
Running And Reading
"Run boy run! They're trying to catch you
Run boy run! Running is a victory"
"Run Boy Run", Woodkid
"Renn!", schrie jemand, aber Asena konnte nicht sagen, wer es war.
"Renn!" Woher kam diese Stimme bloß? Die Doppelgängerin schaute sich um. Weit und breit war niemand zu sehen. Eigentlich war überhaupt nichts zu sehen, da war nur Dunkelheit.
"Renn!" Diesmal begann sie, sich in Bewegung zu setzen. Der seltsamen Stimme schien es ernst zu sein. War sie in Gefahr?
Sobald sie los lief, spürte sie es. Die Angst. Panik, die jedes Atom in ihrem Körper befiel und ihre Füße schwer werden ließ. Sie konnte sich nicht mehr bewegen! Erschrocken zappelte sie herum, nur darauf fokussiert, voran zu kommen. Irgendwas war hinter ihr her und wenn sie nicht schnell genug machte, würde es sie kriegen.
"Hilfe!", brüllte sie in der vergeblichen Hoffnung, dass irgendjemand sie hören würde. Vielleicht gehörte zu der Stimme ja ein Körper, und die Person konnte etwas tun.
"Hallo, Liebes." Niklaus war buchstäblich aus dem Nichts aufgetaucht. War er ihre Rettung?
"Niklaus, irgendwas ist dort hinten. Es will mich töten!" Seit wann klang sie denn so ängstlich und schutzbedürftig? "Du musst mir helfen, bitte!"
"Du bist wirklich naiv, weißt du das?", fragte der Vampir lachen, "Niemand wird dir helfen, wir sind ganz allein."
"Was?"
"Du hast schon richtig gehört. Niemand ist hinter dir her. Ich bin längst da."
Ohne dass sie irgendwas hätte tun können, rammte Niklaus seine Zähne in ihren Hals und riss ihr die Kehle halb raus.
Asena schrie und brüllte, aber es brachte nichts. Langsam verließen sie ihre Kräfte und das letzte, was sie wahrnahm, bevor die Dunkelheit sie packte, war ein weiteres "Renn!"
Keuchend schreckte sie hoch. Was war passiert? Panisch schaute sie sich um und erkannte ihr Zimmer. Na ja, das in Niklaus' Haus. Hatte sie das alles nur geträumt? Wieso hatte es sich dann so echt angefühlt? Gott, wie sie Albträume hasste. Warum konnten schöne Träume mit Einhörnern und Regenbogen nicht so realistisch sein?
Mit noch immer stark erhöhtem Puls stand die Doppelgängerin auf und zog sich um. Es war zwar noch ziemlich früh, gerade einmal vier Uhr, wie sie erfuhr, als sie auf ihr Handy schaute, aber sie würde sowieso nicht mehr einschlafen können. Nachdem sie sich geschminkt hatte, zeichnete sie für eine Weile, doch bald schon tat ihre Hand weh, weshalb sie sich entschloss, ein wenig im Haus herumzulaufen.
Mittlerweile kannte sie sich zwar etwas besser hier aus, aber etwas verloren war sie trotzdem. Sie war so große Gebäude einfach nicht gewohnt. Wenigstens hatte sie bereits herausgefunden, wo die Schlafzimmer der Mikaelsons lagen und wusste daher, welche Räume sie meiden sollte. Sie wollte immerhin niemanden wecken.
Da sich die Zimmer im zweiten Stock befanden, ging Asena hinunter in den ersten, wo sie bis jetzt noch nicht sehr häufig gewesen war. Abgesehen vom Wohnzimmer und der Küche natürlich. Der erste Raum, in den sie kam, war relativ leer. Lediglich ein Schrank und ein giesiges, alt aussehendes Klavier standen darin. Gerne hätte sie ein paar Töne gespielt um zu testen, wie es klang und ob es überhaupt funktionierte, aber erstens würde sie so jeden im Haus aufwecken, und zweitens war sie absolut unmusikalisch. Wenn sie zu spielen versuchen würde, klänge es höchstwahrscheinlich weniger wie eine Melodie, und mehr nach einem sterbenden Tier. Also ließ sie es lieber sein.
Als nächstes gelangte sie in eine Bibliothek. Was gab es hier eigentlich nicht? Aber jetzt hatte sie zumindest etwas zu tun. Denn obwohl es nicht tausende Bücher wie in den meisten öffentlichen Büchereien waren, waren es für eine private Sammlung doch eine ganze Menge. Und sie schienen nicht gerade neu zu sein, weshalb Asena bezweifelte, auch nur eins davon zu kennen.
