11 I could be! - Not dressed like that!
Derek und Stiles hatten kein Wort mehr mit einander gewechselt, nachdem sie miteinander geschlafen hatten und es hatte danach nicht sehr lange gedauert, ehe Derek ganz einfach eingeschlafen war. Stiles jedoch, welcher noch immer in dessen Armen lag, konnte und wollte nicht die Augen schließen. Er wollte jeden Moment bewusst erleben, denn er ahnte bereits jetzt, dass sich dies hier wohl nicht allzu bald wiederholen dürfte. Er machte sich darüber keine Illusionen, schließlich war er ja kein Idiot. Er glaubte nicht daran, dass Derek seine übergroße Furcht davor, für schwul gehalten zu werden über Nacht einfach so überwinden und daraufhin stolz und aufrecht mit ihm Hand in Hand durch die Schulflure spazieren würde.
Das würde möglicherweise niemals geschehen, aber wer konnte das schon wissen?
Im Schein der Nachttischlampe, der einzigen Lichtquelle im Raum, betrachtete Stiles den Jungen neben sich. Derek hatte schon echtes Haar auf der Brust, nicht so wie Stiles selbst, bei dem an einigen Stellen allenfalls ein wenig Flaum spross. Es reizte ihn, einfach mit den Fingern durch das kurze, dunkle, krause Haar zu fahren, doch er wollte nicht riskieren Derek zu wecken. Er begnügte sich stattdessen damit, den aufregenden Geruch zu genießen, welchen dessen Haut verströmte.
Dereks Züge waren vollkommen entspannt. Seine kräftigen Kiefer, welche im wachen Zustand immer alles so wahnsinnig gut kontrollieren konnten; jedes unerwünschte Gefühl und jedes falsche, verräterische Wort; waren nun entspannt und locker und erlaubten es den Lippen sogar, sich leicht zu öffnen, wodurch die beiden vorderen Zähne im Oberkiefer zu sehen waren. Sie waren ein wenig länger, als ihre umstehenden Kameraden, wie etwa die Nagezähne eines Kaninchens. Es war der einzige, unbedeutende Makel inmitten der ganzen Vollkommenheit und gerade deswegen liebte Stiles diese Zähne vielleicht am allermeisten in diesem schönen Gesicht.
Alles könnte so wunderbar sein, doch irgendwie ahnte Stiles, dass es am besten wäre, wenn er nicht mehr hier war, wenn Derek irgendwann erwachte und wieder nüchtern wäre. Fast drei Stunden lang gab Stiles sich immer wieder auf's Neue fünf Minuten, ehe er sich endlich losreißen konnte von dem Anblick, dem geliebten Geruch, der Wärme und dem Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, welches er in Dereks Nähe verspürte. Aber dann, Stück für Stück und ganz behutsam, um Derek nicht zu wecken, rückte Stiles schließlich von seinem Liebhaber ab. Es fühlte sich grauenhaft an, wie die kühle Luft auf die Haut traf, die gerade noch mit anderer Haut verbunden gewesen war. 'Wie eine offene Wunde!', dachte Stiles traurig; so als sei er entzwei gerissen und die Hälfte von ihm würde nun fehlen.
Derek in seinem Schlaf schien es ebenfalls zu spüren, denn er gab ein Murren von sich und bewegte sich unbewusst in die Richtung, in welche Stiles sich entfernte. Um ihn beruhigt weiter schlafen zu lassen, drückte Stiles ihm ein Kissen in den Arm und deckte ihn behutsam zu, damit er nicht fror, nun da er ohne die Wärme eines anderen Körpers neben sich auskommen musste.
Stiles suchte sich vom Fußboden die verstreuten Kleidungsstücke heraus, die ihm selbst gehörten und schlüpfte hinein. Er hatte Dereks Boxershorts zunächst mit seiner eigenen verwechselt und als er seinen Irrtum feststellte, dachte er einen flüchtigen Moment daran, sie dennoch als Souvenir einzustecken.
Dann erschrak er über sich selbst, als er sich klar machte, was er gerade vorhatte und ließ das Kleidungsstück so rasch wieder fallen, als würde es in Flammen stehen.
Was dachte er sich nur? Er war doch nicht irgendein Perverser!
