Kapitel 20
Die Mutter aller. Seit Sam und Dean wieder gefahren waren, hatte der Name mich nicht mehr losgelassen. Na ja. Name. Es war nicht wirklich einer, eher ein Synonym - und niemand wusste, wer oder was sich dahinter verbarg.
In dem vergangenen Jahr hatte ich eine Menge alte verstaubte Bücher gesammelt, die ich nun ohne Pause durchblätterte und nach dem Begriff »die Mutter aller« absuchte - manche bereits ein zweites Mal. Doch ich fand nichts. In keinem meiner Bücher stand etwas darüber, nicht einmal ein Hinweis, und selbst das Internet konnte mir nicht helfen. Also blieb mir nichts anderes übrig, mir woanders Antworten zu suchen. Dean und Sam hatten wieder irgendeinen Fall, weswegen Bobby und ich getrennt nach Informationen forschten.
»Wo willst du hin?«, erklang auf einmal Davids Stimme in meinem Rücken, als ich meine Jacke und meine Autoschlüssel ergriffen hatte und gerade das Haus verlassen wollte. Ich zuckte vor Schreck zusammen, denn hatte ich nicht mit ihm gerechnet. Seit Tagen hatte er sich nicht mehr blicken lassen - kurz nach Deans und Sams Abreise war auch er stürmisch und ohne ein Wort aufgebrochen. Er hatte sich nicht einmal bei mir gemeldet, und nun war er einfach wieder da.
»In meiner Highschool gab es einen Kurs über alte Mythologien«, meinte ich. »Ein Kumpel von mir hatte sich damals viele alte Bücher dort ausgeliehen, deswegen hoffe ich, dass ich dort etwas finde, was mir weiterhilft.«
»Wobei weiterhelfen?«, wollte David wissen.
»Bei der Mutter aller.«
Verwundert runzelte der Mann die Stirn. »Was willst du damit?«
»Kennst du ihn?«, stellte ich die Gegenfrage. »Kennst du den Begriff?«
Er schüttelte zu meiner Enttäuschung den Kopf. »Nein. Aber ich komm' mit und helf' dir.«
Und so fuhren wir zusammen zu meiner alten Schule, die nicht all zu weit von hier entfernt war. Gekonnt brach ich das Schloss der Tür auf und trat ein. Draußen war es bereits dunkel, die Schule war verlassen.
»Was ist mit der Alarmanlage?«, wollte David in meinem Rücken wissen, während ich mit einer Taschenlampe in der Hand den Korridor entlanglief.
»Es gibt keine«, meinte ich. »Jedenfalls gab es keine, als ich hier noch zur Schule ging. Ich bezweifle, dass sich etwas geändert hat. Und wenn jemand kommen sollte, setze ich meine Fähigkeiten ein - es wird schon nichts schiefgehen.«
»Wenn du meinst.«
Eine Weile liefen wir schweigend den Gang entlang. Ich dachte nach.
»Weißt du überhaupt, wo du hin musst?«, fragte David mich irgendwann.
»Zur Bibliothek. Es kann aber 'n bisschen dauern, bis ich sie finde.«
»Und was erhoffst du dir da zu finden?«
»Was der Begriff die Mutter aller«, erklärte ich nur, während ich nachdenklich und konzentriert die Gänge entlanglief. »Ah, hier ist es.« Ich öffnete die Tür und trat in die Schulbibliothek. Ich ließ den Lichtschalter unangetastet und lief mit meiner Taschenlampe auf die hohen und bis zum Rand voll gefüllten Regale zu. Mythologien und Sagen stand auf dem großen Schild vor einem der Gänge, den ich daraufhin betrat. Links und rechts säumten sich die Bücher bis zur Decke. Die alten zerbrechlichen Rücken starrten mir entgegen und verlangten förmlich, dass ich sie nicht berührte, da sie sonst zerfallen würden. Vorsichtig ergriff ich das erste Buch, welches mir ins Auge fiel, und begann es durchzublättern. Gefühlte Stunden vergingen und gefühlt tausend Bücher durchsuchte ich, doch stand nichts darin, was mir weiterhalf. Selbst David fand nichts. Uns blieb also nichts anderes übrig, als zu gehen. Schweigend lief ich den Korridor entlang, David hinter mir.
