26
Louis' POV:
Etwas überrumpelt wusste ich erst nicht, was ich tun sollte, bis ich mich endlich daran erinnerte, wie Küssen funktionierte und meine Lippen synchron zu seinen bewegte. Währenddessen wanderten seine Hände meinen gesamten Rücken entlang, ehe sie an meinen Hüften liegen blieben und er mich noch enger an sich zog.
Sobald wir uns schwer atmend lösten, lächelte er mich sanft an. "Komm mit zu mir", wisperte er, bevor er mich abermals küsste und anschließend seine Stirn gegen meine legte.
Gerne hätte ich ihm gesagt, wie es in mir aussah, und dass das für mich weitaus mehr als ein gewöhnlicher Kuss war, aber weil ich befürchtete, ihn damit in die Flucht zu schlagen, schwieg ich lieber und nickte stattdessen.
Also stand ich kurz darauf erneut in Harrys Flur und blickte scheu zu seinen Freunden, die lachend am Küchentisch versammelt waren. Niall beäugte mich misstrauisch über die eine Hälfte seines Nutellabrötchens hinweg, ehe er sich erhob und zu uns kam.
"Gehts euch gut?", erkundigte er sich besorgt, woraufhin ich ein mehr oder weniger überzeugendes Nicken zustande brachte und mir von Harry den Rucksack abnehmen ließ. "Hast du Hunger? Es sind bestimmt noch Brötchen da", meinte Niall und schob mich zum letzten freien Stuhl zwischen ihm und diesem Zayn, der mir prompt den Brötchenkorb reichte.
Dankend nahm ich mir ein Croissant heraus und tunkte die eine Hälfte in das Marmeladenglas, während ich Harry beobachtete, der frischen Kaffee kochte. Wenige Minuten später war ich pappsatt und verfolgte still das Gespräch, vorsichtig an meiner dampfenden Tasse nickend.
Harry hatte Nia auf seinen Schoß genommen und fütterte sie nach und nach mit Weintrauben, was mich wie hypnotisiert zu ihnen starren ließ. Nia war bildhübsch, keine Frage. Ihre rehbraunen Augen strahlten förmlich, als sich die Arme des Lockenkopfes enger um ihre Taille schlangen und ihr schallendes Lachen erfüllte den Raum.
Doch obwohl die beiden wirklich hervorragend zusammen passten, konnte ich dennoch nicht verhindern, dass ich eifersüchtig die Lippen aufeinander presste und versuchte, mich auf mein Getränk zu konzentrieren.
Allerdings fing ich plötzlich Nialls Blick auf, der mich beobachtet hatte und nun eine Augenbraue hob. Schnell riss ich meine Augen von ihm und nahm einen großen Schluck Kaffee, mich innerlich ermahnend, dass ich vorsichtiger sein sollte. Immerhin konnte ich nie wissen, ob ich den anderen nicht doch zu aufdringlich wurde.
Nachdem ich ausgerechnet mit Nia die Küche aufgeräumt hatte, stand ich wieder vor Harrys Bett und sah zu, wie er seinen halben Kleiderschrank auseinander nahm, um nach Klamotten für mich zu suchen. Zwar hatte ich versucht, ihn davon abzuhalten, aber da ich nur auf taube Ohren gestoßen war, hatte ich es schließlich aufgegeben und betrachtete nun eine schwarze Jeans, die von zahlreichen Löchern übersät war.
"Die ist mir eh zu groß", stellte ich skeptisch fest, was Harry mit einem Schnauben quittierte. "Egal. Ich hab garantiert auch noch einen Gürtel übrig." "Aber ich muss doch nicht deine Kleidung tragen, wenn ich eigene habe", protestierte ich, weshalb er grinsend die Schultern hob.
"Die meisten habe ich eh aus dem Umsonstladen vom Klapperfeld. Bedien dich."
Verständnislos runzelte ich die Stirn. "Bitte was?"
"Na ja, Klapperfeld ist ja das alte Polizeigefängnis in der Innenstadt, und hat sich mittlerweile in ein linkes Zentrum verwandelt. Wir sind öfter zu Versammlungen dort und da gibt es halt einen Laden, in dem du alles kostenlos bekommst. Nialls Springerstiefel sind da zum Beispiel her."
