19
Louis' POV:
Als ich Harry Sonntagmorgen das nächste Mal wiedersah, hätte ich alles dafür gegeben, auf der Stelle im Erdboden versinken zu können - denn entgegen meines Wunsches war es nicht bloß Einbildung gewesen, dass ich ihn vollkommen besoffen zugetextet hatte.
Also versuchte ich peinlich berührt, seinen forschen Blicken auszuweichen und mich stattdessen ausschließlich auf seine Mutter zu konzentrieren, die uns erklärte, wie wir den Raum dekorieren sollten.
"Ganz wichtig: Keine Nelken, Pfingstrosen oder sonstige Friedhofsblumen auf die Tische stellen. Darauf hat die Familie mit Nachdruck bestanden. Sie bestatten ihre sechsjährige Tochter, sie wollen eher etwas verspieltes."
Sie stellte eine Plastiktüte vor uns auf den Boden, in der sich einige Spielsachen befanden und mir sofort einen Stich ins Herz versetzten. "Das waren ihre liebsten Kuscheltiere und Puppen. Vielleicht könnt ihr daraus eine nette Deko machen", meinte Frau Styles noch, ehe sie auf dem Absatz kehrt machte und uns etwas sprachlos zurückließ.
"Sechs? Fuck", entfuhr Harry es und obwohl ich nicht zu ihm schauen wollte, erkannte ich aus dem Augenwinkel, wie er sich mit dem Ärmel seiner Lederjacke über die Augen wischte. Auch wenn ich mir heimlich auf die Lippe biss, schnappte ich mir bloß die Tasche, um einen Teddy hervorzuziehen.
"Der begrüßt jetzt die Leute", beschloss ich, während ich das Plüschding auf das kleine Tischchen im Eingang neben dem Gästebuch drapierte. Daraufhin löste Harry sich langsam aus seiner Starre und griff ebenfalls in die Tüte, eine blonde Barbie in die Tischmitte legend.
Stumm arbeiteten wir eine Weile nebeneinander her, bis er schließlich das Schweigen brach, indem er sich in Zeitlupe zu mir umdrehte und mich mit einem solch intensiven Blick belegte, dass sich meine Finger instinktiv ein wenig fester um den Stapel Teller krallten.
"Du bringst nur Chaos in mein Leben", stellte er fest und runzelte finster die Stirn. Doch noch bevor ich etwas erwidern konnte, hob er die Hand und fuhr fort.
"Andauernd ruf ich irgendwelche Krankenwagen an oder muss irgendwelche Wunden verarzten."
Stöhnend löste er seine Haare aus ihrem Dutt und fuhr mit der flachen Hand mehrmals durch die Locken, bevor er mich wieder taxierte und nun die Arme vor der Brust verschränkte. "Und dann findest du mich auch noch heiß."
Schlagartig begann mein Gesicht, wie Feuer zu brennen, weshalb ich mich bemühte, eine möglichst neutrale Miene zu wahren und lediglich mit den Schultern zu zucken. "Na und?", wigelte ich gelangweilt ab, was Harry belustigt schnauben ließ.
"Na ja, ich hätte nicht angenommen, dass ein Nazi zugibt, einen Kerl heiß zu finden", meinte er, wodurch mir nur noch mulmiger wurde. "Ich war besoffen, bild dir ja nicht zu viel ein", entgegnete ich schnippisch und machte weiter damit, die Teller zu verteilen, wohingegen Harry mich dabei nur beobachtete - genauso wie an meinem ersten Tag.
Da ich mich dadurch jedoch kaum konzentrieren konnte, hielt ich irgendwann inne und blickte ihn mit erhobener Augenbraue an. "Glotzt du heute nur noch, oder kommt da noch was vernünftiges bei rum?" Mit einer energischen Kopfbewegung zeigte ich in Richtung Minikühlschrank, wo die Rotweinflaschen darauf warteten, heraus geholt zu werden.
Tatsächlich folgte er meiner Anweisung und war kurz darauf damit beschäftigt, Weingläser samt Flaschen zu decken - wobei er allerdings nach wie vor ab und zu zu mir schielte und ich ihn plötzlich sogar dabei erwischte, mich anzulächeln.
Das brachte ihn so aus der Fassung, dass er sich prompt an der Luft verschluckte und wie wild zu husten begann. Nachdem er sich wieder eingekriegt hatte, stellte ich trocken fest: "Du bildest dir doch was drauf ein."
Abermals begann er zu husten, danach schüttelte er vehement den Kopf. "Was? Nein", beteuerte er, und auch wenn seine Stimme fest klang, erkannte ich dennoch, wie rot er wurde. Die Tatsache, dass ich mir daraufhin grinsend auf die Unterlippe biss, brachte mich widerum so aus dem Konzept, dass ich den Besteckkasten, den ich mittlerweile am Wickel hatte, fallen ließ.
Klirrend polterten Gabel, Messer und Löffel auf das Pakett, was Harry mit einem "Boah, Louis, dein Ernst?", quittierte, ehe er mir trotzdem dabei half, alles wieder aufzusammeln. Flink sammelten seine Hände alles auf, während ich versuchte, meine Aufmerksamkeit von seinen Ringen zu lenken - erfolglos.
Dementsprechend zügig fiel Harry mein Starren auf und stupste mich mit Spitze eines Messers an. "Lebst du noch oder bist du schon fest gefroren?", witzelte er, was ich bloß mit einem Summen beantwortete, mein Blick noch immer auf seinen Knöcheln.