Er wollte schon einfach so verschwinden, doch dann blickte er noch einmal hinab auf Dereks Kleidung, die noch immer verstreut auf dem Boden des ansonsten so peinlich ordentlichen und sauberen Zimmer lag und er konnte es einfach nicht ertragen. Er hob also alles auf, legte es ordentlich zusammen und platzierte es auch einem Stuhl. Erst dann öffnete er leise die Tür, blickte sich noch ein letztes Mal sehnsuchtsvoll um und verschwand schließlich.
Im Wohnzimmer der Hale/Tate-Familie lagen immer noch schlafend ein paar der gestrigen Partygäste, unter anderem Jackson, mit Lydias Kopf auf seiner Brust und Danny, angelehnt an Ethans Schulter. Letzteres wäre eigentlich ein Foto wert gewesen, doch Stiles war gerade nicht in der Stimmung für solche Späße.
Er blickte sich noch einmal genau um, doch von seinen Freunden war keine Spur mehr. Vermutlich hatten sie angenommen, dass er einfach ohne ein Wort verschwunden sein musste, nachdem er sich bei Derek eingeschlossen hatte und waren dann ohne ihn gegangen. Und Malia lag sicher bereits in ihrem eigenen Bett, entweder allein, aber vielleicht ja auch mit der süßen, kleinen Kira?.
Unten auf der Straße schlug Stiles die kalte Nachtluft entgegen. Ein Blick auf sein Handy zeigte, dass es kurz vor vier am Morgen war. Er stieg in den Jeep und raste über menschenleere Straßen heim.
Als er ins Haus kam, realisierte er, dass sein Vater nicht einfach zu Bett gegangen war, wie er gehofft hatte, sondern offenbar auf dem Sofa eingenickt war, während er auf seinen überfälligen Nachwuchs gewartet hatte.
Verdammt!
Wenn er aber jetzt auf Samtpfoten in sein Zimmer schlich, dann konnte er seinem Dad morgen früh möglicherweise immer noch weismachen, dass es gar nicht so schlimm gewesen sei und er bereits um kurz nach Mitternacht daheim gewesen sei?
Doch daraus wurde leider nichts. Kaum war er an der Wohnzimmertür vorbei, hörte er hinter sich die Stimme seines Vaters:
„Stiles? Wo kommst du denn jetzt erst her? Dieser Ball war doch bereits um zehn zu Ende!"
Noah Stilinski war in T-Shirt, Trainigshose und auf Socken hinter ihm hergetapst und Stiles blieb nichts übrig, als sich zu ihm umzudrehen und sich schleunigst eine Erklärung einfallen zu lassen:
„Derek und Malia haben beschlossen, bei sich zuhause weiterzufeiern! Da bin ich mitgegangen." erklärte er schnell:
„Wie bitte? Ihr habt die ganze Nacht lang gefeiert? Es ist gleich halb fünf am Morgen?" hakte Noah entsetzt nach:
„Nein so war es gar nicht! Es tut mir leid, Dad! Ich hätte anrufen sollen, aber ich bin einfach bei ihnen eingeschlafen. " gab Stiles kleinlaut zu:
„Oh ja, du hättest anrufen sollen! Ich habe mir Sorgen gemacht, Junge! Hast du etwa Alkohol getrunken?" setzte sein Vater nach:
„Zwei Becher Bier!" erwiderte Stiles wahrheitsgemäß und blickte seinen Vater mit großen Augen entschuldigend an, so dass dieser lediglich mit dem Kopf schütteln konnte:
„Dann ist es ja gut, dass du geschlafen hast, ehe du dich wieder ans Steuer gesetzt hast. Und nächstes Mal rufst du mich an, damit ich dich abholen komme! Du darfst nicht fahren, wenn du etwas getrunken hast, verdammt nochmal! Geh jetzt einfach schlafen, Stiles. Wir reden morgen weiter."
Stiles wollte sich bereits umwenden und den Weg ins Schlafzimmer fortsetzen, als sein Vater ihn noch einmal zurückhielt. Er blickte ihn prüfend an und wollte dann wissen:
„Sag' mal, ist alles in Ordnung bei dir, Junge? Du siehst irgendwie so... verändert aus?"
Stiles erschrak innerlich ein wenig. Sein Vater war klug und verfügte über einen großartigen Spürsinn, aber er KONNTE doch nicht allen Ernstes erkennen, dass er seit dieser Nacht keine Jungfrau mehr war, richtig? So etwas sah man einem Menschen schließlich nicht von außen an!
