7 Dad. Son. I take care of YOU!
Stiles kaute geistesabwesend an seinem Müsli, vollkommen vertieft in seinen Laptop. Sein Verdacht bezüglich des abgelegenen Hauses, zu welchem er Garett Douglas gestern gefolgt war, schien sich zu verdichten. In den Weiten des Internets fand er nach einigem Suchen einen Handelsregistereintrag zu dieser Adresse, laut welchem es sich dabei um einen einen Nachtclub namens „The Dark Cherry" handelte. Stiles war jedoch sicher, dass es sich weniger um einen Nachtclub im eigentlichen Sinne, als vielmehr um ein illegal betriebenes Bordell handelte und er hoffte wirklich inständig, dass Douglas nur dort gewesen war, weil er ein drängendes Bedürfnis gehabt hatte und dass sie nicht Boyds Schwester dort finden würden.
Als unvermutet sein Vater in die Küche trat, zuckte Stiles ein wenig zusammen:
„Hey Dad! Kommst du etwa gerade erst wieder nachhause?" wollte er wissen.
„Yupp!" antwortete Noah Stilinski erschöpft, gefolgt von einem ausgiebigen Gähnen. Dann erblickte er etwas, was seinen Augen einen zufriedenen Glanz verlieh: „Kaffee!" rief er aus, schnappte sich einen Becher vom Regal, die Kanne aus der Maschine und schenkte sich großzügig ein. Erst als er den ersten Schluck des schwarzen Lebenselexiers genommen hatte, wurde er gesprächiger: „Wie geht es dir, Stiles? War alles okay, als ich weg war?"
Stiles grinste:
„Alles paletti, Dad. Mach' dir keine Sorgen! Ich habe alles im Griff." bestätigte er. Dann berichtete er von ihrem neuen Auftrag, die Ex-Frau des Coaches als Betrügerin zu entlarven. Wie erwartet fragte sein Vater:
„Wie sieht es aus? Hast du Zeit und Lust, das übernehmen, Junge? Ich meine, ich würde es machen, aber..." sein Dad wirkte verlegen: „Ich bräuchte dringend mal eine Mütze voll Schlaf."
„Klaro." versicherte Stiles und grinste verschmitzt.
Sein Vater beeilte sich hinzuzufügen:
„Aber du hältst dich zurück, hörst du? Du wirst weder mit der Frau sprechen, noch sie sonst irgendwie konfrontieren! Du beobachtest sie einfach bloß gut versteckt, machst deine Bilder und das war's! Und wenn wir so nicht weiterkommen, dann übernehme ich die Sache, verstanden? Wehe, du bringst dich in Gefahr!"
„Ich weiß doch, Dad! Ich mache das schon!" versicherte Stiles.
Kurz hatte er darüber nachgedacht, seinem Vater von der Suche nach Boyds Schwester zu erzählen, doch nach dieser besorgten kleine Ansprache ließ er es wohl besser bleiben. Er hatte die Dinge immerhin bestens unter Kontrolle und sein Vater sollte sich nicht unnötig Sorgen machen.
Kaum betrat Stiles an diesem Morgen das Schulgebäude, war auch schon Boyd dicht hinter ihm und fragte ungeduldig:
„Was ist denn nun? Hast du Alicia gefunden? Wo ist sie?"
Stiles drehte sich nach dem Größeren um und blickte ihn verständnislos an:
„Sag' mal, denkst du, ich kann zaubern, oder wie? Ich habe den Fall noch keine 24 Stunden und ich habe nebenbei auch noch andere Dinge zu tun, wie Schule zum Beispiel."
„Mit anderen Worten, du hast noch gar nicht angefangen!" stellte Boyd knurrend fest:
„Nun komm' mal wieder runter!" verlangte Stiles ärgerlich: „Ich habe bereits mehr Zeit und Sprit in diese Sache investiert, als deine zweihundert Mäuse wert sind und habe diesen Douglas die halbe Nacht verfolgt. Ich bin da vielleicht auch einer Sache auf der Spur, aber davon erzähle ich dir erst, sobald ich sicher bin, dass es auch wirklich so ist. Ich halte dich auf dem Laufenden."