"Erde an Louis?" Inzwischen deutlich fordernder fuchtelte er mit dem Messer vor meiner Nase herum, wodurch ich endlich aus meiner Trance erwachte und mich ächzend aufrappelte. "Danke", murmelte ich nur, ihm das Besteck wieder abnehmend.
"Du bist komisch, weißt du das?", fragte er irgendwann in die Stille hinein. "Und du nicht, oder was?", feuerte ich zurück.
"Du findest mich heiß", sagte er, als ob das Erklärung genug sei.
"Du lächelst mich an, wenn du denkst, ich bemerke es nicht."
Augenblicklich ließ er das Weinglas, welches er seit gefühlten Ewigkeiten äußerst genau geputzt hatte, sinken und verengte seine Augen zu schmalen Schlitzen. "Tu ich nicht", zischte er, weswegen ich mir ein Kichern nicht verkneifen konnte.
"Doch. Doch, das tust du. Ob du willst, oder nicht."
Gerade wollte er zum Gegenschlag ansetzen, da kam seine Mutter durch die Tür und wollte wissen, wie weit wir waren. "Fast fertig." Müde stellte Harry sein inzwischen fast glänzende Glas neben den letzten Teller, dann schob er sich an uns vorbei gen Ausgang. Zwar sah seine Mutter ihm verwirrt nach, wandte sich aber trotzdem an mich und lächelte mich an.
"Vielen Dank für Ihre Hilfe, Louis", bedankte sie sich ehrlich, den leeren Besteckkasten entgegen nehmend. "Ja, kein Problem", nuschelte ich abwesend und beeilte mich nur, hinter Harry herzuhasten. Keine Ahnung warum, aber ich hatte auf einmal das Gefühl, dass auch er ins Straucheln kam.
Ich entdeckte ihn auf der Wiese vor dem riesigen Opernhaus, wo er alle Viere von sich gestreckt hatte. Sobald ich mich mit klopfendem Herzen neben ihn gesetzt hatte, erinnerte ich mich an jene Nacht, in der ich mich hatte volllaufen lassen und in die Zelte des Sleep Outs gestolpert war. Eine unangenehme Erinnerung, weshalb ich sie schleunigst beiseite schob und stattdessen verstohlen zu Harry schielte, der allerdings die Augen geschlossen hielt.
Also wandte ich den Kopf wieder und beobachtete, wie die Straßenbahn an der Haltestelle vor uns zum Halten kam und einige abgehetzte Leute aus den Türen eilten - die meisten geschäftig ein Handy ans Ohr gepresst.
Einige qualvoll lange Minuten verstrichen, in denen ich mich bemühte, all die Gefühle, die sich seit dieser beschissenen Demo in mir angesammelt hatten, zu ignorieren, bis Harrys Stimme ertönte und alles zu Nichte machte.
"Was willst du hier?"
Erschrocken über die Härte des Tonfalls zuckte ich regelrecht zusammen und versuchte, mich stammelnd herauszureden.
"Äh... öh.. nichts.."
Er richtete sich auf, während das Grün seiner Augen mich förmlich anzuziehen schien - auch wenn ich mich innerlich mit Händen und Füßen dagegen wehrte.
"Ich lächel dich nicht an, wenn du nicht hinguckst", stellte er harsch klar. "Das vorhin war ein Zufall."
Eingeschüchtertes Nicken meinerseits.
"Und ich hasse dich auch", fügte er hinzu, wodurch ich schlucken musste.
"Gut, dann wäre das ja geklärt", sagte ich und wollte aufstehen, als er mich am Handgelenk packte und mich näher zu sich zog.
"Du bist ein rücksichtsloser Drecksack", raunte er, meinem Gesicht gefährlich nah, sodass sein Atem an meinen Lippen abprallte und gleichzeitig meine Sinne benebelte.
"Und du ein verwöhntes Arschloch", hielt ich dagegen, ihn von mir weg schieben wollend. Jedoch umfasste er nun auch noch meinen linken Unterarm, weshalb er mittlerweile halb auf meinem Schoss saß und ich spürte, wie tausend Stromstöße durch meinen Körper jagten.
"Du findest mich heiß", flüsterte er und streifte mit seiner Nase meine.
"Ja... nein...", versuchte ich vergeblich, mich herauszureden. Doch das war komplett sinnlos, weil er jetzt ein süffisantes Grinsen aufsetzte und abermals meine Nase berührte, dieses Mal mit seiner Oberlippe.
"Du hast einen Ständer, weil ich auf dir sitze."
"Nein", hauchte ich völlig neben der Spur, meinen Kopf leicht in den Nacken legend, sodass unsere Münder nur noch wenige Millimeter voneinander entfernt waren.
Spielerisch tippte er mit seiner Daumenkuppe meinen Nasenpiercing an, bevor er beinahe sanft über meine kurzen Haarstoppeln strich.
"Soll ich dir ein Geheimnis verraten?"
Er verlagerte sein Gewicht nach vorne, sodass ich auf den Rücken sank und er sich auf mich legen konnte, ein Bein zwischen meinem Schritt. "Mhm", machte ich nur noch und hatte inzwischen meinen Plan, ihn von mir wegzustoßen, längst verworfen.
Er hob einen Mundwinkel, bevor er eine Hand an meine Wange legte. "Du siehst auch gar nicht so schlecht aus." Und mit diesen Worten verband er endlich unsere Lippen miteinander.
ahhhhhhhhhhhh es ist passiert!!! hättet ihr damit gerechnet oder kam der kuss zu früh? und was haltet ihr generell von dem kapitel? würde mich mega interessieren. euch ein frohes neues jahr und einen schönen abend, alles liebe. xxx
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