„Nein, alles in Ordnung, Dad. Ich bin bloß müde." erklärte er schnell.
Noahs Blick ruhte noch einen Moment auf seinem Sohn, so als suche er immer noch nach einer zufriedenstellenden Erklärung. Dann sagte er schließlich:
„Vielleicht ist es ja bloß der Anzug? Du siehst gut aus Sohn; irgendwie so erwachsen. Und nun ab ins Bett!"
Stiles nickte beklommen und setzte dann den Weg in sein Zimmer fort.
Eigentlich hätte er wohl duschen sollen, aber er war noch nicht dazu bereit, Dereks Geruch einfach von seiner Haut zu spülen. Er zog sich aus, schlüpfte in seinen Pyjama, schloss die Vorhänge und kaum hatte sein Kopf das Kissen berührt, war er auch schon eingeschlafen.
Er verschlief den halben Samstag und hatte die wildesten, unanständigsten, verwirrendsten feuchten Träume seines ganzen bisherigen Lebens. Beim Erwachen errötete er bei der Erinnerung daran. Es war beinahe so, als habe das, was Derek und er vergangenen Nacht getan hatten eine Tür in Stiles Hirn aufgestoßen habe, hinab in einen sündigen, lüsternen Abgrund.
Er sprang aus dem Bett, riss die Fenster auf, um Luft und Sonnenschein hineinzulassen und marschierte dann augenblicklich ins Bad. Entschlossen trat er in der Dusche unter einen eiskalten Wasserstrahl, denn er konnte seinem Vater, welcher in der Küche bereits an ihrem Mittagessen werkelte, nicht unter die Augen treten, ehe er seine Hormone nicht wieder im Griff hatte.
Noah Stilinski hatte Makkaroni mit Käse fabriziert, das Gericht, welches er am besten beherrschte und Stiles langte zu, als habe er seit einer Woche nichts mehr gegessen, so dass sein Vater nur staunen konnte.
Das fettige, schwere Essen tat gut, denn es holte Stiles endgültig zurück in das Hier und Jetzt.
Das Hier und Jetzt war jedoch auch der Ort, an dem man sich Sorgen um die Zukunft machte und genau das tat Stiles nun. Wie würde es mit Derek und ihm nun weitergehen? Sie konnten doch nun nicht einfach so weitermachen, wie bisher? Das was vergangene Nacht geschehen war musste doch irgendetwas bedeuten, oder etwa nicht? Stiles verbrachte den Rest des Samstags damit sich zu wünschen, dass Derek anrufen möge, damit sie sich aussprechen konnten. Ein paar Mal hatte er auch selbst sein Handy in der Hand und die Versuchung war groß, einfach selbst Kontakt aufzunehmen. Was ihn letztlich davon abhielt war sein Stolz. Er hatte Derek unmissverständlich klargemacht, was er fühlte. Derek hingegen hatte nichts dergleichen getan. Er hatte sich lediglich genommen, was er in diesem Moment gewollt hatte und hatte sich dann eines klärenden Gesprächs durch Schlafen entzogen.
Schach war Stiles Spiel und nun war eben sein König am Zug!
So waren die Regeln!
Am Sonntag hielt Stiles es dann nicht mehr aus, einfach nur auf das dumme Telefon zu warten und er lud Scott zu sich nachhause ein, um eine kleine Playstation-Schlacht um die Ehre auszutragen. Überraschenderweise hatte sein Freund sogar Zeit, denn Allison war mit ihrer Familie über's Wochenende weggefahren; auf einen Jagdausflug, wie Scott berichtete.
Also, manche Familien hatten eigenartige Vorstellungen von Freizeitgestaltung fand Stiles, den es bei dem Gedanken einfach nur schauderte, nur mal eben so zum Spaß Bambis Mutter tot zu schießen.
Das Allison nicht in persona zugegen war, hinderte Scott allerdings nicht daran, ununterbrochen von ihr zu sprechen; darüber wie süß sie sei, was sie gesagt habe, was sie gemeinsam erlebt hätten und so weiter und so fort. Sein bester Freund war also glücklich.
Das war doch fein!
Wirklich ganz toll!
Stiles spürte, dass er ein wenig bitter war. Immerhin war auch er verliebt, doch konnte er nicht einmal darüber sprechen. Und ein Happy End würde es für ihn wohl auch nicht geben.
