekommen wollte. Mittlerweile hatte ich nämlich doch geredet und der Stationspsychologin gebeichtet, wie es um meinen Überlebenswillen stand.
Mark jedoch unterbrach mich dabei, mein weniges Hab und Gut zusammenzupacken, und setzte sich bedeutungsschwer auf die Bettkante.
„Harry ist hier. Darf ich ihn reinlassen?"
Ich erstarrte.
Wenn Harry hier war, war der Verdacht gegen Alec also rechtens gewesen. Zum Einen freute mich das, aber zum Anderen trieb es mir Tränen in die Augen.
„Ja, darfst du", schniefte ich, und sobald tatsächlich mein Exfreund mir gegenüber stand, konnte ich nicht mehr an mich halten. Ich schluchzte aus tiefster Seele und war froh, dass Harry sofort zu mir kam, um mich in den Arm zu nehmen.
Schlagartig umgab mich sein vertrauter Duft, der mir so viel Geborgenheit geschenkt hatte, und seine starken Hände umklammerten mich.
„Es tut mir so leid", flüsterte er irgendwann, ehe er sich von mir löste und sanft eine Träne von meiner Wange küsste.
„Wo warst du?", fragte ich anklagend und obwohl er erst erklärte, dass er erst gestern vollständig aus der U-Haft entlassen worden war, versiegten schnell seine Worte und er erkannte, dass ich etwas anderes meinte.
„Fuck."
Er presste die Lippen aufeinander und atmete ein paar Mal tief durch, dann seufzte er.
„Ich war ein Feigling, ich weiß. Ich hätte dich suchen und beschützen müssen. Aber.... ich hatte Angst. Auch wenn das nichts rechtfertigt. Als du an dem Morgen verschwunden bist, war ich nicht mehr ich selbst. Mein Gehirn hat ausgesetzt und ich... ich hab versäumt, auf dich aufzupassen."
„Ich dachte, du hasst mich. Als ich dich mit diesem Feuerzeug in der Hand gesehen habe, da..." Ich brach ab und versteckte meine Hände in meinem Schoß, so sehr schämte ich mich für diesen Gedanken.
Er hasste mich nicht, sonst wäre er nicht hier.
„Hey, guck mich an."
Harry umschloss meine Hand, verzweigte unsere Finger miteinander und lächelte.
„Ich lass dich nicht mehr allein, ich bin für dich da."
„Ich bin ein Krüppel, Harry. Was solltest du von mir wollen?"
Schmerz flackerte in seiner Miene auf.
„Ich liebe dich. Sag so etwas nicht."
„Aber es stimmt doch", hielt ich dagegen, was er mit einem Kopf schütteln ablehnte.
„Du bist ein Kämpfer, Louis, das bist du."
„Ach ja, und warum?"
Trotzig löste ich meine Hand aus seiner und verschränkte die Arme vor der Brust, während er kicherte.
„Oh Louis, du bist so wundervoll."
Verliebt sah er zu mir, dann beugte er sich zu mir, um einen Kuss gegen meine Lippen zu hauchen.
„Weil du noch hier bist. Und darauf bin ich verdammt stolz."
„Ich geh heute in die Klapse", entgegnete ich.
„Nein, du Dickkopf. Du lässt dir helfen und daran ist absolut nichts verwerflich."
Er küsste mich abermals und langsam verflüchtigte sich mein Trotz. Es tat so gut, dass er da war und scheinbar gar nicht in Frage stellte, wie ich aussah, sondern einfach meine Tasche auf meine Beine stellte und mich zum Ausgang schob.
An der Rezeption klärte ich die letzten Formalitäten, dann wartete bereits ein Taxi darauf, mich zur Rehaklinik zu fahren.
Vorher allerdings versprach Harry, mich zu besuchen.
„Gleich heute Abend?", fragte ich hoffnungsvoll, was er mit einem breiten Grinsen beantwortete.
„Aber selbstverständlich."
Er ging ein letztes Mal vor mir in die Hocke und legte sanft eine Hand an meine Wange.
„Wir schaffen das, hörst du? Du und ich, zusammen."
Ich lächelte.
„Du und ich, zusammen."
Und das erste Mal seit Langem verspürte ich so etwas wie Hoffnung.
das wars.
das offiziell letzte kapitel dieser nervenaufreibenden geschichte. ich weiß nicht, was ich sagen soll.
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