14 You know what that was for!
Eigentlich hatte Daddy Stilinski seinem Sohn erst einmal eine tüchtige Standpauke halten wollen, nachdem er von dem neuesten, gefährlichen Alleingang seines Sprösslings erfahren hatte, doch dann erblickte er Isaac, wie er von Stiles gestützt in sein Haus gehumpelt kam und das stimmte ihn schlagartig ganz sanft. Er hatte nie begreifen können, wie Menschen, welche die Natur mit einem Kind beschenkt hatte es fertig brachten, gegen dieses, ihrem Schutz anvertraute menschliche Wesen die Hand zu erheben. Und das, was er hier heute vor sich sah, war noch eine ganz andere Dimension der Misshandlung:
„Du meine Güte! Das hat dir dein eigener Vater angetan, Junge?" rief Noah Stilinski fassungslos aus und hielt sich entsetzt eine Hand vor den Mund.
Isaac nickt lediglich schüchtern, während sein Blick beharrlich am Boden haftete.
Stiles bat seinen Vater:
„Kannst du bitte Isaacs Taschen aus dem Wagen holen. Wir haben erst einmal das Nötigste für ihn eingepackt."
„Aber sicher doch!" versicherte Noah und lief sofort los. Als er zurückkehrte hatten es die beiden Jungen bereits bis in Stiles Zimmer geschafft und der Hausherr wollte wissen:
„Wie wäre es, wenn ich dir ein Sandwich mache, Isaac?"
„Ich möchte ihnen keine Umstände machen, Sir." flüsterte ihr Gast und sein Kopf verschwand zwischen seinen Schultern, beinahe wie eine Schildkröte die sich in ihr Haus zurückzog.
„Unsinn Kumpel! Jetzt wird erst einmal tüchtig gegessen. Dein Alter hat dich doch wer-weiß-wie-lange in dieser Kühltruhe eingesperrt. Du musst ja vollkommen ausgehungert sein. Komm'schon! Wir schauen jetzt mal nach, was der Kühlschrank so hergibt!" befahl Stiles, zog seinen traumatisierten Mitschüler hinter sich her in die Küche, setzte ihn dort auf einen Stuhl und begann Lebensmittel vor ihm aufzutürmen.
Isaac rührte sich nicht.
Stiles blies die Backen auf und stöhnte dann:
„Komm' schon Alter! Soll ich dich etwa auch noch füttern?"
„Stiles!" mahnte sein Vater: „Jetzt sei doch mal ein bisschen geduldiger mit dem armen Kerl." Er verscheuchte seinen Sohn vom Esstisch und bereitete dann ein Käse-Schinken-Tomaten-Sandwich, von welchem er die Rinde abschnitt und auf das er mit Remouladensauce aus der Tube einen Smiley malte. Dann schob er den Teller behutsam vor Isaac hin. Ihr Gast machte große Augen und dann erschien sogar ein kleines Lächeln auf seinem Gesicht:
„Lass es dir schmecken, mein Junge!" sagte Noah freundlich und reichte ihrem körperlich und seelisch verwundeten Gast auch noch einen Becher Pudding und ein Glas Kakao dazu.
Derart eingeladen traute Isaac sich schließlich zuzugreifen und während er kaute, weinte er ein wenig.
In dieser Nacht wurde ihr Gast zum Schlafen zu Stiles ins Bett gesteckt. Als das Licht aus war und Noah gute Nacht gesagt hatte, flüsterte Isaac:
„Dein Dad ist sehr nett."
„Er ist der Beste!" versicherte Stiles:
Isaac schwieg kurz. Dann sagte er:
„Danke, Stiles! Danke, dass ihr mit gerettet habt, dass ich jetzt hier sein darf... Danke für alles! Tut mir leid, dass ich dir nun deinen Platz wegnehme. Aber keine Sorge, Morgen früh bin ich weg!"
Stiles seufzte:
„Sag' mal spinnst du, Mann? Du nimmst mir überhaupt nichts weg und du wirst schön hier bei uns bleiben, bis wir eine Lösung für dich gefunden haben."
