Feige
Wieder erblickt sie den See klar vor sich. Sie blickt tief hinein, doch kann sie nicht den Grund des Sees entdecken. Hier und da bilden sich Ringe wie bei einem Wassertropfen, der auf dem Wasser landet und die Spannung der Oberfläche bricht, um eins mit dem See zu werden. Es sind Fische, die an der Oberfläche schwimmen.
Die Sonne am Horizont spiegelt sich im Wasser und färbt das Wasser Orange. Lila und rosa sind auch vorhanden im Spiegelbild des Sees.
Spiegelbild.... Hmmm
Spiegelbild.
Das Wasser ist wie ein Spiegel! Zwar nicht immer ganz klar, aber dennoch spiegelt es alles wieder.
Das erinnert das Mädchen an ein weiteres Erlebniss...
.....
Wieder einmal versteckt sie sich auf der Mädchentoilette. Ängstlich blickt sie um sich und kontrolliert die Toiletten. Langsam läuft sie durch den Gang und sieht erleichtert, das niemand sich hier aufhält. Ihr Herzschlag, der bis eben noch so schnell war, wie ein Hase der gejagt wird, kommt wieder runter. Auf ihrer Stirn spűrt sie den Angstschweiß und ein unangenehmer Geruch schleicht sich in ihre Nase
'Feigling. Du rennst immer weg vor deinen Problemen. Dafűr wollen wir einen Ausgleich nachher sehen, wenn du wieder zu Hause bist. Ist doch kein Wunder das du hier das Opfer bist. So unsicher wie du auftritts, bist du ein leichtes Spiel fűr die, die ihre Minderwertigkeitskomplexe haben und das an jemanden auslassen műssen' belehren die Fremden stimmen sie.
Die Kleine kann diese Bezeichnung űberhaupt nicht leiden und das wissen die Stimmen auch.
Sie hält sich den Kopf: "NEIN! HÖRT AUF! BITTE HÖRT AUF! BITTE BITTE Bitte...."
Ihre Stimme wird immer leiser, bis es irgendwann nur noch ein Flüstern ist und irgendwann kein Laut mehr ihren kleinen Körper verlässt.
"Wieso macht ihr es mir denn so schwer?" fragt sie die Stimmen wehleidig. Doch bekommt sie keine weitere Antwort mehr. Allein. Wieder ist sie einsam. Wieder wűnscht sie sich einfach nur, nicht mehr zu existieren.
Doch traut sie sich nicht, diesen Schritt zu wagen. Feige. Jetzt versteht sie, warum die Fremden sie mit diesem schrecklichen Ausdruck betiteln. Sie ist zu feige es zu beenden, zu feige sich zu wehren. Sei es gegen ihren Vater oder gegen die großen aus der Siebten. Zu feige ist sie, um ihren kleinen, sűßen und schmalen Mund zu öffnen und mit jemandem űber ihre Probleme zu reden. Zu Feige, um dem allen ein Ende zusetzen.
Als sie einsieht, das die Stimmen recht haben, bildet sich langsam etwas in ihrem Hals, das ihr das Atmen zur Herausforderung macht. Ihre Augen sehen glasig aus, als sie in den Spiegel blickt. Sie werden zu einem kleinen See mit salzigem Wasser und schon rinnt die erste Träne ihre Wange hinunter. Immer mehr kommen und ihre Nase steigt nach einiger Zeit mit ein. Sie nimmt ein Taschentuch und leert ihre Nase.
Wűrden Tränen nicht trocknen, wäre ich schon ertrunken denkt sie sich.
Plötzlich wird mit Ruck die Tür der Mädchentoilette geöffnet. Sie beobachtet das ihr fremde Mädchen im Spiegel. Das Mädchen guckt erst sie verstört an und geht dann mit einem etwas schnellerem Tempo weiter Richtung Kabine.
Das Glas an der Wand spiegelt nun ein trauriges 8 jähriges Mädchen wieder, das sich qualvoll die komischen, fremden Stimmen anhörte.
'So würde ich auch reagieren, wenn ich dich erblicken würde'.
'HAHAHAHAHA. Sogar Fremde verachten dich'
'Siehst du wie erbärmlich du bist. Schau gefälligst in den Spiegel und sieh dich an' fährt sie eine Stimme laut und gefährlich an.
"Nein......bitte...nicht" flüstert sie leise, schwach.
Sie hört die Toilettenspülung und das ihr fremde Mädchen geht an das Waschbecken, was am weitesten von dem kleinen Mädchen entfernt war. Danach geht sie mit schnellem Tempo zur Tür und verlässt den Raum.
'Nicht mal die Hände hat sie sich abgetrocknet, weil du vor den Tüchern stehst'
'Keiner will mit dir zu tun haben'
'Du kannst echt froh sein das wir dich ertragen' meinte eine Stimme verachtend.
'Wir sind deine einzigen Freunde.'
Sie sieht in den Spiegel, lässt die Kommentare Revue passieren, vergleicht sie mit der Reaktion des fremden Mädchen und sagt dann: "Ja, stimmt ihr habt recht. Danke."
Sie lächelt, da ihr klar wird, das sie Freunde gefunden hat. Sie verlässt den Raum ebenfalls und kehrt zum Unterricht zurück.
Alles verblasst. Wird weiß. Die Farben mischen sich, schaffen Konturen und bilden ein neues Erlebnis.
688 Wörter
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