15 I've been hurt before
Die Winterferien waren vorüber und die Schule war bereits seit zwei Wochen wieder im Gange.
Heute war Samstag. Noah Stilinski war beruflich unterwegs, Isaac besuchte Vernon und Erica und Stiles genoss, dass er das Haus einmal für sich ganz allein hatte. Er hatte sich gerade so richtig gemütlich mit Backup auf das Sofa gekuschelt, blickte einem faulen Wochenende entgegen und verputze soeben genüsslich eine Tüte Cheez-Doodles, als es unvermutet an der Tür klingelte. Der Hund an seiner Seite richtete sich ruckartig auf, gab einmal Laut und Stiles murrte:
„Ist ja gut! Ich bin ja nicht taub, Kumpel!"
Widerwillig erhob er sich und nahm zur Sicherheit seine Snacks mit, denn in Bezug auf Nahrungsmittel war Backup einfach nicht trauen. Sie waren in der Vergangenheit bereits zweimal beim Tierarzt gewesen, weil sein Hund sich den Magen verdorben hatte. Einmal hatte er unbemerkt die Essensreste aus dem Mülleimer gefressen und dabei die Küche in ein Schlachtfeld verwandelt und ein anderes Mal hatte er mitten in der Nacht eine Tüte Kartoffelchips mit Baconaroma aus der Speisekammer gestohlen und deren Inhalt und sogar einen Teil der Verpackung komplett verdrückt. Dr. Deaton hatte Stiles beide Male getadelt, dass er wirklich besser aufzupassen müsse, wenn er wollte, dass sein vierbeiniger Freund gesund blieb und ein hohes Alter erreichte und das hatte der Junge sich dann auch gründlich zu Herzen genommen.
Stiles öffnete die Tür und davor stand Malia. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und ihr Gesichtsausdruck war schwer zu deuten. Offensichtlich hatte sie jedoch etwas auf dem Herzen:
„Hey Süße! Schön dich zu sehen. Komm' doch rein!" forderte Stiles, gab den Türrahmen frei und machte eine einladende Handbewegung.
Kaum war Malia eingetreten, war auch schon Backup zur Stelle und gab pflichtschuldig Eindringlingsalarm.
„Wirst du wohl die Klappe halten? Wir mögen Malia doch!" herrschte sein Herrchen ihn an, woraufhin das Tier verstummte und stattdessen den Neuankömmling durch eifriges Abschlecken der Hände begrüßte.
Malia ging in die Knie und begann Backup ausgiebig zu kraulen, was dieser sich wohlig jaulend und sich am Boden wälzend gefallen ließ:
„Störe ich dich eigentlich?" wollte Malia wissen und blickte zu Stiles hinauf.
„Nein, gar nicht!" versicherte Stiles: „Cheez-Doodle?"
Er hielt seiner Freundin die Tüte hin, doch die schüttelte lediglich den Kopf. Backups Haupt hingegen schnellte sofort interessiert in die Höhe und Stiles schimpfte:
„Du doch nicht, du verfressenes, pummeliges Ungeheuer! Was haben wir denn über Menschenessen gesagt, hm? Das ist nichts für dich, sonst kotzt du wieder. Und willst du etwa, dass der Onkel Doktor dir noch einmal eine Spritze geben muss? Du erinnerst dich doch an die Spritze, oder nicht?"
Backup gab einen unzufriedenen Laut von sich und verbarg seinen Kopf zwischen seinen Pfoten. Offensichtlich erinnerte er sich sogar noch sehr deutlich an seine letzte Injektion mit der bösen, großen Nadel.
Stiles und Malia nahmen nebeneinander auf dem Sofa Platz und Stiles erkundigte sich sorgenvoll:
„Und? Was führt dich denn nun zu mir? Ist irgendwas passiert? Ist mit Peter alles in Ordnung?"
„Mit Dad ist alles bestens. Er macht so schnell Fortschritte, dass ich es kaum glauben kann. Er arbeitet hart an sich und trainiert den ganzen Tag, als wolle er bei den nächsten Paralympics antreten, oder so." ließ Malia ihn wissen:
„Was ist es dann? Hast du Streit mit Kira?" hakte ihr Freund nach:
„Uns geht's prima, also keine Sorge!" brummte seine beste Freundin und musterte grimmig ihre eigenen Hände:
„Also hast du deine Tage?" spekulierte Stiles weiter und fühlte sich schrecklich aufgeklärt, als er dieses heiße Eisen so furchtlos anfasste. Er war eben eine ganz neue Generation Mann; einfühlsam, verständnisvoll...
Malias Kopf schnellte in die Höhe und sie brüllte:
„WAS IST LOS? Halt die Klappe, du Blödmann. Warum sollte ich denn aus diesem Grund zu dir kommen? Etwa damit du mir mitleidig das Händchen hältst, oder wie? Bullshit! Wenn du es unbedingt ganz genau wissen musst: Ich mache mir Sorgen um Derek, kapiert?"