Isaac sagte nichts mehr doch Stiles könnte hören, dass er wieder weinte. Er hatte den Impuls, den armen Kerl einfach in den Arm zu nehmen, doch so nah standen sie sich nicht und irgendetwas sagte ihm, dass Isaac das wohl überfordern würde. Stattdessen nahm er einfach die Hand des anderen Jungen in seine und flüsterte:
„Schlaf jetzt, in Ordnung Isaac? Du bist in Sicherheit!"
Am kommenden Tag holte Noah Stilinski ein Feldbett aus dem Keller, welches er in Stiles Zimmer aufstellte, damit Isaac ein eigenes Bett hatte.
Nach einer Woche räumte er dann den ehemaligen Hobbyraum seiner Ex-Frau Claudia um und verwandelte ihn in Jungendzimmer für ihren Gast.
Nach einem Monat beantragte er beim Familiengericht die Vormundschaft für Isaac.
Und so kam das Einzelkind Stiles verspätet doch noch zu so etwas wie einem Bruder.
Unterdessen hatte sich klammheimlich und beinahe unbemerkt der Winter ins Land geschlichen. In Beacon Hills bedeutete das, es regnete häufiger als sonst, die Temperaturen bewegten sich zwischen fünfzehn und zwanzig Grad und die wenigen Laubbäume, welche hier wuchsen verloren ihre Blätter, doch das bemerkte man im Grunde kaum, da hier in erster Linie immergrüne Palmen und Koniferen heimisch waren.
Der letzte Schultag vor Weihnachten und damit die erste Halbzeit ihres ersten Halbjahres in der Highschool lag hinter Stiles und seinen Freunden. Er und sein Dad hatten sich im Vorfeld viele Gedanken gemacht, wie sie dieses Weihnachtsfest gestalten wollten, denn es würde das erste Weihnachten ohne Claudia werden. Früher waren die Feiertage im Hause Stilinski immer ein reines Familienfest gewesen, doch die Scheidung von Stiles Eltern und auch die Tatsache, dass seine Freunde allesamt nicht mehr Familien im klassischen Sinne besaßen, ließen sie zu dem Entschluss kommen, für sie alle bei sich zuhause eine große Weihnachtsparty steigen zu lassen.
Noah hatte einen gewaltigen Truthahn besorgt, doch weil er keine Ahnung hatte, was er damit anstellen sollte, war Scotts Mutter Melissa extra einige Stunden früher gekommen, um ihm dabei zu helfen, aus Brot, Kräutern, Zwiebeln und Gewürzen eine Füllung dafür herzustellen und den Vogel dann fachgerecht zu braten, während ihre Söhne und Isaac in Stiles Zimmer dessen erstes Weihnachtsgeschenk, dass er heute Morgen bereits nach dem Aufwachen auspacken durfte, eine Playstation 4 einweihten.
„Und du bist sicher, dass du nicht mitkommen willst, Derek?" fragte Malia ihren Cousin noch ein letztes Mal: „Es wird bestimmt schön bei Stiles und an Weihnachten will doch keiner allein sein."
„Pah!" machte Derek verächtlich: „Ich bin lieber allein, als Weihnachten mit diesem dürren Loser zubringen? Und noch dazu unter dem Dach seines Vaters, der Schuld daran ist, dass sie die Mörder unserer Familie immer noch nicht geschnappt haben? Hast du das etwa schon vergessen? Ich nämlich nicht. Nein danke, ohne mich! Aber ich wünsche dir viel Spaß auf eurer lahmen Party, Cousinchen."
Malia ballte die Fäuste und knurrte:
„Ich hab' dir doch gesagt, dass du aufhören sollst, auf Stiles herum zu hacken! Er ist viel netter und spaßiger als du, du Blödmann. Und er ist schlau. Er ist mein bester Freund. Du weißt rein gar nichts von ihm und auch nicht von seinem Vater. Der Sheriff ist doch nicht Schuld daran, dass uns das passiert ist. Er hat getan, was er konnte!"
