Kapitel 8 | Herzklopfen
Der Kuss.
Ace versengte meine Lippen während mein ganzer Körper bereits geschmolzen war. Seine Hand fuhr durch mein Haar während die andere sanft über meine Wange strich. Er verstand es mich aus dem Konzept zu bringen, vor allem da ich hiermit überhaupt nicht gerechnet hatte.
Ich hatte gehört wie er die Stufen hinunter ging und wollte eigentlich gar nicht erst mein Zimmer verlassen, zu sehr beschäftigte mich das er nicht einmal zum Essen dazu gekommen war. Nach einer langen Stille erklang schließlich das Geräusch vereinzelter Töne und ich wusste genau was er tat. Wie immer zog mich sein Gitarrenspiel magisch an und so verließ ich leise und schleichend mein Zimmer um ihm zu lauschen - mehr war eigentlich nicht geplant.
Aber etwas änderte alles... Und es war nur eine Kleinigkeit, zumindest äußerlich. Die angespannten Schultern und die Haltung seines Körpers ließen mich in seine Richtung laufen. Ich hatte das Gefühl das etwas nicht stimmte und wenn ich mich geirrt hätte, hätte er mich wegschicken können, aber... Ich hatte recht. Ich sah Trauer und Verzweiflung in seinem Blick, kannte jedoch nicht die Ursache. Ich wusste sofort das mein Abschied und Umzug in die Hütte niemals der Grund war, was aber war es dann?
Ich wollte für ihn da sein, ihn wissen lassen das er nicht alleine ist aber dann... Wow. Ich fuhr meine Unterlippe nach, schmeckte ihn noch. Noch nie in meinem Leben wurde ich derart geküsst, daß mir die Luft wegblieb aber Ace verstand es, es richtig zutun. Er übernahm vollständig die Kontrolle über mich, meinen Geist, meinen Körper.
So etwas hatte ich noch nie erlebt...
Aber was genau es nun bedeutete war nicht klar. Ich hatte gehört was er zu Linny sagte und ich hatte auch gesehen wie er sich verhielt - all das trug nicht gerade dazu bei, einen klaren Gedanken fassen zu können. Nur schwer ließen mich diese Gedanken los als ich aus dem Bett kroch. Nach unserem Kuss hatte er mich bis zur Tür gebracht, war aber nicht eingetreten. War das womöglich schon ein Zeichen?
Moose und Ace waren in der Küche als ich runter kam. Ungewöhnlich für diese Uhrzeit saßen sie am Tisch, der reich gedeckt war. Frische Backwaren, Obst und Aufstriche warteten nur darauf verzehrt zu werden und alles wirkte sehr entschleunigt. Meine Wangen wurden heiß als Ace mich als erstes ansah. „ Guten Morgen. " murmelte ich kleinlaut, was Moose dazu brachte kurz zu nicken. Ich war mittlerweile daran gewöhnt wie still er war, aber ich hatte auch schon seine Art der Kommunikation bemerkt. Vieles lief über Blicke und seine Körperhaltung ab. Manchmal glaubte ich sogar, ein Lächeln zu erkennen.
„ Guten Morgen. Setz dich. "
Genüsslich trank er den Kaffee und beobachtete mich, aber er tat es so, daß Moose nichts davon mitbekam. Irgendwie ließ mich das noch unbehaglicher fühlen als ohnehin schon. Mit Owen war all das leichter gewesen, aber Owen war auch ein völlig anderes Kaliber als der Mann, den ich hier nun vor mir hatte. Sein Auftreten, seine Art waren es in Momenten wie diesen, die mich verunsicherten. Schließlich brach er den Bann und begann mit Moose ein paar Dinge abzuklären, was die heutigen Aufgaben betraf. Das ließ mich wohler fühlen denn die Aufmerksamkeit lag nicht länger auf mir und ich mochte es wie gut ich in den Hintergrund geraten konnte. Hin und wieder sah ich heimlich zu ihm rüber, dachte wieder an den Kuss und musste unwillkürlich darüber spekulieren was es bedeuten sollte - oder sollte ich es einfach herausfinden?
Konnte ich das überhaupt?
