8 | und am Ende steht der Tod
Ich sollte scheinbar genauso sterben, wie ich gelebt habe.
Einsam. Still. Unauffällig. Langsam. Gequält.
Es tat weh, als man mir die Spritze in den Arm rammte. Die Todesspritze.
Spritzen lösten tief in meinem Inneren Panik aus. Schon als kleines Kind waren mir Spritzen zuwider.
Warum ich jetzt an dieser Stelle des Lebens angekommen war?
Hab meine Schwester, Wanda, an die Wand genagelt und mit ihrem Blut ein Buch über meine Grausamkeiten geschrieben.
Meine Mutter sperrte ich in den Keller und folterte sie, über Monate auf die schrecklichsten Arten, bis sie irgendwann starb. Raleigh existierte nie, wobei sie mir immer über die Schulter schaute, wie eine Komplizin.
Meine größte Angst – Raleigh war immer nur eine Illusion – war wahr geworden.
Und jetzt hatten sie mich zu allem Überfluss gefunden und bestraft. Für alles, was ich je falsch gemacht hatte.
Na ja, eigentlich bedeutete das ja nur, dass ich alles angenommen habe, was man mir gegeben hatte. Meine Blindheit. Meine Asexualität. Die Tatsache, dass ich immer im Schatten meiner Schwester stand und es mir so eigentlich nie möglich war, das Licht zu erblicken.
Vielleicht habe ich sie deshalb aufgeschlitzt. Damit ich wieder sehen kann. Konnte ich nicht.
Deshalb ist es mir auch nicht möglich, ein Buch zu schreiben. Deshalb ist auch klar, dass das alles hier ein Traum sein muss. Dass ich gar nicht an einen Stuhl gefesselt bin und mir gar keine todbringende Flüssigkeit in die Blutbahnen gespritzt wurde.
Dass Raleigh gar nicht nicht existierte.
Schweiß bildete sich beim Augenaufschlag auf meiner Stirn. Dann fiel mir wieder ein, dass das Öffnen meiner Augen nur ein Reflex war.
Sehen konnte ich nämlich immer noch nichts.
Vielleicht wäre es befreiend gewesen, meinen Traum wirklich zu erleben. Vielleicht hätte ich meiner Mutter davon erzählen sollen, damit sie mich für den Rest meiner Tage in eine Psychiatrie schickt.
Aber ich erzählte Niemandem davon, nicht mal Raleigh. Seit diesem Tag schwiegen wir uns nur an, wenn wir uns trafen.
Wir wurden beieinander einsam. Still. Unauffällig. Langsam. Gequält.
Und das war auch irgendwie gut so, wenn ich jetzt darauf zurückblicke.
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