Kapitel 8
Sam war an einen Stuhl im Motelzimmer gefesselt. Allmählich kam er wieder zu Bewusstsein.
»Cas?«, fragte er überrascht, als er den Engel im Trenchcoat vor sich erkannte.
Castiel packte ihn am Kopf und zog ein Lid hoch, um besser in seine Augen blicken zu können.
»Lass mich los!«, befahl Sam.
»Hat er Fieber gehabt?«, fragte Cas.
»Hattest du?«, leitete Dean die Frage an Sam weiter.
»Nein. Wieso?«
»Hat sich deine Sprache verändert? Antworte mir.«
»Nein.« Verwundert runzelte Sam die Stirn. »Was ...? Stellst du mir etwa eine Diagnose?«
»Sei froh, wenn er's kann«, meinte Dean ernst.
»Denkt ihr, das hier ist -«
»Erwartest du etwa«, Dean richtete sich auf, »dass es hier 'n Krankenhaus gibt für durchgeknallte Höllenheimkehrer? Beantworte einfach nur seine Fragen und ansonsten hälst du den Mund.«
»Dean ...«, mahnte ich.
»Wenn du einen Bruder hast, der in solch einer Lage steckt, dann reden wir weiter«, fauchte Dean ernst.
»Wie viele Stunden schläfst du?«, verlangte Cas von Sam zu wissen.
»Ich schlafe nicht.«
Dean hob eine Augenbraue. »Gar nicht?«
»Nicht, seit ich zurück bin.«
»Und ist dir nie der Gedanke gekommen, dass das etwas merkwürdig ist?«
»Doch, na klar«, sagte Sam. »Aber ich ... ich hab' es dir nie erzählt.«
»Sam, was fühlst du jetzt?«, fragte Cas.
Sam gluckste. »Ich hab' das Gefühl, dass meine Nase gebrochen ist.«
»Nein, das ist ein körperliches Gefühl«, entgegnete der Engel. »Wie fühlst du?«
»Ich glaube -«
»Fühlen.«
»Ich weiß nicht«, gestand Sam.
Auf einmal nahm Cas seinen Gürtel ab. »Es wird unangenehm sein«, meinte er.
»Was?«, verlangte Sam sofort zu wissen.
»Beiß hier rauf.« Der Engel legte das Leder zwischen die Zähne des Mannes. »Und wenn es etwas gibt, das dich entspannt, dann denk' jetzt daran.« Mit gerunzelter Stirn sah Sam ihn an. »Bist du bereit?«
Der Winchester konnte nicht einmal antworten, da hatte Cas schon seine Hand ausgestreckt und sie durch Sams Bauch fahren lassen. Ein helles Leuchten erschien um Cas' Arm herum. Der Mann schrie unter den Schmerzen und stöhnte. Selbst ich musste mich abwenden, weil ich es nicht aushalten konnte, ihn so zu sehen.
Als Sam aufhörte zu schreien, drehte ich mich wieder ihm zu. Castiel, der zuvor seinen Ärmel hochgekrempelt hatte, zog ihn wieder hinunter. Auf Sams Stirn perlte Schweiß. Er atmete schwer.
»Und? Was ist mit ihm?«, fragte ich.
»Hast du was gefunden?«, wollte auch Dean wissen.
»Nein«, sagte Cas knapp.
Dean hob die Augenbrauen. »Ist das 'ne gute Nachricht?«
»Ich fürchte nicht.« Castiel sah uns an. »Körperlich ist er total gesund. Es ist seine Seele. Sie ist weg.«
Entsetzt sah ich erst zu Sam, dann wieder zu Cas. »Was?«
»Als Sam auferstanden ist, geschah das ohne seine Seele.«
»Und wo ist sie?«, wollte Dean wissen.
»Vermutlich noch im Käfig bei Michael und Luzifer.«
»Ist er dann noch der richtige Sam?«
»Ist wirklich eine interessante philosophische Frage«, meinte Cas.
»Dann hol sie ihm zurück«, verlangte Dean augenblicklich.
»Dean ...«
»Bei mir ging's doch auch!«
»Es waren mehrere Engel notwendig, um dich zu retten«, erwiderte Cas.
»Vielleicht kann ich helfen«, sagte ich. »Ich bin Halbengel-Halbdämon. Ich verbrenn' mich sicher nicht an den Höllenstäben des Käfigs.«
»Nein. Nein, das kann ich nicht zulassen«, sagte Cas. »Nicht einmal du würdest es schaffen können.«
»Könnt ihr mich jetzt losbinden?«, fragte Sam.
»Nein«, antworteten Dean und ich sofort.