„Dann heirate Stiles doch, wenn er so toll ist und bekomm' seine Loser-Babies, mir doch egal!" knurrte Derek:
„Ich heirate doch nicht, du Idiot. Ich weiß echt nicht, was eigentlich dein Problem ist, aber du solltest das echt mal in den Griff kriegen. Das was unserer Familie passiert ist, ist richtig große Scheiße, aber wir müssen irgendwie damit weiterleben. Dein Hass auf alles und jeden ist nervt alle bloß noch, aber für dich selbst muss es ja wohl am schlimmsten sein. Wie lebt man eigentlich mit sich selbst, wenn man so drauf ist, huh?"
Dereks Miene verfinsterte sich noch weiter, er schnappte sich ein Bier und bellte:
„Danke für deine Sorge, aber mir geht es Spitze, solange ich genug hiervon habe. Prost!"
Malia schüttelte traurig den Kopf:
„Mach' doch was du willst! Ich muss jetzt Dad fertig machen. Man sieht sich. Frohe Weihnachten."
Derek erwiderte nichts mehr darauf. Er griff nach seiner Jacke, seinen Autoschlüsseln und verließ das Apartment.
„Derek... braucht Zeit... Kleines." erklärte Peter, dem das Sprechen immer noch schwer fiel und der von seinem Zimmer aus alles mit angehört hatte. Er saß bereits aufrecht in seinem Bett und wirkte aufgeregt, wie ein kleiner Junge. Zwar machte Malia mit ihm täglich einen Spaziergang im nahegelegenen Park, doch dies hier war das erste Mal, seit er aus dem Koma erwacht war, dass sie irgendwen besuchen würde und er schien sich richtig darauf zu freuen.
„Ich weiß doch, Dad. Aber er ist so ein sturer Hornochse!" erwiderte Malia und kramte in Peters Kleiderschrank.
„Liegt in... der Familie!" erwiderte ihr Vater lachend und als Malia ihm die Kleider hinhielt, die sie ihm für heute zugedacht hatte, schüttelte er heftig den Kopf:
„Blaues Shirt! Knöpfe!" bestimmte er und seine Tochter kommentierte grinsend:
„Du bist so was von eitel, Dad!"
„Hellblau... betont meine... Augen!" gab Peter zwinkernd zurück.
Malia rollte übertrieben mit den Augen:
„Benimm' dich heute gefälligst, hörst du Dad! Wir wollen bloß Weihnachten feiern. Es geht um Geschenke und darum, zu essen, bis man beinahe platzt. Da ist niemand, mit dem du flirten kannst, oder so, also sei brav!"
„Bin immer... brav!" behauptete Peter Hale, doch Malia bezweifelte es und reichte ihrem Vater die gewünschten Kleider.
Anfänglich hatte sie ihm beim an- und ausziehen noch helfen müssen, doch mittlerweile bestand ihr Vater darauf, diese Dinge selbst zu tun, auch wenn seine linke Seite noch immer sehr schwach war und er das Bein und den Arm dort kaum benutzen konnte, er biss sich durch.
Stiles hatte nicht wirklich damit gerechnet, dass Derek seine Cousine und seinen Onkel am heutigen Tag begleiten würde und irgendwie war er auch erleichtert zu sehen, dass er nicht dabei war, als er auf das Klingeln hin die Türe öffnete. Lediglich in einer kleinen, schmuddeligen Ecke seiner Seele, wo er für gewöhnlich nicht allzu gern hinschaute, war er ein kleines bisschen traurig:
„Ihr seid es! Wie schön!" begrüßte er seine Gäste fröhlich und half Malia dabei, den Rollstuhl mit ihrem Vater darin ins Haus zu wuchten.
Als Peter Scotts Mutter erblickte, die mit Noah gerade zusammen aus der Küche kam, um die Neuankömmlinge zu begrüßen, säuselte er:
„Sie sehen... umwerfend aus,... Melissa!"
Melissa McCall lächelte schüchtern und erwiderte:
„Sie sehen auch sehr gut aus, Peter. Dieses Blau steht ihnen."
Peter warf seiner Tochter einen triumphierenden Blick zu.
Noah Stilinski fixierte Malias Vater mit einem säuerlichen Blick und sagte mit scharfer Stimme:
„Willkommen unter meinem Dach, Hale! Und? Wie sehe ICH aus?"
Peter schenkte ihm sein schönstes Lächeln und versicherte:
„Bezaubernd... Sheriff! Wirklich heiß... für einen Mann... ihres Alters!"