Diese Gedanken brachten mich zum lächeln - sie erinnerten mich an eine alte Freundin, die leider fortgezogen war als ich noch jünger war. Sie sagte immer ich würde alles bis ins kleinste Detail überdenken und zu Tode analysieren anstatt einfach mal ins kalte Wasser zu springen und zu leben - selbst wenn das bedeutete das es nicht gut ausging. Und damit hatte sie natürlich vollkommen recht. Hier in Northfalls zu sein hatte den harten Panzer der mich umgab ohnehin schon etwas aufgebrochen - wohl weil Ace seinen Anteil daran hatte. Ich beschloss also auch einen Schritt auf ihn zu zu gehen, selbst wenn es am Ende nichts bedeutete - selbst dann, wenn der Kuss einfach nichts weiter als ein Fehler für ihn war.
Für mich jedenfalls war er es nicht.
→
Beim striegeln der Pferde half ich, musste allerdings all meinen Mut zusammen nehmen. Ich wollte ihn etwas fragen und konnte keinen Rückzieher mehr machen. „ Also... " begann ich und konzentrierte mich vollends auf Lucie, konnte Ace Blick jedoch bereits auf mir spüren. Er hatte wenig geredet, auch beim Frühstück nicht. Hin und wieder hatte ich bemerkt das er mich ansah, aber sonst war es bisher ziemlich still.
„ Also? "
Der tiefe, raue Ton seiner Stimme ließ mich zögern, mein Wille war jedoch stärker. „ Hast Du Lust was zu machen? Also... Was... Zu unternehmen? " platzte es aus mir heraus. Fast wäre ich in Lucie hinein gekrochen um mich zu verstecken. Ich hasste meine Nervosität genauso wie meine Schüchternheit, konnte aber nicht vollständig aus meiner Haut. Ich war eben wie ich war und musste mit dem arbeiten was ich zur Verfügung hatte. Als ich mich traute zu Ace zu schauen fiel mir fast mein Lächeln aus dem Gesicht - er sah aus als hätte er in eine Zitrone gebissen. „ Also... Ausgehen? So richtig? " hakte er nach, begleitet von diesem merkwürdigen Unterton in der Stimme. Ich konnte nicht sagen ob es an mir oder der Idee etwas zusammen zu machen lag. „ Du weißt ich gehe nicht gern aus. Die Veranstaltung vor kurzem hat gereicht für die nächsten Jahre. "
Eine Abfuhr...
Damit hatte ich ja sogar gerechnet... Schön war es trotzdem nicht. „ ABER... Ich hab eine bessere Idee. Sattel die Pferde wie ich es dir gezeigt habe. Ich bin gleich zurück. " murrte er verschwörerisch und ging ins Haus. Wenige Minuten später kam er zurück, während ich gerade dabei war Luke zu satteln. Das Tier vertraute mir noch nicht ganz so wie Lucie, trotzdem ließ er es über sich ergehen und schließlich, als ich fertig war, hielt er auch ganz still als ich ihn streichelte. Lucie hingegen ließ alles zu was ich tat - sie schien mir blind zu vertrauen. Das fühlte sich unheimlich gut an. „ Bereit? Wir reiten zum selben Platz wie letztes mal. " erklärte Ace und verstaute den kleinen Korb. Gemeinsam ritten wir los.
In der Nähe der Rinder angekommen lief fast alles ab wie beim letzten Mal als wir hier waren :
Ace stieg zuerst ab, breitete eine Decke aus und leerte den Korb während Lucie und Luke brav ein paar Schritte weiter grasten. Alles war fertig, nur ich war es nicht. Ich zögerte um die Szene zu betrachten. Als Ace seinen Kopf hob und mich ansah zog es mich magisch zu ihm und ich ergriff seine Hand, die er mir entgegen hielt. Natürlich hätte ich auch sicher alleine ohne Hilfe Platz nehmen können, aber diese kleine Geste war schön. Schweigend saßen wir nebeneinander und aßen das Obst das er eingepackt hatte. Es war so still zwischen uns das man sogar die Grillen hören konnte. „ Elizabeth, hör zu... Der Kuss gestern... " fing er plötzlich an, was mich sofort zum stillstehen brachte. Innerlich machte ich mich bereit für alle möglichen Erklärungen, sogar mit Ausreden rechnete ich. „ Ich weiß nicht genau warum es passiert ist, aber ich möchte das du weißt das ich es wollte. Ich bereue es nicht, falls du das denkst, im Gegenteil. "
Was bedeutete das?
