2 You look like... you're gonna ignore me?
Scott, Stiles und Malia waren an ihrem ersten Tag in der Highschool ein wenig früher gekommen, hatten sich auf die Stufen vor dem Gebäude gehockt, um sich einen Überblick zu verschaffen und beobachteten nun, wie ihre zukünftigen Mitschüler nach und nach eintrafen.
Malia tippte dabei einen nervösen Takt mit den Füßen und sah aus, als würde sie jeden Augenblick explodieren.
Scott, den das wahnsinnig machte, fragte irgendwann gereizt:
"Kannst du das vielleicht mal sein lassen? Es nervt!"
"Was ist los? Halt doch einfach die Klappe und kümmere dich um deinen eigenen Scheiß, McCall!" bellte die Freundin ungehalten und knuffte ihn in die Seite.
Hilfesuchend blickte sich Scott nach Stiles um, doch von ihm war keine Unterstützung zu erwarten, denn er schien seine Freunde kaum wahrzunehmen. Stattdessen verrenkte er sich den Hals und schien seinerseits ebenfalls ungeduldig auf irgendetwas zu warten.
"Was ist denn heute los mit euch beiden?" fragte Scott, doch ebenso gut hätte er sich mit einer Wand unterhalten können.
Stiles biss auf seinen Lippen herum und strubbelte sich nervös durch seinen frisch gestutzten Bürstenhaarschnitt, während sein Herz so heftig gegen seine Rippen schlug, als wolle es ihm aus der Brust springen. Jede Minute wäre es nun soweit: Er würde endlich Derek leibhaftig wiedersehen!
Ein halbes Jahr war eine verdammt lange Zeit und seitdem hatte es von Derek kein einziges Wort an ihn gegeben; weder einen Anruf, noch einen Brief, eine E-Mail, ja nicht einmal eine schlichte Kurznachricht.
Sicher, sie beide waren niemals wirklich Freunde gewesen. Dennoch hatte es da doch diese eine, besondere Nacht gegeben, von der Stiles bislang keiner Menschenseele ein Sterbenswörtchen erzählt hatte. Sie hätte ein zarter, süßer Beginn von etwas Wunderbarem und Besonderem sein sollen, wäre nicht zwei Tage später die Hölle in Gestalt eines flammenden, tödlichen Infernos über sie alle hereingebrochen.
Danach war dann nichts mehr wie zuvor gewesen.
Und weil Stiles Vater die Mörder seiner Familie nicht hatte ausfindig machen können, hatte sich Dereks Zorn direkt gegen ihn und Stiles, als seinen Sohn und Stellvertreter gerichtet, so als seien sie beide es höchstpersönlich gewesen, die Streichholz und Brandbeschleuniger zum Einsatz gebracht hätten.
Allerdings war seither genug Zeit vergangen, so dass es doch durchaus möglich wäre, dass Derek die Dinge mittlerweile ein wenig sachlicher betrachtete, oder nicht? Das hoffte Stiles zumindest, denn ER hatte nicht vergessen, was sich in jener Nacht am Aussichtspunkt hoch über Beacon Hills im silbrigen Schein des Vollmondes zwischen ihnen ereignet hatte. Das war die verdammt nochmal schönste Nacht seines ganzen Lebens gewesen.
Aber wo steckte Derek denn nun? Es hatte bereits zum ersten Mal geläutet, doch von ihm war noch nicht einmal eine Haarsträhne zu entdecken, obwohl alle seine Idiotenfreunde doch bereits eingetroffen waren.
Jackson zum Beispiel kam in einem brandneuen, silbernen Porsche, welcher einen geradezu blendete, wenn man ihn im Sonnenschein betrachtete. Der Blödmann stellte seinen Wagen direkt vor dem Schulgebäude ab und parkte dabei quer über zwei Parkplätze hinweg. Na sicher doch! Warum sollte es einen Jackson Whittemore auch scheren, ob jemand, der nach ihm kam, am Ende leer ausging, richtig?
Der Kerl hatte während der Sommerferien also bedauerlicherweise keine wundersame Wandlung von einer widerlichen Arschkrampe zu einem netten, rücksichtsvollen Kerl durchgemacht. Es wäre ja auch zu schön gewesen.
Danny, der verträglichste von Dereks Freunden, entstieg dem Porsche auf der Beifahrerseite und stellte die überaus berechtigte Frage:
"Willst du etwa so stehen bleiben, Bro?"
Jackson hatte lediglich ein gelangweiltes Schulterzucken für seinen Kumpel übrig und steuerte mit erhobener Nase und blasierter Miene das Schulgebäude an, als würde das gesamte Gelände ihm gehören.