„Besten Dank auch, aber ich bin kein Sheriff mehr. Machen sie es sich bequem, Hale!" knurrte Stiles Vater. An Melissa gerichtet sagte er: „Ich glaube, das Kartoffelpüree und die Maiskolben brauchen unsere Aufmerksamkeit. Hilfst du mir?"
„Aber sicher." bestätigte Scotts Mutter und die beiden verschwanden wieder in der Küche.
Peter hatte sich inzwischen aus seinem Rollstuhl gehievt und sich auf das Sofa der Stilinskis plumpsen lassen. Stiles hockte sich dicht neben ihn und flüsterte in sein Ohr:
„Ich sehe, du wirst langsam wieder ganz der Alte, was? Aber Melissa und mein Dad haben da wohl etwas am laufen und Scott und ich begrüßen das sehr, also funk' gefälligst nicht dazwischen, kapiert."
„Och... komm' schon,... Stiles!" schmollte Peter: „Und wie... soll ich... mich dann amü...sieren?"
„Überleg' dir etwas anderes!" befahl Stiles streng.
Peter grinste und legte eine Hand auf Stiles Knie:
„Ein... verstanden! Hast du denn heute... auf deiner... Tanzkarte... noch ein wenig Platz.... für einen traurigen... einsamen Jungen... im Rollstuhl, Stiles?"
Stiles rutschte das Herz in die Hose und seine Haut schien zu glühen, dort wo Peter ihn berührte:
„Lass' den Quatsch, Dad und baggere meine Freunde nicht an! Das ist gruselig!" herrschte Malia ihn an und ging dann hinüber zur Tür, um Boyd und seine Schwester Alicia einzulassen, die soeben geklingelt hatten.
Noah kam mit dem schweren Truthahn ins Esszimmer, von wo aus er eine sehr gute Sicht auf das Wohnzimmer hatte, wo Peter Hale immer noch die Hand auf dem Knie seines Nachwuchses hatte. Er ließ die Platte mit dem Braten mit lauten Rumms auf die Tischplatte krachen und rief lauter als nötig:
„ES GIBT ESSEN! KOMMT IHR?"
Malia und Stiles halfen Peter aufzustehen und stützten ihn, so dass es ihm möglich war, die wenigen Schritte zum Tisch auf seinen eigenen Beinen zurückzulegen.
Isaac und Scott halfen Noah und Melissa dabei, die zahlreichen Beilagen aufzutragen. Es gab so viel zu essen, dass der Tisch sich beinahe bog, wie es sich für ein richtiges Weihnachtsfest gehörte:
„Wow! Das sieht echt toll aus!" staunte Vernon und schob seiner Schwester, die immer noch ein wenig verschreckt und misstrauisch wirkte, auch wenn das Schreckliche, dass ihr angetan worden war bereits Monate zurücklag, fürsorglich den Stuhl hin.
Stiles betete, dass Alicia nicht die Nächste wäre, die von Peter angemacht wurde, denn immerhin war sie eine sehr ansehnliche, junge Frau, aber irgendwie schien Malias Vater dann doch zu spüren, wo die Grenze war und er benahm sich mustergültig.
Noah nahm das elektrische Messer zur Hand und begann damit, den Truthahn zu tranchieren, während die Schüsseln mit den Beilagen herumgingen, damit jeder sich auffüllen konnte.
Stiles ließ zufrieden seinen Blick über die Tafel schweifen. Um ehrlich zu sein, hatte er Angst vor dem ersten Weihnachtsfest ohne seine Mutter gehabt, aber das hier war einfach nur perfekt!
Dereks Camaro fuhr ziellos und beinahe im Schritttempo durch die menschenleeren Straßen von Beacon Hills und sein Fahrer starrte durch die Fenster in die Wohnzimmer der Menschen. Wirklich jeder schien an diesem Tag zuhause zu sein, jeder hatte Familie und Freunde zu Gast und niemand war allein.
Niemand außer ihm.