"Oh", machte ich nur, mir schrecklich dumm vorkommend. Ich kannte nur das nationale Versandhaus - ein Online-Shop, in dem man neben "I LV HTL" Shirts und anderen Ekligkeiten nicht viel bekam - und erst recht nicht umsonst.
"Keine Sorge, du stehst noch am Anfang, mein Freund. Wir zeigen dir schon noch alles", beruhigte der Punk mich mit einem aufmunternden Zwinkern, was ich mit einem möglichst zuversichtlichen Lächeln beantwortete.
Dann schlüpfte ich tatsächlich in die Hose und beäugte mich kritisch im Spiegel der Schranktüren. "Dir steht sie doch hundertmal besser", meinte ich, woraufhin Harry mir Kopf schüttelnd ein Shirt in die Hand drückte.
"Hör auf, dich andauernd runter zu machen, Lou."
Er belegte mich mit einer strengen Miene, wodurch mir ganz heiß wurde und ich zögerlich aus meinem Oberteil schlüpfte, um mir anschließend seines überzustreifen. Überrascht stellte ich fest, dass "TREAT PEOPLE WITH KINDNESS" darauf bedruckt war und ich in dem weichen Stoff zu versinken drohte.
"Gut, das ist nicht vom Klapperfeld. Das hab ich selbst bedrucken lassen, weil ich den Spruch so mag", erklärte er und ich konnte mich daran erinnern, ihn schon mal in solch einem Pulli gesehen zu haben. "Ja, der ist wirklich sehr schön", murmelte ich gedankenverloren und überlegte, ob es eventuell etwas besonderes war, dass er mir ausgerechnet das Shirt gegeben hatte - zumal er mich vorher als Freund betitelt hatte.
Irgendwie fühlte es sich trotz der Sicherheit, die ich bei solchen Worten verspürte, komisch an, wo wir uns doch erst vor knapp einem Monat noch die Nasen gegenseitig eingeschlagen hatten. Nichtsdestotrotz behielt ich die Klamotten an und ließ mich abends sogar dazu überreden, mit ins Kino zu kommen.
Dort trafen wir auf eine schwarzhaarige junge Frau, die mir verdächtig bekannt vorkam und mich, wie schon Liam und Zayn es getan hatten, argwöhnisch musterte. Doch sobald Harry ihr kurz ins Ohr geflüstert hatte, streckte sie mir freundlich ihre Hand entgegen. "Hi, ich bin Sophia! Schön, dass du dabei bist!"
Geschmeichelt von ihrer ehrlichen Freude erwiderte ich ihren Händedruck und hob schüchtern meine Mundwinkel. "Danke, dass ich hier sein darf." Kichernd klopfte sie mir auf den Rücken. "Keine Sorge, unter Harrys Fittichen geht keiner verloren", scherzte sie Augenzwinkernd, danach wandte sie sich an Nia, die sich sofort bei ihr einhakte und sie zur Kasse zerrte.
Die anderen Männern folgten ihnen, sodass Harry und ich zurück blieben - der Grünäugige noch eine Zigarette zwischen den Zähnen. Eine Weile herrschte Schweigen zwischen uns, bis er die Kippe am Boden zertrat und zum Eingang zeigte.
"Wollen wir?"
Auf mein Nicken hin hielt er mir die Tür auf und führte mich zu den anderen, die bereits unsere Karten hatten und in der Schlange zum Süßkram anstanden.
"Darf ich dich zu Popcorn und Cola einladen?", fragte er, seinen Geldbeutel zückend, woraufhin ich energisch den Kopf schüttelte. "Nein, das... das musst du nicht", raunte ich ihm zu, was ihn zum Schmunzeln brachte. "Ich weiß, dass ich das nicht muss. Aber ich würde es gerne."
Letztendlich teilten wir uns eine Portion, sodass ich mehr oder weniger gezwungen war, die nächsten zwei Stunden neben ihm zu sitzen und mich zu bemühen, nicht andauernd zu Nia zu schielen, die links von ihm war und mit ihren Fingern kleine Kreise auf seinen Unterarm malte.