In ein paar Exemplare hineinzuschauen verschaffte ihr Gewissheit über das, was sie bereits geahnt hatte. Die Bücher waren handgeschrieben und mit Sicherheit Unikate. Manche wirkten wie Tagebücher, andere eher wie eine Art Zauberbuch. Wieder andere konnte sie überhaupt nicht lesen, weil sie die Sprache nicht verstand oder sie so vergilbt waren, das die Schrift fast nicht mehr erkennbar war. Die Mikaelsons mussten sie über Jahrhunderte angesammelt haben.
Fasziniert holte sie ein Buch heraus und nahm es mit ins Wohnzimmer um darin zu lesen. Es gehörte zu den Büchern, die zwar extrem alt, aber noch gut lesbar waren. Es stammte aus dem Jahr 1492 und von einer Hexe namens Eadlyn White. Zumindest war sie sich ziemlich sicher, dass es einer Hexe gehört hatte, denn es sah aus wie ein Zauberbuch. Vielleicht würde sie ja etwas Spannendes herausfinden.
Plötzlich kam ihr ein Gedanke. Hatte nicht irgendjemand gesagt, dass Katherine etwa zu dieser Zeit in England gewesen war? Sie meinte, sich zu erinnern, wie Rebekah etwas in der Art erwähnt hatte. Da das Buch auch von hier stammte, konnte es doch sein, dass darin Informationen für das Ritual enthalten waren. Vielleicht war Eadlyn sogar die Hexe gewesen, die es durchführen sollte.
Asena beeilte sich, ins Wohnzimmer zu kommen und setzte sich auf ein Sofa. Hier war das Licht besser als in der Bibliothek. Sobald sie es sich halbwegs gemütlich gemacht hatte, schlug sie das Buch auf und begann zu lesen.
Eadlyn schien recht jung gewesen zu sein. Auf der ersten Seite hatte sie ihren Geburtstag eingetragen. Der vierte Oktober 1476. Sie war erst sechzehn, als sie dieses Buch geschrieben hatte.
Asena las weiter. Ein paar Sprüche und Rituale, die von der jungen Hexe als einfach betitelt waren und die keinen großen Aufwand erforderten, einige Zauber, die sie mehr verausgabten und hin und wieder Symbole, deren Bedeutung die Doppelgängerin nicht kannte. Da, endlich. Sie hatte recht gehabt. Obwohl, nein, das konnte nicht stimmen. In dem Buch stand, dass es einen Sonne-Mond-Fluch gab, doch die Beschreibung passte zu dem, was sie bisher wusste. Ein Werwolf, ein Vampir und ein Doppelgänger mussten geopfert werden. Gab es also zwei Flüche? Oder war alles, was sie zu wissen geglaubt hatte, falsch?
"Du bist schon wach?", ertönte da eine verwunderte Stimme.
"Hm? Ja, ich hab schlecht geträumt, dann wollte ich nicht mehr schlafen. Was ist deine Ausrede?" Sie versuchte, die Erinnerung an ihren Albtraum, die sie wie in Dauerschleife sah, wenn sie Niklaus anschaute, zu verdrängen.
"Vampire brauchen viel weniger Schlaf als Menschen", erklärte der Blonde und ließ sich in einen Sessel sinken, "Außerdem schlägt dein Herz so laut, das kann man gar nicht überhören. Ich habe einen sehr leichten Schlaf. Was liest du da eigentlich?"
Sollte sie es ihm sagen? Würde er sauer werden? Egal, er würde es so oder so herausfinden. "Nichts besonderes, nur etwas über einen Sonne-Mond-Fluch."
Da begann der Vampir zu lachen. "Was ist daran so witzig?", wollte die Doppelgängerin wissen.
"Der Sonne-Mond-Fluch, Liebes, existiert nicht."
"Was soll das denn heißen?"
"Genau was ich gesagt habe. Er ist ein Mythos, den Elijah und ich vor langer Zeit in die Welt gesetzt haben", erklärte er.
"Aber wieso?" Das ganze wurde immer verwirrender.
"Der Fluch besteht daraus, dass Vampire im Sonnenlicht verbrennen und Werwölfe sich bei Vollmond verwandeln. Wir haben gesagt, dass die Person, die ihn bricht, dafür sorgt, dass die eigene Spezies davon befreit ist, die andere jedoch auf ewig darunter leidet. Die ideale Lösung um einen lange verlorenen Mondstein aufzuspüren, und den Doppelgänger zu finden."
"Du hast das ganze also verzapft, damit du nichts tun musst. Das ist schlau. Aber was zur Hölle ist ein Mondstein?"
"Der Stein, an den der eigentliche Fluch gebunden ist. Ohne ihn funktioniert gar nichts. Er ist vor tausend Jahren verloren gegangen, aber ich habe ihn wieder gefunden."
Ganz kurz hatte sie die Hoffnung gehabt, dass der Stein nicht da war, aber sie riss sich zusammen und zeigte ihre Enttäuschung nicht. Sie hatten einen Deal. Sie würde nicht versuchen, zu fliehen.
Da war sie wieder. Die Stimme aus dem Traum. "Renn."
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