Wahrscheinlich würde aus ihm selbst eines Tages so ein verbitterter Typ werden, der nächtelang in den schwulen Clubs herumhing, um jemanden abzuschleppen, während Scott die süße, fantastische, bogenschießende Allison heiratete, ein halbes Dutzend Kinder mit ihr bekäme und irgendwann hätten die besten Freunde sich überhaupt nichts mehr zu sagen, weil sie in völlig unterschiedlichen Welten lebten. Und dann wäre er endgültig allein!
„Hey! Was ist denn mit dir los? Du bist ja gar nicht bei der Sache! Deine Figur ist schon wieder tot!" beschwerte sich Scott in Stiles düstere Gedenken hinein.
„Sorry, Mann. Habe nicht gut geschlafen." behauptete Stiles: „Wollen wir Pause machen und uns eine Pizza kommen lassen?"
Scott blickte ihn eingehen an und erkundigte sich schließlich:
„Sag' mal, ist alles okay bei dir? Du kommst mir in letzter Zeit so verändert vor?"
Da hatten sie es: Es ging schon los mit der Entfremdung!
„Alles paletti!" behauptete Stiles und schnappte sich sein Handy, um die Pizza zu bestellen, damit Scott nicht weiter fragte. Er KONNTE seinem Freund einfach nicht sagen, was ihm durch den Kopf ging. Er war noch nicht so weit. Was, wenn Scott es nicht akzeptieren konnte, was er war?
Lieber würde er eine Lüge leben, aber dafür seinen besten Freund behalten.
Irgendwie überlebte Stiles dieses Wochenende auch ohne den ersehnten Anruf von Derek. Er knabberte beim Frühstück lustlos an seinem Toast herum, den sein Vater ihm hingestellt hatte, spülte mit Orangensaft hinterher, nahm dann seine Bücher und machte sich mit einem mulmigen Gefühl im Bauch auf den Weg.
Als er das Schulgebäude betrat, begrüßte ihn ein Anblick, der ihn trotz seiner Anspannung lächeln ließ. Da waren Boyd und Erica und sie standen ganz nah beieinander. Ericas schlanke Hand mit den eleganten, schlanken, langen Fingern lag sicher und geborgen in der großen und kräftigen von Boyd und diese beiden hatten scheinbar bloß noch Augen für einander. Sie waren ganz in ihrem eigenen Kosmos.
Stiles fiel eine wesentliche Veränderung an Erica auf. Sie war zwar nicht wieder zurückgekehrt zu ihrem früheren, zerzausten Selbst, aber sie lief nun auch nicht mehr herum, wie eine Prostituierten-Barbie. Die Highheels hatte sie gegen Stoffturnschuhe eingetaucht. Sie trug eine figurbetonte Jeans und dazu einen bequemen, leichten Pullover in Pastellfarben. Sie sah wirklich hübsch aus.
Ganz kurz gelang es Stiles, Boyds Blick aufzufangen. Er zwinkerte ihm verschwörerisch zu und erntete dafür ein verlegenes Grinsen.
In diesem Moment kam Derek ebenfalls zur Schultür herein. Auch er entdeckte das neue Paar, kniff die Augen zusammen und schenkte den beiden einen finsteren Blick. Dann jedoch erblickte er Stiles und damit schien sein Interesse an dem, was das Mädchen trieb, welches ihn gerade erst abgesägt hatte auch schon wieder verflogen zu sein. Er marschierte geradewegs auf ihn zu, nahm ihn, nicht eben zärtlich beim Arm und fragte:
„Können wir reden? Irgendwo, wo wir ungestört sind?"
Nachdem Stiles genickt hatte, wurde er von Derek auch schon eilends in ein leeres Klassenzimmer gezogen. Wenn er die gleiche Strategie fuhr, wie seine Cousine, dann würde wohl gleich eine Einladung zum Schulball folgen, dachte Stiles sarkastisch, der natürlich bereits ahnte, dass die Unterhaltung, die sie gleich führen würden längst nicht so angenehm sein würde, wie die Einladung zu einem Date.
Und da begann Derek auch schon zu sprechen:
„Du hast doch niemandem erzählt, was Freitag Nacht zwischen uns beiden passiert ist, oder Stiles?"
Der Angesprochene rollte genervt mit den Augen:
„Na sicher doch, Kumpel! Ich habe eine Nachricht an alle meine Freunde geschickt. Und das Video, dass ich währenddessen gedreht habe, ist jetzt schon der Hit auf X-Tube!"