Danny hatte vor den Ferien gesagt, er können vorbeikommen, wenn er wollte. Da hatte er natürlich noch nicht ernsthaft vorgehabt, dieser Einladung auch tatsächlich nachzukommen, doch nun steuerte er wie ferngesteuert das Haus der Mahealanis an, dass von außen so grell und üppig geschmückt war, dass man es vermutlich auch noch vom Mond aus sehen konnte.
Danny selbst öffnete ihm die Tür, ein süßes Lächeln auf dem Gesicht und ein albernes Rentiergeweih auf dem Kopf:
„Alter! Du bist SOO PEINLICH!" begrüßte ihn Derek und es zeigte sich tatsächlich ein kleines Grinsen auf seinem Gesicht.
„Mele Kalikimaka!" Frohe Weihnachten auf hawaiianisch wünschte Danny fröhlich und entfernte seinen Kopfschmuck:
„Hat mein kleiner Cousin mir aus Honolulu mitgebracht. Er fand das wahnsinnig witzig, stimmt's nicht, kleine Kröte?"
Er hob einen Jungen, der plötzlich hinter ihm aufgetaucht hoch, um ihn tüchtig durchzukitzeln. Das Kind war das ein winziges Ebenbild von Danny selbst und war kicherte und wand sich vor Vergnügen in Dannys Armen. Irgendwann rief es aus:
„Bitte aufhören, Danny! Ich kann nicht mehr. Mir tut der Bauch vom Lachen weh!"
Da hatte Danny Erbarmen mit dem Kleinen, setzte ihn ab und forderte:
„Sag' Hallo zu meinem Freund Derek, Keahu!"
Das Kind musterte den großen Kerl im Türrahmen skeptisch, streckte ihm dann seine Hand hin und erklärte:
„Hallo! Ich bin schon fünf!"
„Verstehe!" erwiderte Derek und ergriff tapfer das kleine, vollkommen schokoladenverschmierte Pfötchen.
Nachdem diese kleine Formalität erledigt war, rannte der Junge wieder ins Innere des Hauses, denn er hatte schließlich noch wichtigeres zu tun, als hier mit den großen Jungs herumzustehen, wie zum Beispiel zu spielen, Geschenke auszuwickeln und noch mehr Schokolade zu essen.
„Süß!" kommentierte Derek und blickte ihm nach:
„Das ist er." bestätigte Danny: „Und nun komm' rein und lerne die anderen Mahealanis kennen. Die ganze Familie ist dieses Jahr von Hawaii aus angereist. Du kommst gerade richtig zum Essen."
Damit hatte Derek nicht gerechnet, dass er sich nun hier heute einer ganzen Großfamilie gegenüber sehen würde. Er kannte bislang lediglich Dannys Mutter Cynthia, eine rundliche, warmherzige, verständnisvolle und, wenn man ihre Kleiderauswahl, die immer viel zu grell, zu bunt und zu wild gemustert ausfiel als Hinweis heranzog, offensichtlich auch farbenblinde Frau Ende vierzig.
Derek hatte keine Ahnung gehabt, dass Danny so eine große Familie hatte. Da waren erwachsene Geschwister mit ihren Kindern, Onkel und Tanten nebst Nachwuchs, Großeltern und sogar ein winzige, runzlige, greise Urgroßmutter. Alle hießen sie Derek herzlich willkommen und er erhielt eine Platz an der hübsch gedeckten Tafel zwischen Danny und Keahu. Die Speisen auf dem Tisch waren eine Mischung aus dem was Derek zu Weihnachten vertraut war, wie einem Truthahn und einem Süßkartoffelauflauf mit Marshmallow-Kruste und eher unerwarteten Speisen, wie kleinen, soften, gefüllten, bunten Reisküchlein, Mochis genannt und einer enormen Menge an exotischen Früchten.
Es war wirklich schön im Hause Mahealani. Es wurde gelacht, geredet, reichlich getrunken und gegessen und in den Momenten, in denen Derek es sich selbst erlaubte, da fühlte er sich auch wirklich wohl dort. Doch im Grunde spürte Derek, dass er nicht dazugehörte, auch wenn alle sich Mühe gaben, damit er sich heimisch fühlte und nach zwei Stunden verabschiedete er sich ganz einfach wieder.
