Der Fremde
Da ich durchaus in der Lage bin die Körperhaltungen anderer Menschen zu lesen, wird mir schnell klar, dass die geheimnisvolle Frau alles andere als unvorsichtig und unerfahren ist. Ihre Hände, die die Kiste festhalten weisen eine Art Verkrampftheit auf, die ich nur zu gut kenne...bereit zurückschlagen wenn es sein muss. »Kleiner was machst du hier alleine?«, ihre leicht rauchige Stimme sorgt dafür das mich ein Schauer durchläuft und ich um ein Schütteln meines Körpers nicht drum herum komme. Hoffentlich hat sie es nicht gesehen...Und ob sie das hat. Mit einem Ruck, der mich zusammen fahren lässt dreht sie sich um und rammt mir die Kiste gegen die Schläfe...1...2...3...
Mein Erwachen, alles andere als sanft, führt dazu, dass ich einen unterdückten Schrei von mir gebe. Als ich die Augen öffne fange ich an zu husten, weil mir Staub ins Gesicht gewürbelt wurde. Ein paar Meter weiter entfernt sich gerade ein junger Mann mit einem frechen Grinsen in seiner Visage. Arschloch. Ist der mir doch glatt auf die Hand getreten. Na warte! Während ich mich versuche schnell aufzurichten packt mich jemand am Kragen meines dunklen Hoodies und reißt mich wieder zu Boden. »Du kleiner Hosenscheißer! Ich mach dich fertig bevor ich dich übergebe.« Die Stimme des Kerls könnte in einem fast Angst auslösen, aber sein lächerliches Erscheinungsbild macht das zunichte. Ich grinse, trete ihm mit voller Wucht gegen sein linkes Schienbein, springe auf und renne in die Richtung des jungen Kerls, der meint er müsste auf einen wehrlosen Jungen drauftreten.
Der Typ verschwindet gerade in einem Hauseingang, als ich erneut zu Boden gerissen werde. Diesmal nicht von hinten attackiert, sondern seitlich. Ein schätzungsweise fünfzig Jahre alter Mann schreit aus vollem Hals: »Du Hund! Verkriech dich wieder da, wo deine Mutter, die Schlampe, dich Stück Scheiße rausgepresst hat!«. Beim ersten Mal, als ich so etwas vernommen hatte schnappte ich nach Luft und rannte mit Tränen in den Augen in die nächste Gasse. Aber jetzt? Leg dich nicht mit mir an Mistkerl! Ich zücke mein Klappmesser und schneide ihm beim Weglaufen den Korb kaputt, mit dem er mich von den Füßen gerissen hat. Alle Obstwaren landen auf der Erde und sind nun nicht mehr zum Verkauf geeignet. Ich bin schon längst in der Menge verschwunden als er mich als Bastard bezeichnet. Das letzte was ich von dem Vorfall wahrnehme ist das Gelächter einer jungen Frau, die anschließend ebenfalls in der Menschen Masse verschwunden ist. Ich nähere mich der sagenumwobenen Tür, schlüpfe durch einen kleinen Spalt und finde mich in einer Art verlassenen Kneipe wieder. Meine Augen gewöhnen sich nicht sofort an die verdunkelte Umgebung, die die zugezogenen Vorhänge verursachen. Ich taste mich mit meiner linken Hand an der Wand entlang, um Richtung Vorhang zu gelangen. Bei dem Versuch den Lappen von Vorhang mit Gewalt abzureißen stoße ich etwas von einem Regal. Der alte modrige Vorhang hat nachgegeben und ist an der Stelle wo ich zugepackt habe eingerissen. Der handgroße Lichtstrahl gibt mir die Sicht auf den Gegenstand frei, der gerade zum stehen kommt. Ein Kelch? »Stimmt es ?«. Das kelchartige Gefäß hatte mich nur scharf die Luft einsaugen lassen, aber der Kerl, der jetzt am anderen Ende des Raumes auf mich wartet, lässt mich automatisch zur Tür hechten. Seine tiefes Räuspern lässt mich inne halten. »Du hast meine Frage noch nicht beantwortet«. Meine Antwort kommt so schnell aus meinem Mund geschossen, dass auch das Draufbeißen auf die Zunge nichts genützt hätte: »Welche verfickte Frage du Wichser?!«. Ups...Ich hätte mir vielleicht ein paar andere Antworten zurecht legen sollen...zu spät...