Derek war ein wenig blass geworden und starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Also, diese Sache mit dem Sarkasmus musste er dringend noch kapieren, dachte Stiles kopfschüttelnd bei sich:
„Nein, Derek! Nein, ich habe niemanden erzählt, dass du und ich miteinander geschlafen haben, also entspann' dich wieder, bevor du noch Verstopfung bekommst!"
Derek atmete hörbar auf:
„Gut! Danke Mann! Belassen wir es dabei? Muss ja auch keiner wissen, oder?"
„Was willst du von mir, Derek! Ich muss zum Unterricht." knurrte Stiles, der kein großes Interesse verspürte, dieses Gespräch fortzusetzen:
„Nichts weiter. Ich wollte einfach nur mal so fragen. Und ich schlage vor wir vergessen, was passiert ist, einverstanden?" erwiderte Derek:
„Vergessen, was passiert ist?" fragte Stiles verständnislos: „Du meinst, ich soll mein erstes Mal einfach so vergessen? Sag' mal, spinnst du?"
„Ach komm' schon Stiles! War doch keine große Sache! Ein besoffener Absturz. Ich bin schließlich nicht der erste Mann, der betrunken in der falschen Garage geparkt hat, oder? Ich sag' ja gar nicht, dass es nicht ganz nett war und so, aber es bedeutet doch nichts weiter. Ich war eben ein bisschen durcheinander. Immerhin hatte meine Freundin gerade mit mit Schluss gemacht."
Dereks Worte trafen Stiles wie eine Faust im Magen. Und weil er fand, Derek sollte wissen, wie sich so etwas anfühlte, holte er aus und schlug zu, so fest er konnte, ohne groß darüber nachzudenken.
Derek schien gar nicht zu begreifen, was da gerade passiert war. Er krümmte sich und seine Miene war gleichermaßen schmerzverzerrt, wie erstaunt, als er nun fragend zu Stiles aufblickte:
„Ich bin also nichts weiter als „die falsche Garage" für dich?" brüllte Stiles ihn an: „Du kannst mich mal, du blöder Penner! Du bist so unglaublich dämlich, dass du gar nicht erkennen kannst, wer du in Wirklichkeit bist, was du willst und was gut für dich wäre! Schlaf' ruhig weiter mit Blondinen ohne Selbstachtung und beweis' dir selbst, was für ein Kerl du bist, aber ohne mich! Für mich bist du gestorben! Park' gefälligst woanders, denn ich werde dich mit Sicherheit nie wieder an mich heranlassen. Hast du mich verstanden? NIE WIEDER!"
Am liebsten hätte Stiles Derek in diesem Moment einen Spiegel vorgehalten, damit er sein eigenes Gesicht sehen konnte. Von wegen „keine große Sache"! Mit Genugtuung stellte Stiles fest, dass Derek seine Worte tief trafen und er würde keines davon wieder zurücknehmen, no Sir!
„Wir Zwei sind fertig miteinander!" verkündete er noch, ehe er sich auf dem Absatz umdrehte und verschwand.
Derek sagte nichts mehr; kein einziges Wort.
Stiles hatte einen würdevollen Abgang hingelegt und die Tür des Klassenzimmers mit einem Knall hinter sich zu geworfen, doch kaum war er nun außerhalb von Dereks Sichtweite und auf dem belebten Schulflur, blieb ihm die Luft weg.
Er kannte die Anzeichen: Seine unteren Extremitäten wurden kalt und taub, denn all sein Blut zog sich in seiner Körpermitte zusammen. In seinem Kopf entstand eine eigenartige Leere und ein Gefühl von Fremdheit und all' seine Wahrnehmungen schienen ihm wie durch einen Schleier gedämpft.
Er hatte eine Panikattacke!
Diese Anfälle hatten angefangen, als die Alkoholerkrankung seiner Mutter immer schlimmer wurde und Stiles zu begreifen begann, dass seine Eltern sich früher oder später trennen würden. Damals hatte er zunächst gar nicht gewusst, was mit ihm los war. Er hatte befürchtet, er hätte irgendein schwerwiegendes gesundheitliches Problem, wie einen Hirntumor, oder vielleicht einen Herzinfarkt und er hatte noch größere Angst bekommen. Damals hatte er begonnen, sehr viele Fachbücher über Gesundheit zu lesen und hatte auch das Internet diesbezüglich befragt, um herauszufinden, was mit ihm nicht stimmte.