Seine Familie war tot. Sich parasitär bei anderen Leuten durchzufuttern konnte daran auch nichts ändern und kaum war er wieder allein, fühlte er sich einsamer und verlorener, als noch zuvor.
Derek steuerte mit dem Wagen eine Kneipe am Stadtrand an, legte seinen gefälschten Ausweis vor, laut dem er angeblich bereits zweiundzwanzig war und bestellte Whiskey.
Wenigstens war er schlau genug, den Wagen stehen zu lassen, als er eine Stunde später voll wie ein Eimer die Bar wieder verließ. Er stolperte und wankte durch die Straßen, konnte sich an seinem Heimweg im Grunde gar nicht mehr erinnern, aber irgendwie hatte er es wenigstens noch bis vor seine Wohnungstür geschafft, wo er auf der Fußmatte eingeschlafen sein musste, denn so fanden ihn Peter und Malia vor, als sie von der Weihnachtsfeier bei den Stilinskis heimkehrten:
„Oh Mann, du dämlicher Idiot!" rief Malia aus, weckte ihren Cousin und schaffte ihn ins Innere des Apartments, versorgte ihn mit Wasser und einem Eimer vor dem Bett, falls er sich übergeben müsste, zog ihm Jacke und Schuhe aus und deckte ihn zu, ehe sie ihrem Vater ebenfalls dabei helfen konnte, ebenfalls ins Bett zu kommen.
Als Isaac und die Stilinskis ihre Gäste an die Tür brachten, hatte Stiles aus dem Augenwinkel etwas Eigenartiges entdeckt. Es handelte sich um ein kleines Geschenk mit einer roten Schleife darum, an welchem ein Schild mit seinem Namen in ordentlichen Druckschriftlettern befestigt war. Er ließ sich nichts anmerken und ließ das Päckchen zunächst dort wo es war. Erst als Isaac und sein Vater zu Bett gegangen waren, schlich er noch einmal dorthin, um es hereinzuholen. Er nahm es mit in sein Zimmer, wickelte es aus und staunte nicht schlecht, als ein Schmuckschächtelchen von Cartier zum Vorschein kam. Er öffnete es und wie zu erwarten gewesen war, befand sich darin eine Armbanduhr.
Was zum Teufel ging denn hier vor sich?
Die Uhr war wirklich hübsch; ein mattblau-metallisches Zifferblatt und ein dunkelgraues Armband. Die musste doch ein Vermögen gekostet haben?
Es mochte vielleicht ein wenig schäbig sein, bei einem Geschenk nach dem Preis zu schauen, doch Stiles googelte das jetzt erst einmal. Das Modell war zwar günstiger, als Stiles zunächst befürchtet hatte, doch „günstig" war hier immer noch ein relativer Begriff. Dieses Geschenk war irgendwem ganz offensichtlich zweitausend Mäuse wert gewesen.
Wer zur Hölle konnte das denn bloß gewesen sein? Wer hatte das Geld, ihm ein so teures Geschenk zu machen? Und wer könnte ihn derart beschenken wollen?
War seine Mum vielleicht zu Geld gekommen und wollte sich auf diese Weise bei ihm entschuldigen?
Nein, das hätte sie sicherlich nicht auf diese Weise gemacht. Sie hätte bestimmt gewollt, dass er wusste, dass es von ihr war.
Nun fiel Stiles nur noch eine einzige Person ein, die ihm dieses Geschenk gemacht haben konnte, auch wenn es total unwahrscheinlich und auch sehr seltsam sein mochte.
In diesem Moment klingelte Stiles Telefon, wodurch er schließlich Gewissheit über die Identität des Schenkers erhielt:
„Ja, Hallo?" fragte er unsicher.
Er erhielt keine Antwort, hörte nur ein Atmen vom anderen Ende der Leitung.
„Derek? Ich weiß, dass du das bist. Deine Nummer wird angezeigt." stellte Stiles klar.
Weiterhin Schweigen.
„Hallo?" versuchte Stiles es noch einmal, doch der Anrufer meldete sich nicht. Seufzend sagte er also:
„Frohe Weihnachten, Baby. Und... Danke! Die Uhr ist schön."
Das Klicken in der Leitung verriet Stiles, dass Derek nun einfach aufgelegt hatte.
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