Ich schimpfte mich stumm selbst weil ich bereits erneut alles zu analysieren begann - anstatt einfach den Moment so anzunehmen wie er mir gegeben wurde. Aber waren meine Gedanken so abwegig? Ich, die kaum als Topmodel durchging und er, der jede haben konnte... Natürlich fragte ich mich was er in mir sah. Vielleicht war es auch einfach nur ein Kuss der nichts bedeutete und ich interpretierte zuviel hinein, aber... „ Und ich würde es gerne wieder tun. "
„ Was? Ich... Ich meine... Also... "
Der Satz hing zwischen uns als er sich zu mir lehnte, die Hand an meine Wange legte und sanft mit seinem Mund über meinen strich. In meinem Kopf explodierten tausende Feuerwerkskörper. Was auch immer ich dachte spielte gerade keine Rolle mehr. Er war hier - mit mir - und das war alles was zählte.
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Wir gingen spazieren, redeten kaum. Es war als hätten wir auf einer anderen Ebene Kontakt gefunden. Ace half mir über den kleinen Zaun, hielt mich an der Taille und versetzte meinen Körper mit dieser simplen Berührung bereits in Flammen, aber er machte keine Anstalten weiter zu gehen. Mit allem was über den Kuss hinaus ging hielt er sich zurück wie ein Gentleman. Dabei stellte ich mir unweigerlich die Frage ob ich schon bereit war weiter zu gehen, aber darauf gab es keine richtige Antwort. Ich war keine Jungfrau mehr, hatte mit Owen das ein oder andere mal Sex - dennoch konnte ich all das Gerede darüber und wie toll es doch war gar nicht nachvollziehen. Sex war für mich immer etwas das ich tun musste und Owen war nicht sonderlich darauf bedacht auf meine Bedürfnisse ein zu gehen, weshalb es immer schnell ging. „ Worüber denkst du nach? " hörte ich Ace Stimme plötzlich. Er stand dicht vor mir, sah zu mir herab und versperrte so nicht nur den Weg zu den Rindern - er lähmte mich regelrecht... Aber auf eine angenehme Art, wenn es so etwas überhaupt gab. „ Manchmal scheint es als wärst Du ewig weit weg. "
„ Schon gut. Ist nicht wichtig. " antwortete ich hastig und hoffte das er das Thema fallen ließ bevor ich ihm doch noch sagen wollte worüber ich nachdachte. Schließlich nickte er kurz, machte den Weg frei zu den Tieren. „ Wenn du darüber reden willst,... Du weißt ich bin kein großer Redner, aber ich bin ein guter Zuhörer, glaube ich. "
Ich lächelte.
Das er kein großer Redner war hatte ich bereits gemerkt, er wählte seine Worte meist mit bedacht, als hätte er nur ganz wenige übrig die er am Tag benutzen konnte. Tatsächlich jedoch schmeichelte es mir mehr das er mir anbot zuzuhören, was ich in der Vergangenheit leider auch immer vermisst hatte - egal ob bei Owen oder meiner Familie.
Wieder schwiegen wir als wir mitten in der Herde ankamen und ich genoss jeden einzelnen Augenblick davon.
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Kurz bevor wir zurück ritten änderte sich die Stimmung. Ace küsste mich als ich gerade aufsteigen wollte und hielt mich dabei so fest das ich das Gefühl hatte zu ersticken - aber ich beschwerte mich nicht. Stattdessen war ich mit dem beschäftigt was ich anfing zu fühlen. Etwas das mir noch völlig fremd war. Zuerst war es fast nicht zu bemerken doch wie ein Lauffeuer breitete es sich in meinem Körper aus und lechzte nach mehr. Ich wusste nicht wie ich darauf reagieren sollte, wollte aber unbedingt mehr.
Und die Ungeduld wuchs, je länger wir brauchten um nach Hause zu kommen.
Was war verflixt nochmal los mit mir? Ich war noch nie ungeduldig gewesen, hielt mich immer zurück, aber jetzt - ich trieb Lucie regelrecht an schneller zu werden. Auch Ace entgang nicht das ich schnellstmöglich zurück wollte, aber seinem Gesichtsausdruck zu urteilen hatte er keinen blassen Schimmer was die Ursache dafür war.