Als dieser Name fiel, war Stiles natürlich gleich ganz Ohr und er wollte wissen:
„Wieso, was ist denn mit ihm?"
Malia seufzte schwer:
„Ich brauche da mal deinen Rat. Ich... habe da gestern Abend etwas beobachtet und nun weiß ich nicht, was ich tun soll. Ich denke, da läuft irgendwas zwischen ihm und dieser dummen Bitch Jennifer. Ich habe die beiden gestern gesehen. Sie haben sich geküsst. Ich habe sie durch einen Türspalt beobachtet. Sie dachten wohl, ich sei nicht zuhause? Ich habe jedenfalls so getan, als hätte ich nichts gesehen, habe ein bisschen Krach gemacht, damit sie aufhören und die beiden sind sofort angedackelt gekommen und haben auf Tulpe getan."
„Etwa Jennifer Blake, eure Sozialpädagogin." Stiles Stimme war so schrill, dass Backup, welcher soeben eingedöst war, den Kopf hob und ein missbilligendes Schnauben von sich gab:
„Die ist doch schon dreißig, oder so? Das ist ja total widerlich!"
„Sicher ist das widerlich. Und illegal! Was glaubst du denn, warum ich mich so aufrege? Was mache ich denn jetzt bloß? Rede ich mit meinem Dad, mit Derek, oder gleich mit den Cops? Derek ist wirklich so voll von Scheiße in letzter Zeit: Säuft wie ein Loch, kackt in der Schule ab, hängt nur zuhause herum und nun macht er auch noch mit dieser blöden Kuh 'rum. Ich könnte ihn echt umbringen, weißt du das?" knurrte Malia und ballte die Hände zu Fäusten.
Stiles musste das erst einmal verdauen. Irgendwie fühlte er sich wie ein betrogener Ehemann. Wieso zum Teufel machte Derek denn so etwas? Was versuchte er damit zu beweisen? War eine erwachsene Frau flachzulegen vielleicht so etwas wie ein Versuch, sich selbst zu heilen, nach dem Motto: Wenn er es schaffte, es IHR zu besorgen, dann konnte er doch gar nicht schwul sein?
Oder hoffte er gar, eine Frau mit Erfahrung würde ihm diese Flausen schon austreiben können?
Derek war wirklich unwahrscheinlich dämlich!
Oh ja, Stiles hatte gerade ebenfalls den Impuls, ihn zu ermorden.
Oder ihm zumindest ein wenig Verstand in sein Spatzenhirn zu prügeln!
Mit einem Baseballschläger!
„Alles klar?" fragte Malia stirnrunzelnd: „Du sagst ja gar nichts dazu?"
„Du hast Recht, Derek ist ein Riesenidiot." erwiderte Stiles knapp: „Aber an deiner Stelle würde ich nicht zur Polizei gehen. Du willst doch nicht, dass Derek am Ende noch Probleme bekommt, oder?"
„Was für Probleme denn? Für ihn wird das höchstens ein bisschen peinlich, aber Jennifer kommt dafür in den Knast. Immerhin ist das doch Missbrauch von Schutzbefohlen, oder wie das heißt. Dafür brummt sie bestimmt zehn Jahre und wird jede Nacht von großen, muskulösen Knastlesben vergewaltigt!" erwiderte Malia mit einem bösen kleinen Grinsen.
Stiles blickte sie zweifelnd an:
„Besten Dank für diesen kleinen Einblick in die Welt deiner sexuellen Fantasien Schwester, aber das willst du doch nicht wirklich, oder? Und schau dir die beiden doch mal genau an. Sicher, Derek ist erst sechzehn, aber er sieht aus wie ein Preisboxer; groß, stark, bärtig, muskulös... Und wenn du dir daneben diese Jennifer vorstellst: Sie ist so zart, blass, süß, zerbrechlich und schwermütig, wie die Heldin aus einem Jane-Austen-Roman. Kein Richter der Welt wird annehmen, dass sie ihn überwältigt hat und dann gegen seinen Willen über ihn hergefallen ist. Vielleicht würde sie das Gericht am Ende sogar davon überzeugen, dass Derek sie vergewaltigt hätte, bloß um ihren eigenen winzigen Arsch zu retten?"
„Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Verdammt!" murrte Malia: „Aber was mache ich denn nun?"
Stiles zuckte mit den Schultern:
„Soll ich Derek vielleicht mal ins Gewissen reden?" schlug er vor.
„Warum sollte er denn ausgerechnet auf DICH hören?" erkundigte sich seine beste Freundin skeptisch.
Autsch!
Die Frage mochte zwar berechtigt sein und dennoch schmerzte sie Stiles bis ins Mark, denn sie legte den Finger mitten in die Wunde.
Wer war er denn schon? Der Typ, mit dem Derek vögelte und dem er schöne Geschenke machte, wenn er mal zu betrunken war, um sich noch gegen seine wahre Natur zu wehren, zu dem er sich jedoch niemals, niemals, niemals öffentlich bekennen würde!