Aber so sehr ich mich auch dazu zwang, ausschließlich der Leinwand Aufmerksamkeit zu schenken, zuckte ich spätestens regelrecht zusammen, als wir gleichzeitig zum Popcorn griffen und unsere Hände sich kurz berühren.
Doch auch wenn es höchstens eine Millisekunde war, blieb mein Herz abrupt stehen und ich sank tiefer in meinen Sitz. Das schien ihm aufzufallen, denn aus dem Augenwinkel konnte ich genau sehen, wie tiefe Grübchen sich in seine Wangen bohrten und er sogar seinen Lippenpiercing befeuchtete.
Fuck.
Glücklicherweise konnte ich mich den restlichen Film lang zusammenreißen und sobald wir sowohl Sophia in ihre Wohnung, als auch Zayn und Liam in ihr Hotel, das sie inzwischen wohl gefunden hatten, gebracht hatten, erreichten wir wieder Rödelheim.
Dort erklärte ich mich direkt bereit, mir mit Niall das Wohnzimmer zu teilen, damit Nia wieder zu Harry konnte. Also breitete ich eine Fleecedecke auf der Couch aus und polsterte das Kopfende mit einigen Kissen, ehe ich im Badezimmer verschwand.
Doch während ich die Zähne putzte, bekam ich mit, wie neben dem leisen Gesang von Nia aus dem Schlafzimmer auch leises Geflüster aus der Küche drang. Eigentlich wollte ich nicht neugierig sein, aber weil es mich zu sehr unter den Fingernägeln juckte, gab ich nach und schlich mich vorsichtig in den Flur, in der Hoffnung, nicht erwischt zu werden.
Die Tür war nur angelehnt, sodass ich durch den Spalt hindurch Harry und Niall sehen, die am Esstisch saßen und sich unterhielten - Harrys Gesichtsausdruck nach zu Urteilen über etwas Wichtiges.
"Dir ist bewusst, dass Louis ernsthaft auf dich steht, oder?"
Mir wurde spontan schlecht. So wie Niall das formulierte, klang das nach einer Straftat.
"Ja, ich weiß."
Mir wurde noch übler. Verdammt, nicht mal das hatte ich verstecken können.
"Und trotzdem hast du ihn heute geküsst."
Harry kicherte belustigt, wodurch mein Herz sich schmerzhaft zusammenzog. Jetzt kam bestimmt seine Erklärung, das sei doch alles nur aus Jux und Tollerei gewesen - weil ihm eben danach war.
"Du klingst wie ein Therapeut, Niall, nicht wie mein bester Freund. Lass das. Außerdem weißt du, dass ich ihn attraktiv finde."
Niall seufzte, dann zischte er: "Egal. Es ist ja nicht so, dass du noch nie einen One Night Stand oder so gehabt hättest innerhalb deiner Beziehung. Aber du hast noch nie jemanden einfach so geküsst und ihn danach bei dir aufgenommen. Zumindest nicht, dass ich wüsste."
"Bis jetzt sind wir auch noch nie auf einen Nazi gestoßen, der aus seiner Familie gerettet werden muss."
Niall schnaubte. "Ach komm, Harry. Wenn es nach deinem Helfersyndrom ginge, müssten wir jeden Obdachlosen in Frankfurt von der Straße holen. Versteh mich nicht falsch, das wäre fantastisch und ich hab nichts gegen Louis, aber ich sehe, dass er dein "Ich mag ihn" gern anders hätte."
"Und du hast Angst, dass ich ihm das Herz breche?"
"Ne, ich hab Angst, dass du Nia das Herz brichst."
"Ich liebe Nia!"
"Ich weiß. Und dennoch hat Louis gestern in deinem Bett geschlafen, trägt jetzt dein Shirt und beobachtet dich immer, wenn du nicht hinguckst."
"Ja, aber was hat das mit Nia zu tun?"
Ich konnte sehen, wie Harry verständnislos zu dem Blondschopf blickte und die Lippe vorschob, beinahe wie ein bockiges Kleinkind.
"Harry, sei ehrlich. Findet ihr euch nur attraktiv und ganz nett oder seid ihr gerade auf dem besten Weg, euch ineinander zu verlieben?"
Und das war spätestens der Moment, in dem mir vor Aufregung die Luft wegblieb.
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