»Ich bin doch nicht irgendein -«
»Wie stellst du dir das vor?« Dean lief auf seinen Bruder zu. »Sollen wir dich einfach laufen lassen?«
»Ich bin doch nicht irgendein Psychopath oder so was.«
Ich gluckste vergnügt. »Nachdem, was Dean mir über den Vorfall mit dem Vampir erzählt hat, bezweifle ich das.« Augenblicklich funkelte Dean mich an und mein Lächeln verschwand. »'tschuldige. Nicht witzig, verstehe.«
»Ich wollte die Vampire nur aufhalten, falls du darauf anspielst«, meinte Sam. Er seufzte und mit einer ehrlichen Miene sah er seinen Bruder an. »Es tut mir leid. Es wird nie wieder vorkommen. Bitte, lasst mich gehen.«
»Soll das 'n Witz sein?«, fragte Dean.
»Willst du mich etwa bis in alle Ewigkeit einsperren?«
»Was wär' so schlimm daran?«
»Gut, meinetwegen, ich sehe es ein, es war falsch von mir. Aber ich verspreche dir, ich kriege das alles wieder hin. Ich bin es wirklich!«
»Wirklich?«, fragte Dean misstrauisch.
»Ja, und jetzt lass mich gehen.«
»Das kannst du vergessen.«
»Jungs, bitte«, sagte ich. »Lasst das Theater.«
Dean sah mich nur kurz an und wandte sich dann an Cas.
»Ich wollte nicht, dass es so kommt«, meinte Sam auf einmal, und als wir zu ihm sahen, hatte er sich erhoben und die Fesseln zu Boden geworfen. »Du wirst mich hier nicht festhalten, Dean. Ihr beide nicht.« Er warf mir einen Blick zu. »Nicht hier und auch nicht im Panikraum. Nirgendwo. Und nur weil ich keine Seele habe, heißt das nicht, dass wir drei nicht zusammenarbeiten können. Wir schaffen das.«
»Ich werd' dich keinen Augenblick aus den Augen lassen«, meinte Dean ernst.
»Gut. Damit kann ich leben.«
Eindringlich sah Dean seinen Bruder an, dann sagte er: »Cas, mach ihn fit.«
Der Engel trat hervor, berührte Sam auf der Stirn und ließ die Wunden verschwinden.
»Um herauszufinden, was mit deiner Seele passiert ist, müssen wir wissen, wer dich rausgeholt hat«, sagte Dean.
»Crowley?«, warf ich ein. »Vielleicht hatte er die Kraft, ihn da rauszuholen.«
»Ich weiß nicht, wer mich zurückgeholt hat«, sagte Sam, bevor sein Bruder etwas erwidern konnte.
Verwundert runzelte Cas die Stirn. »Du hast überhaupt keine Ahnung an deine Auferstehung?«
»Ich bin auf einem Feld aufgewacht - mehr weiß ich nicht.«
»Keinen Hinweis? Nichts?«
Sam überlegte kurz. »Einen hab' ich«, sagte er schließlich.
Wir fuhren zu der Basis der Campbells, wo wir Samuel aufforderten, mit uns in seinem Büro zu sprechen. Wir stellten ihn zur Rede und verlangten von ihm zu wissen, was an dem Tag seiner Rückkehr passiert war. Cas erschien neben Samuel und ebenso wie bei Sam zuvor untersuchte der Engel seine Seele. Der Mann schrie lauthals vor Schmerzen, so dass die anderen Jäger aus dem Nebenraum hereinkamen. Wir beruhigten sie und da war es auch schon vorbei - und seine Seele war vollkommen in Ordnung.
»Was hat das zu bedeuten, Sam?«, fragte Samuel seinen Enkel.
»Was mich auch rausgeholt hat, es hat ein Stück vergessen«, erklärte dieser.
Samuel stöhnte und ließ den Kopf sinken.
»Hast du es gewusst?«, wollte Sam wissen.
»Nein, natürlich nicht.«
Wir sahen ihn eindringlich an.
»Doch, ich wusste, irgendwas stimmt nicht«, gestand der Mann. »Du bist ein sehr guter Jäger, Sam, aber die Wahrheit ist, manchmal machst du mir Angst.« Er seufzte. »Also, was genau läuft hier? Wie kriegen wir seine Seele zurück?«
»Genau das versuchen wir herauszufinden«, sagte Dean.
»Ich helfe natürlich, wo ich kann. Was habt ihr bis jetzt?«
»Jede Menge Sackgassen und dich«, meinte Sam.
»Dann müssen wir eben tiefer graben.«
Castiel, der sich während des Gespräches abgewandt hatte, hatte den Blick nach oben gerichtet. »Sam, Dean«, sagte er, »ich muss wieder zurück.«
»Du musst gehen?«, fragte Dean ungläubig.