Natürlich wusste Malia von all' dem nichts. Sie und auch der Rest der Welt glaubten, dass Stiles und Derek einander überhaupt nichts bedeuteten, sondern eher wie Fremde für einander waren:
„Vergiss' dass ich etwas gesagt habe." erwiderte Stiles finster: „Vielleicht solltest du wirklich mit deinem Vater reden? Ich weiß es doch auch nicht?"
Malia zuckte mit den Schultern:
„Ich lasse mir das Ganze einfach noch einmal in Ruhe durch den Kopf gehen. Und jetzt muss ich los. Bin noch mit Kira verabredet. Danke, dass du mir zugehört hast, Mann!"
„Kein Ding!" behauptete Stiles, auch wenn er innerlich nun vollkommen aufgewühlt war.
Seine Freundin klopfte ihm noch einmal burschikos auf die Schulter, streichelte Backup zum Abschied und dann war sie verschwunden.
Mit Stiles Ruhe war es nun gründlich vorbei. Das Haus war ihm mit einem Mal zu still und zu leer, die Cheez-Doodles schmeckten wie Dreck und er konnte nicht mehr ruhig auf seinem Hintern sitzen bleiben.
So ein Mistkerl!
Wie konnte Derek ihm das nur antun?
Irgendetwas musste Stiles sich nun einfallen lassen, um wieder herunterzukommen und natürlich hatte er auch gleich eine besonders dumme Idee: Wieso machte er es nicht einfach genauso, wie Derek und betrank sich hemmungslos? Stiles kannte immerhin das Whiskey-Versteck seines Vaters. Er schnappte sich also eine angebrochene Flasche und setze sie an.
Das Zeug war widerlich und brannte einem wirklich die Eingeweide weg, doch Stiles trank mit angewidertem Gesicht tapfer einfach immer weiter. Als er sich zwei Drittel des Flascheninhalts einverleibt hatte, wurde ihm schwindelig, ein wenig schlecht und er war sicher, dass er nun nichts mehr hinunter bekommen wurde. Er verstaute die Pulle also wieder in ihrem Versteck und wartete darauf, dass nun bitteschön endlich das selige Vergessen einsetzen möge, doch offensichtlich war der Alkohol kaputt, denn es funktionierte überhaupt nicht! Stiles Gedanken kreisten immer noch allein um Derek. Und an irgendeinem Punkt sagte er sich, dass es vollkommen egal war, was Malia sagte; er würde jetzt einfach zu Derek hinübergehen und dann würde er ihn zur Vernunft bringen!
Oder er würde ihm einfach einen blasen und das würde er so gut machen, dass Derek alles andere vergaß, oh ja!
Hochzufrieden mit diesem brillanten Plan füllte Stiles noch einmal Backups Futterschüssel, sagte ihm, dass er zuhause bleiben und brav sein müsse, während sein Herrchen etwas sehr Wichtiges zu erledigen habe.
Backup sah nicht besonders überzeugt aus, also lallte Stiles:
„Ach was weißt du schon! Du bist doch bloß ein Hund. Derek liebt mich und das wird er schon noch begreifen!"
„Öff?" machte Backup, in dem Versuch, es seinem Herrchen auszureden, doch Stiles beharrte:
„Tut mir leid, Kumpel, aber ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss."
Backup schnaubte und wendete sich seinem Rindfleischragout zu, denn er war weise genug um zu wissen, wenn eine Sache aussichtslos war.
Stiles schnappte sich seine Jacke und lief los.
Auf beinahe direktem und nur ganz selten schlingerndem Weg marschierte er also hinüber zu dem Haus, in welchem Derek mit seiner Familie lebte. Dort angekommen stapfte er entschlossen die Treppen hinauf, legte den Finger auf den Klingelknopf und vergaß irgendwie ihn wieder loszulassen:
„Was... zum Teufel...?" fragte ein atemloser Peter, welcher auf zwei Krücken so schnell er es vermochte zur Tür geeilt war:
„Ich will zu Derek!" erklärte Stiles mit glasigen Kuhaugen und ließ nun endlich die verdammte Klingel in Frieden:
„Derek... ist aber... nicht da!" erwiderte Peter genervt.
Stiles blickte ihn ratlos an, als müsse er über die Bedeutung dieser Worte erst einmal gründlich nachdenken.
Irgendwann wurde es Peter zu bunt und er wollte wissen:
„Ist sonst... noch etwas?"
„Ich will aber mit Derek sprechen." wiederholte Stiles dümmlich.
„Aha?" machte Peter: „Ich weiß... aber nicht,... wo er ist und... auch nicht... wann er wieder kommt."
Stiles machte immer noch keinerlei Anstalten, wieder zu verschwinden, sondern blieb einfach wie angewurzelt stehen.
Schließlich bot Peter mit einem tiefen Seufzer an:
„Willst du vielleicht.... reinkommen und... drinnen auf ihn warten,... Stiles?"
Der Junge grinste zufrieden und trat taumelnd ein.
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