Auf den Gedanken, sich seinen Eltern anzuvertrauen war er nicht gekommen, weil er ihnen nicht noch mehr Kummer machen wollte. Lieber hatte er still gelitten.
Es hatte beinahe so etwas wie Erleichterung gespürt, als er herausgefunden hatte, dass es lediglich eine Form der Angst war, welche er spürte und nichts woran er sterben würde.
Stiles hatte Scott, welcher sich ihm von der Seite genähert hatte, gar nicht wahrgenommen, bis dieser ihn direkt ansprach:
„Hey Bro! Was ist denn mit dir? Ist alles in Ordnung?" fragte er mit Sorge in der Stimme.
Stiles schüttelte den Kopf:
„Mir geht's nicht so gut. Kannst du Bescheid sagen, dass ich nachhause fahren musste?"
Scott blickte ihn prüfend an und entschied dann:
„Nichts da, Kumpel. Ich schreibe Malia eine Nachricht, damit sie im Schulbüro Bescheid gibt und dann fahre ICH dich nachhause. Ich lasse dich nicht allein fahren."
Stiles wollte widersprechen, doch dazu war er momentan einfach nicht in der Verfassung und so nahm er das Angebot seines Freundes dankbar an.
Scott hatte ihn zuhause abgeliefert und hätte eigentlich noch ein wenig bei ihm bleiben wollen, doch Stiles hatte ihm versichert, dass er klarkommen würde und nun einfach allen sein müsse, doch sein bester Freund hatte es sich nicht ausreden lassen, wenigstens Noah Stilinski eine Nachricht zukommen zu lassen, damit dieser später einmal nach seinem Sohn sehen würde.
Als Stiles Vater zwei Stunden später das Zimmer seines Sohnes betrat, empfing ihn ein unerwarteter Anblick. Auf dem Bett, thronend auf eine Berg aus Decken und Kissen lag, lang ausgestreckt ein sechzig Kilo schwerer Hund, welcher beim Eintreten des Hausherren müde den Kopf hob:
„Hey Backup! Früher hat in diesem Zimmer mein Junge gewohnt. Du hast ihn nicht zufällig gesehen? Etwa so groß, braunes Haar, braune Augen? Du hast ihn doch nicht gefressen, oder?" fragte Noah das Tier:
„Ich bin hier, Dad!" ertönte Stiles gedämpfte Stimme von irgendwo unterhalb von Hund, Decken und Kissen.
Stilinski senior verscheuchte den Hund vom Bett, welcher sein Wachobjekt allerdings nur äußerst widerwillig verließ, hockte sich dann auf die Bettkante und grub den zerzausten, verschwitzen Kopf seines Sohnes aus:
„Hey mein Kleiner! Was ist denn hier los?" fragte er sanft:
„Du hättest nicht kommen müssen Dad. Es ist nichts Schlimmes. Ich hab' wohl ein kleines Virus, oder so?" behauptete Stiles tapfer.
Noah blickte ihn eingehend an und schüttelte dann entschieden den Kopf:
„Komm' schon Stiles! Neuer Versuch: Was ist hier wirklich los?"
Stiles spürte heiße Tränen in sich aufsteigen und er konnte sie in ihrem Lauf auch leider nicht aufhalten:
„Dad, ich.... ich kann nicht darüber sprechen. Es geht einfach nicht!" presste er hervor: „Kann ich nicht einfach mit Backup hier liegen bleiben, bis es mir wieder besser geht? Keine Sorge wegen dem versäumten Schulstoff. Das hole ich schon wieder auf. Versprochen!"
„Darüber mache ich mir nun wirklich keine Sorgen, Sohn. Ich will einfach nur wissen, was dich bedrückt!" antwortete sein Vater sanft. In seiner Stimme lag so viel Liebe und elterliche Sorge, doch das machte es für Stiles nur schlimmer, weil es ihm klar machte, was er alles verlieren würde, wenn er mit der Wahrheit herausrücken würde:
„Dad! Bitte! Ich kann einfach nicht!" flehte er kläglich:
Noah streichelte die Wange seines Sohnes und fragte leise:
„Du kannst mir alles sagen, Stiles. Geht es vielleicht um einen anderen Jungen?"
Stiles Herz setzte einen Schlag lang aus.
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