»Die Mutter aller«, sagte der Mann auf einmal. »Die Mutter aller Monster.«
Verwundert wandte ich mich um. »Was?«
David sah mich an. »Eve, die Mutter aller Monster.«
Ich runzelte verwirrt die Stirn. »Woher weißt du das?«
»Weil sie auch meine Mutter ist.« Ein unheimlicher Ton schwang in seiner Stimme mit.
»Kanntest du den Namen bereits vorher?«, fragte ich vorsichtig.
Seine Miene verdunkelte sich. »Es war nicht einfach, dich ohne die beiden Brüder anzutreffen«, meinte er mit finsterer Stimme. »Und dann haben du und deine Freund auch noch versucht, das Ritual aufzuhalten. Aber wir haben es geschafft. Unsere Mutter ist zurückgekehrt.«
Langsam trat ich zurück. Ich wusste, dass ich mich gerade in einer Sackgasse befand, und ich hatte nichts dabei, was mir daraus helfen könnte. Mein Adoptivvater, oder auch Pate, hatte mich hintergangen, genau wie Sam und Dean es vermutet hatten.
»Deswegen warst du all die Monate unterwegs«, sagte ich, um von meinem Zurückweichen abzulenken. »Du hast einen Weg gesucht, die Mutter aller Monster zurückzuholen, damit sie das Fegefeuer öffnen kann.«
»Das tut jetzt nichts zur Sache«, meinte David. Auf einmal jagte er auf mich zu. Mit Kraft packte er mich am Hals und schleuderte mich gegen die Spinte, so dass ich mit voller Wucht dagegenstieß. Wieder legte er seine Hand um meinen Hals und kraftvoll drückte er zu. Unter seinen Augen erschienen die blutgefüllten Adern und er riss den Mund auf, so dass ich seine spitzen Zähne sah.
»Na, los. Wenn du mich tot sehen willst, dann töte mich«, forderte ich. »Los, töt' mich!«
»Nein«, knurrte der Vampir. »Ich hab' noch etwas anderes mit dir vor.« Und da drückte er so fest zu, dass ich das Bewusstsein verlor.
Ich erwachte allmählich. Enge Stricke waren um meinen Handgelenke und meinen Knöcheln an meinen Beinen gebunden. Langsam öffnete ich die Augen. Ich saß auf einem Stuhl, in dem Wohnzimmer meines Hauses. Nur schwach fiel das Licht durch die Fenster, so dass ich nicht wusste, ob es morgens oder abends war.
Ich vernahm ein Geräusch und erschrocken sah ich mich um. David hatte den Raum betreten. Seine Miene zeigte ein selbstsicheres und zufriedenes Lächeln auf, als er bemerkte, dass ich erwacht war. Er lief um den Stuhl herum und blieb vor mir stehen.
»Was willst du von mir?«, knurrte ich mit einem finsteren Blick.
»Wieso so feindselig? Immerhin bin ich dein Vater«, meinte David zuckersüß.
»Du bist nicht mein Vater«, zischte ich. »Nicht mehr.«
Langsam beugte er sich zu mir hinunter. Mit dem Zeigefinger fuhr er meine Wange entlang, hinunter zu meinem Hals. »Meine Mutter hat einige Fragen, vor allem über dich. Ich werde ihr die Antworten geben.«
Ich spuckte ihm ins Gesicht. »Darauf kannst du lange warten.«
Der Mann hatte die Augen zusammengekniffen und sofort wischte er sich den Speichel mit dem Ärmel weg. »Du solltest aufhören, dich zu wehren.«
Er griff hinter sich und zog etwas hervor. Mit einem zufriedenen Grinsen hielt er mir mein Engelsschwert vor mein Gesicht. Ich starrte es mit Angst in den Augen an, und ich hielt den Atem an, als würde auf jede Bewegung Schmerzen folgen.
»Nun. Ich denke, du weißt, was das ist.«
Ich löste meinen Blick von der Waffe und atmete tief durch, dann sah ich ihn mit festen Augen an. »Ich werde dir nichts erzählen.«
Er lächelte breit, doch plötzlich verschwand das Lächeln und abrupt schoss seine Hand hervor. Ich schrie auf, als das Engelsschwert meinen Oberschenkel durchbohrte - kein Funken Barmherzigkeit spiegelte sich in seinen Taten wieder; das Monster vor mir war schon lange nicht mehr mein Vater.