„Was ist das für eine Sache? Douglas könnte doch gerade sonst wo sein und sonst was mit meiner Schwester anstellen, während wir hier stehen und quatschen!" schnaubte Boyd unzufrieden: „Wir müssen etwas unternehmen!"
Stiles zückte sein Telefon, tippte darauf herum und erklärte dann selbstzufrieden:
„Also genau genommen ist er gerade in dem Diner an der Main Street und isst vermutlich in dieser Minute seinen Frühstücksbagel."
„Woher willst du das denn wissen? Postet er etwa seine Mahlzeiten auf Instagram, oder wie?" fragte sein Auftraggeber ungeduldig.
„Blödsinn! Aber ich weiß, wo sein Auto steht. Hab's mit einem Peilsender versehen." stellte Stiles klar.
„Oh?" machte Boyd, angemessen beeindruckt:
„Ich habe alles im Griff, ehrlich!" versicherte Stiles: „Wir finden Alicia!"
Das schien Boyd tatsächlich zu beruhigen und sie machten sich gemächlich auf den Weg zum Klassenzimmer, denn sie hatten in der ersten Stunde gemeinsam Geschichtsunterricht.
Sie hatten erst die halbe Strecke durch die langen Flure hinter sich gebracht, da stapfte ein wütend wirkender Derek Hale an ihnen vorbei und seine Freundin Erica stöckelte auf ihren Highheels hinter ihm her, wie eine neugeborene Giraffe. Sie trug eine glänzende Spandex-Leggins, die aussah, als sei sie ihr bloß auf den Körper gemalt und dazu ein knappes Carmen-Shirt, sie sah gleichzeitig umwerfend und vollkommen verzweifelt aus:
„Nun warte doch auf mich, Der!" jammerte sie kläglich.
Derek fuhr herum und schnauzte:
„Ich habe aber keinen Bock ständig auf dich zu warten. Wieso ziehst du auch diese beknackten Schuhe an, wenn du nicht darauf laufen kannst? Wie blöd muss man eigentlich sein? Du nervst mich echt, weißt du das?"
Erica fuhr erschrocken zusammen und ihre Augen füllten sich spontan mit Tränen.
Derek verdrehte bloß genervt die Augen, wandte sich ab und setzte seinen Weg fort.
Und Erica trippelte ganz einfach weinend weiter hinter ihm her.
„Ich hasse den Kerl!" zischte Boyd Stiles zu, die großen Hände zu wütenden Fäusten geballt und Stiles konnte ihn sogar irgendwie verstehen. Derek benahm sich zurzeit wie ein echtes Quadratarschloch.
Plötzlich kam dem Jungdetektiv eine Erkenntnis:
„Weiß Erica eigentlich, dass du in sie verliebt bist, Boyd-Kumpel?" wollte er wissen.
Unter seiner braunen Haut schien der Größere schlagartig ziemlich blass zu werden:
„Ich? Ich bin nicht...! Ich meine... nein!" Er ließ den Kopf hängen: „Nein, sie weiß es nicht. Sie scheint ja nicht einmal mehr zu wissen, dass es mich überhaupt gibt. Wir waren mal wirklich gute Freunde, bevor sie sich in diese dumme Barbie-Puppe von heute verwandelt hat. Sie ist eigentlich echt cool, weißt du? Lustig, schlau, süß... aber scheinbar hat sie alles, was sie im Kern wirklich ausmacht eingetauscht, um dass zu werden, was Typen wie dieser Derek von ihr wollen: ein Vorzeige-Frauchen!"
'Oh, wie recht du hast!', dachte Stiles im Stillen, denn um sehr viel mehr als eine gutaussehende Frau an seiner Seite, welche bewies, dass Derek ein ganz normaler Kerl und nicht irgend so eine Schwuchtel war, ging es ihm bei seiner Beziehung zu Erica mit Sicherheit nicht. Stiles Wut auf das Mädchen, weil sie das hatte, was er so dringend wollte verflog schlagartig und sie tat ihm plötzlich sehr leid:
„Vielleicht solltest du mal mit ihr sprechen?" schlug Stiles vor: „Sie sieht aus, als könnte sie einen Freund gerade sehr gut gebrauchen. Und wer weiß, vielleicht stehen deine Chancen bei ihr ja auch besser, als du denkst? Wie es aussieht, bist du doch genau ihn Typ: groß, schlecht gelaunt, muskulös... nur dass du sie vermutlich wesentlich besser behandeln würdest, als Derek."