Der Engel wandte sich ihm zu. »Ich befinde mich mitten in einem Bürgerkrieg.«
»Du solltest dir schnell was einfallen lassen, um Sam zu helfen.«
»Ja, klar, eure Probleme stehen immer an erster Stelle«, entgegnete Cas ernst. Er sah zu mir. »Begleitest du mich?«
Unsicher blickte ich zwischen Dean, Sam und Cas hin und her. Jeder vertraute auf mich. Cas brauchte mich bei dem Bürgerkrieg, doch Dean und Sam ... Vor allem Sam, er brauchte meine Hilfe.
»Ich bleibe hier, Cas«, sagte ich entschlossen, und ich konnte mich nicht mal entschuldigen, da war der Engel bereits verschwunden.
»Nun gut«, meinte Dean. »Was ist da draußen los?«
»Sie planen eine Jagd«, erklärte Samuel.
»Ganz schön viele Leute für eine Jagd«, bemerkte der ältere Winchester.
Sam kniff die Augen zusammen. »Du hast ihn gefunden, stimmt's?«
»Wen gefunden?«, verlangte ich zu wissen.
»Er hat eine Spur zu dem Alpha-Vampir.«
»Hast du?«, fragte Dean Samuel.
»Möglicherweise.« Der ältere Winchester legte den Kopf schief und sah seinen Großvater ernst an. Schließlich nickte dieser. »Ja.«
»Wie habt ihr ihn gefunden?«, wollte Dean mit einem misstrauischen Unterton wissen.
Samuel packte seine Waffen zusammen. »Wir sind gut«, gab er zurück.
Dean zog die Augenbrauen hoch. »Hm, mehr hast du nicht zu sagen?«
»Wann soll's losgehen?«, fragte Sam, bevor sein Großvater die Frage seines Bruders beantworten konnte.
Samuel ließ den Kopf sinken. »Bei Sonnenaufgang.«
»Und das sagst du mir nicht? Wieso?«
Samuel öffnete den Mund, doch Dean kam ihm zuvor. »Meinetwegen. Du vertraust mir nicht besonders, oder? Du willst den großen Fang alleine machen.«
»Das ist nicht wahr«, entgegnete Samuel.
»Okay, gut, dann sind wir dabei.«
»Nichts für ungut, aber -«
»Du traust mir doch nicht?« Dean sah den Mann eindringlich an.
»Ich kenne dich nicht besonders gut«, gestand Samuel. »Nicht so gut wie Sam.«
Dean nickte, die Lippen zu einem dünnen Strich gezogen. »Na, schön. Du sagst, wo es langgeht. Ich werde deinen Anweisungen folgen, hundertprozentig.«
Samuel lachte auf. »Seit wann?«
»Seit ich verwandelt wurde. Ich will's nicht verpassen. Aber es ist dein Job, und das akzeptiere ich. Ich werde dir folgen, ich vertraue dir. Und als Gratisgeschenk«, ohne Vorwarnung schlug Dean mir auf die Schulter, »gibt es Catherine oben drauf.«
»Dean -«, setzte ich an, doch warf der Mann mir einen durchdringenden, vielsagenden Blick zu.
Samuel nickte. »Einverstanden.«
Wir verließen die Basis der Campbells und kaum waren wir draußen, sagte Dean: »Ich glaube ihm nicht. Er verheimlicht was.«
»Was?«, fragte Sam fassungslos.
»Ich spüre es, und wenn du nicht Robo-Sam wärst, würdest du es auch spüren.«
»Soll das heißen, du vertraust der Familie nicht?«, wollte Sam wissen und blieb stehen.
»Hör zu, wir bleiben in der Nähe und halten die Augen offen.«
»Denkst du, Samuel weiß etwas über meine Seele?«
»Wär' nicht so abwegig«, warf ich ein. Sam sah mich an und ich nickte leicht. »Könntest du mich kurz mit Dean allein lassen? Ich muss mit ihm reden.«
Ohne ein Wort ging Sam davon. Nun wandte ich mich an seinen Bruder und wütend funkelte ich ihn an.
»Was, zum Teufel, sollte das?«, rief ich. »Ich bin nicht deine Marionette!«
»Hör zu, ich brauche dich, um die Leute auszuspionieren. Sie vertrauen mir nicht. Dich hingegen wollen sie um jeden Preis. Ein Halbengel-Halbdämon - das ist das Sahnehäubchen auf dem Apfelkuchen.«
Genervt verdrehte ich die Augen und ernst verschränkte ich die Arme vor der Brust. »Und was ist mit Sam? Du willst ihn doch nicht wirklich in diesem Zustand mit auf die Jagd nach dem Alphavampir gehen lassen.«
»Ich denke, uns bleibt da keine andere Wahl.«
1724 Wörter
Noch ein Kapi heute. Montag geht es dann weiter, sofern ich Zeit habe ^^
Hätte Cat sich eher für Castiel entscheiden sollen?
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