Auch die Steiner-Zwillinge hatten nagelneue fahrbare Untersätze, nur waren es in ihrem Fall schwarze Motorräder des Typs MV Agusta F3. Eathan und Aiden rollten Schulter an Schulter auf den Parkplatz der Schule und vollbrachten dann das Kunststück, in vollkommener Synchronizität abzusteigen und ihre Helme abzunehmen.
Stiles musste innerlich zugeben, dass diese Zwei auf den ersten Blick ein heißes wirklich Gespann waren. Leider waren sie mobbende Widerlinge, die Schwächeren hobbymäßig das Leben zur Hölle machten, was ihrer Attraktivität, zumindest in Stiles Augen ziemlichen Abbruch tat.
Stiles Blick schweifte von den Motorrädern und dem Porsche hinüber zu einem hellblauen, klapprigen Jeep, bei dem es sich um seinem eigenen Wagen handelte. Der 1980er Robin's Egg Blue CJ5 war der Wagen seiner Mum gewesen und Stiles liebte ihn, auch wenn man stets eine Rolle Panzertape als Allzweckwaffe für kleinere Reparaturen dabei haben sollte, wenn man mit ihm unterwegs war. Doch großen Eindruck machte man mit so einem Wagen bei Typen wie denen aus Dereks Clique mit Sicherheit nicht. Darüber machte Stiles sich keine Illusionen.
Doch immerhin musste er nicht mehr mit dem Fahrrad kommen, wie beispielsweise Scotty.
Somit war der Wagen wenigstens ein kleines Upgrade und er brauchte ihn ja auch, wenn er für die Privatdetektei seines Dads, kleine, ungefährliche Überwachungs- und Rechercheaufträge ausführen sollte.
Von Derek war noch immer weit und breit nichts zu sehen, aber dafür schien nun endlich die Person eingetroffen zu sein, auf die Malia so ungeduldig gewartet hatte. Eine süße, zierliche Asiatin in einem, an den Schultern weit ausgeschnittenen, bedruckten Oversized-T-Shirt, mit Trägerhemdchen darunter, einem knappen, schwarzen Skaterrock und Kniestrümpfen in derselben Farbe, entstieg dem Wagen ihrer Mutter und verabschiedete sich winkend von dieser. Sie hatte den Arm voller Bücher und Hefte.
„Wer ist das?" wollte Scott wissen.
„Heißt Kira. Is' neu in der Stadt. Haben uns in den Ferien am See kennengelernt!" erwiderte Malia knapp, mit einem dümmlichen Grinsen auf den Lippen und ohne den Blick auch nur eine Sekunde von der Fremden zu nehmen.
Das fremde Mädchen steuerte das Schulgebäude an, übersah dabei leider einen Kantstein und im nächsten Moment flogen ihre Bücher im hohen Bogen in alle Richtungen und sie selbst landete ungeschickt auf allen Vieren. Sie blickte sich verlegen nach allen Seiten um, um festzustellen, wer ihre wenig elegante, kleine Vorstellung wohl alles gesehen haben mochte? Einige der Umstehenden grinsten auf sie hinab und Kira errötete heftig.
Niemand kam herbei, um ihr zu helfen.
Auf Malias Gesicht zeigte sich ein Ausdruck, der vermutlich eine Mischung aus Entzücken und Mitgefühl war. Sie erhob und verabschiedete sich mit den Worten:
„Ich werde mal der Maid in Nöten da drüben helfen. Ich sehe euch später, ihr Loser!"
Sie marschierte hinüber zu dem anderen Mädchen, strahlte sie aufmunternd an, half ihr galant wieder auf die Füße und sammelte ihre Bücher und Unterlagen wieder für sie zusammen.
Ehe Scott sich noch fragen konnte, was das Ganze wohl bedeutete, fesselte etwas anderes seine Aufmerksamkeit, denn soeben war das wohl schönste Mädchen eingetroffen, das er je gesehen hatte. Sie war groß, sehr schlank, hatte langes dunkles Haar, funkelnde, dunkle Augen, die von dichten, schwarzen Wimpern bekränzt waren und die bezauberndsten Grübchen, die man sich überhaupt nur vorstellen konnte. Sie blickte sich schüchtern und ein wenig unsicher auf dem Gelände um, ehe sie den Eingang entdeckte und darauf zusteuerte:
„Wollen wir nicht auch langsam mal reingehen?" fragte Scott Stiles, weil er sich der unbekannten Schönheit unbedingt vorstellen wollte, bevor ein anderer dazu die Gelegenheit bekäme.