Wir kamen letztlich an der Ranch an und ich hatte mich insoweit beruhigt das ich Lucie nicht unnötig aufschreckte. Ich stieg ab, brachte sie zum Stall und gab ihr Möhren, dann tat ich dasselbe bei Luke während Ace die beiden sicher anband. Ihr Stall war zwar ausbruchsicher laut Ace aber er ging lieber auf Nummer sicher. Im Haus selbst war es stockdunkel, was nur bedeuten konnte das Moose bereits nach Hause gegangen war. Er hatte heute fast die ganze Arbeit rundum die Ranch alleine bewältigt, weil Ace mit mir unterwegs war. Kaum hatte ich die Sachen in die Küche gebracht hörte ich die Gitarre und die leisen Klänge ließen mich innehalten. Er spielte immer mit solch einer Hingabe das ich mich willkürlich fragte ob er auch so liebte.
Woher kamen bloß diese Gedanken?
„ Weißt du, du musst nicht mehr heimlich lauschen. Du kannst auch einfach ganz entspannt hierher zu mir kommen und mir zuhören. "
Es war klar das er wusste was ich tat - es war wie immer dieselbe Reaktion auf sein Spiel. Ich vergaß was ich tun wollte, schlenderte zu ihm und griff nach einem Kissen um mich auf den Boden zu setzen, aber Ace zupfte an meinem Arm und schaffte Platz auf seinem Schoß. „ Denkst du wenn ich exklusiv nur für dich spiele lasse ich dich auf dem Boden sitzen? "
Es war so schön zu sehen wie entspannt und locker er war seitdem wir uns geküsst hatten. Ich bildete mir sogar ein der Grund für seine gute Laune zu sein, klopfte mir im Geiste auf die Schulter und lächelte, während er spielte und dabei um mich griff - er integrierte mich als hätte ich schon immer dazu gehört.
So verweilte ich, lauschte der Melodie und taute mehr und mehr auf während ich so da saß, auf seinem Schoß.
→
Etwas später lief ich die Stufen hinauf, doch ich war nicht alleine. An meiner Hand folgte mir Ace. Ich war so furchtbar aufgeregt weil ich nicht wusste was er von mir erwartete. Vor der Tür zu dem Zimmer indem ich schlief blieb ich stehen. Sollte ich ihn einladen mit mir rein zu gehen?
„ Willst du... Möchtest du mit rein kommen? " flüsterte ich. Es war mehr aus Scham, denn niemand außer uns beiden war hier. Trotzdem verfolgte mich die paranoide Vorstellung, daß jemand im selben Augenblick aus einem Versteck hüpfen und mich auslachen würde, weil ich wirklich annahm das dieser Mann etwas für mich übrig hatte. Als Ace nicht reagierte drehte ich mich langsam zu ihm herum, mein Herz schlug dabei rasend schnell. Er musterte mich intensiv, so sehr, daß mir die Röte ins Gesicht geschrieben stand. Dann kam er einen Schritt näher, legte seine Hand an die Wand und rückte mich direkt dagegen. „ Und dann? Was hast du vor? "
Jedes Wort in meinem Kopf verschwand, meine Gedanken waren ein wirres durcheinander. Mein Mund ging auf und zu ohne das ein Ton heraus kam. „ Was willst du, Ellie? Bevor ich mit dir dort rein gehe will ich das du es sagst. " flüsterte er. Es ging nicht. Ich brachte die Worte nicht über meine Lippen und so lächelte Ace, gab mir einen Kuss auf die Stirn und wünschte mir eine gute Nacht.
Sobald er außer Sichtweite war wusste ich was er vor hatte. Er wollte mich aus der Reserve locken, wollte mich dazu bringen Dinge laut auszusprechen, weil er wusste dass das eines meiner vielen Probleme war. Ich war nicht selbstsicher, kaum selbstbewusst und von Zweifel und Ängsten geplagt. Er wollte, daß ich diesen Kreis irgendwie durchbreche... Aber ich konnte es nicht. Ich war noch nicht bereit, schämte mich.
Wegen all der Unzulänglichkeiten die mich schon mein ganzes Leben begleiteten.
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