Er beugte sich hinunter zu meinem Ohr, die Hand immer noch am Griff des Schwertes und zudrückend. »Ich weiß, dass durch deine Adern Dämonenblut fließt, und ich weiß, dass du versuchst, diese Seite abzuschotten.« Sein Atem kitzelte mein Ohr, so dass ich eine unangenehme Gänsehaut und einen eiskalten Schauer den Rücken hinunterlaufen spürte. »Meine Mutter will dich nicht nur als Engel, sie will deinen Dämon. Und du wirst mir sagen, wie wir den hervorholen. Doch zuvor«, er richtete sich auf, »erzählst du mir etwas über die Winchesters.«
»Niemals«, zischte ich.
Abrupt riss David das Schwert aus meinem Bein. Ich schrie ein weiteres Mal auf. Tränen traten in meine Augen. Der Mann berührte mit der Waffenspitze meine Wange und strich ohne großen Druck darüber, so dass noch nichts geschah.
»Dein schönes Gesicht«, meinte er. »Welch eine Verschwendung, wenn ich es zerstören müsste.«
»Tu, was du nicht lassen kannst«, versuchte ich mit fester Stimme zu sagen, doch schwang bereits ein Zittern mit.
Er verstärkte den Druck und ich schloss die Augen und wartete auf den Schmerz, doch es kam keiner. Verwundert öffnete ich die Augen, und gerade wollte ich zur Frage ansetzen, als David das Schwert in meiner Handfläche versenkte. Ich schrie wieder. Die unheilvollen Schmerzen jagten sofort zu meinem Nerv. Ich versuchte mich aufs Atmen zu konzentrieren, damit ich nicht ohnmächtig wurde und Schmerz nicht all zu sehr spürte.
»Sam Winchester«, sagte David nur, »man sagt sich, er habe seine Seele wieder. Frisch aus Luzifers Käfig, geschält und skalpiert. Der Tod hat euch geholfen, damit der arme Junge nicht den Verstand verliert. Aber wie lange wird das wohl reichen?« Er lachte. »Da hast du dir aber ein Leben ausgesucht, Cattie.«
»Was willst du von ihm?«, fragte ich mit zittriger Stimme.
Sein Lächeln verschwand. »Meine Mutter will ihn und seinen mordlustigen Bruder. Ich soll die beiden zu ihr bringen. Also, wo sind sie?«
»Ich weiß es nicht«, gestand ich. »Und auch wenn, würde ich es dir nicht erzählen.«
Davids Miene verdunkelte sich augenblicklich. Allmählich verlor er die Geduld. Abrupt zog er das Engelsschwert aus meiner Hand und stieß es durch die andere.
»Wo sind sie?«, brüllte er, so dass er meinen Schmerzensschrei übertönte.
»Ich weiß ... es ... nicht.« Meine Worte kamen nur noch mit einem Keuchen über meine Lippen.
David verstärkte den Druck des Schwertes. »Wo?«
»Ich weiß ... es nicht!«, rief ich.
Ohne zu blinzeln, zog er die Waffe heraus und stieß sie in meinen Bauch. Der Aufprall ließ meinen Atem stillstehen. Ich schnappte nach Luft, doch konnte ich keine aufnehmen.
»Ich frag dich ein letztes Mal: Wo?«
»Ich weiß ...«, ich rang nach Luft, »nur was ... von Passaic ... New Jersey ...«
Zufrieden zog David das Schwert aus meinem Körper. Achtlos warf er es in die Ecke, so dass ich vor Schreck zusammenzuckte.
»So ängstlich«, meinte er. »Ich dachte, nichts kann dich in die Knie zwingen, aber da hab' ich mich wohl geirrt.«
»Lass mich ... gehen«, flehte ich. »Ich hab' dir ... alles erzählt, was ich ... weiß ...«
Der Mann beugte sich lächelnd zu mir hinunter und hauchte mir einen Kuss auf die Stirn. Als er sich aufrichtete, strich er mir noch einmal über die Wange, so dass ich ein weiteres Mal zusammenzuckte. »Der Spaß hat erst begonnen«, sagte er und wandte sich ab. Im Gehen ergriff er seine Jacke und kurz darauf hörte ich, wie er das Haus verließ.
1706 Wörter
Here again!
Hab wunderbare 5 Stunden geschlafen, yeaaah xD
David ist wohl doch nicht so nett xD
Was, glaubt ihr, wird jetzt passieren?
Und danke für euer Feedback! ❤
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