„Komme gleich nach!" erwiderte Stiles geistesabwesend, denn soeben war ein schwarzer Camaro auf den Parkplatz gerollt, welcher offenbar die gesamte Aufmerksamkeit seines besten Freundes zu binden schien.
Scott zuckte mit den Achseln, schnappte sich seinen Rucksack, folgte dem schönen, fremden Mädchen nach drinnen und überlegte fieberhaft, wie er sie ansprechen könnte, ohne einen totalen Affen aus sich zu machen.
Als Stiles den Wagen entdeckt hatte, dessen Motor klang, wie ein knurrendes Raubtier, hatte er sogleich gewusst, wer hinter dem Steuer sitzen musste, denn Derek hatte ihm einmal verraten, dass er unbedingt einen solchen schwarzen Camaro haben wollte, sobald er einmal einen Führerschein hätte.
Doch der Kerl, der in diesem Moment dem sexy Sportwagen entstieg, hatte kaum noch etwas mit dem hübschen, dürren Jungen gemein, der Beacon Hills vor einem halben Jahr verlassen hatte. Zum einen war Derek ganz offensichtlich noch einmal ein ganzes Stück in die Höhe geschossen. Damals waren er und Stiles in etwa gleich groß gewesen, doch jetzt maß Derek mindestens 1,85 m. Zum anderen hatte er scheinbar in den letzten sechs Monaten nichts anderes getan, als Gewichte zu stemmen. Das dunkle T-Shirt unter der schwarzen Lederjacke spannte sich über der gut definierten Brust, die muskulösen Oberschenkel sprengten beinahe die Beine seiner Jeans und von diesen herrlichen breiten Schultern wollte Stiles gar nicht erst anfangen. Derek war damals wirklich süß gewesen, doch jetzt war er einfach umwerfend schön! Er sah aus, wie ein gottverdammtes Unterwäsche-Model! Auf seiner Nase saß eine dunkle Sonnenbrille, die er nun nach oben schob, so dass sie wie das perfekte I-Tüpfelchen auf seinem modischen Sechzig-Dollar-Haarschnitt saß.
Kurz fühlte Stiles sich unsicher mit seinem selbst geschnittenen Haar, um die heimische Haushaltskasse zu schonen, mit seinem abgewetzten Flanellhemd, seinen schmuddeligen Chucks und seiner mageren Gestalt, doch dann rief er sich in Erinnerung, dass all das damals auch gut genug für Derek gewesen war. Was sollte sich daran inzwischen geändert haben?
Dereks Miene war düster, wie die eines Racheengels und irgendetwas an seinem gesamten Auftreten ließ Stiles an einen einsamen Wolf denken.
Verdammt, er war ganz einfach sexy wie die Hölle!
Stiles erhob sich rasch, lehnte sich leger an ein Geländer im Eingangsbereich und wartete auf Derek, welcher auf seinem Weg ins Gebäude keine andere Wahl hatte, als an ihm vorbeizukommen. Und während er noch über eine lässige Antwort auf die Begrüßung seiner großen, einzig wahren Liebe nachdachte, war Derek bereits einfach so ohne ein Wort, oder auch nur einen Blick an ihm vorbeimarschiert.
Stiles konnte es nicht fassen! Derek MUSSTE ihn gesehen habe?
Mit Blindheit war er jedenfalls nicht neuerdings geschlagen, denn das Mädchen, welches Derek nun mit einem Kuss auf die Lippen begrüßte, konnte er ganz offensichtlich einwandfrei erkennen!
Und da erkannte Stiles sie dann ebenfalls: Das war ja Erica Rheyes!
Donnerwetter!
Die hatte sich aber auch ganz schön verändert! Im letzten Jahr an der Junior-High-School war sie noch das hässliche, epileptische Entlein gewesen, mit der schlimmen Akne, den unmöglichen Klamotten und dem wirren, strohigen Haar, welches immer ein wenig so aussah, als habe jemand ohne der viel Sorgfalt versucht, aus dem Füllungsmaterial eines geplatzten Sofas eine Perücke für sie herzustellen.