» Oh! Sieh an! Der Kleine ist schlagfertig. Naja die Frage, ob du ein Bastard bist. Bist du einer? Oder hält dich dieser Schmarotzer da draußen einfach grundlos für Einen, wie du mich grundlos für einen Wichser hälst?«. Ich schieße schon wieder zurück ohne nachzudenken (der Kerl macht mich verrückt): »Was ist das denn für eine Frage?! Das wäre das gleiche, als wenn ich dich direkt frage, ob deine Mutter anderweitig gefickt wurde. Und du musst zugeben, dass Wichser nicht ganz abwegig ist...welcher Typ in ihrem Alter hat das denn noch nie gemacht...mhm?«. Vermerk: Wenn DU Idiot hier lebend rauskommst, klatsch dir selber eine und überlege dir ein paar Antwortmöglichkeiten, die deine Überlebenschancen deutlich vergrößern würden. Vermerk Ende. Er kommt dem Lichtstrahl ein Stück näher und bestärkt meine erste Annahme, Mitte dreißig, muskulös und vermutlich der größte Frauenschwarm in der ganzen Provinz. Ob er auch was im Hirn hat? Seiner Wortwahl zufolge und dem eleganten Voranschreiten? Definitiv JA. Der Mysteriöse stößt einen Seufzer aus: »Siehst du? Jetzt hast du die nächste unverständliche Aussage gemacht. In meinem Alter...was soll das denn wieder heißen? Ich hoffe du bekommst das noch in den Griff. Hat mich sehr gefreut mit Dir Bekanntschaft zu machen«. »Mich eher weniger«, Ich Idiot. Er wendet seinen athletischen Körper in die entgegengesetzte Richtung und verschwindet hinter der nächsten Wand. Gerade als ich ihm hinterher will, vernehme ich das Quietschen einer Türangel. Ein Lichtbalken wird auf den staubigen Holzboden geworfen und seine Stimme ertönt erneut. Ich halte sofort an. »Ach und...du solltest dich für den heutigen Tag von deinem Platz und dem Dorffest fernhalten, es wurden schon welche auf dich angesetzt. Du sollst auf deinen Hintern aufpassen...«. Das quietschende Zufallen und der dumpfe Klang, als die Tür ins kaputte Schloss fällt, hallen noch eine Weile in meinem Kopf nach. Pädophile Sau! Pass auf deinen Hintern auf...!? Und dann dieses mein Platz? Hatte ich noch nie so gesehen...da stand nunmal mein Becher. Stop! Woher weiß er davon?! Ich sprinte ihm hinterher und werde vom schlagartigen Wechsel der Lichtverhältnisse geblendet. Mit einem Arm über dem Gesicht taste ich mich an einem Obststand entlang. Der Schlag auf meine rechte Hand lässt mich schon fast aufheulen: »Griffel weg du Abschaum!«. Ich habe keine Chance gegen den Mann mit seinem Schlagstock und ziehe mich langsam zurück. Naja wenigstens der Holzbolzen jagt dir genug Angst ein, um einen Rückzug vorzunehmen und am Leben zu bleiben. »Was ein beschissener Dreckstag!«, knurre ich vor mich hin, während ich einen Weg in die etwas abgelegenere Gegend mache. Das plötzliche Auftauchen von Brass menschlichen Wachhunden lässt mich in Gedanken aufstöhnen. Nicht auch noch die Schwachköpfe...meinte der Fremde nicht, dass sie in ganz anderer Richtung auf mich warten? Oder hat der mich auch noch verarscht? Ich weiß es nicht...Aber was ich weiß ist, DU solltest dich schleunigst verpissen!
Also ab in die Innenstadt. Hoffen wir mal das die Deppen zu unnfähig sind mich zu finden...
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