Boyd blickte ihn zweifelnd an, doch er bestätigte:
„Ein guter Freund könnte Erica momentan vielleicht wirklich ganz guttun? Ich werd' mal sehen, ob es sich ergibt?"
Stiles nickte und sie betraten gemeinsam das Klassenzimmer.
Nach der Schule bezog Stiles Stellung vor dem Haus der ehemaligen Mrs. Finstock. Ihr Wagen stand vor der Tür, also wartete er im Jeep. Er hatte Glück, denn bereits nach kurzer Zeit öffnete sich die Haustür und eine Frau, die sich ihre angeknabbert, stumpf und strohig wirkenden, schulterlangen Haare offensichtlich selbst blondierte, trat heraus. Sie war der Typ Frau, die in ihrer Jugend bestimmt einmal sehr hübsch gewesen, dann jedoch sehr schnell verblüht sein musste. Sie war höchstens Mitte dreißig, doch sie sah älter aus, mit den dunklen Ringen und dem feinen Netz aus Fältchen um ihre Augen. Sie hatte sich zurecht gemacht, als hätte sie eine Verabredung, trug ein schlauchartiges, knallrotes Kleid, welches so knapp war, dass oben die üppigen Brüste drohten, auf irgendeinem Weg daraus zu entkommen. Um dies zu verhindern zupfte und zog sie mehrfach daran herum, was dafür sorgte, dass dem Kleidungsstück nun unten der Stoff fehlte und Stiles die Farbe der Unterwäsche dieser Frau erfuhr. Schwarz! Ihre Lippen waren grellrot geschminkt, was die Fremde gleichzeitig blasser, als auch älter als nötig wirken ließ. Außerdem biss sich die Farbe böse mit dem überreichlich aufgetragenen Lidschatten in Türkis. Wie Coach Finstock gesagt hatte, trug sie zum Outfit Halskrause und Krücken. Sie blickte sich noch einmal misstrauisch um, ehe sie dann mit einem übertrieben theatralisch wirkenden Humpeln zu ihrem Wagen hinüber schlurfte, sich mühsam hinein hievte und dann losfuhr.
Stiles fuhr ihr mit gebührendem Abstand hinterher, um nicht entdeckt zu werden, doch irgendwie machte diese Dame es ihm lächerlich einfach, ihr zu folgen. Zwanzig Minuten später hielt sie vor einem kleinen Haus mit gepflegtem Vorgarten, klingelte und ein Mann Ende vierzig mit einem grotesken Ding von Toupet öffnete ihr. Sie huschte rasch hinein und die Tür schloss sich hinter ihr.
Stiles hätte zu gern gewusst, was nun im Haus vor sich ging, doch das würde er nicht erfahren, wenn er im Wagen sitzen blieb.
Sein Dad hatte ihm aufgetragen, sich nicht in Gefahr zu bringen. Nun hieß es, diese Worte richtig auch zu interpretieren!
Es sprach ja wohl nichts dagegen, den Wagen zu verlassen, oder? Er verließ schließlich ständig seinen Wagen, aus den unterschiedlichsten Gründen. Da war doch auch nichts dabei, richtig?
Und hinüber zum Haus zu gehen und sich die Sache aus der Nähe anzuschauen war ja wohl auch nicht übertrieben leichtsinnig, oder? An Häusern war ja per se nichts Bedrohliches. Im Gegenteil! „Safe as houses" sagte ein englisches Sprichwort.
Kein Problem also!
Stiles schlich sich unauffällig zur Vorderseite des Hauses. Es gab ein großes Panoramafenster, doch die Vorhänge waren zugezogen. Das war auch gut so, denn so konnte Stiles sich nähern, ohne von drinnen gesehen zu werden. Gut war auch, dass auf einer Seite ein Spalt offen geblieben war. Mit seinem Handy filmte der junge Detektiv, was drinnen vor sich ging.