Aber ganz offensichtlich, hatte Erica die Sommerferien dazu genutzt, aufmerksam die 'Teen Vogue' zu lesen, sich Proactiv ins Gesicht zu schmieren und sie hatte einen Friseur gefunden der das Wunder vollbracht hatte, das verwahrloste Vogelnest auf ihrem Kopf in eine sexy blonde Lockenmähne zu verwandeln. Stiles war nie aufgefallen, was für einen Körper Erica stets unter ihren sackartigen Kleidern versteckt hatte. Ihre Beine waren scheinbar endlos lang, gebräunt, wohlgeformt und sie war offensichtlich nicht schüchtern, reichlich von ihnen zu zeigen, denn der rote Lackrock welchen sie heute trug, war eigentlich mehr so etwas wie ein breiter Gürtel. Ein skandalfreies Hinsetzen dürfte darin wohl zur Herausforderung werden. Obenherum trug Erica ein Bandeau-Top, welches wirkte wie aufgemalt, weil es so eng war und welches ihre vollkommenen Brüste bestens in Szene setzte. Auch das knappe Lederjäckchen, welches sie darüber gezogen hatte, konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass dies nicht unbedingt ein schultaugliches Outfit war. Eher wirkte es so, als wollte die gute Erica sich heute nach Schulschluss an einem Rastplatz noch ein kleines zusätzliches Taschengeld verdienen, dachte Stiles gehässig.
Und das war nun also Dereks neue Alibi-Frau, damit niemand herausfand, dass er so schwul war, wie eine Drei-Dollar-Note, wie man so schön sagte?
Na großartig!
Stiles hatte jetzt schon keine Lust mehr auf die neue Schule. Schweren Schrittes trottete er hinein.
Die neuen Schüler waren in der Sporthalle versammelt, wo eine kleine Begrüßungsveranstaltung stattfinden sollte. Malia und die süße Kira hatten sich zu Scott und dem fremden Mädchen mit den langen, dunklen Locken gesetzt, welches dieser tatsächlich gewagt hatte anzusprechen.
Als Stiles missmutig die Halle betrat, blickte er sich nach seinen Freunden um und stellte erleichtert fest, dass diese ihm einen Platz freigehalten hatten. Er hockte sich zu ihnen, ohne irgendein Wort zu sagen, während er krampfhaft versuchte, nicht in Tränen auszubrechen.
Die Schulband spielte zwei Stücke. Sie waren grauenhaft und rhythmisch überhaupt nicht zusammen! Einzig ihre Sängerin war ganz okay, doch auch sie konnte das Ganze am Ende nicht retten.
Dann gab der Schulchor einige Lieder zum Besten, was soweit in Ordnung gewesen wäre, hätten sie nicht den Ehrgeiz gehabt, begleitend eine alberne Choreographie zu präsentieren. Leider handelte es sich bei diesen Sängern um komplette Bewegungslegastheniker und so kam es, wie es kommen musste: Einer machte einen falschen Schritt, der Nächste rannte in ihn hinein und schließlich kam die ganze Truppe zu Fall. Unter Pfiffen und Gelächter flüchteten die Gedemütigten von der Bühne und schließlich auch gleich aus dem Saal.
Das war alles SO DÄMLICH!
Als nächstes sagte der Schulsprecher ein paar Worte über das Kurswahlsystem der Beacon Hills High und am Ende hielt der Coach des Lacrosse-Teams, ein gewisser Finstock, in Vertretung des Schuldirektors, welcher momentan an Mumps erkrankt war, eine total beknackte, sinnfreie Rede, während welcher er immer wieder auf jemandem namens Greenburg herumhackte. Keiner wusste anfänglich, wer das überhaupt war?
Im Laufe der Ansprache hörte Stiles dann heraus, dass es sich bei diesem ganz offensichtlich um einen Schüler handelte, welcher im letzten Jahr sitzengeblieben war und nun das Jahr wiederholen musste.
Wäre Stiles nicht so sehr mit dem Klirren in seiner Brust beschäftigt gewesen, welches von den Scherben seines gebrochenen Herzens herrührte, dann hätte er vielleicht Mitgefühl mit dem armen Kerl gehabt, der derart vorgeführt wurde.
Stattdessen galt seine ganze Aufmerksamkeit dem dummen Derek, welcher mit Erica, die an ihm klebte, wie Kaugummi an einer Schuhsohle, auf der gegenüberliegenden Seite der Halle auf einer Bank saß. Die beiden küssten einander beinahe ohne Unterlass.
Mein Gott, müsste die nicht auch mal Pause machen, um Luft zu holen?
Das war doch einfach nur widerlich!
Derek beachtete Stiles im übrigen noch immer nicht, so dass dieser mittlerweile entnervt kurz davor war, seine Freunde zu fragen, ob sie ihn sehen könnten, oder ob er wohl neuerdings unsichtbar sei.
Dies erübrigte sich, als Derek Stiles zum Ende der Begrüßungsveranstaltung schließlich doch noch ein kühles Lächeln zuwarf und dann kurz zwinkerte, ehe er sich wieder mit vollem Zungeneinsatz seiner Sitznachbarin widmete.
Derek hatte ihn also sehr wohl gesehen. Er verspottete ihn lediglich.
Stiles wünschte, er wäre tot!
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