Wie er erwartet hatte handelte es sich bei diesem konspirativen Treffen um ein Stelldichein. Und diese beiden hatten wirklich keine Zeit zu verlieren: Toupet, Halskrause, Krücken und sein T-Shirt waren bereits achtlos zu Boden geworfen worden und gerade versuchten beide Personen mit vereinten Kräften sie aus ihrem Kleid zu pellen, ohne dass sie zwischenzeitlich ihr ungestümes Geknutsche unterließen. Stiles fehlte zwar die Audiospur zum Bild, doch er ahnte, wie es sich da drinnen gerade anhörte: Urzeitlich anmutendes Schmatzen, Grunzen und Keuchen und das Ganze untermalt von den Barry Whites samtigem Bass aus dem CD-Spieler, der versicherte, „Can't get enough of your love".
Stiles verging vorübergehend das Interesse an Sex an sich und ihm drehte sich der Magen um.
Kaum waren die beiden Turteltäubchen ihr komplettes Gefieder losgeworden, zogen sie um ins Schlafzimmer und Stiles konnte sie nicht mehr sehen.
So ein Mist!
Der junge Detektiv überlegte kurz, ob das Material, dass er bereits hatte für seinen Klienten ausreichte, entschied dann jedoch, dass es zu wenig war und er beschloss daher, um's Haus herumzuschleichen und zu sehen, ob er von einem anderen Fenster aus etwas sehen konnte. Und tatsächlich, das Schlafzimmerfenster, welches nach hinten zu einem kleinen Gärtchen zeigte stand offen, wie Stiles bei einem flüchtigen Blick um die Ecke feststellte. Er hatte nun auch noch den Ton zum Bild, und ja, der fiel genauso aus, wie erwartet.
Er hätte nun freie Sicht auf das Geschehen, wenn er wollte. Dumm nur, dass die zwei liebestollen Lurche dort drinnen ihn auch sofort sehen würden, wenn er sich einfach dort hinstellte, um seine Aufnahmen zu machen. Stiles ging also in die Hocke, versteckte sich unterhalb des Fensters und hielt lediglich sein Handy so, dass er gute Aufnahmen machen konnte. Es dauerte nicht lange, bis Stiles Bilder hatte, die bewiesen, dass die ehemalige Mrs. Finstock alles andere als arbeitsunfähig war. Nein, sie war sogar außerordentlich gelenkig und in körperlicher Höchstform, wie ihre Performance bewies.
Stiles beschloss, dass er nun Feierabend machen konnte.
Er befand sich bereits auf dem Rückzug, als er einen falschen Schritt machte und unter seinem Fuß mit lautem Knacken ein Zweig zu Bruch ging.
Fuck!
Und leider hatten die Liebenden im Inneren des Hauses ihn auch gehört:
„Da ist doch jemand!" knurrte eine männliche Stimme.
Stiles nahm die Beine in die Hand und der Hausbesitzer erblickte gerade noch einen Turnschuh des Flüchtenden, der um die Hausecke verschwand, doch während Stiles zurück zur Straße sprintete, blieb der Zweithaar-Casanova auch nicht untätig. Er kam splitternackt und mit einer Schrotflinte bewaffnet zur Vordertür heraus, legte an und feuerte auf den Jeep. Stiles startete den Motor in geduckter Haltung und mit quietschenden Reifen, als sein hinteres Fenster klirrend zu Bruch ging.
Erst nach etlichen Blocks hielt Stiles den Wagen wieder, nachdem er sich absolut sicher war, dass er nicht mehr von einem bewaffneten Glatzkopf auf dem Kriegspfad verfolgt wurde.
Das war eben verdammt knapp gewesen, stellte Stiles mit pochendem Herzen fest. Und das kaputte Fenster seinem Dad zu erklären würde auch kein Spaß werden.
Stiles hörte jetzt schon dessen Gebrüll, weil er wieder einmal zu leichtsinnig gewesen war.
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